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Das Wort zum Montag: Reizwörter
von Andreas "Zeromant" Pischner
14.04.2008

Wieder einmal entscheide ich mich aus aktuellem Anlass kurzfristig dafür, über ein anderes Thema zu schreiben als eigentlich geplant: „Das Wort zum Montag" stellt eine in unregelmäßigen Abständen (nämlich je nach Bedarf) erscheinende Kolumne vom mir dar, in der ich mich mit sogenannten „Community Issues" befasse – also mit Themen, die nicht unmittelbar mit Magic zu tun haben, wohl aber mit den Magic-Spielern und der Gemeinschaft, die sie darstellen.

Heute geht es also um Reizwörter, und zwar insbesondere um „Turnierspieler" und „Casual".


„Oh nein!"
„Ist denn dieses Thema immer noch nicht durch?"
„Können wir das Ganze denn nicht endlich gut sein lassen?"



Nun, das ist es ja gerade: Wir können es NICHT! Fakt ist, dass die Magic-Gemeinde jeden noch so nichtigen Anlass aufgreift, um eine mit diesen Schlagwörtern angefüllte hitzige Diskussion erneut vom Zaum zu brechen. Deren Lebenszyklus sieht dabei wie folgt aus:

1. Die Ihr-seid-ja-so-Scheiße!-Phase, in der sich wieder einmal irgendjemand über eine entsprechend bezeichnete Gruppe lauthals beschwert und entsprechend kontra zurückbekommt.

2. Die Warum-haben-wir-uns-nicht-einfach-alle-lieb?-Phase, in der unweigerlich darauf hingewiesen wird, dass doch einfach jeder tun soll, was ihm Spaß macht und den anderen ihr Vergnügen lassen soll.

3. Die Habt-Ihr-eigentlich-nichts-Besseres-zu-tun?-Phase, in der diejenigen Kommentare die Überhand gewinnen, welche darauf hinweisen, wie unwichtig das Thema, welches gerade allgemein die Gemüter erhitzt, in Wirklichkeit doch sei, und in der der Streit wieder abflaut, um ein paar Wochen später mit einer frischen Phase 1 erneut zu beginnen.

So kommen wir aber nicht voran! Die Diskussion endet nie, sie stirbt auch nicht; sie erholt sich immer nur für kurze Zeit, um dann mit frischer Kraft erneut loszulegen. Deswegen leite ich mit meinem Artikel nun die Was-ist-hier-eigentlich-los?-Phase ein. Als ich ihn zu schreiben begann, befanden wir uns alle gerade zu Beginn von Phase 2. Wenn er erscheint, ist dann wohl Phase 3 aktuell – vielleicht nicht der optimale Zeitpunkt für die Veröffentlichung, aber wenn man sich die Zeit nimmt wirklich nachzudenken, bevor man etwas schreibt, dann dauert das eben ein paar Tage. Dummes Zeug ist auf jeden Fall schon genug gelabert (oder auch in Artikelform veröffentlicht) worden – nicht zuletzt weil die wenigsten Leute sich überhaupt Gedanken darum gemacht haben, worüber sie eigentlich genau streiten!

Wer wettert gegen wen, und weswegen?

Heute will ich ein wenig Licht in diese Verwirrung bringen (auch wenn dies keine allzu taugliche Metapher darstellt) und den Schwerpunkt dabei auf die Erläuterung einiger immer wieder verwandter Begriffe legen, über deren Bedeutung sich viele offenbar nicht im Klaren sind, und von dort ausgehend versuchen aufzuzeigen, WER da eigentlich mit WEM WESWEGEN immer wieder aneinandergerät.

-Ein Wort der Warnung
Dieser Text hier ist ernsthaft, sehr lang und möglicherweise nur durch aktives Mitdenken zu verstehen. Damit wird er leider einen großen Teil derjenigen, die er betrifft, nicht erreichen, da diese es vorziehen, zu streiten und zu schwafeln ohne zu denken. Ob Ihr dazu gehört, müsst Ihr selbst entscheiden!

Fangen wir mit den Grundlagen an: Was verstehen wir eigentlich unter einem „Turnier"? Nein, wir greifen jetzt nicht auf Wikipedia zurück. Bei Magic-bezogenen Themen müssen wir unter einem Turnier schlicht eine von der DCI unter dieser Bezeichnung sanktionierte (bzw. auf Magic Online vom Server gestarteten) Veranstaltung verstehen. Laut offizieller Auffassung des Herstellers des Spiels, das wir alle spielen, sind ausschließlich Partien um DCI-Punkte oder MOL-Rating Turnierspiele – ALLES andere ist „Casual". (Das erkennt man auch wunderbar an der Raum-Aufteilung bei Magic Online.)

Hier höre ich aber bereits protestierende Stimmen! Was ist mit von Spielern in Eigenregie veranstalteten Turnieren – seien es solche auf MOL, seien es zum Beispiel die „Highlander Grand Prix" von Frank Topel (wenn es die noch gibt), oder seien es einfach die abends in der Kneipe gezockten Drafts? Nun, die muss man wohl offensichtlich auch als Turniere anerkennen. So weit so gut – aber macht die Teilnahme an einem solchen Turnier denn schon einen „Turnierspieler"?

Jetzt sind wir bei einer noch erheblich problematischeren Vokabel angelangt. Rein technisch ist ein Turnierspieler (nicht den Atem anhalten, bitte)... ein Spieler in einem Turnier. Und zwar ausschließlich, während dieses Turnier andauert! Den größten Teil der Zeit ist er eben KEIN Turnierspieler – möglicherweise aber bei einem anderen Turnier Zuschauer oder Judge.

Ich hoffe, Ihr merkt, dass wir so nicht weiter kommen: Die theoretische Bedeutung des Begriffs „Turnierspieler" ist natürlich nicht annähernd identisch damit, wie dieses Wort in Diskussionen praktisch gebraucht wird! Das merken wir uns erst einmal und kommen später noch einmal darauf zurück.

In der Zwischenzeit sehen wir uns das Wort „Casual" etwas näher an. Nein, nicht im Wörterbuch – wiederum ist nur wichtig, was es im Magic-Bezug bedeutet. Und da gibt es eine glasklare Definition dafür, wenn auch eine negative: „Casual Play" ist per Definition all jenes Magic-Spiel, das KEIN „Tournament Play" ist!

Nun, wir haben ja schon beim Begriff „Turnier" gesehen, dass wir mit der von Wizards of the Coast vorgegebenen Aufteilung in „Tournament Play „ und „Casual Play" nicht glücklich sind. Ärgerlicherweise ist sie aber die einzige, die als allgemeinverbindlich angesehen werden kann, denn sie ist immerhin offiziell! Trotzdem – gerade diejenigen Spieler, die sich zum Beispiel auf Frank Topels Highlander-Turnier intensiv vorbereitet haben, um dort einen geldwerten Preis abzugreifen, werden ihrem Selbstverständnis nach wohl ebenso wie in der allgemeinen Wahrnehmung Turnierspieler sein. Andere Teilnehmer wiederum kommen möglicherweise ausdrücklich zum „Casual"-Zocken dahin! Auch so mancher FNM-Gast wird sich als Casual-Spieler begreifen, obwohl er doch gerade in einem Turnier sitzt. Und intensives, systematisches Playtesting für ein Turnier ist schließlich wohl nur äußerst schwierig als „casual" zu begreifen... andererseits, was ist, wenn man es immer mit seinen Kumpeln in gemütlicher Runde bei Bier und Brezeln macht? Hm.

Die Schwierigkeiten nehmen kein Ende. Die offiziellen Definitionen sind unzulänglich, der tatsächliche Gebrauch der Begriffe unklar und uneinheitlich. (Philipp Summereder hat in seinem Artikel „Phips, der Casual-Spieler" zwar eine einigermaßen schlüssige, soziologisch motivierte Unterscheidung versucht. Die hilft uns aber nicht weiter, weil sie in der Praxis nun einmal nicht so benutzt wird, und sie besitzt auch einige Lücken.) Trotzdem findet man im Netz unzählige Meinungsäußerungen, die mit „Ich bin Casual-Spieler" oder „Ich als Turnierspieler..." beginnen.

Wir müssen also woanders ansetzen, und zwar beim SELBSTVERSTÄNDNIS derjenigen, die sich einer solchen Gruppierung zugehörig fühlen! Dieses ist ja offensichtlich vorhanden. Also, rasch geantwortet: Seid Ihr Turnierspieler oder Casual-Spieler? Na los, nicht lange überlegen?

-Blitz-Umfrage
Turnierspieler
Casual-Spieler







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