miraclegames.de
Community
Geschichten aus der Gruft, Teil 6
Pischner goes to Scrubland
von Andreas "Zeromant" Pischner
11.02.2008

Zu viel Chronologie ist nicht gut für die Verdauung...

_
Kostbarkeiten
_

Aus keinem anderen Grund als dem, dass es immer so herrlich viele sinnlose Kommentare generiert, greife ich hier auf eine kleine Anekdote zurück, welche eine ehemalige Freundin meinerseits betrifft: Es war Anfang 1995 gewesen; ich hatte gerade "ernsthaft" mit Magic begonnen, da hatte ich einen kleinen Streit mit ihr, und in dessen Verlauf griff sie (O-MEIN-GOTT) unbeherrscht nach einigen herumliegenden Karten – und warf sie auf den Boden!

Sofort trat Stille ein. Ich muss sie äußerst schockiert angesehen haben, denn sie blickte ebenso ensetzt in aufdämmernder Erkenntnis, WAS sie da eigentlich getan hatte, zurück.

Ganz, ganz langsam griff ich nach den misshandelten Karten. Zwei von ihnen waren geknickt.

"Das sind zwei Uncommons", sagte ich leise.

Nach einer kurzen Pause erwiderte sie einsichtig: "Ich ersetze sie Dir."

Unser Streit war damit dann auch beendet.

Genaugenommen hat sie sie niemals ersetzt, obwohl es diese Möglichkeit gegeben hätte, denn die Läden in Berlin begannen bereits, Einzelkarten zu führen. Stattdessen schenkte sie mir zwei Booster der selben Edition, was ich natürlich akzeptierte, insbesondere, da es sich eh um "überschüssige" Karten gehandelt hatte (ich besaß damals noch keine echten Tauschkarten, sondern nur solche, die sich in meinen Decks befanden und solche, die das nicht taten, aber hier handelte es sich um einen Stapel mit den über ein Playset hinausgehenden Karten).

Die Edition war übrigens Revised. Die beiden Karten hießen Conservator und Crystal Rod.

Mögen sie in Frieden ruhen!

_
Ice Age-Peinlichkeiten
_

Diese im Rückblick höchst absurde kleine Episode zeigt nicht nur, mit welchem Respekt wir damals noch Uncommons begegneten, sondern legt auch Zeugnis meiner Unfähigkeit ab zu begreifen, dass manche Karten einfach zu nichts nütze waren! Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, dass WotC sinnlos grottenschlechte Karten druckte. Ob Conservator oder Arctic Foxes – sie alle warteten nur auf das richtige Deck.

Vielleicht hat ja der eine oder andere von Euch in meinem Blog von meinen Lorwyn-Block-Common-Decks gelesen (Link)? So etwas hatte ich damals auch mit meinen Ice Age-Commons fabriziert. Ich hatte bemerkt, dass es in Ice Ageein Thema "befreundete Farben helfen einander" gab und folglich fünf entsprechende Decks gebaut.

Dabei mussten diejenigen Karten, welche die Freundschaft zwischen den Farben beschworen, natürlich enthalten sein: Brine Shaman, Norritt, Krovikan Sorcerer & Zuran Enchanter in U/B; Burnt Offering, Soul Burn, Bone Shaman & Orcish Farmer in B/R; Balduvian Shaman, Word of Undoing, Adarkar Unicorn & Arenson's Aura in W/U; Shambling Strider, Tinder Wall, Orcish Lumberjack & Battle Frenzy in R/G; Dire Wolves, Essence Filter, Elvish Healer & Kelsinko Ranger in G/W.

Immerhin gelangte ich zu der Einsicht, dass es genügte, nur eine Kopie mancher dieser Karten zu verwenden, aber trotzdem bekam ich im Ergebnis Decks, die ungefähr so viel Spaß zu spielen machten, wie Volleyball auf Stühlen sitzend. Dabei hatten Rot, Grün und Schwarz wenigstens Kreaturen. Blau hatte Illusionary Forces. Und Weiß hatte Adarkar Unicorn. Ansonsten bemühte ich mich, Balduvian Shaman mit Schutzkreisen zu kombinieren (denn dazu war er ja offensichtlich gedacht) und mit Armor of Faith aus Kjeldoran Skyknight ein kreaturenähnliches Objekt zu machen, denn so konnte ich vielleicht irgendwann einmal ausnutzen, dass Word of Undoing ein besseres Unsummon war...

Anders ausgedrückt, ich musste eine gewaltige intellektuelle Trägheit überwinden, bis ich endlich zu der Erkenntnis gelangte, dass viele Magic-Karten EINFACH SCH*** WAREN!

Ice Age haben manche Leute immer noch in viel zu guter Erinnerung, weil es ein paar starke Karten wie Necropotence und Demonic Consultation enthielt. Wer aber jemals versucht hat, mit den blauen und weißen Commons daraus etwas anderes zu tun als Mind Magic zu spielen oder sie als Proxies zu benutzen, der wird vielleicht verstehen, warum ich an dieses Set mit ähnlichen Gefühlen zurückdenke wie an eine verstopfte Bahnhofstoilette...

_
Necro und Mau-mau
_

Nichtsdestotrotz begann mit Ice Age die Zeit, in der ich in "Typ 2" hereinschnupperte. In dem Studentenwohnheim, in dem ich vorübergehend lebte, hatte eine irische Studentin zur Zeit Besuch von ihrem Freund, Tadhg O'Higgins. Dieser verbrachte vermutlich mehr Zeit mit mir (beim Magic-Spielen, Gerwald!) als mit ihr (und sie, wie sich dann heraus stellte, verbrachte mehr Zeit mit einem tunesischen Studenten als mit ihm) und wir probierten ganz, ganz viele Deckkonzepte aus. Witzigerweise kannte er dieses Spiel zwar, hatte aber in Dublin noch niemanden gefunden, der es mit ihm spielte. Einmal fragte er mich angesichts eines 4th Edition Desert Twister ("Destroy target permanent") "Isn't that supposed to read _permanently_"?

"No, this is a noun", antwortete ich, stolz dass ich diesen grammatikalischen Begriff auf Englisch kannte und führte ihn in die Grundlagen der Magic-Terminologie ein. Bald darauf befand er sich regeltechnisch auf meinem Level. Muttersprachlichkeit hilft eben doch!

Ca. ein Jahr später, zu jener Zeit, als alle Welt Necropotence-Decks spielte, saß ich mit Tadhg, der noch einmal Berlin besuchte, eines Abends vor einem kleinen Burg-Turnier am Couchtisch und versuchte, diese Strategie zu verbessern. In dieser Dummheit war ich federführend: Necro als monoschwarzes Deck besaß eine gewisse Anfälligkeit gegen bestimmte Karten, insbesondere Karma, und dieser Anfälligkeit wollte ich begegnen, indem ich eine Farbe splashte. Erster Kandidat war natürlich Weiß, denn Weiß bot Disenchant und Swords to Plowshares (sense a theme here?). Ärgerlicherweise hätte ich dann aber City of Brass nutzen müssen, und obgleich ich begriffen hatte, dass das Manafixing der City ihren Schaden natürlich wert war, war mir doch immerhin schon klar, wie unsynergetisch sie in einem Necro-Deck war, welches in einem langen Spiel immer wieder sein gesamtes Mana ausnutzen und gleichzeitig seine Lebenspunkte in Karten umwandeln wollte. Deswegen beschloss ich, ausnahmsweise einmal auf meine geliebte weiße Utility zu verzichten, auch wenn mir auffiel, dass Healing Salve in einem Necrodeck einen Ancestral Recall darstellte! (Wenn man ihn nicht via City spielte, heißt das natürlich.)

Sattdessen war Blau der Kandidat, denn Underground River musste ich ja nur ein-, zweimal für Schaden tappen. Vier davon, zwei Island – fertig war der Splash! Im Sideboard konnte ich nun Hydroblast, Sleight of Mind und Magical Hack unterbringen, und im Hauptdeck ergriff ich die Gelegenheit, zwei überraschende Power Sink einzubauen, mit denen ich Schlüsselsprüche des Gegners countern wollte.

Wir testeten – naja, SPIELTEN – das Deck ein wenig und waren zufrieden. Dabei sah Tadhg zum ersten Mal eine Demonic Consultation in Aktion: Nachdem ich die ersten sechs Karten beiseite gelegt hatte, meinte er erstaunt: "That is a heck of a card!" Nachdem ich mir dann über dreißig Karten weggemühlt hatte, ohne mich allzu sehr zu sorgen, wurde daraus geradezu religiöse Ehrfurcht: "That is a HECK of a card!!!" Obwohl uns beiden klar war, dass ich mit dem Rest meines Deck, nachdem ich gerade für ein Mana getutored hatte, locker gewinnen würde, nahm er doch den "Preis" dieser Konsultation auf einer Ebene wahr, die Mark Rosewater als "visceral" bezeichnen würde.

Bei diesem Turnier schnitten wir beide dann mit identischen Decks ordentlich, aber unspektakulär ab. Wenn ich mich recht entsinne, verloren wir beide (es war K.O.-System) gegen monoschwarze Necro-Decks, Tadhg dabei gegen Stefan Funke. Die dazu gehörige Lektion begriff ich erst viel später, und sie lautete nur teilweise "Necro ohne Painlands ist stärker als Necro mit random Splash!" Sie lautete: Wenn man mit seiner Strategie auf Problemkarten stößt, dann sollte man nicht als Erstes damit beginnen, an einem ansonsten starken Deck herumzubasteln, sondern zunächst einmal lernen, dieses Deck wirklich gut zu spielen! Anstatt mein Deck vor lauter Panik zu verschlimmbessern, damit es mir die trügerische Sicherheit gab, auf alles eine Antwort zu haben (ein Konzept, von dem ich mich lange nicht lösen konnte), hätte ich lieber damit üben sollen.

Außerdem musste man bereit sein zu akzeptieren, dass man bei Magic eben ab und zu verlor – basta! Sicherlich fühlt es sich besser an, wenn man sagen kann: "Ich habe aber Karte X im Deck, und wenn ich die gezogen hätte, hätte ich nicht gegen Karte Y verloren." Letztlich geht es aber darum, wie oft man mit seinem Deck gewinnt, und nicht darum, ob man eine Karte X nicht im Deck oder nur nicht gezogen hat, denn ohne Karte X (und die Karten U, V & W die man zusätzlich hat, damit man Karte X spielen kann) gelangt das eigene Deck vielleicht seltener in Situationen, in denen es diese Karte überhaupt braucht!

Damals aber versuchte ich, allen Schwierigkeiten über den Deckbau zu begegnen, auf der Suche nach dem ultimativen, unbesiegbaren Deck – das hielt noch eine Zeit lang an, und ich werde gleich noch einmal darauf zu sprechen kommen.

Übrigens: Vor langer, langer Zeit habe ich in einem Artikel hier mal die Mau-Mau-Variante erwähnt, die Tadhg und ich uns ausgedacht haben (mal sehen, wie gut Tobi beim Durchsuchen des PlanetMTG-"Archivs" ist! [Gr%&oo§aargh! – TobiH]), und es gab einige Anfragen, wie genau diese denn nun ausgesehen häte, die ich leider nie beantwortet habe. Nun, wie das Original damals exakt aussah, weiß ich nicht mehr, aber wenn Ihr "pischner " und "mau mau" bei Google eingebt (oder, für unsere googlenden Personalchefs: "pischner", "dealing" und "mistake"...), dann ist ein ausführlicher (und ganz eindeutig von Magic-Terminologie beeinflusster) Artikel von Tadhg darüber der erste Eintrag.

_
Pischner tritt auf der Stelle
_

So sahen also meine Deckbaukünste zu Ice Age-Zeiten aus, und ein Jahr später, mit Mirage und Visions, hatte ich noch nicht wirklich Fortschritte gemacht. Damals gab es zum ersten Mal Regionals in Deutschland, und nicht nur das: Man musste sich dafür qualifizieren! Im Bereich Berlin-Brandenburg fand eine gewisse Anzahl Turniere statt. An mindestens einem davon musste man teilnehmen. Aus dem durchschnittlichen Abschneiden wurde dann eine Rangliste erstellt, und die besten x Spieler durften an den Regionalmeisterschaften teilnehmen. Ich weiß nicht mehr, wie groß x war, aber ich erinnere mich, dass es mehr als die Hälfte aller Teilnehmer der Qualifikationsturniere schafften... Vielleicht lag es daran, dass diese Turniere ein nicht unerhebliches Eintrittsgeld kosteten (10 DM, glaube ich), aber die Entwickler dieses Konzeptes scheinen das Interesse der Spielerschaft doch ein wenig überschätzt zu haben.

Jedenfalls hatte ich eine neue, brilliante Deckidee: Ich spielte ganz viele Kreaturen, die mein Gegner nicht töten konnte – naja, jedenfalls nicht anzielen. Deadly Insect und Jolrael's Centaur bildeten das Grundgerüst, mit ein paar Autumn Willow dazu. Ich denke, ich habe möglicherweise auch Wildfire Emissary als Shroud-Kreatur ehrenhalber integriert, denn was weder Swords to Plowshares noch Lightning Bolt umbringen konnten, entsprach meinem Standard. Andererseits bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich um diese grandiose Idee ein R/G oder ein G/W gebaut hatte – ich erinnere mich an beides, aber da geht wieder einmal irgendetwas durcheinander, fürchte ich; ich bin mir ziemlich sicher, dass ich kein dreifarbiges Deck hatte. In jedem Fall benutzte ich ganz viele Diamanten, um Winter Orb und Armageddon zu begegnen, welche damals omnipräsent waren.

Das erste Qualifikationsturnier fand irgendwo "draußen" statt – ich weiß nur noch, dass es weit genug weg war, dass man als Westberliner dort mit dem Auto hinfuhr, also entweder in Brandenburg oder im tiefen Osten unserer wiedervereinigten Stadt. (Damals befand sich die Magic-Szene nämlich beinahe ausschließlich im Westteil – wie sehr sich das doch geändert hat! Heute ist es beinahe umgekehrt.) Nach drei Runden stand ich 3:0 gegen irgendwelche randoms und war stolz auf mich und mein Deck. Frank Schacherer, mit dem ich gefahren war, stand schlechter – 1:1:1, glaube ich – und meinte in einer Raucherpause (er rauchte, nicht ich) zu mir: "Tja, Pischner: I SUCK!"

Dann verlor ich die nächsten beiden Runden gegen irgendwelche randoms und rettete mich zum Abschluss noch auf ein 4:2 mit einem Sieg gegen den Patriarchen der Sander-Familie. (Wer erinnert sich noch an dieses Senftenberger "Familienunternehmen" mit Vater, Mutter und Sohn, das am Wochenende immer bei Turnieren auftauchte?) Frank stand 5:1:1, hatte mich also noch überholt. Ich war unzufrieden und der Ansicht, dass mein Deck irgendwie underperformed hätte. Deswegen, obwohl ein 4:2 für die Qualifikation gewiss reichte, beschloss ich, noch ein weiteres Turnier zu spielen. Ich konnte doch wohl besser als 4:2 abschneiden, ganz besonders in Brandenburg!

Nun, das nächste Turnier schloss ich 2:4:1 ab. Merkwürdigerweise besitze ich nicht mehr die kleinste Erinnerung an das Turnier selbst, nur an die Frustration danach und die aufdämmernde Einsicht, dass ich vielleicht nicht ganz so ein guter Spieler war, wie ich dachte... Mein kombinierter Score war jetzt 6:6:1 – ganz groß! Nichtsdestotrotz war nach einer Veröffentlichung des Zwischenstandes bereits abzusehen, dass selbst das bereits zur Qualifikation genügen würde, und weil ich die Schnauze einfach voll hatte, beschloss ich, diese Qualifikation nicht durch Spielen eines weiteren Turniers zu riskieren. Was genau ich auf diesen Regionals eigentlich wollte, wenn ich mir nicht einmal zutraute, bei der Qualifikation dafür einen ausgeglichenen Score zu halten, ist allerdings eine gute Frage!

Das nächste Turnier war dann laut meiner Ratings-History jenes, in dem ich in der ersten Runde mal wieder auf Thommy traf, genau wie bereits beim PTQ, und es müssen daher wohl die Regionals gewesen sein. Ich hatte nicht wirklich Lust, gleich gegen einen Kumpel zu spielen, hatte noch nicht gefrühstückt und kein Vertrauen in mein Deck, also bot ich ihm einen Draw an. Er nahm an und wir gingen frühstücken. Am Ende des Turniers stand ich dann 2:2:2 und zu meiner Schande muss ich sagen: Ich war nicht einmal unzufrieden! So tief war ich in meiner Selbsteinschätzung unterdessen also bereits gesunken...

Es sollte aber noch schlimmer kommen: Bei zwei kleinen Ladenturniern spielte ich 1 zu 2 und 2 zu 2, was mein ursprünglich sehr akzeptables Rating langsam der 1600-Marke gefährlich nahe kommen ließ. Dabei habe ich ein Spiel gegen Dirk Hein als sehr merkwürdig in Erinnerung, in dem er mit Monoschwarz gegen mein rotes Deck, als ich noch auf 20 Leben war, aus der leeren Hand eine Forsaken Wastes ausspielte und danach dann in ca. 5 Runden 3 Drain Life topdeckte, während ich weder einen X-Spruch, noch einen Thundermare zog, um ihm den letzten Schaden zu machen (denn er bekam ja wegen seiner Wastes kein Leben). Ich war damals völlig verblüfft, wie er so gut ziehen konnte und vor allem, wieso er in diesem Matchup die Wastes überhaupt gelegt hatte... Im Nachhinein interpretiere ich dieses Spiel natürlich etwas anders, aber meine Erinnerung daran ist äußerst verschwommen. Vielleicht meldet sich ja Dirk auch, so wie es Jacques getan hat, mit einer play-by-play-exakten Erinnerung daran, die haarklein belegt, wie alles mit rechten Dingen zugegangen ist?

_
Pischner im
Rückwärtsgang

_

Und dann war da jener PTQ in Hannover. Das Format war Mirage-Block-Constructed. Er markierte das erste Mal, dass ich zum Magic-Spielen aus Berlin-Brandenburg herausfuhr. Ich weiß noch, wie mein Noch-Nicht-Teamkollege Martin Lüdecke mich damals mit leichtem Unglauben fragte, ob ich jetzt auch "richtig ernsthaft" Turniere spielen wollte, was ich bejahte.

Ich bemühte mich zu jener Zeit um eine Aufnahme ins Team Istari. Als Fürsprecher hatte ich Frank und vor allem Daniel, den ich mit meinem Regelwissen und einigen Deckbauideen überzeugt hatte (zum Beispiel hatte ich damals die Idee gehabt, Wall of Roots zu spielen, was vorher in Berlin noch nicht üblich gewesen war). Martin war ein wenig skeptisch – er stellte sich nach eigener Aussage als weitere Teammitglieder solche vor, die bereits gut waren und nicht solche, die es erst werden wollten.

Jenes Turnier in Hannover jedenfalls trug gewiss nichts dazu bei, ihn zu überzeugen! Als das dominante Deck jenes Formats galt damals (in Berlin zumindest) Ertaitog – ein Deck, welches Ertai's Familiar nutzte, um mit Barrow Ghoul, Circling Vultures und Necratog, sowie einem Kreaturen-Anteil von ca. 60% den Gegner zu überrennen. Für damalige Verhältnisse galt es als ultraschnell.



Pischner ging dieses Metagame wieder einmal theoretisch an und versuchte, es über den Deckbau zu lösen. Es war also ein Deck gesucht, welches Ertaitog schlug? Nun, ich packte am Abend zuvor allerlei Karten zusammen, die gut dagegen waren und landete bei einer – wenn ich mich recht entsinne, rot-grünen – Monstrosität, die es tatsächlich recht zuverlässig besiegte.

Dann kam das Turnier – es fand übrigens in der legendären "DRK-Fahrzeughalle" statt, also in einer nach einer Seite hin offenen Garage, in der lauter Großfahrzeuge herumstanden und es nach Benzin roch – und ich stellte überrascht fest, dass keineswegs jeder Ertaitog spielte! Hatten die Leute denn das Memo nicht bekommen, dass es das stärkste Deck war? Offensichtlich nicht. Einige hatten jedoch auch, ebenso wie ich, ein Deck gefunden, welches es schlug.

Einer davon war Christian Dreher, dem ich gleich in der ersten Runde begegnete. Ich erinnere mich, dass er, obgleich Doomie, mir gegenüber an jenem Tag sehr zivilisiert auftrat. Ich erinnere mich weiterhin, dass er mich mit einem monoschwarzen Deck (featuring Urborg Stalker und Urborg Justice) verprügelte, welches die Doomies gegen Ertaitog getestet hatten.

Ich beendete jenes Turnier mit 2:5, darunter mit einem Sieg gegen das einzige Ertaitog, dem ich begegnete, sowie ganz am Schluss gegen ein wirklich nicht ernst zu nehmendes Machwerk mit Aboroth. Danach besaß ich dann ein Standard-Rating von 1592 und fühlte mich als der Scrub, der ich auch war.

Merkwürdigerweise, das stelle ich gerade fest, ist aus meiner Ratings-History ein PTQ verschwunden! Wo er stattfand, weiß ich nicht mehr ganz genau – Dortmund? – aber ich bin mir absolut sicher, dass es ebenfalls ein Mirage-Visions-Weatherlight-Constructed-PTQ gewesen sein muss, in der selben Saison. Ich hatte den Versuch aufgegeben, ein eigenes Deck zu entwickeln, und spielte eine Ertaitog-Variante, mit der ich auch nicht ganz katastrophal abschnitt (4:3 oder 3:4 etwas in dem Dreh). Dabei gewann ich in der ersten Runde ein Mirror, weil ich Circling Vultures spielte und mein Gegner nicht, und diese Flieger die Partie entschieden. Des Weiteren spielte ich in einer späten Runde gegen einen (ob seines mäßigen Scores, vermutlich) schlecht gelaunten Kai Budde, den damals noch niemand kannte (es war vor seinen GP-Erfolgen) und spielte eine der schlechtesten Magic-Partien meines Lebens – ich vergaß mehrfach Upkeeps zu bezahlen und so, auweia! Erstaunlicherweise passierte das gleiche Jahre später, als ich das zweite Mal Kai gegenüber saß (und das einzige Feature Match meiner Karriere bekam) wieder: Der ansonsten vielleicht nicht taktisch inspiriert, aber fehlerfrei spielende Pischner leistete sich eine Dämlichkeit nach der anderen und blamierte sich total. Der beste Spieler der Welt muss mich für einen totalen Trottel gehalten haben! Dabei brachte ich nur gegen ihn immer 10% meiner normalen Leistung. Tja, die Kai-Aura war wohl schuld...

_
Hell hath no fury...
_

Bei jenem verlorengegangenen PTQ spielte übrigens auch eine gewisse Ulrike Haustein mit, die damalige Freundin und spätere Frau von Mario von Leeuwen. Sie droppte nach einigen Niederlagen früh und zeigte mir zwischen den Runden ihr Deck. Es war ein Kombo-Deck, aber NICHT Prosperbloom (welches meines Wissens im Block gerade durch das Banning von Squandered Resources entschärft worden war, auch wenn Christian Dreher in Nürnberg noch einmal einen PTQ mit einer Variante, die Lotus Vale und Emerald Charm nutzte, gewann), sondern irgendeine andere, höchst merkwürdige Konstruktion, die nicht vor Runde sechs gewinnen konnte, kaum Removal spielte und leicht zu disrupten war.

Ich war alles andere als überzeugt von diesem Deck und sagte das auch. Sie meinte, es sei eigentlich ziemlich gut. Ich antwortete, dass man doch mit einem simplen Kreaturendeck dagegen gewönne! Sie widersprach. Ich ging dann eine Wette mit ihr ein: Ich würde mir aus einem Starter und drei Boostern ein Sealed Deck bauen und damit gegen sie spielen – meiner Ansicht nach würde ich selbst damit gegen sie gewinnen, weil sie einfach nichts gegen einen Kreaturenansturm machte!

Wir wollten nach Beendigung des Main Events spielen. Als es dann aber soweit war, machte sie einen Rückzieher.

Als ich ca. ein Jahr später in New York meine Level-3-Prüfung mit fliegenden Fahnen bestand und meine Ernennung zum Level-3-Judge nur noch hätte Formsache sein sollen (denn damals gab jener Test eigentlich den alleinigen Ausschlag), bestand die deutsche DCI (ja, so etwas gab es damals!) darauf, dass ich noch einmal unter Aufsicht ein großes Turnier judgen sollte, bevor es wirklich so weit war. Wie gesagt, das war damals keine übliche Praxis (wenn auch natürlich sinnvoll), und da ich schon recht häufig mit Mario und Mathias zusammen gearbeitet hatte, wunderte ich mich darüber. Nun, ich half in jenem Jahr bei der DM zu judgen und bekam danach meinen Level 3, aber später habe ich Gerüchte gehört, dass die gute Ulrike wegen jenes Zwischenfalls so viel über mich erzählt hätte, dass meine Ernennung sich deswegen verzögerte...

Diese Zeit, in der ich sowohl ein guter Judge als auch ein guter Spieler war, liegt aber noch in der erzählerischen Zukunft (und leider noch viel weiter in der tatsächlichen Vergangenheit). Meine Magic-Karriere befand sich stattdessen zu jener Zeit auf einem absoluten Tiefpunkt.

Jedoch gab es glücklicherweise auch eine gegensätzliche Entwicklung, und sie fand im Limited statt! Insbesondere begann sie mit jener deutschen Städtemeisterschaft, von der ich Euch nächstes Mal nun aber wirklich berichte... Oder sollte ich nicht? Ich meine, wird es nicht langsam schade um diesen Running Gag?

Nee, Scherz beiseite – nächstes Mal sollte sie aber nun wirklich fällig sein!




Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Andreas Pischner

[11.04.2023]Aus den Archiven: R.I.P., Damage on the Stack
[09.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (5/5)
[05.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (4/5)
[02.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (3/5)
[28.09.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (2/5)


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite