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Ein PTQ am anderen Ende der Welt
von Jens Strohäker
06.01.2008

Die wenigsten von euch werden es wahrscheinlich wissen, aber eine der Voraussetzungen für einen Level-3-Schiedsrichter ist es, an einem beliebigen Ort der Erde mit einem beliebigen Team einen PTQ leiten und durchführen zu können.

Daher kam mir diese Herausforderung gerade recht, nachdem ich am Samstagmorgen der Weltmeisterschaft bei der Sideevent-Stage, pardon „Public Events Stage“ (Zitat eines Legions-Event-Mitarbeiters: „We don't call them Side Events because we don't want the players to feel less important to us.“) eingetroffen war und erfahren hatte, dass ich den Pro Tour Qualifier für Kuala Lumpur headjudgen würde.

Bis zu diesem Morgen hatte ich zwei Tage lang im Main Event gearbeitet. Am ersten Tag im Deckcheck-Team, welches so wenige wirklich interessanten Ereignisse umfasste, wie das Logistics-Team, in dem ich am zweiten Tag mitwirkte.

Generell sind Sideevents eher verschmäht beim Großteil der Schiedsrichtergemeinde, weil sich viele, gerade unerfahrene Schiedsrichter abgeschoben fühlen. Mir ging es persönlich nicht anders, als ich bei meinem ersten Grand Prix in Leipzig noch während Tag 1 zu den 8-Mann-Drafts abkommandiert wurde. Was allerdings dazu gereicht hat, meine Meinung zu ändern, war die Tatsache, dass, wenn man sich engagiert und um größere Events bemüht, man in der Regel diese auch bekommt. Aber es gibt noch mehr Gründe dafür, Sideevents zu favorisieren.

Der wichtigste ist meines Erachtens immer noch die Herausforderung, die dahinter steckt. Bei einem 200-Mann-PTQ, den man in so einer Größe in Deutschland nur selten hat, in dem teilweise mehr als zwanzig verschiedene Nationalitäten wie auch Bräuche aufeinandertreffen und bei dem man oft nur einen geringeren Prozentsatz der Schiedsrichter kennt, kann einfach alles Mögliche schiefgehen. Dazu aber später mehr.

Scott Marshall konnte mir allerdings noch einen fundierten Grund nennen, warum er es bevorzugt, keine 8-Mann-Events zu judgen. Frei übersetzt klingt das dann so: „Was mich am allermeisten stört an Sideevent-Drafts ist die Tatsache, dass es für den Schiedsrichter nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Man ist nahezu gezwungen die Augen vor Dingen zu verschließen, vor denen man sie eigentlich nicht verschließen möchte.“

Was er damit meint, dürfte den meisten klar sein, die schon eimal einen Sideevent-Draft gespielt haben. Es ist für einen Schiedsrichter unmöglich, zwischen zehn und zwanzig Events gleichzeitig zu betreuen, dabei jeden einzelnen Draft auf Peeking und Kommunikationsversuche zu überwachen und dann beim Deckbau noch darauf zu achten, dass niemand „Best of Binder“ spielt, also Karten aus dem eigenen Ordner ins Draftdeck einbaut.

Als ich dann morgens um 8:30 Uhr noch etwas verschlafen an der Site ankam, Schiedsrichter haben während solcher Events eher wenig Schlaf – in meinem Fall waren das immerhin noch gute sechs Stunden – erfuhr ich, dass es etwa 200 Leute werden würden. Dies ist im Vergleich zu den PTQs in Paris letztes Jahr ein Witz und das kam uns sehr gelegen, da zu diesem Zeitpunkt noch nichts vorbereitet war. Der Staff bestand neben mir überwiegend aus amerikanischen Local und Area Judges aus eher abgelegenen Regionen, sowie einem Regional Judge aus Arizona, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand.
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit dem Handling des Mikrofons ging es dann auch endlich los für die – genau gezählt – 195 Spieler aus aller Welt.

Und als allererstes musste ich lernen, dass nichts selbstverständlich ist.

Was jetzt schon schief gehen kann fragt ihr euch? Nun ja, scheinbar ist es nicht überall üblich, dass man, nachdem man seinen Pool registriert hat, auf seinem Hosenboden sitzen bleibt und die paar Minuten bis zum Deckbau abwartet. Da ich dies allerdings nicht explizit erwähnt und noch viel weniger Lust hatte allen, die zu spät zum Deckbau erscheinen, ein Tardiness Gameloss oder Extrazeit zu geben, machte ich die Spieler mehrere Male darauf aufmerksam, wann sie denn wieder in ihrem Sitz zu sein hatten. „Tardiness will not be tolerated“ wurde daraufhin zum Running Gag unter den Legions-Event-Leuten. Was an der Aussage so lustig war, weiß ich nicht.

Dieser PTQ wäre jedoch nicht dieser PTQ, wenn dies schon das einzige Problem gewesen wäre, was während des Deckbaus aufkam. Einige Minuten vor dessen Ende machte mich einer meiner Schiedsrichter auf einen Spieler aufmerksam, der doch tatsächlich hinter einem anderen stand und ihm Instruktionen zum Deckbau gab. Bezeichnenderweise stand er da noch immer, als ich an den Tisch kam und auf die Frage, ob er gerade Informationen zum Deckbau gebe, antwortete er ehrlich mit „Ja“. Eine Lüge hätte seinen Fall sicher verschlimmert, denn ich wusste ja bereits von Edwin, worum es ging. Der Spieler, der die Informationen erhalten hatte, gab dies ebenfalls zu. Beide sagten, sie hätten schon mehrere Sealed-PTQs gespielt, wüssten aber nichts von dieser Regel. Leider schützt Unwissenheit vor Strafe nicht und so waren, schon bevor die eigentlichen Swiss Runden angefangen hatten, nur noch 193 Spieler im Turnier.

Was mich allerdings heute noch beschäftigt ist die Frage, ob sie mir über ihre Erfahrungen mit Sealed-Turnieren ein Märchen erzählt haben oder ob es tatsächlich Orte gibt, an denen Cheating – Outside Assistance nicht so strikt bestraft wird.

Falls sich jetzt einer fragt, was geschehen wäre, wenn wir von 129 auf 127 zurückgefallen wären, passiert laut Andy Heckt übrigens das Folgende: Sollten durch Disqualifikationen Spieleranzahlen in eine Kategorie mit geringerer Rundenanzahl zurückfallen, ist diese durch den Headjudge anzupassen. (In einem solchen Fall also theoretisch statt acht Runden für 129 Spieler sieben Runden für 127.)

Während meine Kollegen in Runde 1 fleißig Decklisten zählten, gab es beim ersten Judgecall des Tages dann leider ebenso das erste Gameloss des Tages. Ein Spieler spielte Warren Pilferers, nahm einen Goblin aus seinem Friedhof auf die Hand und zog eine Karte. Zwar gab es die Möglichkeit, mit dem Goblin eine Verbindung zu etwa Karten wie Surge of Thoughtweft, Giant's Ire oder Rootgrapple herzustellen – dennoch war dies ein sehr eindeutiges Drawing Extra Cards. Denn dem Spieler war ja nun nicht erlaubt gewesen eine Karte zu ziehen und das Ausnutzungspotenzial ist bei Drawing Extra Cards halt doch sehr hoch.

Nicht ganz so eindeutig war das zweite Gameloss dieses Tages. Ich hätte es gar nicht erst bemerkt, da einer meiner Schiedsrichter es nach gutem Gewissen und ohne Rücksprache mit mir gegeben hatte und mir eigentlich nur der vollgeschriebene Ergebniszettel aufgefallen war. An und für sich werden Gamelosses, die nicht für Tardiness oder Deckprobleme gegeben werden, durch den HJ gegeben oder zumindest von ihm abgesichert. Dieses Gameloss wurde ebenfalls für das Ziehen von Extrakarten gegeben, allerdings in einem weniger offensichtlicheren Fall:

Spieler A hatte eine Kreatur im Spiel, die einen der Harbinger beschütze. Am Ende von Spieler Bs Runde segnete der Changeling das Zeitliche und brachte somit den Harbinger zurück. Spieler A nahm seine Bibliothek und suchte sich eine Kreatur, welche er dann aber in die Hand nahm, nachdem er sie vorgezeigt hatte. Im Folgenden enttappte er und zog eine Karte. Nur war dies eben nicht die gesuchte Kreatur, sondern eine weitere Karte. Die Frage war: Fällt dies unter die Definition von Drawing Extra Cards. Offensichtlich hatte der Spieler eine Karte mehr auf der Hand als er hätte haben sollte. Allerdings war dies aus einer vorangegangenen Game Rule Violation resultiert. Er hatte nämlich den Trigger des Harbingers nicht korrekt ausgeführt, sondern die Karte in die Hand genommen anstatt sie auf die Bibliothek zu legen.

Ein ähnliches Beispiel wäre, wenn euch jemand mit einer Ohran Viper angreift, die gerade eben erst ins Spiel gekommen ist. Fällt erst nach dem Draw der Karte auf, dass die Viper gar keine Eile hatte, so sollte nur die Game Rule Violation für das Angreifen gegeben und bestraft werden, nicht aber der daraus resultierende Card Draw. Ach und bevor einer jetzt schreit. Ja, ich weiß, dass es sehr viele Spieler gibt, die für so etwas schon gegamelossed wurden, auch bei meinem letzten Nationals Qualifier.

Persönlich bin ich mir des Ganzen noch immer nicht sicher. Schlussendlich ging für mich der Gameloss aber aus dem Grund in Ordnung, dass der schnelle Spielablauf und die Shortcuts wohl Spieler B wenig Gelegenheit gegeben hatten, den Fehler von A zu bemerken.

Hätte er sie jedoch nicht vorgezeigt wäre es wie bei Dark Confidant ein „Failure to Reveal“–Gameloss gewesen. Also ein Spielverlust, der daraus resultiert, dass ein Spieler eine Karte, die er eigentlich hätte vorzeigen müssen, nicht gezeigt hat. Zeigt man die gesuchte Karte nicht und zieht sie dann später, kann der Gegner nicht nachvollziehen, ob die gesuchte Karte die vorgeschriebenen Charakteristiken, im Fall der Harbinger den richtigen Kreaturentypen, hatte. Dieses Failure to Reveal ist noch relativ neu. Ganz gut erklären lässt es sich damit, dass früher Schiedsrichter angehalten waren, Strafen für Vergehen in versteckten Zonen härter zu bestrafen als Vergehen, die in öffentlich einsehbaren Zonen stattfanden, da der Gegner ja keine Informationen über die versteckte Zone erhält und somit den korrekten Spielablauf nicht überprüfen kann. Diese Vergehen wurden in der Regel durch das Höherstufung der Strafe, die eigentlich vorgesehen war, gehandhabt.
Zudem deckt diese Strafe auch noch Dinge ab wie das Vergessen eine Morphkreatur am Ende des Spiels aufzudecken, weil der Gegner ja nicht weiß, ob nicht irgendeine Karte einfach als Morph gespielt wurde. Doch zurück zur Handlung.

So ging die erste Runde zu Ende. Von hier an werde ich versuchen weitestgehend den Rundenbezug wegzulassen, da die Orientierung daran eher unwichtig zu sein scheint und ich zugegebenermaßen auf meinen überfüllten Notizzettel keine Zeitangaben geschrieben habe.

Zum Glück fehlte wider Erwarten beim Check keine der Decklisten. „Wider Erwarten“ liegt in diesem Fall daran, dass der DCI-Reporter alle registrierten Spieler aufsteigend zählt, bei Löschung eines Spielers vor Beginn des Turniers aber die Nummern nicht angepasst werden. So dachte mein Decklistenteam, ihm würden vier Decklisten fehlen, da die höchste Nummer auf der Spielerliste die 197 war. Da aber zwei bereits registrierte Spieler das Turnier vor dem Beginn der Poolregistration wieder verlassen hatten und zwei Spieler disqualifiziert waren, welche ihre Listen dann gleich behalten hatten, stimmte die Anzahl.

Es ging weiter mit Spielverlusten für Deckfehler, sowie einem interessanten Fall, in dem der Schiedsrichter 76 Karten auf der Gesamt-Liste gezählt hatte. Es stellte sich heraus, dass es schlussendlich nur 75 waren und er sich verzählt hatte. Was aber tun, wenn es 76 Karten auf der Liste oder viel schlimmer 76 Karten auch noch im Pool des Spielenden sind? Zuerst einmal müsste man natürlich herausfinden, ob der Spieler, der den Pool registriert hat, tatsächlich 76 Karten registriert hat oder ihm ein Fehler wie etwa ein zu langer Strich auffällt. Kann er aber darlegen, aus welchen Gründen auch immer diesen Pool registriert zu haben, dann würde ich versuchen zu erfahren, ob einer der an den umliegenden Plätze registriert habenden Spieler nur 74 Karten registriert hat. Dies erfordert Zeit. Da man ja nicht weiß, welcher Spieler welche Liste erhalten hat. Fehlt keinem dieser Spieler eine Karte sähe ich mich gezwungen, eine Karte aus dem Pool zu entfernen. Per Zufall versteht sich. Welche Strafen die Spieler erwarten würden, ist sicherlich schwieriger zu sagen.

Die wenigsten Spieler zählen wirklich nach, ob sie denn beim Swap auch tatsächlich 75 Karten erhalten haben. Dennoch erscheint mir das Potenzial des Missbrauchs als groß genug, um wachsam zu bleiben.

Als nächstes auf dem Plan hatten wir den ersten Appeal des Tages. Die Situation war wie folgt: Spieler C hatte sich am Ende von Spieler Ds Runde ausgetappt, um Sentinels of Glen Elendra zu spielen. D reagierte darauf mit Cloudthresher, tappte dafür vier Wälder und eine Shimmering Grotto. Er bemerkte jedoch sofort, dass er nicht ausreichend Mana bezahlt hatte und wollte daher den Cloudthresher zurücknehmen, woraufhin C den Schiedsrichter rief.

Was daran so spannend sein soll, fragt ihr euch? Nun ja, Spieler C schien tatsächlich von mir zu verlangen, dass sein Gegner doch ein legales Play gemacht hätte, als er den Thresher für drei grüne und ein beliebiges evoket habe. Nach kurzer Investigation war klar, dass der Spieler nie angesagt hatte, dass er die Karte für ihre Evokekosten spielen wollte, sondern eindeutig unterbezahlt hatte. Hier den Spieler zu zwingen den Cloudthresher abzuwerfen, nur weil seine Unterbezahlung zufällig den Evokekosten entsprach, erschien mir keine Lösung zu sein. Somit hielt ich dieses Ruling aufrecht.

Beim nächsten Judgecall wurde es wieder deutlich absurder. Um es halbwegs übersichtlich zu lassen, werde ich diesmal den Spielern Namen statt lediglich Buchstaben geben. Wir befanden uns irgendwo in einer der frühen Runden. Es war etwa fünfzehn Minuten nach Beginn der Runde und neben den rufenden Spielern stand ein freier Tisch. Erwin war nach dem ersten Spiel und einem Blick auf den Ergebniszettel aufgefallen, dass er gar nicht am richtigen Tisch spielte. Er hätte am Nebentisch spielen sollen. Am Nebentisch jedoch war kein Mensch mehr. Also riefen wir alle Spieler aus, die momentan vermisst wurden. Es stellte sich heraus, dass der Gegner von Fritz – Günther – eigentlich droppen wollte und als er bemerkte, dass er nicht gedroppt hatte, sagte er einem Schiedsrichter einfach, an welchem Tisch er spielen würde und dass er aufgeben und droppen wolle. Dummerweise nannte er den falschen Tisch und was daraufhin passiert war, folgt nun:

Günther droppte bei einem Schiedsrichter. Dieser ging zum genannten Tisch 43 und erzählte dem Heinrich, dass er gewonnen habe und gehen könne. Erwin setzte sich daraufhin an den letzten Tisch der keinen Gegner hatte und spielte gegen ihn. Die Lösung wiederum war recht simpel. Der droppende Spieler hatte gegen seinen wahren Gegner an Tisch 44 conceded. Somit gewann Fritz sein Spiel. Heinrich gewann ebenso, weil sein Gegner Erwin leider zu spät war, um das Match innerhalb der ersten zehn Minuten zu beginnen – also ein Doppelgameloss für Tardiness gegen Erwin.

Ich dachte so etwas passiert einem nur einmal – stimmte aber nicht; die gleiche Situation tauchte zwei Runden später wieder auf – nur dass diesmal nicht beim Judge, sondern beim Scorekeeper gedroppt wurde.

Weiter ging es mit einem Spieler der eine Karte aus dem Deck seines Gegners bei sich gefunden hatte. Da wir als Schiedsrichter nicht angehalten sind, dies den Spielern unter die Nase zu reiben sondern abzuwarten, ob sie es von selbst bemerken, stellte sich einer meiner Floorjudges in die Nähe des Spielers, der die Karte griffbereit hatte, falls es ihm auffiel. Der Spieler jedoch zählte sein Deck in Viererstapeln, wirkte unsicher und wiederholte den Vorgang. Dann präsentierte er sein Deck. Hier griff der Schiedsrichter ein. „How many cards were in your deck when you presented it?“ - „Forty“ - „Are you sure there were forty?“ - „Yes“. Daraufhin zeigte er ihm die Karte; sie fehlte tatsächlich. Gameloss für Illegal Deck. Als er mir davon erzählte, wurde ich allerdings hellhörig und bat ihn darum, den Spieler nach der Runde noch einmal für ein Gespräch beiseite zu nehmen.

Lange Rede kurzer Sinn. Auf Nachfragen gestand er, 39 Karten gezählt zu haben – beide Male. Und weil er nicht wusste, was er tun solle habe er gelogen. Hätte er einfach gleich die Wahrheit gesagt oder sich selbst angezeigt, vor der Präsentation des Decks, wäre ihm nichts weiter passiert. So blieb uns keine Wahl als ihn für Lying to a Judge zu disqualifizieren. Dass sowohl einige Spieler und auch Schiedsrichter mit diesem passiven Verhalten nicht einverstanden sind, ist ja bereits bekannt. Da wir diesen Service allerdings nicht für alle Spieler gleichermaßen anbieten konnten, hielten wir uns strikt an die Penalty Guidelines und warteten ab.

Gut zu wissen, ist vielleicht auch, dass wenn euch einmal Karten abhanden kommen, egal ob in Constructed oder Limited, ihr einen Schiedsrichter benachrichtigen solltet. Dieser wird euch dann ermöglichen, die fehlenden Karten z.B. bei Freunden oder Händlern aufzutreiben. Das heißt: Findet ihr zu Beginn der Runde heraus, dass ihr nur noch 39 Karten im Deck habt, dann ruft einen Schiedsrichter und schildert ihm eure Situation. Er wird euch dann in der Regel so viel Zeit geben, die fehlende Karte zu finden, wie er verspäteten Spielern gibt, bevor ihr das erste Gameloss erhaltet und einige weitere Minuten die zwischen erstem und zweitem Gameloss liegen. Also lohnt es sich, sich selbst anzuzeigen. Denn tut ihr es nicht, wird es der Gegner herausfinden und dann steht ihr mehr oder weniger vor der selben Situation. Nur, dass ihr euch dann außerdem wissentlich des Betrugs schuldig gemacht habt.

Nun kommen wir zu einer weiteren alten Neuerung im Turniergeschehen. Schiedsrichter haben in geringem Maße die Fähigkeit zurückerlangt, ein Spiel zurückzudrehen. Also nicht es zu fixen oder zu reparieren, sondern zurückzudrehen zu dem Punkt, an dem der Fehler aufgetreten ist.

In meinem Fall war das wie folgt: Spieler I griff mit einem 2/2-Goblin an, der von Mad Auntie gepumpt war. Sein Gegner blockte mit seinem Mulldrifter und spielte Wings of Velis Vel auf ihn. Somit war dieser nun 4/4. Um abzutauschen aktivierte Spieler I seinen Lowland Oaf und macht seinen Goblin zu einer 4/3-Kreatur. Im Eifer des Gefechts verloren beide Spieler den Überblick und vergaßen, dass der Mulldrifter ebenfalls tödlichen Schaden bekommen hatte. Der Turn wurde gepasst. Spieler J zog eine Karte. Einen weiteren Mulldrifter. Als er diesen spielte, fiel beiden auf, dass da ja der erste Mulldrifter immer noch lag. Also riefen sie den Unparteiischen.

Die heiß diskutierten Penalty Guidelines hatten hierfür vor der WM eine Game Rule Violation in Petto und ließen den Gamestate so wie er zum Zeitpunkt des Entdeckens des Fehlers war. Mit der neuen Gabe, verliehen durch Toby Elliott, soll dies durch Zurückdrehen wieder ausgebessert werden können. Wenn das einzige, was passiert ist Kartenziehen war oder das Spielen entscheidungsirrelevanter Sprüche, dann werden alle neuen Karten wieder auf die Hand zurückgebracht, alle Sprüche rückgängig gemacht – es sollten nicht zu viele sein, denn sonst ist es nicht mehr unmittelbar – und die Anzahl an gezogenen Karten per Zufall von der Hand des Spielers oben auf die Bibliothek gelegt werden. Von dort geht man dann zurück bis zu der Stelle, an der der Fehler aufgetreten ist und löst das Problem. In unserem Fall zerstört man den Mulldrifter.

In unser aller Lieblingsbeispiel würde zur Damnation zurückgedreht und das Phyrexian Totem mit zerstört werden. Bevor jetzt allerdings heftigst diskutiert wird, wie random es doch sei, zufällige Karten zurückzulegen, aus denen nun ja wieder ganz neue Situationen entstehen könnten, fragt euch doch erst mal was denn nun das kleinere Übel ist im Vergleich zur alten Handhabung.

Die letzte Situation des Tages war dann wiederum ein Appeal. Ein Spieler appealte doch tatsächlich sein Tardiness-Gameloss obwohl nur noch 44 Minuten auf der Uhr waren. Er begründete dies mit der Tatsache, dass am Tag zuvor bei einem der Ipod-Open Constructed-Turniere sein Gegner nach sieben Minuten einen Spielverlust angefochten hatte, der dann auch wirklich außer Kraft gesetzt wurde mit der Begründung, dass man neuerdings bei bis zu zehn Minuten Verspätung nur ein Warning bekäme und erst bei zehn Minuten ein Doppelgameloss. Ich schlug ihm die Bitte ab dies nachzulesen, da ich der vollsten Überzeugung war mit 3/10 GL/ML bisher gut gefahren zu sein. Der Headjudge ist die finale Instanz auf einem Turnier. Es ist kein falscher Stolz, dass ich nicht nachschauen wollte. Es ist nur so, dass, wenn es so eine Änderung gegeben hätte, mindestens einer der Schiedsrichter in unserem Weltmeisterschafts-PTQ etwas davon mitbekommen hätte. Zudem möchte ich auch nicht gezwungen sein, jedes Mal, wenn ein Spieler etwas nicht wahrhaben will, zum Computer zu laufen und Ausdrucke der Regeln zu machen. Er gab schließlich (vorerst) klein bei, als ich ihm darlegte, dass selbst, wenn in irgendeinem Dokument stünde, dass dies geändert worden wäre, ich weiterhin nach 3/10 gegangen wäre, um die turnierinterne Konsistenz zu wahren, auch wenn das DCI-Investigationen nach sich ziehen hätte können. Denn die DCI "investigiert" nicht nur für und gegen Spieler, sondern auch gegen Schiedsrichter, welche willkürlich handeln oder Regeln willkürlich auslegen.

Am Ende der Runde versuchte er mich noch einmal in eine Diskussion zu verwickeln, woraufhin ich ihm versprach, weil ich seinen Standpunkt ja verstünde, einen Teil meiner Pause zu opfern und Toby Elliott und Andy Heckt auf eine derartige Änderung anzusprechen. Nach kurzer Diskussion war dann auch alles klar. Die Tardiness-Strafe aufrecht zu erhalten, war völlig richtig. Dennoch lag der Spieler auch nicht falsch. Bei den Ipod-Open wurde nämlich nach Rules Enforcement Level – Regular verfahren, was eine lockerere Einstellung zu Verspätungen vorschreibt, beim PTQ hingegen im Rules Enforcement Level – Competitive weiterhin ein Gameloss für drei Minuten und ein Matchloss für zehn Minuten Verspätung vergeben.

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Quiz-Time
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Die folgenden zwei Fragen verwendete Gavin Duggan, ein Kanadischer Regional Judge und Rules-Guru, um den Area Schiedsrichtern vor Ort ein bisschen Kopfzerbrechen zu bereiten. An und für sich sind die Fragen ganz einfach. Und alle mit ein bisschen Nachdenken oder den Regelwerken zu lösen.

Wer die richtigen Antworten als erstes in einem Kommentar benennt, bekommt meine Aufwandsentschädigung für diesen Artikel!

Vier Booster gehen an denjenigen, der mir detailliert sagen kann, warum die Triggered Ability des Gilded Drake einen Modus beinhaltet, warum der Zusatz "can't be countered" dabei steht oder anders ausgedrückt: warum der aktuell gültige Regeltext heute so aussieht wie er aussieht:

    Gilded Drake_____
    3/3
    Creature – Drake
    Flying
    When Gilded Drake comes into play, choose one - sacrifice Gilded Drake; or exchange control of Gilded Drake and target creature an opponent controls. If you can't make the exchange, sacrifice Gilded Drake. This ability can't be countered. (This effect doesn't end at end of turn.)

Weitere vier Booster sind für denjenigen, der weiß, wie man mit Sower of Temptation permanent eine Kreatur übernehmen kann, ohne den Sower im Spiel zu behalten. (Hierbei handelt es sich um eine Regellücke, die zwar prinzipiell besteht, aber möglicherweise im konkreten Fall vom Headjudge eines Turniers so gehandhabt würde, als ob die Lücke bereits geschlossen wäre. Verlasst euch einfach im Turnier nicht darauf, okay?)

Viel Spaß beim Knobeln!


Jens Strohäker


__________________________

Regelfragen? – Werden beantwortet unter:
Judge@PlanetMTG.de




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