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Geschichten aus der Gruft, Teil 1
Der Pischner lernt Magic spielen!
von Andreas "Zeromant" Pischner
31.12.2007

Wie angekündigt, unterbreche ich meine Reihe "Magic-Decks im Wandel der Zeit" für eine Weile, um mich einem anderen Thema zuzuwenden.

Wer von Euch erinnert sich noch daran, dass die Idee, über dieses Thema zu schreiben, aus Leser-Feedback zu einem meiner Blogeinträge.auf Zeromagicentstanden ist, in dem ich gefragt habe, worüber ich in nächster Zeit schreiben sollte?

Nun, ein anderer Vorschlag, der damals gemacht wurde war, dass ich aus meiner langjährigen Karriere als Spieler und Judge Anekdoten sammele und davon erzähle, und genau das habe ich nun vor!

Dabei will ich nicht immer chronologisch vorgehen, sondern einfach über Dinge berichten, die mir gerade in den Sinn kommen – so wie man Anekdoten ja auch mündlich erzählt. Nichtsdestotrotz beginne ich aber am Anfang, denn die Frage, wie ich eigentlich meine erste Begegnung mit Magic hatte, soll hier schon beantwortet werden! Dieser Teil hier widmet sich daher meiner Magic-Ur- und Frühgeschichte.

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Angefixt!
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Es muss Sommer oder Herbst 1994 gewesen sein, denn The Dark war gerade in Berlin angekommen. Zu dieser Zeit war ich viel in Rollenspielrunden aktiv; insbesondere mit Marcus, Marcus & Markus. Deren Nachnamen werden Euch wohl nichts sagen: Markus Voht ist meines Wissens nie auch nur DCI-Mitglied geworden; Marcus Johanus hat zwar ein- oder zweimal ein sanktioniertes Turnier gespielt, wurde aber wohl nie in der Rangliste geführt, die Spieler ja erst ab zehn Matches aufnimmt, und Marcus Heyduk hatte zwar für kurze Zeit auf relativ hohem Niveau gespielt und tauchte zeitweilig sogar auf den vorderen Plätzen der deutschen Rangliste auf, beendete aber bereits nach Pro Tour Mainz seine Magic-Laufbahn. (In der Folge ist mit "Marcus" aber immer Marcus Johanus gemacht, falls das irgend jemanden interessiert.)

Nein, Magic-Geschichte haben die drei nicht geschrieben, wohl aber mich in den Sog dieses Spiels hineingezogen! Vor Beginn der Rollenspielrunden, sowie nach deren Ende packten sie ihre Decks aus und zockten dieses merkwürdige Spiel. Ich hatte mir das Prinzip erklären lassen (Karten kaufen zu müssen, um mit ihnen zu spielen – wie bescheuert war das denn??) und wollte nichts davon wissen. Naja, neugierig war ich natürlich schon, und deswegen sah ich gerne zu.

In der ersten Partie, an die ich mich erinnere, spielte Markus ein weißes Deck und Marcus ein grünes. Jede Runde griff er mit zwei Scryb Sprites an, und als langjähriger Rollenspieler konnte er es sich nicht verkneifen, diesen Vorgang geräuschvoll zu begleiten: "zzziiiGGG!!!, zzziiiGGG!!!" Alles andere stand auf dem Boden herum und starrte sich an (mittelgroße Bodenkreaturen) oder schmückte den Tisch (Ivory Cup etc...). Markus wurde immer mürrischer und beschwerte sich, dass die Sprites ihn immer so schnell besiegen würden... er fände es ja nicht so gut, wenn ein Deck voller Kreaturen sei, er würde ja lieber mit mehr "Sprüchen" spielen. Darunter verstand er dann wohl solche Dinge wie Karma (sein ganzer Stolz!) und die Schutzkreise, von denen er einen gegen jede Farbe im Deck hatte, oder auch Healing Salve (die er auf sich selbst spielte) oder Holy Armor (die sein Pearled Unicorn rüstete). Marcus meinte, dass man mit Kreaturen eben Spiele gewönne.

Ich erinnere mich noch vorgeschlagen zu haben, dass die beiden ja die Anzahl der Kreaturen in ihren Decks beschränken könnten, aber meine Idee stieß auf wenig Interesse. Stattdessen spielten sie rasch zwei, drei Mal, und Markus verlor im Ante zwei Plains und eine Healing Salve und ertauschte sich diese dann gegen einen Ley Druid zurück.

Immer wieder blätterte ich in den Decks der beiden. Interessant waren diese Karten ja schon! Ich weiß noch, wie beeindruckt ich von einer Giant Spider war: Was für ein cooles Konzept! Erst ein paar Wochen später stieß ich darauf, wie nutzlos die Spinne letztlich doch war, da alle größeren Flieger, die gespielt wurden, 4/4 waren (Air Elemental, Sengir Vampire, Serra Angel).

Irgendwann schlug Marcus vor, dass ich ja einmal mit einem seiner Decks gegen ihn spielen konnte. Ich griff mir ein grün-weißes, blätterte es durch und begann, Schutzkreise zu entfernen. Marcus fragte mich, was ich da machte! Ich sagte ihm, dass ich keine nutzlosen Karten im Deck haben wollte, weil es keinen Spaß macht, diese zu ziehen, und dass er das doch auch machen könne. (Bevor ich hier als zu einsichtsvoll erscheine: Die Schutzkreise gegen die Farben, welche er spielte, ließ ich natürlich drin!)

Das Konzept des "Sideboards" war uns beiden noch unbekannt, aber ich ging damals ganz selbstverständlich davon aus, dass alle Karten, die gedruckt worden waren, auch zu irgendetwas gut sein mussten! Deswegen war meine Vorstellung eines Duells diese: Man fragte den anderen, welche Farben er spielte und nahm dann alles aus seinem Deck heraus, was dagegen nutzlos war, behielt die passenden Color-Hoser aber drin.

Ich glaube, ich habe meine allererste Magic-Partie sogar gewonnen, mit einem Giant Growth auf meine Giant Spider, die so Marcus' Sengir Vampire fressen konnte. Einmal versuchte ich Death Ward auf eine Kreatur in meinem Friedhof zu spielen, um sie zu regenerieren und Marcus musste mir ausführlich erklären, warum das nicht ging, und wozu diese Karte dann überhaupt gut sei.

In einer anderen Partie von Marcus gegen Markus beobachtete ich, wie Marcus' rot-grünes Deck gegen Markus' blaues spielte und wieder einmal gewann, weil er Kreaturen hatte und Markus nicht. Markus' Hand war leer, und er zog und spielte einen Sol Ring, den er zu seinen sieben Islands legte. Die Karte lag kaum auf dem Tisch, da schrie Marcus "HA!" und bewarf sie mit einem Shatter, den er vom Anbeginn der Partie an auf der Hand gehabt hatte. Diese Szene hat sich in meiner Erinnerung eingebrannt und war möglicherweise dafür verantwortlich, wie ich in den ersten Monaten meiner Spielerzeit den Bau meiner Decks angehen sollte: Egal, was Markus machte, Marcus hatte immer eine Antwort darauf!

Der Rollenspielverein, in dem ich damals Mitglied war (Nexus e.V., den es übrigens immer noch gibt und der meines Wissens immer noch jährlich den legendären "Burg-Con" sowie die "Odyssee" veranstaltet, die ich übrigens damals ins Leben gerufen hatte!) gründete eine "Magic-AG". Ich rief damals bei deren Veranstalterin, Yvonne, an und fragte, ob man dort auch mitspielen konnte, wenn man kein eigenes Deck hatte, denn das war so meine Vorstellung davon, aber Yvonne klärte mich auf, dass man sich eigentlich weniger zum Spielen als vielmehr zum Tauschen traf.

Magic faszinierte mich immer mehr, aber offensichtlich musste ich, um es zu spielen, mir selbst Karten kaufen, und da weigerte ich mich – gar nicht einmal mehr aus prinzipiellen Erwägungen (Was für eine Geldschneiderei!) sondern vor allem aus der Einsicht heraus, dass ich wenn ich einmal damit anfing, kein Ende mehr finden würde – ich kannte meinen Vollständigkeitstick aus anderen Bereichen und wusste, dass ich keine Ruhe geben würde, bis ich nicht alle Karten hatte. Deswegen entschied ich mich dafür, lieber gar nicht erst anzufangen!

Nun ja, beim Rauchen hat das geklappt (kann ich übrigens nur jedem empfehlen: Gar nicht erst anfangen ist mit Sicherheit leichter als damit aufzuhören!), bei Magic nicht...

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Gift und Schrott
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Es wurde Winter 1994. Fallen Empires war in den Läden (und würde dort noch ein halbes Jahrzehnt bleiben), und ein Freund von mir, Timo, fasste den Entschluss, zum Neuen Jahr mit Magic aufzuhören.
Deswegen bot er seine Sammlung billig zum Verkauf an.

Die Versuchung wurde zu groß! Ich gelangte zu der Einsicht, dass ich ja doch irgendwann mit diesem Spiel beginnen würde und sagte mir, dass ich dann besser diese günstige Gelegenheit nutzen sollte einzusteigen. Hätte ich diesen Gedanken doch ein paar Monate früher gehabt, als es in Berlin noch Antiquities- und The Dark-Booster zu kaufen gab (Legends war direkt aus dem Aggregatzustand "noch nicht lieferbar" in "ausverkauft" hinüber sublimiert)! Aber das Konzept der Sammelbarkeit verstand ich eh noch nicht – ich konnte mir nicht vorstellen, dass Karten, die man zum Spielen benötigte, nicht immer erhältlich sein würden.

Timo hatte seine interessantesten Karten vorab bereits einzeln verkauft, so dass er mir im Wesentlichen einen großen Stapel Commons, gewürzt mit ein paar weniger interessanten Uncommons, anbot – immerhin mit einem nennenswerten Anteil Antiquities und The Dark.
Davon sollte aber noch genügend übrig bleiben, um einer Freundin ein Deck zu schenken. Timo überließ das Bauen dieses Decks mir, und ich bastelte aus Karten, die er in einer über das Playset hinausgehenden Menge besaß, ein schwarz-grünes Deck mit großen Kreaturen und vier Pestilence, welches er als ausreichend erachtete. Den Rest, ca. einen Schuhkarton Karten, durfte ich dann für einen DM-Betrag, an den ich mich nicht mehr erinnere, mit nach Hause nehmen.

Ich besaß also endlich eigene Magic-Karten! Nach einer ersten Durchsicht wusste ich auch schon, welches Deck ich mir daraus basteln wollte: Ein weiß-schwarzes Pestilence-Deck! vier Schutzkreise gegen Schwarz, vier Pestilence... was sollte der Gegner dagegen machen? Ich weiß nicht mehr genau, womit ich das Deck ansonsten noch auffüllte, aber ich spielte vier Ashes to Ashes, deren Schaden ich ja verhindern konnte und vier Disenchants, sowie so viele Wall of Swords, wie ich besaß. Der Rest müssen irgendwelche kleinen Kreaturen gewesen sein: Mesa Pegasus, Bog Imp, Pearled Unicorn, Scathe Zombies... so'n Zeug halt.

Ich hatte auch noch eine zweite Idee gehabt: Dwarven Warriors mussten doch auch zu irgendetwas gut sein! Wie zehntausend andere Spieler weltweit kam ich darauf, sie mit Marsh Viper in ein Deck zu stecken. Unblockbare Giftkreaturen – wie unfair! Ansonsten füllte ich noch mit allerlei Artefaktkreaturen auf, weil ich beweisen wollte, dass Orcish Mechanics zu etwas gut waren (meine ca. zwei Dutzend Atog hingegen blieben brav zu Hause, denn diese Karte war ja offensichtlich scheiße...). Vermutlich befand sich auch noch die Killer-Kombo Ornithopter + Firebreathing darin. Ach richtig: das Deck war ja bunt gewesen! Obwohl Rot wohl die Hauptfarbe war, spielte ich neben den Vipers noch ein paar Pit Scorpion (ich glaube nicht, dass ich ein Playset davon besaß) und Terror, sowie einige Disenchant. Das ging, weil ich unglaubliche VIER Celestial Prism besaß! Was wurde ich damals von einigen Leuten darum beneidet... Deswegen hatte ich auch die Mechanics für mein Deck entdeckt, weil ich immerhin einsah, dass ich später im Spiel nicht mit allzu vielen Prisms im Spiel herumsitzen wollte.

So gerüstet, begab ich mich zur Magic-AG, wo diesmal sogar ein Turnier stattfand. Der Veranstalter war Frank Schacherer – ein Name, den die WIRKLICHEN Oldies unter Euch noch kennen sollten: Er würde später den ersten Berliner PTQ gewinnen und war das Mastermind hinter Team Istari, bevor Daniel Brickwell in diese Rolle hineinwuchs.

Frank war damals schlicht DIE Magic-Autorität in Berlin. Er war es, der extra bei Wizards of the Coast in Amerika angerufen hatte, um sicherzustellen, dass man X-Sprüche wie Fireball oder Disintegrate TATSÄCHLICH auf den Gegner spielen durfte! (Ich war eine Zeit lang einer von vielen Anhängern jener Hausregel, dass man das nur tun durfte, wenn der Gegner keine Kreaturen im Spiel hatte.)

Ich habe immer noch einen Satz von ihm im Kopf, den er zu Yvonne gesagt hatte: "So, und jetzt erkläre ich Dir, wie dieses Deck funktioniert!" Ich fand das damals unglaublich arrogant – was gab es schon an einem Deck zu erklären? Jenes Deck war übrigens rot-grün, mit Kird Ape und anderen billigen Kreaturen, sowie natürlich allerlei rotem Burn und vor allem der Fireball/Channel Kombo. Es "funktionierte", indem man dem Gegner ein wenig Schaden machte und ihm dann den Rest auf diese Weise abzog (da es nicht über das verfügte, was Vintage-Spieler heute als "Power" bezeichnen, tat es das in Runde drei oder vier).

(Das erinnert mich übrigens daran, wie Marcus mir erklärt hatte, wieso es die Vier-Karten-Regel gab: "Lightning Bolt-Deck" hatte er einfach nur gesagt und mit den Schultern gezuckt.)

Zurück zu jenem Turniertag bei der Magic-AG: Frank hatte einige Fallen Empires-Booster als Preise ausgelobt. Ich glaube, der "Eintritt" betrug 1 DM pro Turnier – pro Turnier deswegen, weil zwei davon parallel zueinander liefen: "The Gentleman Mage" und "I'll rip your throat out and ask for seconds" (die Bezeichnungen stammten von Frank). Der Unterschied: Im zweiten durfte man Direktschaden auf den Gegner machen, im ersten nicht...

Ich trat mit dem Zwergen-Gift-Deck in beiden an. Ich glaube, dass ich jeweils irgendwie 2 zu 2 gespielt habe. Ich denke, ich habe auch ziemlich gejammert, dass mein Deck so schlecht war – aber was hatten die anderen auch für unfaire Karten! Raoul zum Beispiel besaß mehrere Shivan Dragon, von denen ich einen mit Hilfe von Lightning Bolt und Ornithopter (via Orcish Mechanics) ganz stolz entsorgte, nur um am nächsten zu sterben. Das Deck, mit dem er im Cuththroat-Turnier antrat, hatte sogar vier Vesuvan Doppelganger und vier Clone, mit denen er seine grünen Rare-Kreaturen kopierte! Ich habe immer noch seinen Ruf im Ohr, als er gegen Franks Discard-Deck spielte und eine Hymn to Tourach abbekam: "Du Schwein! Meine Cockatrice!"

Frank gewann beide Turniere, das "harte" mit seinem schwarzen Rack-Deck, welches mit Hymn to Tourach und Mindstab Thrull so ziemlich als einziges im Feld bereits systematisch Karten aus Fallen Empires integriert hatte, das "sanfte" mit seinem sogenannten "Fun-Deck", der "bayrischen Schlachtplatte": Das war im Wesentlichen ein blau-weißes Kontrolldeck mit Schutzkreisen gegen alle Farben, sowie Sleight of Mind, um sie passend einzustellen, und als Gewinnbedingung die Kombo aus Bottle of Suleiman, Reverse Damage und einer falschen Interpretation des Artefakts (er pumpte eine große Anzahl Mana in die Flasche, um dann mit Hilfe des Reverse Damage ca. die Hälfte mal 5 Leben zu bekommen, und ca. die Hälfte fliegende 5/5er zu erhalten).

Da wir gerade bei falsch ausgelegten Regeln sind: Ich griff ihn jede Runde mit meiner Marsh Viper an, und obwohl er einen Schutzkreis gegen Grün im Spiel hatte, erhielt Frank Gift-Counter... (Sein ungläubiger Ausruf: "Ich sterbe hier an Gift!") Allerdings konnte er die Viper dann doch irgendwie entfernen.

Als er seine Preisbooster öffnete, starrte er einige Sekunden auf die darin befindlichen Vodalian Knights und meinte dann mit nicht allzu überzeugt klingender Stimme: "Das ist dann wohl die Rare." Ich fand die Karte gar nicht einmal so schlecht (immerhin hatte sie Erstschlag UND konnte fliegen – naja, springen – und das Bild war wirklich schön), aber ich hatte sowieso eine etwas überzogene Vorstellung vom Wert dieser Karten: Als ich mit Markus um Ante spielte, galt die Regelung, dass wir anstatt die Karte zu verlieren, den Sieger auch an der nahegelegenen Imbissbude zu einer Portion Pommes oder einer Boulette einladen konnten. Wann immer eine Wall of Swords im Ante landete, ließ ich den Ruf erschallen: "Imbissbude!" Und das, obwohl die Booster damals noch drei Mark kosteten. Ja, Ihr habt richtig gelesen: MARK!

Ich war aber nicht der einzige, der eine beinahe semireligiöse Einstellung zu mäßigen Karten hatte. Marcus erklärte mir einmal mit Abscheu in der Stimme, aber mit leuchtenden Augen, dass bei Magic ja doch immer derjenige gewinne, der sein Fire Elemental ziehe, und dass es ja auch noch diese Artefakte gebe, die alle supermächtig seien – aber diese wären ja auch alle "rare". (Er bezog sich damit zum Beispiel auf Rod of Ruin und Obsianus Golem...)

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Kommt ein Vogel geflogen
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Ja, damals, als die Häufigkeit der Karten noch nicht an farbkodierten Erweiterungssymbolen zu erkennen war, da wusste man die Häufigkeit einer Karte eben oder man wusste sie nicht! Einer meiner Tauschpartner verwirrte mich einmal damit, dass er mich darüber aufklärte, dass der Elvish Farmer eine "U1" sei, der Thelonite Druid aber nur eine "U3"... häh?





Das Tauschen lief damals reichlich wild ab. Ich war in der Hauptsache auf der Suche nach fliegenden Kreaturen, denn eines war sonnenklar: Flieger waren schlicht besser als Nicht-Flieger, basta! An jenem Turniertag nutzte ich die Zeit zwischen den Spielen, um mir Air Elemental, Phantom Monster und Phantasmal Forces zu besorgen. Recht bald bemerkte ich, dass meine Tauschpartner dafür immer Karten aus Antiquities und The Dark haben wollten und führte daher die Regel ein, dass ich diese so vertauschte, als wären sie eine Stufe seltener als Karten des Grundsets.

Flieger tauschte ich mir nicht zuletzt auch deswegen an, weil ich gehört hatte, wie Raoul sich über die Stärke von Goblin War Drums aufregte: "Da baut man sich eben ein Deck nur mit Fliegern, so viele fliegende Blocker hat der Gegner nie im Leben!" Die Idee sagte mir zu, und daher baute ich schon bald ein rot-blaues Deck, in welchem sich neben etwas rotem Burn, Counterspells und den War Drums rote und blaue Flieger in allen Größen befanden. (Bis hinunter zur Goblin Balloon Brigade, mit der anzugreifen ich mich weigerte, wenn ich kein R zur Verfügung hatte, um sie fliegen zu lassen: Es war mir einfach zu blöd, wenn die Goblins in den Kampf stürmten und dabei ihren Ballon hinter sich herschleiften...) Ich nannte es "Music in the Air".

Grün war die Farbe, mit der ich mich auf einmal gar nicht mehr anfreunden konnte, denn sie hatte einfach keine brauchbaren Kreaturen (insbesondere Flieger). Um dieses Problem zu lösen, bemühte ich mich, einiger Cockatrice habhaft zu werden. Ach ja, bei dem Tausch mit Farmer und Druid ging es übrigens um einen Radjan Spirit aus Legends... Man musste doch irgendwie die gegnerischen Flieger blocken können!

Raoul verfügte über eine für meine damaligen Maßstäbe gigantische Kartensammlung, und ich besuchte ihn, um ihm einige seiner überschüssigen Commons abzukaufen. Bei den Feuerbällen stellte er sich quer, mit der Begründung, dass er früher so viel Schwierigkeiten gehabt hätte, sie sich zu besorgen, und sie deswegen nicht einfach verkaufen wollte! Vielleicht hatte er das aber auch nur gesagt, um den Preis hochzutreiben, denn schließlich ließ er sich breitschlagen, sie für 1 DM statt 50 Pfennige an mich abzutreten. Dafür konnte ich ihm noch eine Wall of Swords abschwatzen, die mein Playset vervollständigte.

Alle meine weißen Deck enthielten nämlich vier Wall of Swords, die ich immer wieder umsortierte! (Sie konnten nämlich 4/4-Flieger blocken, aber das war Euch jetzt bestimmt bereits klar.) Außerdem komplettierte ich nun mit Raouls Hilfe ein Projekt, welches ich meine "Common-Bibliothek" nannte: Jede Common des Grundsets befand sich vier Mal darin, das Ganze verpackt in zehn Starter-Packungen und ein alles umhüllendes Display. Es kann sein, dass sich auch noch meine Standardländer darin befanden. Auf jeden Fall passte alles ganz genau und ich war sehr stolz darauf! Immer, wenn ich das Deck wechselte, suchte ich mir die entsprechenden Karten dazu hinaus (Disenchant war fast immer dabei). Ich glaube, einige meiner Gegner habe ich damit ein wenig genervt – nicht wegen der zwei Minuten, die das Ganze gedauert hat, sondern weil sie der Ansicht waren, ein Deck sei ein Deck sei ein Deck, und jede Karte könne sich nur in einem Deck befinden!

Mein Pestilence-Deck wurde damals immer stärker – auch wenn ich niemals auf die Idee kam, Kreaturen mit Schutz vor Schwarz hineinzutun – weil ich so nach und nach meine Uncommons vervollständigte (ich kaufte in jener Zeit ungefähr ein halbes Dutzend Displays Revised-Starter, die Hälfte davon, als sie noch mickrige zwei Rares enthielten!) und auf jeweils vier Swords to Plowshares, Serra Angel und Sengir Vampire aufrüstete. Alleine damit überpowerte ich die meisten meiner Gegner schon, aber auch mit der käsigen Kombo gewann ich immer wieder Spiele. Hm, mal sehen, ob ich meine damalige Deckliste zusammenraten kann:


10 Plains
10 Swamp

4 Mesa Pegasus
4 Hypnotic Specter
4 Serra Angel
4 Sengir Vampire

4 Dark Ritual
4 Disenchant
4 Swords to Plowshares
4 Terror
2 Ashes to Ashes
4 Pestilence
4 Circle of Protection: Black



So ungefähr muss es wohl gewesen sein – vielleicht besaß ich schon das eine oder andere Scrubland, dann war das natürlich drin. Und ja, 20 Länder auf 62 Karten, das war natürlich damals völlig in Ordnung! Die Pegasi waren übrigens im Deck, weil sie im Bündnis mit meinen 4/4-Fliegern gegnerische 4/4-Flieger besiegen konnten... Dass ich meine Spiele vermutlich einfach gewann, weil ich mehr Removal spielte als meine Gegner Threats, kam mir nie in den Sinn...

Das Pestilence-Deck war in meinem damaligen Umfeld am Schluss fast schon unbesiegbar. Nur an eine einzige Niederlage erinnere ich mich heute noch schmerzhaft, ausgerechnet gegen Marcus, den ich ansonsten unterdessen nach Belieben dominierte: Ich spielte in der zweiten Runde meinen Schutzkreis, und er belegte es mit einem Power Leak. (Ist es nicht gut, dass hier auch die obskursten Karten automatisch verlinkt werden?) Danach gelang es mir irgendwie, sowohl keinen Disenchant dafür zu ziehen, als auch mich in so ziemlich jedem Upkeep falsch zu entscheiden und somit diese Partie gegen ein eigentlich völlig lächerliches Deck aus eigener Kraft in den Sand zu setzen.

In der Zwischenzeit wuchs mein Kartenpool immer weiter an. Ich kannte kein Halten – Rares aus dem Grundset würde ich irgendwann jeweils acht Mal besitzen, um verschiedene Decks damit auszurüsten, und Uncommons je nach Bedarf bis zu sechzehn Mal (Swords to Plowshares)!

Ganz so weit war es dann doch noch nicht, als ich mein erstes richtiges Turnier – nicht sanktioniert, aber immerhin, so weit es uns bekannt war, nach den damals gültigen Turnierregeln geführt – bestritt. Ich hatte mir bereits von den meisten Doppelländern Playsets besorgt und konnte deswegen ein Deckkonzept verwirklichen, welches ich für unbesiegbar hielt: Blau-weiß-rote Kontrolle! Nein, ich kannte damals weder "The Deck" noch den Begriff "Kontrolle", aber ich ging davon aus, dass man, um Spiele zu gewinnen, sich gegen alles verteidigen können musste: Der gleiche Denkfehler, den Rob Hahn damals in seinen Schools of Magic machte!

(Kontrolldecks gewinnen über den Kartenvorteil, den sie generieren. Natürlich, wenn die Decks, gegen die man antrat, voller unnützer Karten wie Creature Enchantments, Lifegain etc... waren, gewann man einfach über den virtuellen Kartenvorteil, welchen ein Deck, das nur aus flexiblen Antworten und Threats bestand, dann erzeugte!)

Deswegen vereinte ich Wrath of God, Swords to Plowshares, Disenchant, Counterspell, Control Magic und Lightning Bolt in meiner Kreation. Karten zog ich mit Braingeyser (damals restricted!) und dem mächtigen Jayemdae Tome, und ich tötete entweder mit einer vom Gegner gestohlenen Kreatur, einem meiner vier Serra Angel oder einem Fireball.

Bei jenem Turnier war das so, als wenn ich zu einer Messerstecherei einen Raketenwerfer mitbrachte (auch wenn ich in einem Deck mit etwas über 60 Karten nur 20 Länder spielte, darunter ein Maze of Ith!...aber immerhin auch einen Mana Vault und einen Fellwar Stone...)!

Es fand in dem Jugendheim statt, in dem Marcus seinen Zivildients ableistete, und kaum jemand konnte meiner gespoilerten Monstrosität auch nur annähernd Widerstand entgegenbringen. Im Finale stahl ich Birds of Paradise, auf welche mein Gegner ein Firebreathing platziert hatte, mit Control Magic und griff ihn damit ein paar Mal an, rotes Mana aus meinen Doppelländern zum Pumpen benutzend, bis er an seinem eigenen Paradiesvogel starb (nein, das wäre auch nach den damaligen Regeln nicht gegangen, aber wir wussten es nicht besser!)

Ja, ich hatte es eben schon immer mit Vögeln... äh, mit Fliegern... Als ich mich mit meinem Pestilence-Deck in eine Emperor-Runde setzte, fragte ich meine Kaiserin, Yvonne, ob sie ihrem Ritter nicht einen Lord of the Pit leihen konnte, den ich damals noch nicht besaß, weil ich seinen Schaden doch mit seinen Schutzkreisen verhindern verhindern konnte, aber sie weigerte sich. Vielleicht war das zu unserem Besten!

Erstes wirkliches strategisches Verständnis entwickelte ich erst in meinen zahlreichen Testsessions (nicht, dass wir das damals so genannt hätten) mit Frank Schacherer – aber von diesem Verlust meiner Magic-Unschuld berichte ich Euch dann ein anderes Mal!

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