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Magic-Decks im Wandel der Zeit, Teil 7
Rätselhafte Worlds
von Andreas "Zeromant" Pischner
04.11.2007

Nachdem die Nationals-Decks zumindest in den starken Magic-Nationen USA und Deutschland alles in allem bereits recht schlüssig wirkten, konnte man bei den Worlds doch wohl erwarten, dass dieser Trend sich fortsetzte?

Konnte man – aber man würde sich irren! Die erfolgreichen Decks der WM 1997 sowohl im Standard, als auch im Extended lösten bei mir heftiges Kopfkratzen aus und warfen einige Fragen auf.

Ich kann mich daran erinnern, dass ungefähr zu dieser Zeit amerikanische Spieler behaupteten, dass die US Nationals – und eben NICHT die Weltmeisterschaften – das härteste Turnier der Welt seien, und ich muss zugeben, dass einige Argumente dafür sprechen! Während heute selbst Spieler aus unbedeutenden Magic-Nationen sich mit Hilfe des Internets und Magic Online gut auf die WM vorbereiten, war das Metagame dort 1997 mit Sicherheit ein Dschungel. Noch verschärft wurde das Problem durch die Multiformat-Natur der Weltmeisterschaften, so dass selbst ein einige Runden siegreiches Deck immer noch gegen höchst merkwürdige Kreationen gepaart werden konnte, deren Besitzer in einem anderen Format erfolgreich gewesen waren. Dazu kam, dass die DCI der damaligen Zeit eine Mischung aus Unwillen und Unfähigkeit zeigte, Cheating in den Griff zu bekommen. Decks mit merkwürdigen Kartenzusammenstellungen konnten durchaus ein Zeichen dafür sein, dass ihr Besitzer darauf vertraute, die richtige Karte im richtigen Moment schon irgendwie zu finden, und erfolgreiches Spielen hatte damals wohl noch weit mehr als heute etwas damit zu tun, wie geschickt man im Bescheißen war.

Um meine Schwierigkeiten mit den Decks dieses Turniers zu illustrieren, zeige ich ich Euch zum Einstieg folgende Liste:


Ju-Neon Kim mit... roten Karten...


17 Mountain
4 Quicksand
2 Thawing Glaciers

2 Ball Lightning
4 Ironclaw Orcs
4 Brothers of Fire
2 Orgg
4 Suq'Ata Lancer
2 Viashino Sandstalker

4 Nevinyrral's Disk
1 Phyrexian Furnace
2 Fireblast
2 Hammer of Bogardan
4 Incinerate
2 Jokulhaups
4 Pyrokinesis

2 Anarchy
2 City of Solitude
2 Emerald Charm
4 Karplusan Forest
1 Phyrexian Furnace
2 Pyroblast
2 Tsunami

Was zur Hölle ist das? sollte die Frage sein, die Euch hier durch den Kopf schießt! Und warum habe ich gerade diese Liste ausgewählt? Wer ist dieser Kim – in den Top 8 jedenfalls ist er nicht zu finden? Nun, Kim wurde 26. – und dieses Deck hier gewann den Standard-Teil des Turniers!

Wie konnte das nur passieren? Hammer of Bogardan und Jokulhaups als teure Manafresser, die durch lediglich zwei Thawing Glaciers unterstützt wurden.14 3-Drops bei nur 21 manaproduzierenden Ländern, darunter 4 mächtige Brothers of Fire. Ein bisschen Burn, der Kartennachteil macht, in Form von Ball Lightning und Fireblast, sowie Ironclaw Orcs in einem Deckkonzept, das ansonsten randvoll mit Kontrollkarten ist. Ach ja, und ein Sideboard mit 4 Karplusan Forest als einzigen Manaquellen für 8 grüne Karten und nicht einmal ein einziger Forest für die Gletscher!

Ich kann es nur wiederholen: Dieses Deck hat bei der WM 1997 den Standard-Teil gewonnen! Falls Euch also irgendjemand einreden will, die Magic-Welt hätte vor 10 Jahren bereits gewusst, wie man Decks baut, zeigt ihm diese Liste...

Leichter aufzufinden sind natürlich die Decks derjenigen Spieler, die in der Gesamtwertung vorne lagen. Die Namen der vier Halbfinalisten hat man auch in anderen Zusammenhängen schon einmal gehört, und ihre Listen wirken bei weitem nicht so abenteuerlich, wenn auch keineswegs perfekt ausgereift. Fangen wir an der Spitze an:


Weltmeister 1997 Jakub Slemr mit 5CB


10 Swamp
3 City of Brass
3 Gemstone Mine
2 Sulfurous Springs
1 Underground River
3 Undiscovered Paradise

2 Shadow Guildmage
4 Fallen Askari
4 Black Knight
4 Knight of Stromgald
1 Necratog
4 Nekrataal
4 Man-o'-War
2 Uktabi Orangutan

4 Choking Sands
4 Contagion
4 Incinerate
2 Earthquake

2 Ebony Charm
2 Forsaken Wastes
2 Dystopia
2 Hydroblast
3 Pyroblast
2 Disenchant
1 Honorable Passage
1 Exile

Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hatte Slemr in den Swiss Rounds mit diesem Deck nur sehr mäßigen Erfolg gehabt, 3:3 oder so. Wenn man natürlich die Matches der Top 8 hinzuzählt, wird dieser Score schon wieder respektabler. Slemr selbst nannte sein Deck "Teferi's Puzzle Box", weil er nie wusste, welche Überraschungen es ihm als nächstes bereiten würde, und bekundete so seine Unzufriedenheit mit der eigenen Liste.

Wie auch immer, letztlich stellt sie relativ fokussierte Aggrokontrolle mit Tempo-Elementen dar, in der nur die beiden Earthquakes doch sehr kontraproduktiv wirken – ach ja, und die eine Karte zu viel besitzt. Ja, der Weltmeister 1997 spielte 61 Karten!


Vizeweltmeister 1997 Janosch Kühn mit URW-Control


6 Island
6 Mountain
4 Plains
1 City of Brass
4 Thawing Glaciers
1 Undiscovered Paradise

4 Wildfire Emisary
4 Frenetic Efreet

4 Impulse
4 Counterspell
4 Force of Will
4 Incinerate
2 Hammer of Bogardan
1 Pillage
2 Disintegrate
4 Swords to Plowshares
3 Abeyance
2 Disenchant

1 Kjeldoran Outpost
2 Political Trickery
3 Pyroblast
2 Earthquake
2 Circle of Protection: Black
3 Circle of Protection: Red
2 Disenchant

22 Länder, einschließlich der 4 Gletscher, das würde man heute auch angesichts der 4 Impulse und 3 Abeyance vermutlich als knapp kalkuliert empfinden. Swords to Plowshares und Force of Will helfen aber natürlich zu überleben, bis die Gletscher in Gang kommen. Nur – wie spielt man Swords und Abeyance eigentlich zuverlässig früh mit dieser Manabasis? Eigentlich kann man sich auf sein gesamtes Early Game nicht verlassen, denn Farbsicherheit erhält dieses Deck erst mit den Gletschern!

Janosch setzt hier einen Kontrollaggro-Plan um, mit 8 schwierig zu tötenden Kreaturen (Efreets sind unsterblich, wenn man ein Talent dafür hat, Münzwürfe zu gewinnen, Und Emissaries weichen den beiden weitestverbreiteten Spot Removals, Incinerate und StP, aus), sowie Hammer und Disintegrate als Finishern.


Weltmeisterschaftshalbfinalist 1997 Svend Geertsen mit Stompy


16 Forest
2 Heart of Yavimaya

4 Fyndhorn Elves
4 Ghazban Ogre
4 Rogue Elephant
4 Quirion Ranger
3 Harvest Wurm
4 Spectral Bears
2 Whirling Dervish
2 Uktabi Orangutan
2 Jolrael's Centaur
3 Lhurgoyf

4 Winter Orb
4 Giant Growth
2 Bounty of the Hunt

2 River Boa
2 Whirling Dervish
1 Uktabi Orangutan
2 Crumble
4 Emerald Charm
3 City of Solitude
1 Bounty of the Hunt

Dies ist sie, die Liste welche Stompy weltberühmt machte! Damals hatte das Deck noch vergleichsweise viele Länder und eine Manakurve, die deutlich über "1" hinausreichte. Für ein Aggrodeck sind allerdings doch recht viele situationsabhängige Karten enthalten. So sind Spectral Bears ohne Quirion Ranger doch recht schwach, und Harvest Wurm ist nur im Zusammenwirken mit Rogue Elephant oder Heart of Yavimaya spielbar. Die Winter Orbs, welche dem Deck Aggrokontroll-Charakter verleihen, werden in späteren Zeiten ebenfalls aus dem Deck verschwinden, wenn es sich vollständig auf seine Aggro-Rolle fokussiert.

Grüne Decks, die einfach darauf basierten, Unmengen von Kreaturen zu spielen und damit die gegnerische Verteidigung zu überlasten, gab es auch schon vorher, aber ihr Erfolg war doch eher mittelprächtig. Die grundlegende Erkenntnis dieses Decks, und ein klarer Indikator dafür, dass man es tatsächlich mit einem Stompy im modernen Sinn zu tun hat, ist, dass Ghazban Ogre spielbar ist, wenn das eigene Deck nur aggressiv genug ist! Mit seiner niedrigen Manakurve verlässt Stompy die Gefilde von grünen Midrange-Beatdown-Decks.


Weltmeisterschaftshalbfinalist 1997 Paul McCabe mit UR-Aggrocontrol


10 Island
6 Mountain
2 City of Brass
2 Undiscovered Paradise

4 Cloud Elemental
4 Man-o'-War
4 Ophidian
3 Suq'ata Lancer
1 Wildfire Emisary
2 Frenetic Efreet

3 Mind Stone
2 Disrupt
4 Counterspell
2 Abduction
4 Force of Will
4 Incinerate
2 Pyrokinesis
1 Disintegrate

1 Phyrexian Furnace
1 Nevinyrral's Disk
1 Serrated Arrows
4 Knight of the Mists
1 Hydroblast
1 Dissipate
2 Pyroblast
3 Pillage
1 Pyrokinesis

McCabe setzt auf reaktive Aggrokontrolle. Was genau die Mind Stones in einem Deck verloren haben, das eigentlich alle seine selbständigen Drops auf 3 Mana hat, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachzuvollziehen; man würde einfach Länder stattdessen spielen. Mit nur 20 Stück davon muss McCabes Deck extrem mulligananfällig gewesen sein. Seine "Manakurve" (davon kann man hier wirklich nur in Anführungszeichen sprechen) besteht fast nur aus der "3".

Cloud Elemental, Suq'ata Lancer und vor allem Man-o'-War beweisen, dass McCabe gegen andere Kreaturendecks ein Tempospiel aufziehen will, während er gegen Kontrolle entweder auf Aggrokontrolle setzt (was eigentlich nicht funktionieren kann, da seine Kreaturen einfach teuer und nicht allzu schwer zu entsorgen sind), oder via Ophidian auf Kartenvorteil setzt (was eigentlich genau so wenig funktionieren kann). Ehrlich: Je länger ich über dieser Liste brüte, desto schwerer fällt es mir zu glauben, dass man damit gegen irgendetwas gewinnen könnte! Jedenfalls führt McCabe das Fish-Prinzip (kleine Kreaturen, unterstützt von Countern) in das Standard-Format ein, auch wenn diese Liste nicht überzeugend darlegen kann, warum dieser Archetyp etwas taugt.


Tommi Hovi mit Turbostasis


8 Island
4 Adarkar Wastes
4 City of Brass
4 Undiscovered Paradise
3 Gemstone Mine
2 Sheltered Valley

4 Howling Mine
4 Squandered Resources
4 Arcane Denial
2 Boomerang
2 Counterspell
1 Despotic Scepter
4 Enlightened Tutor
1 Equipoise
1 Feldon's Cane
4 Force of Will
1 Kismet
3 Pyroclasm
4 Stasis

2 Circle of Protection: Black
2 Circle of Protection: Red
2 Disenchant
2 Hydroblast
2 Jokulhaups
4 Pyroblast
1 Wall of Air

Hovi hat es nicht in die Top 8 geschafft, wird aber als einer der erfolgreichsten Spieler des Standard-Teils der WM geführt. Sein klar strukturiertes und fokussiertes Deck sticht in jedem Fall aus den bisherigen Listen heraus! Man beachte übrigens, dass diese Stasis-Liste fünffarbig ist – wie so viele andere Listen ist das dem Umstand geschuldet, dass City of Brass, Undiscovered Paradise und Gemstone Mine gleichzeitig verfügbar waren.


John Chinnock mit Aggrocontrol-Necro


2 Lake of the Dead
4 Quicksand
17 Swamp

4 Black Knight
4 Knight of Stromgald
4 Nekrataal

2 Choking Sands
4 Coercion
4 Dark Ritual
4 Drain Life
4 Icequake
3 Necropotence
4 Nevinyrral's Disk

4 Contagion
1 Demonic Consultation
4 Dystopia
2 Infernal Darkness
1 Mind Warp
1 Necropotence
2 Serrated Arrows

Chinnock erreichte das Viertelfinale, aber inwieweit sein Standard-Deck daran Anteil hatte, ist nicht bekannt. Er belegt, dass zur damaligen Zeit Necro noch gespielt wurde, aber seine Version ist offensichtlich nur ein Schatten des Decks, welches vor einem Jahr das Metagame tyrannisiert hatte. Coercion ist einfach nicht gut – drei Mana minus zu machen, um dem Gegner eine Karte abzuwerfen, das lohnt sich nicht. Besonders synergetisch ist Discard mit sechs Landzerstörern im selben Manaslot auch nicht.

Chinnock bemüht sich, proaktive Aggrokontrolle zu spielen, mit dem angestrebten Ziel, zweite Runde einen Ritter zu legen und dritte Runde den Gegner zu behindern. seine Manakurve ist jedoch höchst behäbig. Trotzdem wurde die Macht von Necro damals wohl nur durch die Omnipräsenz von Winter Orb im Zaum gehalten. Wie auch schon McCabe demonstriert Chinnock, dass man damals das Prinzip der Manakurve nicht als universell nutzbringend für Decks ansah, sondern es einzelnen Decktypen (Sligh, später Stompy) als Eigenschaft zuschrieb.

Ja – und was ist eigentlich aus Burnt Alive geworden? Das Environment hat sich doch seit den States nicht geändert! Ich bin an dieser Stelle auf Vermutungen angewiesen, aber ich gehe davon aus, dass Burnt Alive aus dem Metagame herausgehatet worden ist, und dass es im Gegensatz zu Necro im Black Summer nicht widerstandsfähig genug war, um trotzdem – zumindest ohne größere Veränderungen - spielbar zu bleiben. Heute gibt die Community ein dominantes Deck nicht gleich auf, wenn Hate auftaucht, sondern versucht sich damit zu arrangieren, aber damals, als man noch von der unbegrenzten Vielfalt spielbarer Archetypen ausging, hat man möglicherweise einfach das Deck gewechselt. Auch nicht ganz auszuschließen ist, dass Burnt Alive einfach eine "Modererscheinung" war und überspielt wurde.

Was aber ist jetzt der Burnt Alive Hate? Nun, Janosch zum Beispiel demonstriert sehr deutlich, dass er gegen Burnt Alive nicht verlieren will: Zusätzlich zu den 4 Swords to Plowshares sind da noch zwei Disintegrate im Deck, und Schutzkreise gegen Schwarz im Sideboard. Außerdem sind Wildfire Emissary gute Blocker gegen 3/1er. Auch Kjeldoran Outpost ist vermutlich noch recht häufig im Metagame vertreten. Grüne Decks haben zumindest nach Sideboarden 4 Whirling Dervish, die sie mit Giant Growth oder Bounty of the Hunt vor Burn retten konnten. Ebony Charm und Serrated Arrows finden sich noch in Sideboards. Trotzdem ist der massive Hate, der sich bei den Nationals noch fand, als schwarze Decks 3 bis 4 Ebony Charms ins Sideboard packten, die kaum einen anderen Nutzen besaßen, verschwunden, entweder ein Zeichen dafür, dass Burnt Alive nicht mehr gespielt wurde, oder dass man nicht mehr so viel Angst davor hatte.

Ich will Euch noch zwei Decklisten aus den "Decks to Beat" dieser Ära präsentieren, die ich keinem Event, bei dem sie erfolgreich gewesen wären, zuordnen kann, die aber von anerkannten Deckbau-Experten (zumindest für diese Archetypen) stammen und einfach mehr Sinn ergeben, als die meisten Worlds-Listen:


Deadguy Sligh von David Price


4 Goblin Vandals
3 Goblin Digging Team
4 Ironclaw Orcs
2 Dwarven Soldier
4 Ball Lightning
2 Viashino Sandstalker
4 Lava Hounds

4 Incinerate
4 Hammer of Bogardan
4 Fireblast
3 Kaervek's Torch

4 Dwarven Ruins
18 Mountain

4 Anarchy
4 Detonate
4 Straw Golem
3 Pyrokinesis

Price vollzieht hier den Übergang vom klassischen Sligh, welches mit Utility Creatures Boardkontrolle anstrebte, zum "modernen" Burn Sligh. Er beachtet immer noch die Manakurve (Dwarven Ruins füllen zusätzliche One-Drop-Lücken und ermöglichen frühe Ball Lightning und Lava Hound), interessiert sich aber hauptsächlich für die Schaden-Manakosten-Ratio seiner Sprüche und kaum für potenziellen Kartenvorteil.


Control-Necro von Erik Lauer


4 Black Knight
4 Knight of Stromgald
1 Ihsan's Shade

4 Dark Ritual
3 Demonic Consultation
4 Necropotence
3 Coercion
2 Choking Sands
3 Contagion
4 Drain Life
1 Soul Burn
4 Nevinyrral's Disk

2 Quicksand
2 Lake of the Dead
19 Swamp

4 Dystopia
2 Choking Sands
1 Contagion
3 Serrated Arrows
2 Agonizing Memories
3 Gloom

Lauer wiederum stellt Necro in einen Kontext, der zu jener Zeit vermutlich den meisten Sinn ergibt, nämlich Kontrollaggro. Er richtet sein Deck mit 4 Necropotence und 3 Demonic Consultation kompromisslos auf seine stärkste Karte aus, findet Platz für Free Spells im Hauptdeck und spielt insgesamt 5 Drain Life. Er ist offensichtlich entschlossen, seinen Draw Step so wenig wie möglich zu nutzen!

Sowohl Prices als auch Lauers Version wurden monatelang in den "Decks to Beat" präsentiert und prägten das damalige Metagame essenziell mit – vermutlich gar nicht einmal, weil diese Listen für besonders erfolgreich gehalten wurden, sondern weil sie besonders typisch und konsequent für ihre Archetypen waren. Damit wurde der Dojo zumindest ein wenig seinem Anspruch gerecht, nicht etwa "Decks to Play" aufzulisten, sondern eben "Decks to Beat". Diese Listen waren Vorläufer der heutigen "Gauntlet"-Decks, die man beim Playtesting nutzt – nicht individuell getunete, an das aktuelle Metagame exakt angepasste Versionen, sondern möglichst generische Playtest-Dummies.

Damit ist die Prä-Tempest-Ära im Standard abgeschlossen! Wir wollen aber noch einen Blick auf ein paar Extended-Decklisten von den Worlds und der PT Chicago werfen – einmal, weil Extended und Standard damals noch nicht allzu weit auseinander klafften, zum anderen aber auch, weil es höchst interessant ist, die Geburt des Metagames in einem völlig neuen Format mitzuverfolgen. Die Extended-Banned-Liste damals sah übrigens noch höchst merkwürdig aus – so befanden sich in der Anfangszeit zum Beispiel Kird Ape und Juggernaut darauf, und bald stieß Hypnotic Specter dazu! Woher in einem Format mit Lightning Bolt und Swords to Plowshares die panische Angst der DCI vor diesen Kreaturen rührte, weiß der Geier...


Gabriel Tsang mit CounterPost


4 Abeyance
4 Counterspell
4 Disenchant
4 Dissipate
3 Force of Will
2 Gerrard's Wisdom
4 Impulse
4 Swords to Plowshares
3 Wrath of God
2 Serrated Arrows

8 Island
3 Kjeldoran Outpost
5 Plains
3 Quicksand
3 Thawing Glaciers
4 Tundra

1 Amnesia
2 Circle of Protection: Black
2 Circle of Protetcion: Red
2 Disrupting Scepter
2 Karma
2 Mangara's Blessing
4 Sand Golem

Tsang wird als der Sieger des Extended-Teils der WM 1997 geführt. Wie langsam sich die Spielerschaft damals an das ungewohnte Format Extended herantastete, merkt man auch daran, dass abgesehen von Tundra und Amnesia Tsangs Deck Standard-Legal war. Ich möchte Euer Augenmerk auf die 4 Abeyance im Hauptdeck richten, welche wohl die einzige Überraschung in einem ansonsten höchst orthodoxen CounterPost darstellen.


Mark Justice mit Tax Edge


5 Plains
10 Mountain
4 Undiscovered Paradise
4 Mishra's Factory

4 Land Tax
2 Land's Edge
2 Phyrexian War Beast
4 Savannah Lions
1 Steel Golem
4 Abeyance
1 Circle of Protection: Red
2 Disenchant
2 Enlightened Tutor
4 Fireblast
4 Incinerate
4 Lightning Bolt
2 Pacifism
1 Winds of Change

2 Blood Moon
1 Circle of Protection: Red
2 Disenchant
1 Forsaken Wastes
3 Honorable Passage
2 Pyroblast
2 Pyroclasm
1 Red Elemental Blast
1 Swamp

So ähnlich wie Burnt Alive ist Tax Edge ein aggressives Deck, welches einige Schlüsselkarten für einen besonders starken Effekt integriert hat. Einige kleine Kreaturen und Burn unterstützen den Land Tax / Land's Edge Plan. Auch dieses Deck enthält übrigens 4 Abeyance.


Janosch Kühn mit URW-Control


1 Plains
2 Island
4 Plateau
4 Tundra
1 Undiscovered Paradise
4 Volcanis Island
1 City of Brass
4 Mishra's Factory
1 Kjeldoran Outpost

4 Frenetic Efreet

3 Tithe
3 Abeyance
4 Control Magic
4 Counterspell
3 Earthquake
1 Fireball
2 Force of Will
2 Incinerate
4 Lightning Bolt
2 Nevinyrral's Disk
1 Political Trickery
3 Swords to Plowshares
2 Wrath of God

2 Circle of Protection: Red
2 Disenchant
1 Force of Will
4 Honorable Passage
1 Kjeldoran Outpost
2 Political Trickery
3 Pyroblast

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte Janosch in Standard und Extended das gleiche Deck gespielt, und natürlich sind auch große Ähnlichkeiten vorhanden. Es gibt jedoch einige entscheidende Unterschiede: Einmal verzichtet Janosch auf die langsamen Thawing Glaciers zu Gunsten von Tithe, welche zusammen mit den Doppelländern diese Deckversion natürlich erheblich manasicherer machen. Zm anderen hat er seinen Gewinnplan geändert: An Stelle von Kreaturen stehen jetzt Länder (nur die Coinflip Efreets sind noch da), und die Political Trickery im Main beweist, dass Janosch sich auf Outpost-Wars eingestellt hat. Ob die Kreaturenarmut dem noch etwas kreaturenfeindlicheren Environment geschuldet ist,
oder ob Janosch einfach mit der Qualität der zur Verfügung stehenden Kreaturen nicht zufrieden war, ist eine interessante Frage, aber die 4 Control Magic wiesen darauf hin, dass er durchaus mit Kreaturendecks rechnete. Schließlich hat er, ohne die Unterstützung der Glaciers, den Hammer of Bogardan aufgegeben.

Und auch er spielt 3 Abeyance... warum? Wenn ich diese Listen sehe, frage ich mich, ob ich die Geschichte des Abeyance-Erratum nicht doch falsch in Erinnerung habe. Wie kommt diese Karte in die drei erfolgreichsten Extended-Decks der Worlds, von denen keines sie wirklich benötigt (so wie ein "echtes" Kombodeck es täte)? War die Regelauslegung, welche Abeyance zu einem halben Time Walk machte, erst zu den Worlds aktuell geworden? Aber wenn das so wäre, wieso sah man dann keine Abeyance-Decks im Standard? Ein Kombo-Deck, welches man mit Abeyance hätte hosen können, gab es damals schlicht noch nicht; das ist also keine Erklärung. Ich stehe vor einem Rätsel!

Bei der Pro Tour Chicago 97 jedenfalls war der Spuk dann vorbei...


Sieger PT Chicago 97 Randy Buehler mit Firestorm-Necro


1 Ihsan's Shade
4 Knight of Stromgald
4 Order of the Ebon Hand

4 Demonic Consultation
3 Disenchant
4 Drain Life
2 Firestorm
4 Hymn to Tourach
2 Incinerate
4 Lightning Bolt
4 Necropotence

2 Bad River
4 Badlands
3 Gemstone Mine
3 Lake of the Dead
4 Scrubland
8 Swamp

2 Circle of Protection: Black
1 Disenchant
1 Firestorm
3 Honorable Passage
2 Mind Warp
3 Pyroblast
3 Terror

Das ist sie, die berühmte Buehler-Necro, deren Design ihr Spieler Erik Lauer zuschreibt. Ihre Vorläufer haben wir bereits gesehen, und mit den in Extended zur Verfügung stehenden Doppelländern wurde das Konzept der B/r Suicide Necro besser als je zuvor umsetzbar, und als kleiner Bonus ließ sich auch noch Weiß splashen. Die wirkliche Entdeckung war natürlich die uns heute so offensichtlich erscheinende Synergie zwischen Firestorm und Necropotence.


Zweiter PT Chicago 97 David Mills


4 Frenetic Efreet
1 Suq'Ata Firewalker
2 Wildfire Emissary

2 Control Magic
4 Counterspell
1 Desertion
2 Disenchant
1 Disrupt
1 Earthquake
2 Fireball
2 Force of Will
4 Impulse
4 Lightning Bolt
1 Swords to Plowshares
4 Tithe
1 Serrated Arrows

2 Flood Plain
2 Island
3 Kjeldoran Outpost
4 Mishra's Factory
1 Plains
4 Plateau
4 Tundra
4 Volcanic Island

3 Blue Elemental Blast
1 Disenchant
4 Dwarven Miner
2 Gerrard's Wisdom
2 Mana Web
3 Nevinyrral's Disk

David Mills führt hier noch einmal die bei den Worlds erfolgreichsten Extended-Farben ins Feld. Interessant an seinem Deck ist, dass es Weiß im Wesentlichen für Kjeldoran Outpost splasht! Sein Deck ist also gewissermaßen ein CounterBurnPost, das lieber Burn als Swords spielt und lieber Control Magic statt Wrath of God. Die vielen 1- und 2-ofs sind natürlich auch ein Indiz dafür, dass Mills selbst nicht so Recht wusste, in welche Richtung er sein Deck eigentlich entwickeln wollte. URW war damals gewissermaßen das "Good Stuff" von Extended, mit den besten Utility-Karten Lighnting Bolt, Swords to Plowshares, Disenchant, Counterspell und Force of Will. Wie man aus diesen Einzelkämpfern allerdings ein fokussiertes Deck formte, darüber war sich die Magic-Community nicht so recht einig.

So, ich verabschiede mich jetzt nach Krakau, aber ich werde mich bemühen, den nächsten Teil dieser Reihe trotzdem pünktlich fertig zu stellen!

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