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Neulich, in der Steinzeit
Magic-Decks am Anbeginn der Zeit
von Andreas "Zeromant" Pischner
24.09.2007

(Ja, ich vermisse Don Martin, und wer nicht weiß, wovon ich gerade rede, der hat etwas verpasst!)

Willkommen zur Rückblende in der Rückblende!

Nachdem die ersten beiden Teile meiner Reihe "Magic-Decks im Wandel der Zeit" erschienen sind, wurde ich mit einen Riesenhaufen Informationen versorgt, die mir zuvor nicht zur Verfügung gestanden hatten – hier geht mein Dank besonders an Tobias "Ossi" Bosselmann!

Zu korrigieren gibt es glücklicherweise nichts, wohl aber einiges zu ergänzen. Insbesondere steht mir jetzt eine Komplettsammlung der frühen Duelists zur Verfügung, mit deren Hilfe ich ein wenig mehr Licht auf diejenige Zeit werfen kann, die ich bislang nur kurz zusammengefasst habe. Deswegen werde ich Euch heute einen Rückblick auf die ersten zehn Duelist-Ausgaben bieten, bis wir zum zeitlichen Stand der ersten Pro Tour aufgeschlossen haben – betrachtet diesen Artikel also sozusagen als "Teil 0" meiner historischen Reihe!

Zuerst aber noch ein Link: Hier (Link) finden sich die kompletten Listen der PT New York 1996-Decks – noch einmal geht mein Dank an Ossi!

Jetzt aber zu den Highlights aus den alten Duelists aus Spielersicht!


Duelist #1:


Auf dem Cover steht als Datierung "Winter 1994", womit die Herausgeber das meinen, was wir als "Frühjahr" bezeichnen würden, also das erste Quartal dieses Jahres. Deswegen, und weil der Vorlauf eines gedruckten Magazins erheblich ist, ist das primäre Thema dieses Heftes die Arabian Nights-Expansion. Interessant ist nicht nur, was sich in diesem dünnen Heftchen befindet, sondern vor allem was sich alles NICHT darin befindet, so zum Beispiel eine Kartenliste von Arabian Nights, ein FAQ oder irgendeine Deckliste an irgendeiner Stelle!

Obwohl die "Duelist Convocation" bereits gegründet war (im Heft befindet sich ein Aufnahmeantrag, mit dem Hinweis darauf, dass die Mitgliedschaft jährlich 15 $ kostet), wendet sich eigentlich kein einziger Artikel an Turnierspieler, ja, man kann sogar mit Fug und Recht vermuten, dass die bloße Existenz dieser Spezies den Machern des Magazins noch nicht ins Bewusstsein gedrungen war! Abgesehen von flavourbezogenen Artikeln und der durchaus interessanten Antwort auf die Frage, warum Richard Garfield nie zusammen gehörige Socken trägt, befindet sich nur ganz wenig Content im Heft, der sich überhaupt mit spieltechnischen Dingen beschäftigt: So werden Spieler "ermutigt", Rukh Egg so zu spielen, dass man das Token nur erhält, wenn das Ei aus dem Spiel auf den Friedhof gelangt (so etwas wie offizielle Errata gibt es noch nicht!), es werden Ratschläge gegeben, wie man gegen die gefürchteten Circles of Protection ankommt und eine 5-Spieler-Variante vorgestellt, die der Vorläufer des "Pentagramm"-Spiels ist.

Das Aufschlussreichste sind wohl die Artikel von Richard Garfield (seine Kolumne "Lost in the Shuffle" sollte wirklich einmal in gesammelter Form publiziert werden, da sind so viele Juwelen drin!), in denen er das Problem übermächtiger Killer-Decks anspricht (damit waren insbesondere auch First-Turn-Kill-Decks ala Black Lotus / Channel / Fireball gemeint) und vorschlägt, dass sich Spieler, nachdem sie diese Decks gefunden haben, freiwillig auf weniger starke Kreationen beschränken. Ganz offensichtlich hat sich Richard überhaupt keine Gedanken über Magic als wettbewerbstauglichen Denksport gemacht!

Noch ein Feature debütiert hier, von dem ich mir wünschte, dass es eine gebundene Zusammenstellung davon zu kaufen gäbe: "What's new?" von Phil Foglio, ein brillianter, satirischer Cartoon, der die Auswüchse des Hobbies Sammelkartenspiel auf die Schippe nimmt.


Duelist #2:

Es steht "Summer 1994" drauf, was bedeutet, dass Antiquities und Legends bereits erschienen sind, und Revised die Unlimited Edition des Grundsets abgelöst hat, während The Dark noch in der Zukunft liegt. Das Erste, was man beim Aufblättern des Heftes findet, ist ein Hinweis auf die WotC Customer Service Line, die neu eingerichtet wurde, und bei der man anrufen soll, wenn man Regelfragen zu MTG (oder einem anderen Wizards-Spiel, aber naja) hat. Immerhin bereits ein Hinweis darauf, dass es so etwas wie offizielle Regelauslegungen gibt!

Weiterhin gibt es zum ersten Mal ein FAQ, in diesem Fall zu Legends-Karten. Die "Emperor"-Variante wird zum ersten Mal vorgestellt (und zwar selbstverständlich mit einer Reichweite von zwei Spielern, nicht etwa von einem, wie sie heute auf MTGO implementiert ist!) Überhaupt steigt der Anteil der spielrelevanten Inhalte des Heftes enorm an. Besonders erwähnenswert ist wiederum Garfields Kolumne "Lost in the Shuffle", in der er die Regeln für "Grand Melee" vorstellt (natürlich bereits mit der Regel, dass es Kill Points für Spieler, die man erledigt hat, gibt – wie ich in einer Diskussion an anderer Stelle schon sagte, war diese Variante schon immer so konzipiert!)

Höchst aufschlussreich auch "The Diviner", in dem die teuersten im Scrye gelisteten Karten aufgeführt waren – der Shivan Dragon führt die Unlimited-Liste mit 15,23 $ vor dem Black Lotus mit 15 $ an! (Der Nightmare übrigens steht auch noch vor allen Moxen in dieser Liste.) Ach ja, der Autor diskutiert, ob man 5 $ für Legends-Booster bezahlen sollte, oder ob man sich das nicht lieber ersparen sollte, wenn man sich ausgenommen fühlt... In diesem Duelist finden sich immerhin Checklisten (keine Spoiler-Listen) für Revised und Legends – das erste Mal, dass WotC überhaupt offizielle Listen veröffentlicht (vorher war es Policy gewesen, dass die Unsicherheit, wie viele und welche Karten ein Set hat, und wie selten sie sind, Teil der Attraktivität dieses Spiels seien).

Außerdem finden sich zum ersten Mal offizielle Errata, sowie Hinweise darauf, dass es unterdessen eine Banned- und eine Restricted-Liste gibt, die offenbar im "Duelist Supplement" veröffentlicht wurde, einem monatlichen Newsletter für Duelist Convocation Members. Dort hat Mark Rosewater übrigens sein erstes "Magic: The Puzzling" veröffentlicht, welches jetzt als permanentes Feature auch im Duelist auftaucht (und ich kann mich noch gut erinnern, wie wir uns damals die Köpfe darüber zerbrochen haben!)

Auf vier Seiten werden "Duelist Convocation News" vorgestellt. Hier will ich einmal aus einer "Policy Notice" zitieren: "Wizard of the Coast cannot sanction tournaments that are to be held in retail outlets. Retailers who wish to sponsor sanctioned tournaments are welcome to do so, but the event must be held at a neutral location." Wie liest sich DAS denn bitteschön aus moderner Sicht? Es gibt auch eine Liste der Top25-Duelist Convocation-Spieler, auf der ich maximal einen Namen identifizieren kann (und auch nur, wenn es sich bei "David Williams" um den späteren Pro-Tour-Spieler und Poker-Pro handelt).

Bahnbrechend hingegen ist die Veröffentlichung der "Deck Construction Rules": Mindestens 60 Karten, keine Karte öfter als vier Mal, ein Sideboard von exakt 15 Karten, eine Banned- und eine Restricted-Liste (auf ersterer befanden sich nur Time Vault, Shahrazad und Ante-Karten, auf letzterer KEIN Mind Twist – aber dafür Ali from Cairo!) Weiterhin wird die Best-of-three Match-Struktur festgelegt und der All-Land- und der No-Land-Mulligan beschrieben, sowie der Anschluss-Mulligan, den der Gegenspieler dann nehmen durfte – aber ohne den Begriff "Mulligan" zu erwähnen.

Ach ja, und der Mitgliedsbeitrag in der Duelists' Convocation (verschiedene Schreibweisen dieser Organisation sind so aus dem Heft übernommen) beträgt unterdessen schon 18 $.


Duelist #3:


Diese Ausgabe war aktuell, als ich meine ersten Magic-Karten von einem Freund kaufte und der Sucht verfiel – oh, die Nostalgie! Es steht "Fall 1994" drauf, und The Dark war das jüngste Set. Es beginnt mit einem FAQ dazu, aus dem ich wieder eine Passage zitieren will: "The Serra Angel does not tap when she attacks, and the Maze of Ith will untap a creature that is attacking.The Maze of Ith, therefore, cannot prevent the Serra Angel from attacking, because it cannot make the Serra Angel untap." Ja, wer damals die Regeln verstehen wollte, hatte es schwer! Oberster Regelguru war damals Tom Wylie, und der gefiel sich darin, zu jeder Karte ein eigenes Ruling zu machen, anstatt nach einer logischen Gesamtregelung zu suchen (ja, er hat auch das spätere Wall-of-Boom-Desaster auf dem Gewissen, das seiner Versetzung in eine nicht mit Magic befassten Abteilung bei WotC unmittelbar vorausging!) Dieser Tom Wylie eröffnet eine neue Kolumne, "Murk Dwellers", in der er sich mit besonders kniffligen Regelfragen auseinandersetzt – Upkeep-Effekte, Kopier-Effekte etc... – und beinahe unverständliche Erklärungen dazu abgibt.

Zak Dolan, der erste Magic-Weltmeister, erhält eine eigene Kolumne, und wenn man seine Beiträge heute liest, fragt man sich schon, wie der Mann eigentlich Weltmeister geworden ist... Dann werden einige offizielle Regeländerungen am Ende eines Beitrags über Regelvarianten versteckt, hier wieder ein Zitat: "You can use "lucky charms" (Iron Star, Ivory Cup, etc.) at any time after the triggering effect occurs, up until the end of turn." Nein, auch damals wusste schon niemand, was sich Tom Wylie dabei gedacht hat!

Die teuerste Karte aus The Dark ist Leviathan, gefolgt von Frankenstein's Monster. Ball Lightning liegt abgeschlagen auf Platz sieben und Blood Moon schafft die Top Ten nicht. Maze of Ith, eine Uncommon (die sich darüber hinaus auf dem Common-Druckbogen befindet, was bis heute zu Verwechslungen führt), steht natürlich gar nicht zur Debatte!

Es gibt einen GenCon-Bericht von Mark Rosewater. Auf ca. einer von vier Seiten berichtet er dort von der Magic-Weltmeisterschaft. Man erfährt die Namen der vier Halbfinalisten, bekommt Fotos der beiden ach-so-coolen Finalisten zu sehen und darf immerhin eine zusammenfassende Beschreibung der Finalspiele lesen – und das war's! Keine Decklisten oder so etwas, nicht doch!

Nach einem langen Block von Artikeln, die sich mit anderen Sammelkartenspielen befassen, taucht plötzlich noch einmal eine halbe Seite mit Errata zu Magic-Karten auf. Wer sich heute fragt, wie verbreitet "Tech" damals war: Es war schwierig genug, auch nur die REGELN des Spiels zu finden!

In den Convocation News finden sich dann doch noch ein paar rudimentäre Informationen zu den Finaldecks der WM – keine Listen natürlich, aber statistische Breakdowns (das liest sich so: "Creature Ratio: 25% (biggest creature: Whirling Dervish)". Ein Zitat des Halbfinalisten Cyrille De Foucaud will ich Euch hier nicht vorenthalten: "The trip was not a total loss. So far playing for ante, I have won eight Black Lotuses and six Moxes."


Duelist #4:


Es ist Fallen Empires-Time (also die Zeit, in der Magic so nah dran war wie später nie wieder eingestellt zu werden, weil dieses Set in absurder Menge überproduziert wurde)! Mark Rosewater schreibt zum ersten Mal einen Strategie-Artikel, "10 Mental Locks of Magic", der in Hinblick auf sein Zielpublikum (nämlich Anfänger) auch sehr gut gelungen ist und grundlegende Ratschläge gibt. Seine Liste der zehn grundlegenden Irrtümer umfasst:

    1. "Bigger is better"
    2. "Rare cards are superior"
    3. "A card has one use"
    4. "I can't play positive cards on my opponent"
    5. "I can't play negative cards on myself"
    6. "Don't forget the order"
    7a. "I must use cards as soon as I can"
    7b. "I'd better hold onto my cards as long as I can"
    8. "I have to hit my opponent"
    9. "I shouldn't sacrifice things"
    10. "All I need is life"


Er erkennt hier zielsicher die häufigsten Fehleinschätzungen, die Anfänger haben. In leicht überarbeiteter Form wäre dieser Artikel auch heute noch höchst aktuell! Das Besondere an ihm ist aber, dass er der erste wirkliche Strategie-Artikel im Duelist ist (das Gefasel von Zak Dolan zählt nicht) – und das ausgerechnet vom überzeugten Nicht-Spike Rosewater!

Apropos Zak Dolan – in dessen Kolumne findet sich ein Debüt: Die erste Deckliste, die jemals im Duelist veröffentlicht wurde! Nicht etwa sein WM-Deck, nein – er schreibt darüber, wie er sich einen Revised Starter kauft und wie er, nur durch Tauschen, daraus ein schlagkräftiges Deck voller Duals und anderer Rares, plus einem Tauschkartenpool mit einer dreistelligen Anzahl Rares gemacht hat. Oder anders ausgedrückt, wie er in Rekordzeit möglichst viele ahnungslose Spieler beim Tauschen abgezockt hat! Wohl einer der widerlichsten Artikel, die je im Duelist erschienen sind...

Die Duelists' Convocation kündigt an, dass sie fortan drei verschiedene Arten von Magic-Turnieren sanktioniert: Typ 1, Typ 2 und Sealed Deck. (Diese Entwicklung fand im Januar 1995 statt.) Typ 2 umfasst damals das aktuelle Grundset und die beiden neuesten Erweiterungen. Sealed Deck wird mit einem Starter des aktuellen Grundsets (die Dinger enthielten 60 Karten, davon 22 Standardländer) und entweder drei 8-Karten-Boostern oder zwei 15-Karten-Boostern gespielt, je nachdem, was die neueste Erweiterung bietet.

Außerdem werden die ersten "Standard Floor Rules" (die natürlich nichts mit dem späteren Standard-Format zu tun haben) veröffentlicht. Hier ein interessantes Zitat: "Players must keep the cards in their hands above the level of the playing surface at all times. If a player is in violation, the Judge may issue a warning to the player, or interpret the violation as a Declaration of Forfeiture, at the Judge's discretion." Den Begriff "Disqualifikation" gab es damals noch gar nicht!

Am Ende des Heftes finden sich dann noch zehn Seiten mit Errata zu Karten aus Magic und Jyhad, neun davon zu Magic.


Duelist #5:


Die 4th Edition ist erschienen, und der erste Artikel erklärt auführlich, warum einzelne Karten herausrotiert wurden. Einige Best-ofs:



...Channel, Balance, Black Vise und Mind Twist sind übrigens noch im Set, ebenso wie alle 5 Laces, und Land Tax und Strip Mine wurden an der Seite von Fortified Area und Elder Land Wurm neu aufgenommen. Natürlich galt die meiste Aufregung damals aber den fehlenden Doppelländern!

Mit der 4th Edition werden außerdem wenigstens ein paar Regeln vereinheitlicht. So werden z.B. die "Target"-Rules formuliert, was unter anderem zu einem Reversal des Maze of Ith-vs.-Serra Angel-Rulings führt. Jede Menge Karten erhalten neue Wordings in der Vierten oder weitere Errata. Hier wieder ein Zitat: "As of this writing, the policy of the Duelists' Convocation is to play with cards as they are written, and not always use the text from the most recent printing of a card." Eine Änderung hier wird zwar in Aussicht gestellt – aber was für ein Chaos, gerade wenn man bedenkt, in wie viel anderen Sprachen Magic damals bereits erschienen war (französisch, italienisch, deutsch, japanisch, spanisch, und ich glaube koreanisch – portugiesisch und chinesisch waren meiner Erinnerung nach etwas später, aber beschwören will ich es nicht)!

Mit "How to tune a Sealed Deck" ist es wiederum Mark Rosewater, der grundlegendes strategisches Wissen vermittelt, und mit "Timing is everything" setzt er noch einen zweiten Artikel obendrauf, während Beth Moursund (die damals neben Tom Wylie wohl der wichtigste – und weitaus vernünftigere! – Rules-Guru war) einen Artikel über die Combat Phase (die damals noch nicht so hieß) hauptsächlich aus regeltechnischer Sicht verfasst, aber auch ein paar grundlegende taktische Tipps dabei gibt. Ach ja, und Zak Dolan schreibt übers Bluffen und empfiehlt dabei Karten wie Glasses of Urza, um nicht auf gegnerische Bluffs hereinzufallen... Ja, das war das strategische Wissen, das damals vom amtierenden Weltmeister vermittelt wurde!


Duelist #6:


Chronicles ist erschienen und erzeugt einen gewaltigen Aufschrei unter all denjenigen, die Magic-Karten lieber als Geldscheine, denn als Spielkarten sehen. Zunächst aber lesen wir noch folgendes Statement: "Wizards of the Coast plans to keep Chronicles in print as long as demand warrants it. If we do change the card mix of Chronicles, just as we do with the basic set, you may see some cards from expansions after The Dark begin to show up." Tja, WotC hat damals in gutem Glauben alte Karten nachgedruckt, damit neuere Spieler damit spielen konnten... aber leider hat sich diese Idee nicht durchgesetzt!

"The Anatomy of a Sealed Deck" von Joel Mick (ein Autor, der übrigens auf MTGO seinen Nachnamen nicht tippen könnte, ohne zensiert zu werden!) ist hauptsächlich deswegen erwähnenswert, weil er sowohl den kompletten Kartenpool, als auch das fertige Deck auflistet – ein neuer Rekord an Informationsdichte! Mark Rosewater schreibt dann in "Have I got a game for you" darüber, wie man Neulingen am besten Magic beibringt, und ich fühle mich sehr an den Artikel erinnert, den ich ein Jahrzehnt später zu diesem Thema auf MagicUniverse veröffentlicht habe – sollte ich mich da unterbewusst an diesen Artikel zurück erinnert haben, oder bin ich einfach auf die gleichen Gedanken gekommen?

Faszinierend übrigens der Artikel "Magic in the Netherlands" von Daniel Wixman (ja, der hieß wirklich so!) – ein Amerikaner, der ausgezogen ist, den Europäern Magic beizubringen... Mein Lieblingszitat: "As I travel, I learn the Dutch don't care for the quick black deck, preferring a much more balanced approach [also Decks mit 4 Balance!]. I believe speed deck technology will push them toward faster, more offensive decks, similar to what I see in the Pacific Northwest." Da muss man sich wohl nicht wundern, dass nach Zak Dolan jahrelang kein Amerikaner mehr Weltmeister geworden ist, oder?

Die Duelists' Convocation hat wieder etwas Interessantes zu vermelden: Sie stellt ihr Rating-System nach dem Vorbild des ELO-Rating des internationalen Schachverbandes um. Ach ja, und sie erlaubt pro geographischer Region ab jetzt mehr als ein Turnier pro Monat und Format!

Richard Garfield greift in "Lost in the Shuffle" die Diskussion "Typ 2 ist uninterssanter als Typ 1!" auf, ebenso wie "Sealed Deck ist nur Glück!" 12 Jahre später sind diese Themen so aktuell wie eh und je... Ach ja, und die zahlreichen Errata und Reversals, die Tom Wylie seit einigen Heften zu immer wieder den selben Karten publiziert, erwähne ich schon gar nicht mehr.


Duelist #7:


Dieser enthält eine Kartenliste von Homelands. Seit der zweiten Ausgabe des Duelist ist das zwar nichts Besonderes mehr, aber hier ist es erwähnenswert, dass zum ersten (und meines Wissens einzigen) Mal die Liste eines Sets veröffentlicht wird, bevor das Set erhältlich (bzw. bei Prereleases vorgstellt) ist! Damit reagiere WotC auf ein "Leak", durch welches diese Liste bereits im Internet kursiert. Seitdem haben sie Maßnahmen ergriffen, dass solche Leaks in dieser Form nicht mehr vorkommen. Ich weiß noch, wie ich damals "Chain Stasis" auf der Liste sah und mir dachte: Du meine Güte, eine Stasis, die sich fortsetzt – das muss ja eine Hammerkarte sein! Naja.

In "Overlooked & Underused" stößt Mark Rosewater so langsam doch an die Grenzen seiner strategischen Kompetenz, als er zu erklären versucht, warum Colossus of Sardia oder die Laces durchaus spielbar seien (dass es einmal ein Deck mit Deathlace geben wird, das auf einer absurden Kombo mit Reap beruht, ist ein anderes Thema). Nichtsdestotrotz landet er mit Bazaar of Baghdad, Demonic Consultation, Ashnod's Altar und Atog auch einige Volltreffer!

Beth Moursund prägt in "Playing your Pet" einen Begriff, der heutztage zum Alltagsvokabluar jedes Magic-Spielers gehört, nämlich den des Goldfisches als Bezeichnung für einen imaginären Gegner, der sich in keiner Weise wehrt. "Cats don't play Magic. They consider it beneath their dignity" ist allerdings eine Feststellung, der Dom Camus in seinen exzellenten Artikeln später ebenso geist- wie lehrreich widersprechen wird.

Die Duelists' Convocation sanktioniert Ice Age Construted Deck Tournaments und Ice Age Sealed Deck Tournaments. Für letztere schlägt sie als Neuerung vor, dass der Turnierveranstalter allen Spielern vier zusätzliche Standardländer ihrer Wahl zur Verfügung stellt (und nein, die snow-covered-Thematik wird nicht erwähnt!)

Schließlich berichtet Mark Rosewater über die WM von 1995 (und auch kurz von den Southwest Regionals und den US Nationals). Decklisten sind natürlich wieder Fehlanzeige. Zu den üblichen Statistiken, die gedruckt ebenso viel, wenn nicht sogar mehr Platz einnehmen, wie es eine schlichte Deckliste getan hätte, gesellen sich auch Kommentare der Designer, im Fall von Weltmeister Blumke: "To be honest, I'm surprised it worked as well as it did." Dem kann ich mich nur anschließen! (Hier findet sich gewiss ein Link zur Deckliste, das der fleißige Editor gesetzt hat.)


Duelist #8:


Mit Dezember 1995 ist diese Ausgabe wieder genauer zu datieren (wobei man berücksichtigen muss, dass Zeitschriften häufig vordatiert werden, damit der Händler sie länger im Regal lässt). Das Layout ist völlig überarbeitet worden, und wichtige Ankündigungen befinden sich jetzt auf den ersten Seiten. So werden professionelle Magic-Turniere (noch ohne Einzelheiten) angedacht, und es gibt einen Kurzbericht von der 1995 Typ-1-Weltmeisterschaft (natürlich ohne Deckliste), die ein gewisser Chip Hogan gewonnen hat. (Unter anderem übrigens mit Glasses of Urza im Deck...)

Mark Rosewater hat schon wieder zwei Artikel geschrieben (Magic: The Puzzling nicht mitgezählt). Sein Artikel über Trading beeindruckt mich weniger, aber "Making Enemies" beschreibt eine hervorragende Idee fürs Casual Play, nämlich nicht ein, sondern zwei Decks zu bauen, die ungefähr gleich stark sind, und diese gegeneinander zu spielen! Das ist nicht nur eine hervorragende Lösung, wenn man mit jemandem spielt, dessen Kartensammlung der eigenen nicht gewachsen ist, sondern auch eine Möglichkeit, sämtliche Deckkonstruktionsreglen über den Haufen zu werfen: Wenn die Decks gleich stark sind, dann können sie auch 4 Mind Twists oder 4 Ancestral Recall (so man sie hat) enthalten! Zugegeben, das hat jetzt wenig mit der Entwicklung des Turnierspiels zu tun, aber ich wollte trotzdem noch einmal darauf hinweisen – und sei es auch nur, weil Rosewater Decklisten bietet!

Die Duelists' Convocation North America (so heißt die also jetzt) hat weitreichende Änderungen vorgenommen: Legendäre Karten sind nicht mehr restricted (was sie also offensichtlich zwischendurch waren!). Es gibt weitere Änderungen an den Banned- und Restricted-Listen (in den letzten Duelist-Ausgaben war aber nicht davon berichtet worden, sonst hätte ich Euch davon erzählt!): Zuran Orb wird restricted; Channel, Chaos Orb und Falling Star werden gebannt. Noch wichtiger: Der Typ-2-Kartenpool wird vergrößert und umfasst nicht nur die beiden neuesten Erweiterungen, sondern alle Sets, die zur Zeit noch "widely available" sind – was damals bedeutet (und noch längere Zeit bedeuten wird), bis einschließlich Fallen Empires. Ohne diese Änderung wären die Händler ihre Überbestände dieses Sets wohl gar nicht mehr losgeworden...

Die "Official DCI Standard Floor Rules" passen immer noch mühelos auf zwei Seiten und kennen weiterhin nicht den Begriff der Disqualifikation, nur den der "Declaration of Forfeiture", als welche ein Judge bestimmtes unerwünschtes Verhalten interpretieren darf. Der Mulligan allerdings heißt jetzt bereits "Mulligan".

Dafür aber erhalten die Regeln für Typ-1- und Typ-2-Deckbau jeweils eine eigene Seite, und zum ersten Mal seit dem Duelist #2 werden die Banned- und Restricted-Listen vollständig aufgeführt! Balance befindet sich unterdessen darauf, Black Vise, Land Tax und Strip Mine noch nicht.

In einem Artikel "Magic in La-La Land" (also in Los Angeles) von Mark Rosewater – Moment mal, das ist ja bereits sein dritter Artikel in diesem Heft! – werden einige "original deck ideas" aufgezählt (natürlich ohne Decklisten). Wiedererkennbare Archetypen waren am ehesten das Balance/Discard-Deck und "Vise Age", das als grün-rotes Aggrodeck mit Black Vises und großen Kreaturen beschrieben wird. (Obwohl rot-grüne Kreaturen-Decks meiner Erinnerung nach eher als "Erhnam-Burn'em" bekannt waren.)


Duelist #9:

Neuigkeiten...!
Der Spieler, der anfängt,
zieht keine Karte in
seinem ersten Zug...

Pro Tour New York wird mit genauen Daten angekündigt, und es gibt eine Liste von zehn Spielern, die dafür extra von WotC eingeflogen werden: Mu Luen Wang, Marc Hernandez, Bertrand Lestree, Henri Schildt, Ivan Curina, Andrea Redi, Alexander Blumke, Mark Justice, Henry Stern und Zak Dolan. Noch eine interessante Neuerung wird angekündigt: "The first Professional Tournament will also be testing out a new rule designed to make serious competition as fair as possible. Simply known around the office as the "play/draw rule," it forces the player who goes first to skip his or her first draw. This divides the two advantages of going first (getting to play first and getting to draw first) between the two players."

Mark Rosewater gibt in "Strength in Numbers" Richtlinien, wie oft man bestimmte Karten in einem Deck spielen sollte – wiederum grundlegende strategische Tipps, die den meisten Lesern damals vermutlich neu waren. Zak Dolan hingegen schwadroniert in "Read 'em like a Book" über sogenannte "Themes" von Decks, und wie man sie erkennt und bekämpft. Seine Auflistung umfasst: Discard-Decks, Land-Destruction Decks, Weenie-Decks, Big-Creature-Decks, Counterspell-Decks, Mass-Destruction-Decks, Orb-Decks, Card-Drawing-Decks, Direct-Damage-Decks, Millstone-Decks und Lock-Decks. Eigentlich Zaks bester Artikel, aber man darf nicht zu genau hinlesen, insbesondere nicht, welche Karten er teilweise empfiehlt (Fountain of Youth gegen Weenie-Decks, Pentagram of the Ages gegen Burn, ach ja, und generell mal wieder Glasses of Urza...)

In seiner Regelkolumne "Murk Dwellers" zeichnet Tom Wylie superschicke, labyrinthartige Flow Charts mit Dungeon Flair von den damaligen Timing-Regeln – welch eine wunderschöne Verbildlichung der absoluten Unfähigkeit des damaligen Rules Managers! Wer mit Sixth Edition-Rules aufgewachsen ist, der GLAUBT es einfach nicht – stellt Euch einfach nur vor, wie kompliziert das Ganze maximal gewesen sein könnte, und es ist noch einmal zwei Stufen komplizierter...
[Oder schaut es euch an – gleich HIER! – TobiH]

Noch ein Juwel aus der Planung zum "Professional Tournament Circuit": "Another goal of the professional tournaments is to build up Magic as a spectator sport. Organizers are planning to charge $ 10 for tickets to the event."

Außerdem wird "Wizard of the Coast's Experimental Tournament System" vorgestellt, bei dem es keine Restricted-Liste gibt und nur Ante-Karten, Chaos Orb, Falling Star, Divine Intervention und Shahrazad gebannt sind. Man darf jede Karte bis zu zehn Mal spielen. Allerdings darf man nicht mehr als 20 "Punkte" in seinem Deck haben, und es gibt eine Liste von Karten, die mehr als 0 Punkte wert sind. Alle Doppelländer sind zum Beispiel 1 Punkt wert, alle Moxe 3, Black Lotus 5 und Channel und Timetwister 6. Kird Ape kostet übrigens 2 Punkte, und Clone 1, ebenso wie Preacher. Von diesem Experiment hat man nie wieder etwas gehört...

Die Duelists' Convocation North America stellt offizielle Regeln für Sealed Deck auf (es hat sich aber eigentlich nichts Wesentliches geändert, außer dass Veranstalter in der Wahl des Produktes freier sind), sowie für Vampire: The Eternal Struggle. Ab dem 1. Januar wird Black Vise Restricted und Mind Twist gebannt.


Duelist #10:


Jetzt sind wir endlich up-to-date mit meiner historischen Betrachtung! Zunächst einmal gibt es aber einen Artikel von Chris Page, der zwar bereits seit der ersten Ausgabe für den Duelist schreibt (der COP-Artikel), den ich aber seitdem nie wieder erwähnt habe, weil seine Artikel einfach für Turnierspieler völlig überflüssig sind. Dieser hier ist aber interessant, denn er erzählt davon, warum die Duelists' Convovation sich entschieden hat, die Karte Island zu bannen: Weil sie eingesehen hat, dass Blau einfach zu stark und dieser Farbe anders nicht beizukommen ist! Dieser damalige Aprilscherz hat nie wirklich an Aktualität verloren, denn einerseits werden tatsächlich immer wieder überstarke blaue Karten gedruckt, und andererseits werden schlechte Spieler wohl für alle Zeiten darüber jammern, wie unfair Blau doch sei, weil sie einfach nicht verstehen, wie diese Farbe funktioniert. Pages Artikel bezeugt, dass dieses Thema bereits mindestens seit Anfang 1996 auf der Tagesordnung steht!

Es gibt aber auch wichtige Ereignisse: Einmal bietet die Duelists' Convocation jetzt zwei verchiedene Arten von Mitgliedschaften an, "Mana Membership" und "Legends Membership". Im Wesentlichen bedeutet das, dass jeder jetzt gratis Mitglied in der DC werden kann – absolut unabdingbar für den Aufbau einer internationalen Turnierszene!

Dann werden die Banned- und Restricted-Listen für Typ 1 und Typ 2 separiert, ein wichtiger Schritt hin zu einem ernsthaften Turnierformat Typ 2 (witzig, dass Jahre später die DCI diesen Prozess für Typ 1,5 – heute Legacy – noch einmal durchlaufen musste!) Ach ja, die supergefährlichen Ali from Cairo und Sword of the Ages werden von der Typ-1-Restricted-Liste entfernt... In einem Rückblick auf die DC-Turnierregeln von Beth Moursund erfahren wir, dass kurzeitig sogar Dingus Egg auf der Restricted-Liste war, die am 25. Januar 1994 zum ersten Mal veröffentlicht wurde.

Übrigens gibt es einen Artikel zu Weissman's "The Deck". MIT DECKLISTE! Die Zeiten ändern sich langsam – obwohl: Ein paar Seiten später gibt es eine Coverage von Pro Tour New York, und die ist wieder OHNE Decklisten und verwendet nur allgemeine Beschreibungen der Decks aus den Top 8. Erwähnt werden übrigens auch die Decks der beiden Finalisten der Junior Division. Der "White Weenie" des Zweitplatzierten mit Serra Angel und Blinking Spirit ist wohl als irrelevant einzustufen, aber der Sieger der Junior Division hat offenbar ein Necropotence-Deck mit Demonic Consultation gespielt und war damit tech-mäßig Leon Lindbäck bereits voraus!

Ja, und weiter hinten im Heft versteckte sich dann die Ankündigung, deretwegen ich beinahe mit Magic aufgehört hatte, weil ich begriff, dass trotz der sensationellen Einführung der Pro Tour Magic nicht in erster Linie für Spieler, sondern für Sammler und Spekulanten produziert wurde: Die Card Reprint Policy einschließlich Reserved Card List. Was für ein Müll!



So, das war also unsere nicht ganz so kurze Tour durch die Magic-Szene der frühen Jahre. Wer beurteilen will, wie Erkenntnisse sich damals in der Magic-Szene verbreiteten, der muss Folgendes beachten:

Der Großteil der Magic-Szene war überhaupt noch nicht vernetzt, nicht durch das Internet und nicht via Duelist! Die meisten Magic-Spieler spielten einfach lokale Turniere und bewegten sich in ihrer lokalen Szene. Die einigermaßen scharfe Trennung von Casual Players und Turnierspielern, wie sie heute besteht, gab es damals noch nicht. Nur ein relativ geringer Teil der Turnierteilnehmer ließe sich aus heutiger Sicht als "Turnierspieler" bezeichnen, und selbst diejenigen besaßen nur höchst selten bessere Informationsquellen als den Duelist.

Ich denke, ich konnte ganz gut aufzeigen, wie wenig strategisches Wissen in der Prä-Pro-Tour-Zeit doch allgemein vorhanden war. Pro Tour New York läutet jedoch eine neue Epoche ein, und deswegen beginnen die Entwicklungen sich zu überstürzen – auch für die Rahmenbedingungen, unter denen Turniere stattfinden (denn man kann sehr gut nachvollziehen, wie chaotisch doch die Anfangsphase der DCI, die damals noch nicht DCI hieß, war)!

Jetzt aber gibt es zumindest schon einmal Typ 1 und Typ 2 (mit separaten Restricted-Listen) und die Play/Draw-Regel – immerhin ein Anfang! Wie es weitergeht, beschreibe ich Euch dann, wenn ich meine Reihe mit dem dritten Teil wieder aufnehme.

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