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Limited
Akte X – BR Direct Attack
Zehnte Edition im Draft
von Andre "TrashT" Müller
17.08.2007

Immer schön abwechselnd, ein Beatdowndecktyp, dann ein Controldeck und heute wieder Beatdown. Wobei ich zugeben muss, dass diese Grenzen in Limited deutlich öfter verschwimmen als in Constructed. Mit einem sehr limitierten Kartenpool ist es viel schwieriger, ein fokussiertes Deck zusammenzubekommen. In einem gegebenen Matchup stellt sich zwar irgendwann heraus, wer der Aggressor und wer der "Defensor" ist, doch selten kann ein Deck eine dieser Positionen bereits vor Spielbeginn für sich beanspruchen.

Diverse Karten sorgen allerdings für "Inevitability". Übersetzen lässt sich dieser Begriff am besten mit "Unvermeidbarkeit". Im Klartext: wenn das Spiel lange genug dauert, hat das über Inevitability verfügende Deck fast automatisch gewonnen. Das beste Beispiel in diesem Format wäre der Plague Wind. Wie bereits angesprochen ist "Warten auf den Wind" auf sich allein gestellt ein legitimer Decktyp, der definitiv in die Kategorie "Control" fällt. Irgendwann ist der Wind gezogen und 7BB steht zur Verfügung und man gewinnt. Egal wie defensiv euer Deck ist: wenn ihr nicht gerade einen Counter für den Wind zur Verfügung habt, wird euch nichts anderes übrigbleiben, als den Gegner zu töten, bevor der Wind zum Einsatz kommen kann.

Ein derart aggressives Deck zu draften, dass man es nicht in die Defensive drängen kann, ist hingegen ungleich schwieriger. Ein Beatdowndeck definiert sich eher durch seine generell aggressive Kartenwahl. In einem solchen Deck ist die Manakurve niedrig, im Idealfall kann jede Karte als Threat verwendet werden und die einzigen "Antworten", die ein solches Deck enthält, sind Antworten auf die Antworten eures Gegners.

Leider tritt dieser Idealfall eher selten ein und auch den Plague Wind muss man erstmal gedraftet bekommen. Die meisten Limiteddecks fallen also eher in die Kategorie Kontrollaggro bzw. Aggrocontrol. Natürlich gibt es auch Ausnahmen.

Das "Schimmelhaufen"-Deck aus dem RGD-Format ist das Muster für ein perfektes Aggrodeck. Die Eskalation beginnt in Runde 1, Schluss ist für gewöhnlich bei 3 Mana. Nur einer der allerstärksten 4-Drops konnte den Weg ins Deck finden. Der aus dieser niedrigen Manakurve resultierende Landanteil sorgte dafür, dass teurere Karten weitestgehend unspielbar waren. Selbst der 4-Drop musste so gut sein, dass er nicht in Turn 4 kommen muss um seine hohe Casting Cost zu rechtfertigen – in Turn 7 von oben sollte er noch stark genug mitmischen können. Die Kartenwahl in diesem Deck ließ wenig Platz für Zweifel. Jede Karte diente nur dem Zweck, dem Gegner möglichst früh möglichst viel Schaden zuzufügen und/oder später gegnerische Defensiven zu durchbrechen, nahezu unabhängig ihrer Natur. Eine defensive Position konnte dieses Deck nicht annehmen. War euer Draw so langsam, dass der Gegner "First Blood" verursacht, konnte man die Partie meist abschreiben.

Ebenso gab es bereits diverse Controldecks. In TTP spielte ich auf der Pro Tour ein Deck mit 7 Kreaturen, 11 Removal und 3 Mystical Teachings. Letztere gaben dem Deck die für eine Kontrollposition nötige Inevitability: sobald ein Teachings gezogen war, konnte es mit genug Zeit - also für schlappe 30 Mana - 5 Removal produzieren. Nahezu unmöglich, dass der Gegner danach noch irgendwie am Spiel teilnimmt!

Aber in welche Kategorie fiel dieses Dampen Thought-Deck im Kamigawa-Block? Dieses teilweise kreaturenlose Deck gewann zwar dank Glacial Ray auch ab und an ein Duell über Schaden, meist wurde der Gegner jedoch "gedeckt". Die namensgebende Karte machte in Kombination mit allerlei Arcane Spells kurzen Prozess mit dem Deck des Gegners. Seine angreifenden Kreaturenhorden wurden durch Tempokarten wie Bounce, Lifegain und Damage Prevention in Schach gehalten, bis die Library leer ist. Natürlich hat man auch hier Inevitability – irgendwann wird der Dampen gezogen und das Library Race zu euren Gunsten entschieden sein. Allerdings entsteht hier schnell eine Racesituation: der Dampen muss gezogen und hinreichend oft angewendet sein, bevor euch die Möglichkeiten, den zunehmenden Kreaturenschaden zu verhindern, ausgehen. Dabei verzichtet man auf den Nutzen der Combat Phase: klassische Merkmale eines Direct Attack-Decks also. Blocker des Gegners werden ignoriert, seine Angreifer geracet – was nichts mit 'schnell' als vielmehr mit 'schneller' zu tun hat.

Um ein Deck dieser Kategorie geht es heute. Zumindest im weitesten Sinne. Das BR-Deck versucht, die gegnerischen Lebenspunkte durch Burn auf 0 zu reduzieren. In den seltensten Fällen gelingt dies ohne Unterstützung durch Kreaturenschaden. Kein großes Manko: selbst in den meisten Constructedformaten gilt, dass beispielsweise ein 1-Drop mit 2 Power effizient genug für einen Platz im ansonsten reinen MonoBurn-Deck ist.

Man sollte also als erster aufs Board kommen. (Hoffentlich bleiben die pubertierenden Witzeleien aus.) Frühen Kreaturenvorteil in Schaden umzumünzen, erweckt zunächst den Eindruck eines "normalen" Aggrodecks. In der Tat ist dieses Deckkonzept nicht weit davon entfernt. Auch andere Beatdowndecks machen frühen Kreaturenschaden, bevor sie dann mit Evasion oder spezifischeren Finishern gewinnen. Lediglich dass hier die Finisherrolle durch raue Mengen von Direktschaden übernommen wird, klassifiziert den Decktyp technisch als Direct Attack. Einigen wir uns auf "Sligh": Beatdown, mit Direct Attack-Modus als Finisher.
Wie gewinnt man? Das ist leicht. Die frühe Kreaturenübermacht verursacht genug Schaden für den nachgezogenen Burn.

Viel mehr interessiert uns, wie man verliert. Auch darüber liefert dieser Satz indirekt sehr gut Auskunft: so scheitert es meist daran, dass das Konzept der frühen Kreaturenübermacht nur unzureichend umgesetzt wird. Daran kann euch neben der frühen Verteidigung des Gegners schlicht euer eigener Draw hindern. Die Grenze zum zweiten Satzabschnitt ist fließend. Je weniger Kreaturenschaden man durchdrücken konnte, desto mehr Burn wird man ziehen müssen. Dazu müssen natürlich erst einmal ausreichende Mengen im Deck sein. Selbst dann kann man in einer schlichten Floodepisode vom Gegner erschlagen werden, bevor man den nötigen Direktschaden unter den Ländern hervorgezogen hat.

Was können wir gegen diese Probleme unternehmen? Anti-Defensivmaßnahmen werden ihren Platz im Deck finden. Alles andere fällt unter die Kategorie 'Konsistenzprobleme'. Dem beugt man nur durch geschicktes Draften und Deckbau vor! Wir brauchen eine niedrige Manakurve, viel Burn und nach Möglichkeit ein wenig Absicherung gegen Screw/Flood (natürlich nur thematisch passend – nicht unbedingt Mind Stone). Anti-Defensivmaßnahmen bestehen im Normalfall zu ~95% aus Kreaturenzerstörung. Hier gilt natürlich: Burn ist das beste Removal! Unsere Kreaturen sollten aggressiver Natur sein, sprich: verhältnismäßig viel Power und/oder aggressive Abilities wie Fear, Haste, Flying...



















Wir werden uns das Ganze gleich mal anschauen. Vorher vielleicht noch ein Detail: Euer Deck wird vermutlich mehr B sein als R. Behaltet dies also im Auge, falls ihr Spitting Earth draften wollt. Die verträgt sich nicht ganz so gut mit Severed Legion

Beim First Pick, First Pack hält man in B und R nach den gleich folgenden Karten Ausschau. Um in diese elitäre Kategorie aufgenommen zu werden, muss eine Karte "ein Deck alleine" sein, wie ich es gern nenne. Loxodon Warhammer ist da wohl das beste Universalbeispiel: den kann der Gegner entweder naturalizen oder er gibt auf. Falls ihr den Warhammer in einer Partie nicht zieht, habt ihr zur Not noch den Rest des Decks. Aber mindestens ein Deck habt ihr schon: wer lucky immer den Warhammer zieht, geht schnell mal 3-0. Welche Karten qualifizieren sich für diese Kategorie...? Mal schauen...



Leider hat man meist kein solches Glück. Diesen Karten wird allerdings auch wirklich übernatürlich viel abverlangt: das Spiel quasi alleine zu gewinnen, ist kein Pappenstiel. Gehen wir nun jedoch über zur nächsten Kategorie. Bisher wurden nur Prominente gefeaturet. Die Karten wären selbst unter First Picks All-Stars. Was wir nun sehen werden, sind die First Picks, wie es sie im wirklichen Leben gibt. Oft sind sie die beste Karte in ihrem Booster und legen den Grundstein für euer BR Aggrodeck. Die Kategorie fängt ungefähr da an, wo selbst die besten Commons schon fast schlappmachen. Meist zeichnet es sich dadurch aus, dass die Karte in ihrer Funktion extrem effizient ist. Für 4 Mana erwarten wir nunmal einfach keine 5/5er oder 6 Punkte Direktschaden. Zu Recht: darauf würden wir in diesem Format lange warten dürfen. Wir erwarten allerdings, dass die meisten Commons "outperformed" sind, wenngleich auch nicht unbedingt so krass. Eine andere Chance auf Star-tum erhalten besonders flexible Karten. Dicker Burn, der auch auf Kreaturen geht, beispielsweise. Sehr interessant sind auch die selteneren guten Evasion-Kreaturen, die den Weg sogar ganz ohne Burn gehen können – von ihm allerdings nett unterstützt werden! Oder ein 2-Drop, der selbst in Turn 7 von oben noch gut ist. Oder vielleicht sollte ich die Beispiele für sich sprechen lassen:



Wenn unsere rechten Nachbarn es gut mit uns meinen, bekommen wir diese Karten weiterhin geschoben. Anhand ihrer Verfügbarkeit lässt sich schnell die Weisheit eurer Deckwahl messen. Im zweiten Booster kommen derlei Karten etwas häufiger, da ihr (hoffentlich) gut signalisiert habt. Allzu lang braucht man mit diesen Karten aber nicht zu rechnen. Sie sind zwar nicht die Überbomben, doch allesamt Mitglied der Créme de là Créme.

Sehr bald kommen dann unter anderem die Commons, die mir beim Betrachten des Spoilers als Grundgerüst für diesen Archetype ins Auge gesprungen sind. Jetzt gilt es, Burn und anderes gutes Removal zu draften, was das Zeug hält. Auch Idealbesetzungen für unsere Manakurve kommen hier in Betracht, wobei man auf Grund der höheren benötigten Quantitäten in niedrigeren Casting Cost-Regionen auch ruhig etwas wählerischer sein dürfte. Zum Glück sind die durchschnittlichen 2-Drops in diesem Format unbeliebt und werden hier darum nicht aufgeführt. Diese Karten stellen den Kompromiss eurer Wünsche und eures Erwartens dar.



Irgendwann versiegt dieser Kartenstrom, was uns zu qualitativ minderwertigeren Karten Ausschau halten lässt. Nicht immer sind unsere Entscheidungen hier rein opportunismusgesteuert. Tatsächlich verlässt man sich darauf, dass einige dieser Schrottkarten ein existenzieller Bestandteil eures Decks sein werden. Insbesondere auf die sonst so verschmähten 2-Drops muss man keinen frühen Pick verwenden, darf allerdings auch nicht ohne dastehen. Im Idealfall hat man schon welche bekommen können. Auf Trottel, welche sich von Lumengrid Warden dominieren lassen, können wir hier jedoch verzichten. Meist wird man aber mit dem Durchschnittsmaterial arbeiten dürfen - welches nur von den anderen Leuten als Schrott bezeichnet wird. Die nun folgenden Karten sind zwar nicht optimal, fehlen jedoch in kaum einem Aggrodeck, stützt sich seine Berechtigung doch auf die niedrige Priorisierung dieser Karten durch andere Drafter. Falls in anderen Casting Cost-Slots noch Lücken zu finden sein sollten oder das Deck definitiv noch mehr Removal oder Direktschaden benötigt, werdet ihr gleich Karten, welche dies zu flicken wissen, zu sehen bekommen. Ebenso fallen Karten, welche spezifisch 'Konsistenz'probleme addressieren (also Screw- oder Floodprotection) in diese Kategorie: sie sind für euer Deck zwar nicht essenziell, finden jedoch besonders in guten Decks ihren Platz, um selbst der Statistik Herr werden zu können.



Andere Karten sollten euer Deck nie betreten dürfen. Möglich ist natürlich alles, doch macht dies euer Deck schwächer und/oder inkonsistenter.
Überhaupt ist die Inkonsistenz der Beatdowndecks ihr größtes Problem und die Ingame-Kompensation einer der anspruchsvollsten Skills in Magic. Dies ist mit der Hauptgrund, warum Beatdown schwerer zu spielen ist als Control. Viele führen als Argument an, dass der Goddraw eines Aggrodecks extrem leicht zu spielen und schwer zu schlagen ist.

In den meisten Spielen überwiegt aber die Notwendigkeit zum Draw Step Tuning. Dies ist nicht etwa der neueste Trendsport aus den USA, sondern eine von mir hauptsächlich privat geprägte Terminologie, auf welche ich demnächst eventuell noch gesondert eingehen werde. An dieser Stelle sei gesagt, dass es sich dabei um die Kunst handelt, sich mehr "Outs" zu erspielen, sich Chancen zum Lucken zu geben oder auf den Topdeck hinzuarbeiten, wie man es auch ausdrücken will.

Hierzu passend habe ich auf der PT Amsterdam eine sehr lehrreiche Partie zwischen Hans-Joachim Höh und Kai Budde miterleben dürfen. Kai spielte ein weißes Aggrodeck und griff erbarmungslos an. Zunächst war er im Damage Race hinten, doch Blinding Beam würde HaJo einen Strich durch diese Rechnung machen. HaJo hielt nach Kräften dagegen, obwohl er damit sein Risiko, sofort gegen den Beam zu verlieren zunächst eher noch vergrößerte, wohl wissend nämlich, dass er den Beam anders auch nicht bezwingen könne. Und siehe da: just als es knapp wurde, konnte Kai HaJos letzten Angriffen nichts mehr entgegensetzen und verlor. Auf HaJos Frage, was denn da gerade vor sich gegangen sei, antwortete Kai nur: "Naja...ich hätte diesen Beam halt mal ziehen müssen!" Wäre der Beam von oben gekommen, er hätte in der Tat wie Kai Budde ausgesehen. So hat er mehr wie Andre Müller gewirkt.

(An dieser Stelle sei der arme TobiH mal ein wenig in Schutz genommen. Einige meiner Insiderwitze werden von ihm nicht wegeditiert, um zumindest ein paar Leser mehr amüsieren zu können – eure Entscheidung ob es mehr Leser oder diese mehr amüsiert sind. In diesem besonderen Fall kläre ich euch lieber gleich auf: Antonino de Rosa informierte mich eines Tages auf einer VS PC über den Skillunterschied zwischen den breiten Massen von VS und MtG. Sein Kommentar: "Everybody is just much worse at this game. Compared to them, you are Kai Budde. But in Magic, you are just Andre Müller." Just Andre Müller... ich glaube, auch hierüber wird mein Draw StepTuning-Artikel noch Informationen enthalten. -)

Wie immer habe ich noch ein Common Highlander-Exemplar dieses Decktypen zusammengestellt. Obgleich er besonders unrepräsentativ erscheinen mag, da man vor allem Spineless Thug und Vampire Bats (und Lava Axe – hierzu sollte man allerdings höher zugreifen als die Tabelle den Anschein macht) oft mehrfach bekommt, stellt er euer möglicherweise zu behäbiges Limiteddeck doch vor den ultimativen Speed Test. Für alle Lernenthusiasten hier die Deckliste:



lands:
7 Mountain
9 Swamp
Terramorphic Expanse


spells:
Shock
Terror
Incinerate
Spitting Earth
Afflict
Uncontrollable Anger
Essence Drain
Lava Axe
creatures:
Festering Goblin
Vampire Bats

Spineless Thug
Viashino Sandscout

Dusk Imp
Looming Shade
Phyrexian Rager
Severed Legion
Bloodrock Cyclops
Prodigal Pyromancer

Gravedigger
Highway Robber
Viashino Runner
Lightning Elemental

Mass of Ghouls




An dieser Stelle mag ich, bevor ich euch viel Spaß beim Anwenden des Erlernten wünsche, noch als kleinen Spoiler den angedachten Titel des erwähnten und anstehenden ominösen Artikels verraten: "Better be lucky than good, oder: Für die einen ist es Magic – für die anderen der längste Coin Flip der Welt."

Also dann: viel Spaß beim Draften! Bis nächste Woche, wenn es vorerst noch einmal um Zehnte Edition-Draft geht.

Also flamed los, aber seid euch bewusst: dieses Deck flamed besser!

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