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Pischners unfreiwillige Deck-Klinik
von Andreas "Zeromant" Pischner
10.02.2002

Herzlich Willkommen zur ersten Ausgabe von Pischners unfreiwilliger Deck-Klinik! (Das ist kein Versprechen, dass noch weitere folgen werden... eher eine Drohung.)

Liebe McElder-Leser & -Leserinnen (ja, Mädels, Euch beide meine ich!), nachdem mein "Magic-Weihnachtsartikel" veröffentlicht wurde und mich einige Reaktionen darauf erreichten (ja, auch positive), wurde mir schlagartig etwas klar, was jede/r von Euch mir vermutlich schon viel früher hätte sagen können: Meine Artikel sind kontrovers - selbst dann, wenn sie gar nicht so gemeint waren!

Und das ist eigentlich gar nicht einmal so schlimm. Kontroversen erzeugen nicht nur Interesse, sie regen auch zum Nachdenken an. Selbst wenn dieses Nachdenken nur dazu führen sollte, dass man mir indigniert auseinander setzt, warum mein Artikel völlig überflüssig sei, reicht es doch schon aus, um eine Diskussion in Gang zu bringen. (Gut, ich würde es bevorzugen, wenn ein Kritiker meine Texte erst einmal aufmerksam und vollständig läse, bevor er sie kritisiert. Aber dies ist keine perfekte Welt, und ich will nicht jammern.) Und da mein mir innewohnendes Harmoniebedürfnis offenbar doch schwächer ist als der Drang, offen meine Meinung zu sagen, lautet mein neues Motto: Es lebe die Kontroverse! Oder griffiger: Streiten macht Spaß!

Und wenn man Streit sucht - was gibt es Besseres, als das Geschreibsel anderer Autoren zu kommentieren? Was für andere gut genug ist, ist für mich auch gut genug!

Ich werde mich also in meiner UNFREIWILLIGEN Deck-Klinik damit beschäftigen, vorgestellte Decks zu kritisieren. (Kritisieren, wie wir alle wissen, ist einfacher als selber machen - und spaßiger!) Dabei muss ich eigentlich gar nicht darauf hinweisen, dass ich selbst kein erstklassiger Deckbauer bin - nicht einmal ein zweitklassiger, um genau zu sein. Was es unter diesen Umständen bedeutet, wenn ich es trotzdem wage, ein Deck zu kommentieren, überlasse ich Euren Schlußfolgerungen...

Für die erste Ausgabe meiner Klinik habe ich mir den Artikel "Oft ist mehr drin als man glaubt" (McElder-Link vom 22. Dezember 2001) ausgesucht. Hier haben wir also ein mono-rotes "Sligh"-Deck, das die Frage aufwirft, wieviel Zeit der Autor wirklich hinein gesteckt hat. Auf jeden Fall nicht so viel, wie es gedauert hätte, die Liste Standard-legaler Karten nach geeignetem Material zu durchsuchen! Aber der Reihe nach (das heißt, wir beginnen natürlich mit der Deckliste):

4 Raging Goblin
4 Dwarven Grunt
4 Minotaur Explorer
4 Goblin Raider

4 Reckless Charge
4 Shock
4 Firebolt
4 Strafe
4 Scorching Lava
4 Volcanic Hammer
3 Blaze

4 Barbarian Ring
13 Mountain

Das Deck kommt mit dem Anspruch daher, vollständig auf seltene Karten zu verzichten. Nun gut, über Sinn und Unsinn, bei einem Schach-Turnier mit drei Türmen anzutreten, weil man sich die Dame nicht leisten kann, möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren. Bleiben wir also bei dieser Vorgabe!

Auffällig ist zunächst, dass dieses Deck nur 17 Länder hat. Andererseits ist es auch extrem billig, da es im Wesentlichen aus 1- und 2-Mana-Sprüchen besteht. Das kann also hinkommen. Dann allerdings fallen einem die 3 Blaze ins Auge. Also, auf ein bis drei Mana ist ein Blaze einfach nur schlechter als die Assault-Hälfte von Assault/ Battery (außer, der Gegner spielt Prohibit). Erst ab vier Mana kann der Blaze mehr als der Assault. Wie kommt man nun aber mit 17 Ländern halbwegs zuverlässig auf vier Mana, besonders, wenn man plant, seine Barbarian Rings zu opfern? Richtig: Gar nicht. Blaze ist also offensichtlich eine Fehlbelegung, da Assault klar besser wäre. Das soll nicht heißen, dass es die beste Wahl wäre! Es gibt da eine Karte, die nennt sich Flame Burst. Schon der erste ist von Blaze kaum zu toppen, der zweite ist bereits besser als jeder andere Burn-Spruch im Deck. Vier davon wären in diesem Deck eigentlich Pflicht, selbst wenn man dafür (O Schreck!) en Scorching Lava weglassen müßte.

Bleiben wir noch bei den Burn-Sprüchen: Der Autor hat offensichtlich übersehen, dass man Fire/Ice auch dann in sein Deck tun darf, wenn man kein blaues Mana zur Verfügung hat! Seine Angst vor regenerierenden Viechern in allen Ehren, aber Fire dürfte gegenüber Scorching Lava wohl zu bevorzugen sein. Und auch wenn er immerhin eine Begründung liefert, warum er Strafe spielt: Die Karte ist bestimmt nicht die beste Wahl - sie ist einfach ZU eingeschränkt. Selbst wenn man die Entscheidung akzeptiert, vier oft tote (da nur gegen Kreaturen einsetzbare) Karten zu spielen, weil sie einer Kreatur drei Schaden machen können: Dafür gäbe es Blazing Salvo! Er kann erstens auch rote Kreaturen wegmachen (wenn es sonst schon keine gäbe, dann halt Wild Mongrels) und ist zweitens ein Instant, was dem Mana-Mangement eines an Ländern extrem knapp kalkulierten Decks sehr entgegenkommt. Natürlich kann der Gegner auch einfach fünf Schaden nehmen, aber wenn er sich das gegen dieses Deck leisten kann, dann hätte Strafe auch nicht geholfen.

Soviel zu den Burn-Sprüchen. Was die Kreaturen angeht: Es sind 16. Das kommt mir für ein Deck mit vier Reckless Charge, das gelegentlich eine Kreatur an einen Minotaur Explorer oder mehrere gleichzeitig an einen Spruch wie Fire verliert (den man außerhalb Bayerns, habe ich gehört, sehr häufig spielt) etwas knapp vor. Hier gäbe es einen weiteren Grund, Strafe außen vorzulassen.

Und dann ist da noch die Kreaturenauswahl. Warum befinden sich eigentlich Dwarven Grunts in dem Deck? Sowohl Spark Mage als auch Bloodfire Dwarf sind uneingeschränkt besser, und beide NICHT selten. Der Bloodfire Dwarf ist sogar common! Da ist jemand wohl noch nicht dazu gekommen, die Apocalypse-Spoiler-Liste zu lesen...

Na schön, lassen wir das Deck in Ruhe. Wenden wir uns den weiteren Kommentaren zu!

"Ich habe es gegen die zur Zeit dominierensten Turnierdecks Rot- Grün Beatdown bzw. Blau- Grün Opposition getestet und es hat in 8 von 10 Spielen gewonnen."

Hier haben wir einen klaren Fall von Merkmal 9 (Der Autor gibt fantastische Prozentwerte für die Siegchancen seines Decks gegen bekannte Decktypen an)! 80 - in Worten ACHTZIG - Prozent also gegen Rot-Grünen Beatdown und Blau-Grün Opposition? Hm. Also, entweder das waren auch solche Decks ohne seltenen Karten (was vermutlich besonders dem Opposition-Deck ziemlich geschadet hat ), oder da spielt jemand zuviel gegen seine Katze. Wahrscheinlich beides.

(Sarkasmus beiseite: Solche Fantasie-Zahlen entstehen meistens dann, wenn man nicht genau mitzählt, sondern schätzt.)

Und wie ist das eigentlich mit den "zur Zeit dominierensten Turnierdecks Rot- Grün Beatdown bzw. Blau- Grün Opposition"? Mir ist ja durchaus bewusst, dass Berlin hinter dem aktuellen Metagame etwas hinterher ist. Bei uns jedenfalls ist Rot-Grüner Beatdown schon seit ca. einem Monat nicht mehr besonders erfolgreich (siehe die von mir geposteten Decklisten als Beweis), und U/G-Opposition ist zwar noch erfolgreich, aber kaum dominant - wenn es ein Deck gibt, das man im Moment als dominant bezeichnen könnte, dann ist es U/R/W. Hier muss ich einfach akzeptieren, dass ich als Berliner das aktuelle Metagame in der weiten Welt nicht kenne - vielleicht ist es ja wirklich so, wie in Berlin vor ein bis zwei Monaten.

Oder vielleicht trifft das ja auch nur auf Bayern zu?

"Selbstverständlich hat das Deck Probleme mit Schutzkreis Rot.
Sideboardkarten könnten das regeln. Ich schlage Epicentre vor (Ja ich weiß, daß es eine seltene Karte ist.). Epicentre statt den Blazes löst viele Probleme."

Wie schade, wir werden dem "Keine-Rares"-Grundsatz nntreu! Dabei ist es doch gar nicht nötig: In Odyssey gibt es eine Uncommon, die heißt Price of Glory! Und im Gegensatz zu Epicenter kann man die in einem Deck mit 17 Ländern sogar ab und zu mal ausspielen!!

Leider offenbart dieser Kommentar noch eine andere Schwäche des Decks: Offenbar HAT es noch gar kein Sideboard! Diese 80% Gewinnchancen waren also nur vor Sideboarden, ja? Da muss ich doch gleich noch ein bisschen aus diesem Artikel zitieren:

"Um was geht es in diesem Artikel also?
Um ein konkurrenzfähiges Type 2 Deck ohne seltene Karten.
Wirklich.
Ohne Schmarn.
Es ist tatsächlich turniertauglich.
Man möchte es gar nicht glauben."

Turniertauglich? Ich wusste ja gar nicht, dass man in Bayern Turniere ohne Sideboard spielt! Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für ein Deck, das mit Circle of Protection: Red Probleme hat...

Aber nun soll es denn auch genug sein. Zum Abschluss nur noch ein letztes Zitat aus dem Text:

"Dies ist Einer von den Schlechten. Ich meine von den schlechten Strategieartikeln!"

Dem kann ich mich nur anschließen!


Andreas.

(Anmerkung: Kleine Gemeinheiten in diesem oder anderen meiner Artikel sind weder persönlich noch böse gemeint. Aber wenn jemand noch einen guten Vorsatz für's neue Jahr braucht: Gebt Euch doch ein bisschen mehr Mühe mit Euren Artikeln! Links zu den Spoiler-Listen aktueller Editionen stellt McElder ja bereit.)


Guten Rutsch!!


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