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Geschichten aus dem Märchenland
von Andreas "Zeromant" Pischner
08.03.2004

Giles: "Yes, it's terribly simple. The good guys are always stalwart and true. The bad guys are easily distinguished by their pointy horns or black hats. And we always defeat them and save the day. No one ever dies and everybody lives happily ever after."
Buffy: "Liar."

Lie to me, Buffy 2:7

...

Ein Moralprinzip traf einen Materiellen Vorteil auf einer Brücke, die nur breit genug für einen von ihnen war.
"Herunter, Du niederes Ding", donnerte das Moralprinzip, "lass' mich über Dich hinwegschreiten!"
Genauso geschah es.


...

Moment mal! Auch wer die fantastischen Fabeln von Ambrose Bierce nicht kennt (was in jedem Fall ein Verlust ist), wird wohl gemerkt haben, dass da irgendetwas fehlen muss! Fabeln haben zwar mit Märchen gemeinsam, dass sie Dinge beschreiben, die so niemals passiert sind und wohl auch niemals passieren hätten können. Aber im Gegensatz zu Märchen liegt einer Fabel durchaus eine glaubhafte Geschichte zugrunde, wenn auch verkleidet und versteckt mithilfe von Metaphern und all den anderen bunten Stilmitteln, die wir irgendwann einmal im Deutschunterricht behandelt haben. Ein Materialler Vorteil, der einem Moralprinzip weicht? Von wegen! So etwas findet man nicht im wahren Leben, sondern leider nur im Märchenland.

Und Märchen erzählen geht wohl nie aus der Mode. Auch auf den Magic-Seiten im Internet konnte man das zuletzt wieder hinlänglich beobachten.


Das erste Märchen: Betrug ist ein Einzelfall. Und überhaupt war das Ganze nur ein Missverständnis.


Ich kann doch wohl davon ausgehen, dass hier alle Chh's Artikel "Preparation is everything"gelesen haben? Wenn nicht, solltet Ihr das schleunigst nachholen! (Ich warte solange.)

Da seid Ihr ja wieder. Hat ein bisschen länger gedauert - kein Wunder, denn Ihr habt Euch ja sicherlich auch die über 200 (!) Komentare dazu durchgelesen!

Um das Wichtigste aus dieser Wortflut zusammenzufassen: Mario ist des Betrugs durch Einschmuggeln eines selbstgebauten Decks nebst dazugehöriger gefälschter Deckliste in einen Sealed-PTQ überführt worden. Er leugnet es zwar, aber dummerweise für ihn sind die Fakten nicht nur ohne jeden möglichen Zweifel eindeutig, sondern auch noch öffentlich bekannt (einschließlich zweier hervorragender und äußerst aufschlussreicher Scans der Deckliste), so dass nur jemand, der zu träge ist, sich damit vertraut zu machen, seinem Leugnen noch Glauben schenken könnte.

Aber mir geht es jetzt nicht darum, Euch an dieser Stelle noch einmal haarklein die Beweiskette aufzudröseln oder Mario ein weiteres Mal zu dissen (nicht, dass er es nicht verdient hätte.)

Stattdessen möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Marios Betrug ist durch folgende Umstände aufgeflogen:
  1. Er hat beim Erstellen der Deckliste 46 statt 45 Mirrodin-Karten angestrichen - ein Flüchtigkeitsfehler, der einem Betrüger vermutlich nicht allzu oft unterläuft.
  2. Er hat einen Deckcheck bekommen. Das ist zwar durchaus wahrscheinlich, wenn ein Spieler bei einem wichtigen Turnier ganz vorne mit dabei ist, aber keineswegs selbstverständlich.
  3. Dem prüfenden Judge ist die 46. Karte aufgefallen. Das ist zwar eher die Regel als die Ausnahme, aber auch nicht garantiert.
  4. Der angebliche Decklistenersteller, der dafür ein Warning erhalten sollte, war sich sicher genug, die Anzahl seiner Karten nachgerechnet zu haben, dass er gegen diese Verwarnung protestierte und darum bat, sich die Liste noch einmal ansehen zu dürfen. Das ist ganz bestimmt eine Ausnahme: Die meisten Spieler hätten einfach gesagt: "Au Mann, wie blöd von mir, sorry!" und den Vorfall vergessen.
Zusammengefasst: Mario hat eigentlich verdammt viel Pech gehabt, dass er überhaupt erwischt wurde!

Nun kann man natürlich aus diesem Vorfall nicht rückwirkend schließen, dass er auch bei seinen früheren Erfolgen mit Bomben-Sealeds bereits diese Methode angewandt hat. Allerdings sprechen sowohl sein Modus Operandi (einschließlich der Nachlässigkeiten, die sich wohl durch Routine eingeschlichen haben), als auch seine völlig absurden früheren Decklisten dafür. Es liegt also nahe, zu fragen: Wie oft ist er damit bereits durchgekommen?

Aber auch das ist nicht die Frage, die mich hier wirklich interessiert. Was ich wissen will ist: Wie viele andere Betrüger sind mit diesem Trick schon durchgekommen? Und wieviele andere Tricks gibt es, die noch nicht auf dermaßen spektakuläre Art aufgeflogen sind?

Klar, man kann an das Gute im Menschen glauben und sagen: Es hat da einen Betrüger gegeben, der ist jetzt erwischt worden. Aber das war sicher nur ein Einzelfall.

Genau, Giles! Und der Materielle Vorteil lässt dem Moralprinzip auf der Brücke den Vortritt. Willkommen im Märchenland!

Die weitaus wahrscheinlichere Situation ist doch die: Es gibt eine ganze Reihe von Betrügern bei Magic, die sich auf verschiedenste Art und Weise unfaire Vorteile gegenüber ehrlichen Spielern verschaffen. Sie werden in der Regel nicht erwischt, denn dazu sind, wie wir gesehen haben, sowohl eine besonders eindeutige und spektakuläre Methode des Betrugs, als auch ein gerüttelt Maß an eigener Unfähigkeit UND eine Portion Pech nötig! Über die Dunkelziffer kann nur spekuliert werden.

Ich bin mir sicher, das jeder aktive Magic-Spieler gewohnheitsmäßige Betrüger kennt - sowohl aus dem Internet, von Coverages oder von Artikeln oder Kommentaren auf Magic-Seiten oder in Foren, als auch persönlich aus dem Turnierbetrieb. Ein unfairer Vorteil ist nämlich ebendies: ein VORTEIL, und einige der erfolgreichen Spieler gründen ihre Erfolge mit großer Wahrscheinlichkeit auf geschicktem Betrügen.

Aber man weiß halt nicht, welche es denn nun genau sind! Oder wenn man schon einen sehr konkreten Verdacht hat, kann man es vielleicht nicht beweisen und ist daher besser still (unbeweisbare Anschuldigungen schaden eindeutig mehr, als sie nützen). Oder vielleicht weiß man es auch ganz genau, sagt aber nichts, weil man sich nicht unbeliebt machen will, oder weil man selbst ein wenig mit drin hängt.

Eines weiß ich: Die Magic-Turnierszene ist NICHT sauber, nicht einmal annähernd! Ich schimpfe immer gerne auf die Berliner Szene, aber selbst wenn wir wirklich, was zwielichtige und unangenehme Charaktere angeht, ganz vorne mit dabei sind, so sind wir doch sicherlich keine völlige Ausnahmeerscheinung.

Hier in Berlin kenne ich mehrere Spieler, von denen ich WEISS, dass sie keinerlei moralische Bedenken haben, zu bescheißen. Wenn sie es nicht tun, dann nur aufgrund einer Abwägung des zu erwartenden Gewinns gegenüber dem einzugehenden Risiko. Da gibt es jemanden, der jahrelang systematisch beim Playtesten geübt hat, Karten zu manipulieren, ohne dass seine Gegner es merken. Da gibt es jemand, der wiederholt zugegeben hat, dass er betrogen hat - aber immer nur für jeweils ein Jahr früher, und jetzt sei er sauber! Da gibt es jemanden, der durch seine offen zur Schau getragene Gamesmanship (der Versuch, Vorteile zu erlangen, indem man Dinge tut, die dem Wortlaut der Regeln nach zwar nicht verboten sind, aber gegen ihren Geist, insbesondere das faire Spiel und sportliche Verhalten gegenüber Gegner und Schiedsrichtern, verstoßen) unsichere Gegner übervorteilt und unsichere Schiedsrichter manipuliert. Da gibt es jemanden, der sein Sealed Deck bewusst gegen das Deck seines Gegners vorgesideboardet hat. Da gibt es jemanden, der andere Magic-Spieler bereits wiederholt bestohlen hat. Da gibt es jemanden, der junge Pokemon- oder Yu-Gi-Oh-Spieler mithilfe von Gewaltandrohung "abgezockt" hat. Da gibt es jemanden, der seinen Gegnern Teile seiner Gewinne anbietet, wenn sie gegen ihn aufgeben, weil er versucht, sich über Rating zur Deutschen Meisterschaft zu qualifizieren. Da gibt es jemanden, der in den letzten Monaten auffällige Erfolge, besonders in Limited-Formaten mit spektakuläen Decks, erzielt hat.

Von diesen Dingen treffen manche auf mehrere Spieler in Berlin/Brandenburg zu, und es treffen auch mehrere davon auf einzelne Spieler zu.

Ich werde NICHT öffentlich die Namen dieser Spieler nennen, oder auch nur durch das Ausschlußverfahren (Nein, DEN habe ich gerade nicht gemeint) diese Anschuldigungen konkretisieren. Ich kann sie nicht (oder, in einigen Fällen, in denen die Geschichte schon etwas länger her ist), nicht mehr beweisen. In diesem Fall ist es nicht akzeptabel, Spieler an den Pranger zu stellen (auch, wenn sie es noch so sehr verdient hätten!).

Aber wie blauäugig müsste man sein, um diese Unschuldsvermutung vom Speziellen ins Allgemeine auszudehnen? Wollen wir wirklich annehmen, dass ALLE diejenigen Spieler, denen nichts konkret nachgewiesen werden kann, ehrlich sind? Hey, wir leben NICHT im Märchenland!

Betrüger und unfaire Spieler bei Magic-Turnieren sind eine Realität. Ich hoffe, die Geschichte von Mario führt dazu, dass Judges in Zukunft wieder etwas genauer aufpassen. Dabei sind besonders vorbeugende Maßnahmen sinnvoll (wie z.B. gestempelte Decklisten). Aber auch gegen diejenigen Dinge, welche Betrug begleiten oder es verschleiern, könnte konsequenter vorgegangen werden: Prozedurale Fehler sollten registriert werden, damit man erkennen kann, ob sich Muster abzeichnen, und damit Betrüger wissen, dass ihre Aktionen bemerkt wurden. Unsportliches Verhalten sollte rigoros unterbunden werden (gerade hier sah ich zuletzt bei Berliner Turnieren starke Defizite). Und bei Judges sollte man darauf achten, dass unerfahrene, leicht beeinflussbare, weniger kompetente oder charakterlich zweifelhafte Kollegen nicht aus Bequemlichkeit unbeaufsichtigt alleine gelassen werden.

Schiedsrichter, Ihr HABT Betrüger in Euren Turnieren! Das ist eine Gewissheit. Ihr wisst oft nicht, wer sie denn nun sind, und Ihr solltet immer darauf achten, Vorkommnisse vorurteilsfrei abzuwägen, aber stellt Euren Spielern nicht en masse eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus! Das haben sie nicht verdient.


Das zweite Märchen: Ravager Affinity ist nicht das klar stärkste Deck. Und man kann es schlagen, ohne es gezielt und massiv zu haten.
Meine Informationen bezüglich des Ausgangs der Landesmeisterschaften sind auf dem Stand von Sonntag mittag. Natürlich wäre es schick, die Komplettierung der eingehenden Berichte abzuwarten, aber ich muss meine Artikel halt dann schreiben, wenn ich die Zeit dazu finde.

Doch auch jetzt bereits liegen eine Reihe Informationen vor:

In Baden-Württemberg haben vier der sechs Qualifikanten, deren Deck bekannt ist (dazu kommen 4, für die noch keine Info vorliegt) Ravager Affinity gespielt. Landesmeister wurde Ravager Affinity gegen Goblin Bidding.

In Berlin waren vier der Top Acht Decks Ravager Affinity Decks (die teilweise, wie jeder Zuschauer der Top 8 bestätigen kann, dabei auch noch furchtbar schecht gespielt wurden). Landesmeister wurde Ravager Affinity gegen U/W Kontrolle.

In Brandenburg holen sich zwei Ravager Affinity Decks die beiden Slots.

In Bremen holen sich 2 Ravager Affinity Decks die beiden Slots. (Laut Deck-Breakdown 2 von 3 aus dem Feld!)

Hamburg fällt etwas aus der Reihe mit nur einem Aggro Ravager Affinity in den Top 8, das keinen der drei Slots holt. Einen der 3 Slots geht jedoch an ein "Counter Affinity" mit 4 Ravager und drei (???) Skullclamp.

In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich in den Top 8 nur ein Ravager Affinity Deck, das auch einen der 5 Slots holt (ich kann keine genauen Platzierungen erkennen). Mit Verlaub, nach einem Blick auf den Loxodon Warhammer Landzerstörer, das Beast Block Deck und das Proteus Belcher Deck ohne Sideboard in den Top 8 möchte ich einfach mal behaupten, dass das wohl eher darauf zurückzuführen ist, dass da außer Jan Broer kaum ein ernstzunehmender Turnierspieler angetreten ist!

In Nordrhein-Westfalen befinden sich 4 Ravager Affinity Decks auf den ersten acht Plätzen. (Info über die Decktypen der 7 weiteren Slots kann ich aus dem Bericht nicht herauslesen, wohl aber, dass Ravager Affinity keineswegs das meistgespielte Deck war - das war U/W!) Im Finale besiegt Ravager Affinity Ravager Affinity.

In Rheinland-Pfalz wurden 4 Affinity-Decks (ohne nähere Klassifikation) in den Top 8, die hier auch die Slots darstellten, vermeldet. Die Decklisten zeigen, dass es sich um 4 Ravager Affinity handelt (was auch sonst!) Ein Ravager Affinity verliert im Finale gegen ein Goblin Bidding. Das Feld hatte laut Breakdown ein gutes Sechstel Affinity.

In Sachsen ist laut MTG-Info kein einziges Affinity-Deck angetreten! Das wage ich einmal zu bezweifeln - auch wenn das Feld laut angegebenem Breakdown sehr random war, wird doch sicherlich die eine oder andere Affinity-Variante dabei gewesen sein! Im Forum Zusammenkunft jedenfalls hat jemand gepostet, dass Ravager Affinity den Landesmeister stellen würde.

Anmerkung der Redaktion: Die Angaben aus Sachsen wurden inzwischen korrigiert und es waren schlappe 23 Ravager Affinity im Feld vertreten.

In Sachsen-Anhalt sind 2 Ravager Affinity Decks in den Top 8. Sie treffen sich im Finale.


Das also sind die Fakten, wie ich sie um 13 Uhr 30 zusammentragen konnte. Und sie sprechen eine deutliche, unmissverständliche Sprache: Ravager Affinity ist Tier NULL! (Das heißt, das stärkste Deck und ohne Konkurrenz - es gibt eben KEINEN Tie.)

Sechs der acht Landesmeister, deren Decks bekannt sind, haben Affinity gespielt. Die Slots zur deutschen Meisterschaft gehen, soweit bekannt, zu ziemlich genau 50% an Ravager Affinity. Der Anteil des Decks am Feld hingegen betrug offenbar nie mehr als 20 Prozent, oft sogar deutlich weniger!

Und mal ganz ehrlich: Niemanden, der dieses Deck WIRKLICH getestet hat, können diese Ergebnisse überraschen!

Wenn überhaupt, ist dieses Deck noch WENIGER erfolgreich, als ich gedacht hätte. Die Gründe dafür sind einerseits, dass noch nicht alle Spieler die nötigen Karten besitzen (Mangel an Arcbound Ravager und sogar an Skullclamp war allerorts zu verzeichnen.) Andererseits jedoch kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier sehr viele Leute auf die ausführliche Metagame-Analyse meiner Kolumnen-Kollegen TrsahT und TobiH vertraut haben.

Nur, dass diese leider direkt aus dem Märchenland stammte.

Was muste ich da alles lesen? Ravager Affinity ist einfach nur eine weitere Affinity-Variante? Genau, das Deck erhält ja auch nur mit Skullclamp und Arcbound Ravager die beiden Superstars aus Darksteel dazu, während alle anderen Decktypen...Nun ja, U/W bekommt Pulse of the Fields.

U/W hat ein gutes Matchup dagegen? Hm, das scheinen sie ja in Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich geglaubt zu haben. Immerhin wurde da ja mehr U/W als Affinity gespielt! Die Ergebnisse sind ja nun bekannt. Die Wahrheit ist, dass man mit U/W, wenn man es MASSIV UND GEZIELT gegen Ravager Affinity tuned, Chancen dagegen hat. Und zwar um die 50%. Ein generisches U/W-Deck wird hingegen einfach gefressen. Haps.

(In Berlin weiß ich übrigens, dass die beiden U/W-Decks auf ihrem Weg in die Top 8 allen ernstzunehmenden Affinitiy Decks geschickt aus dem Weg gegangen sind.)

Ravager Affinity tötet nicht konstant dritte bis vierte Runde? Welche Versionen habt Ihr getestet - die mit Broodstar und Assert Authority? Klar, der Kill klappt nicht immer. Aber verdammt oft! Wie oft sind Kontrollspieler in Berlin mit einem Wrath of God in der Hand gestorben, bevor sie das vierte Land legen konnten? Sehr, sehr oft! Und wie oft hat ein Kontrolldeck KEINEN Wrath of God in der vierten Runde, oder kann ihn nicht spielen, da seine Manabasis stottert? Kleiner Tipp: Deutlich öfter, als Affinity den vierte-Runde-Kill nicht schafft!

Das Deck ist unkonstant? Wenn das heißen soll, dass es gelegentlich schlechte Draws hat - stimmt! Aber hey, eigentlich gilt das für jedes Deck. Und wenn man einmal darüber nachdenkt, ist Affinity sogar eines der konstanteren Decks im Feld! Ein Haufen superbilliger Kreaturen, die auch noch zum größten Teil kein farbiges Mana benötigen, eine Ansammlung verschiedenartigster Threats, die den Gegner zum sofortigen Antworten zwingen, ein sehr geringer Mana-Anteil im Deck, der nur verhältnismäßig selten zu Manaflood führt, der beste und manaeffizienteste Card Draw im ganzen Format, mehrfach verwendbare Ressourcen (auch "Artefakte" genannt), eine bemerkenswerte Resistenz gegen Massenvernichtungseffekte durch obszönen Kartenvorteil und geringe Mana-Ansprüche, sowie alternative Gewinnbedingungen, die selbst an ultimativen Aggro-Deckstoppern wie Worship oder Ensnaring Bridge vorbei einen Sieg einfahren können... Das ist also unkonstant?
Wenn das "unkonstant" wäre, wäre U/W mit seiner behäbigen Ansammlung von Punktlösungen, seinem umständlichen Mana und seinem wenigen und vergleichsweise schwachen Card Draw "unspielbar". Ganz so weit ist es nicht, aber im Vergleich zu U/W ist Affinity klar das KONSTANTERE Deck!

Slide ist für Affinity ungewinnbar? Natürlich, meine Tochter, und nun nimm' Dein hübsches rotes Mützchen und diesen Korb und bringe Deiner Großmutter, die alleine im Wald lebt, etwas Leckeres zu essen! Und ach ja, es gibt keine Wölfe hier!

Slide besitzt nach meinen Erfahrungen unter allen nicht bereits extrem auf Hate getuneden Decks tatsächlich die Ehre, für Ravager Affinity das schwierigste Matchup zu sein. Obwohl... eigentlich das ZWEITSCHWIERIGSTE. Das Mirror ist schwieriger! Womit ich sagen will, dass auch ein mehr oder weniger generisches Slide (ja, auch mit Spark Spray und einigen Akroma's Vengeance) gegen ein gut getunedes und kompetent gespieltes R.A. nicht ganz bei 50% liegt. Ebenso wie bei U/W ist es möglich, dieses Matchup durch gezielten Hate zumindest fair zu gestalten. Dabei hat Slide den Vorteil, dass es bereits mit einer besseen Gewinnwahrscheinlichkeit startet. Der Nachteil ist, dass ein Slide-Deck einfach nicht allzu viele Slots für Karten, die nicht cyclen, zur Verfügung hat, und brauchbarer Ravager Hate nun einmal nicht cycled (oh, wie ich Scrap vermisse!) Auch Slide präsentiert sich daher nicht als DIE einfache Lösung.

Um noch einmal die Stärken dieses absurden Decks zuammenzufassen:

  1. Es ist ultraschnell. Ja, es KANN dritte Runde töten und tut dies auch gelegentlich. Ja, es tötet verflucht häufig in der vierten Runde.
  2. Es ist hinterhältig. Der Gegner hat es geschafft, einen Wrath zu spielen? Prima, dann ist er ja ausgetappt und stirbt am Shrapnel Blast. Der Gegner hat eine Akroma's Vengeance? Wie dumm, dass er sie nicht spielen kann, ohne an den Disciples zu verrecken... Der Gegner hat das Deck gestoppt, zieht aber ein paar Runden lang nichts nach? Ein Atog oder ein Arcbound Ravager reichen, um ihn in einer Runde zu töten.
  3. Es zieht unglaublich viele Karten. Skullclamp ist schlicht der beste Kartenzieher im aktuellen Standardformat. Viele Decks haben auch noch Thoughtcasts, die hier sehr zuverlässig ab der zweiten bis dritten Runde für nur ein Mana gespielt werden können (dieses farbige Mana ist eigentlich sogar das größere Problem!) Das unfaire daran ist, dass man dieses Deck daran hindern muss, einen bis zur vierten Runde zu töten - und wenn man das tatsächlich geschafft hat, hat es oft 7 Handkarten und fängt gleich wieder von vorne an!
  4. Es ist flexibel. Damping Matrix? Eine sehr gute Waffe dagegen, keine Frage. Aber sie blockt auch keine Myr Enforcer und Frogmites, und Arcbound-Counter verteilen sich trotzdem um. Ach ja, der Disciple funktioniert auch noch. Angriffe gestoppt? Der Disciple steht zum Kombo-Kill bereit. Shrapnel Blasts machen sehr viel Schaden. Und Das Deck zieht auch genügend Karten, um sie zu finden. Akroma's Vengeance? Darksteel Citadel überlebt und rettet den Glimmervoid. In macnhen Versionen rettet ein Welding Jar auch noch eine Artefaktkreatur (und wie viele schicke Modular-Counter sie doch hat!) Und Handkarten hat man meistens auch noch.
Wie kann man dieses Deck nun also konstant schlagen? Die Ergebnisse der Landesmeisterschaften belegen, dass es bislang einfach noch nicht gelungen ist. U/W wurde schlicht überschätzt. Slide ebenso. Mono-Weiß ist natürlich tot (alles andere waren wieder Nachrichten aus dem Märchenland). White Weenie ist einfach underpowered. Goblinbidding ist auch stark, aber einfach nicht SO stark. Schwarze Decks haben überhaupt keinen Ansatzpunkt dagegen. Was ist mit Grün? Grüne Decks scheinen nicht allzu populär gewesen zu sein. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass zum Beispiel ein fokussiertes grünes Deck R.A. Auseinandernehmen kann (Ansatzpunkte: Viel Artefakthate, viele clampbare Kreatuen, darunter Wirewood Herald, die Shaman, Zealot und Glissa suchen sowie natürlich Caller, Lifegain in Form von Ravenosu Baloth oder sogar Wellwisher). Ob man damit allerdings auch gegen irgendetwas anderes gewinnen könnte, steht in den Sternen.

Die von mir aufgeworfene Frage "Welches ist die beste Ravager Affinity Version, und wie kann man dieses Deck am besten haten?" ist nun also zumindest zur Hälfte zufriedenstellend beantwortet: Die erfolgreichen Version weisen doch eine Menge Ähnlichkeiten auf. Der zweite Teil der Frage ruft jedoch immer noch Schulterzucken hervor.

Ich finde es auch sehr schade, dass sich Andre und Tobi in ihrer Kolumne nicht mit diesem Thema beschäftigt haben, sondern stattdessen zehn größtenteils bedeutungslose Artikel über ein Metagame, das nicht mehr existierte, geschrieben haben. An ihrem Fleiß ist dabei absolut nichts auszusetzen: 10 Artikel in so kurzer Zeit sind eine enorme Leistung! Ihre Glaubwürdigkeit allerdings ist dadaurch enorm beschädigt worden.


Das dritte Märchen: Ich habe mich für die deutsche Meisterschaft qualifiziert!


Genau. Bei einem Constructed-Turnier. Als wenn ich diese Tradition brechen würde! Postiv zu vermerken ist, dass ich ausnahmesweise einmal das Metagame größtenteils richtig einschätzen konnte (ein bisschen wirkliches Testen wirkt halt Wunder, aber andererseits war es ja auch wohl noch nie so einfach). Negativ bleibt, dass ich mich nicht einfach getraut habe, das klar beste Deck zu spielen, weil ich Angst vor den Mirrors hatte. Klar, Mirror bedeutet, dass man nur ca. 50% Chance hat und die Partien sehr random sind. Aber mit einem anderen Deck ist es ja zur Zeit auch nicht anders! Außerdem musste ich feststellen, obwohl ich mich im Constructed mangels Praxis nicht gerade für einen absoluten Topspieler halte, dass der eine oder andere deutlich schwächere Spieler als ich mit R.A. in die Top 8 gekommen ist. Das hätte ich dann eigentlich auch packen (und dort ein paar Fehler weniger machen) können!

Stattdessen musste ich natürlich versuchen, das Deck zu haten... Immerhin war meine U/W-Version dazu besser geeignet als die beiden, die dann in den Top 8 landeten. Ärgerlicherweise musste ich, im Gegensatz zu ihnen, auch tatsächlich mehrmals gegen Affinity spielen! Und 50%-Matchups können halt auch schief gehen. Mein Gesamtresultat war dann 3:3:1 - 3 leichte Siege gegen unerfahrene Spieler, drei knappe 1:2 Niederlagen gegen Affinity und ein Timeout gegen Slide.

Das eine Match gegen Affinity hätte ich, wie ich im Nachhinein rekonstruieren kann, gewinnen können. Da hat sich leider meine mangelnde Spielpraxis mit dem Deck bemerkbar gemacht (genaugenommen habe ich es in dieser Version das erste Mal gespielt): Hätte ich meinen Pulse of the Fields in meiner Mainphase, vor dem Angriff mit dem Exalted Angel gespielt, hätte ich ihn wiederbekommen und das Spiel gewonnen. So konnte mein Gegner seinen Atog und Disciple-Kill so genau timen, dass er mir 20 Leben in einer Runde abziehen konnte, ohne dass es zwischendurch ein Zeitfenster für mich gab, den Pulse wiederzubekommen. Da habe ich ein knappes Match verschenkt.

Gegen die beiden anderen Affinity-Decks habe ich noch ein bisschen getestet. Es lief insgesamt sehr ausgeglichen, ich gewann halt die Hälfte der Spiele. Aber eben die falsche Hälfte.

Und gegen Slide hätte ich gewinnen können, aber auch hier hat meine Unerfahrenheit in diesem Matchup mich zu Fall gebracht. Der große Read the Runes im ersten Spiel auf der Suche nach qualitativem Kartenvorteil war einfach ein Fehler, da das Match letztlich doch nur durch die Dragons entscheiden wird und ich die Länder, die ich abwerfen musste, viel besser nacheinander ins Spiel gelegt hätte. (Außerdem hatte mein Gegner so die Option, mich zu decken). Nach Sideboarden wusste ich dann besser Bescheid und hätte auch klar gewonnen, aber da reichte halt die Zeit nicht mehr.

Alles in allem war meine Deckwahl diesmal okay. Ein paar Karten würde ich austauschen, aber generell war es nicht verkehrt gewesen, dieses Deck zu spielen. Ein bisschen weniger Pech und ein bisschen mehr Spielpraxis, und ich hätte durchaus Erfolg haben können. (Die Deckliste erspare ich Euch - es war ein U/W mit 4 Annul & 2 Damping Matrix und keinen Karten im Hauptdeck, die gegen R.A. umständlich oder unnütz sind wie z.B. Cloudpost)

Andererseits wäre es sicherlich auch nicht verkehrt gewesen, Ravager Affinity zu spielen. Naja. Wir sehen uns bei den Offenen!

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