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Quo Vadis Core Set - Teil 5
Das Ende einer Ära
von Andreas "Zeromant" Pischner
07.10.2003

Tja, ich bin ja auch selbst schuld - was muss ich mich auch endlos über ein Thema ausmehren... Es ist schon faszinierend: Da lege ich mich mit einer Artikelreihe für die nächsten paar Folgen im Vorhinein auf ein Thema fest, und schon gibt es ein Dutzend Dinge, über die ich eigentlich viel lieber schreiben wollte - die neue Version von Magic Online, meine Erfahrungen mit dem wiederauferstandenen Beta-Testserver, die 2 ONS-Block-Turniere, die ich gestern gespielt habe (nämlich das erste und das letzte ), ein paar Community Issues...

Aber andererseits will ich diese Reihe schon abschließen, bevor die Neunte in den Regalen steht!

(...und seit ich diese Einleitung und die Rohfassung des Artikels geschrieben habe, sind schon wieder einige Wochen vergangen - ojeoje! Die Eröffnung unseres zweiten Ladengeschäftes verursacht doch verflucht viel Streß...)

Daher verkneife ich mir einmal alle Nebenkriegsschauplätze und stürze mich direkt wieder auf das Core Set, um dessen Einfluß auf Constructed-Formate zu beleuchten.

Die bedeutsamsten Entscheidungen sind dabei natürlich schon längst im Internet 'rauf und runterdiskutiert worden: Die Painlands sind verschwunden und der Counterspell wurde abgeschafft! Aber auch andere Karten sind wohl ganz bewusst dem Rotstift zum Opfer gefallen, um das Metagame in Standard, aber vermutlich auch ein wenig in Extended - hier besonders im ZUKÜNFTIGEN Extended nach der nächsten Rotation - zu beeinflussen: Disenchant, Mana Short, Memory Lapse, Merfolk Looter, Opposition, Sleight of Hand, Corrupt, Duress, Earthquake, Goblin Matron, Pillage, Wildfire, Compost, Early Harvest, Hurricane, Llanowar Elves, Tranquility, Wild Growth, die Diamanten und Static Orb fallen mir hier besonders auf.

Ja, ich habe jetzt einige Karten genannt, die kaum oder gar nicht gespielt wurden! Nichtsdestotrotz haben diese Karten allesamt Potenzial und haben ihre Spielstärke in früheren Formaten auch unter Beweis gestellt. Die Diamanten z.B. haben spätestens seit der Herausnahme von Armageddon keine Verwendung mehr gefunden, befanden sich aber stets in Lauerstellung, falls Nichtland-Mana wieder wichtig würde. Herausgenommen wurden sie allerdings sicherlich nicht aus Metagame-Gründen, sondern eher, um Platz für interessantere Karten zu schaffen - schließlich befinden sich ja in Mirrodin mit den Talismanen Artefakte, die schlicht stärker sind, da sie ungetappt ins Spiel kommen!

Ebenfalls wenig bis gar nicht gespielt wurde Wild Growth. So lange Birds und Llanowar Elfen zur Verfügung standen, war er in den meisten Decks auch nicht allzu attraktiv, aber gerade als Ersatz für die Elfen hätte er seinen Platz wohl gefunden. Diese Entscheidung gefällt mir übrigens gar nicht: Bisher konnten grüne Decks, wenn sie es denn wollten, ZUVERLÄSSIG auf 3 Mana in der zweiten Runde beschleunigen. Ob das generell wünschenswert ist, ist noch eine andere Frage - ich fand schon immer, dass es den 2-Mana-Slot in grünen Decks entwertete. Jetzt allerdings hat man mit 4 Birds im Deck diese Beschleunigung in ca. der Hälfte der Fälle und in der anderen Hälfte eben nicht, was den Spielverlauf deutlich zufallsabhängiger macht - ein bisschen ist es so wie bei schwarzen Decks früher, die entweder ein Dark Ritual in der Anfangshand hatten (und damit einen guten Start) oder eben nicht. Dass der Bird schon vorher DIE Chase-Rare des Sets war und jetzt, wenn das überhaupt möglich ist, NOCH gefragter wird, macht es auch nicht besser! Meiner Ansicht nach hätte R&D hier eine Grundsatzentscheidung fällen müssen: Soll Grün drei Mana in der zweiten Runde haben oder nicht? Wenn ja, hätten Llanowar Elf UND Wild Growth im Set verbleiben sollen, um die Manabeschleunigung zuverlässig zu ermöglichen (und ich hätte auch nichts gegen Fyndhorn Elves zusätzlich gehabt - aber wahrscheinlich würden zwei ansonsten identische Karten mit unterschiedlichen Namen Anfänger zu sehr verwirren). Wenn nein, hätten alle drei Karten gehen sollen - wobei ich die Birds eigentlich sogar für zu stark halte und alleine deswegen schon herausgenommen hätte. Ach ja, und außerdem sind sie die schon seit vier Jahren die letzte fliegende grüne Kreatur im Hauptset!

Andere zuletzt wenig gespielte Karten sind Wildfire, Earthquake und Hurricane. Earthquake sah man noch gelegentlich als Burning Wish Ziel gegen Weenies, während Hurricane selten einmal als Finisher in W/G benutzt wurde und Wildfire ohne die absurde Mana-Acceleration aus dem Urza-Block praktisch unbenutzt blieb. Dabei ging Wildfire vielleicht ganz bewusst gerade, als es mit dem neuen Artefakt-Set Mirrodin wohl wieder interessant geworden wäre: Schließlich hatte WotC Armageddon mit der Absicht nicht wiedergedruckt, manalastige Kontrolldecks ohne Counterspells spielbar zu machen (was bekanntlich eher in die Hose ging, aber die Absicht bestand!), und Wildfire mit Artefaktmanabeschleunigung hätte einen ähnlichen Metagame-Faktor eingebracht.

Earthquake und Hurricane hingegen mussten weshalb gehen? Ich vermute, dass ein X-Spruch, der dem Gegner Schaden machen kann, den Entwicklern nicht in das Konzept der Farbe Grün passte, und da sie bereits mit der Anhebung der Häufigkeit des Hurricane auf die Rare-Stufe dessen Parallele zum Earthquake anerkannt hatten, mussten halt beide hinaus.
Flavour-Gründe haben auch andere Entscheidungen mitbestimmt, die sich dann sekundär auf das Turniergeschehen auswirken: Zum Beispiel soll es kein Meervolk bei Magic mehr geben! Ich gehöre ja zu denjenigen, die die Fischschwänze vermissen, aber da das eine der ganz wenigen Entscheidungen von WotC war, die KEINEN Aufschrei der Empörung hervorgerufen hat, bin ich da ja wohl in der Minderheit Dadurch geht jedenfalls neben dem besten blauen Weenie überhaupt (Lord of Atlantis) und dem Coral Merfolk, das immerhin adäquat durch den Coral Eel ersetzt wird, der Merfolk Looter - eine Karte, die bei Erscheinen der Siebten Edition niemand auf der Rechnung hatte, die aber durch den Odyssey-Block plötzlich eine bedeutende Rolle erlangte! Gravierender jedoch sind die Auswirkungen der Grundsatzentscheidung, Grün den guten Artefakt- und Enchantment-Hate zu geben und Weiß nur die Anti-Enchantmentkarten zu lassen: Weiß verliert den Disenchant! Dieser Umstand ist im Netz vergleichsweise wenig kommentiert worden, vermutlich weil Weiß zur Zeit sowieso kaum gespielt wird - und wenn, dann zumeist in Decks, die auch Zugriff auf Grun und damit Naturalize haben. Ich bin allerdings der Ansicht, das die Herausnahme von Disenchant bedeutet, dass White Weenie trotz der Wiederhereinnahme der Savannah Lions und all der schicken neuen Beatdown-Kreaturen wie Silver Knight und Leonin Skyhunter SCHWÄCHER ist als zuvor! Ein gewichtiges Argument, White Weenie zu spielen war für mich immer gewesen, dass ich mir um meine SB-Optionen gegen Artefakte & Enchantments keine Sorgen zu machen brauchte! Wenn jedoch das zur Verfügung stehende Artefakt-Removal nicht effizienter ist als Ray of Distortion oder Altar's Light, dann hat mein Deck eine gewaltige Schwäche - was ist das denn für ein White Weenie, der mit Ensnaring Bridge, Icy Manipulator oder Platinum Angel Probleme hat?

Tranquility ging wohl einfach deshalb, weil Grün sie zusätzlich zu Naturalize nicht braucht (und weil sie als Tempest of Light in Mirrodin für Weiß in verbesserter Form als Instant wiederaufgelegt wurde).

Mirrodin ist vermutlich auch bei einer anderen Karte der Grund gewesen, dass sie aus dem Grundset herausgenommen wurde: So müssen wir Corrupt nicht allzusehr nachtrauern, da wir Consume Spirit dafür erhalten. Der Verlust von Duress hingegen mag kalkuliert sein, um die Schwächen von Schwarz gegen Artefakte stärker hervorzuheben! Da uns pünktlich zum Hineinrotieren von Mirrodin auch die Cabal Therapy verlässt, ist der billigste gezielt Discard, der uns bleibt, Coercion - nicht übermäßig überzeugend. Ohne die frühe Disruption wird Schwarz es gegen Artefakt-basierende Decks schwer haben und sich auf Oblivion Stone verlassen müssen.

Ein Trost für Schwarz ist, dass Compost endlich herausgeht - aber inwieweit den Nekromanten durch die im Gegenzug geschehene Hereinnahme von Karma da ein Gefallen getan wurde, wird sich noch erweisen müssen! Hatte es nicht einmal geheißen, dass WotC zu starke Color-Hoser nicht mehr auflegen wollte? Ja, Compost, Perish & Light of Day gibt es nicht mehr - aber ich kann, ehrlich gesagt, nicht so wirklich nachvollziehen, inwieweit Flashfires, Boil, Choke & Karma da schwächer sind! Das Dilemma der Color-Hoser ist, dass sie notwendig werden, wenn Decks nur mit ihrer Hilfe unter Kontrolle gehalten werden können! Ohne Light of Day wäre Suicide Black im Rath Cycle damals zu stark gewesen, und ohne Chill wäre es schwierig gewesen, Sligh in den Griff zu bekommen. Meiner Ansicht nach liegt das Problem darin begründet, dass WotC die Schwächen der Farben übertreibt - Rot soll ABSOLUT NICHTS gegen Enchantments machen können, und Grün ABSOLUT NICHTS gegen Kreaturen. Um diese Schwächen auszugleichen, müssen wiederum die Stärken der Farben übertrieben werden (Fireblast, Rancor)! Das führt dann dazu, dass Decks so schnell und tödlich werden, dass man "Silver Bullets" gegen sie benötigt - eben jene Color-Hoser.

Musste Early Harvest wegen Mind's Desire gehen? Immerhin wurden Kombodecks generell durch den Abschied von Counterspell und Duress deutlich gestärkt. Aus der Achten geht neben dem wichtigen Kombo-Element Harvest auch der Vorbereiter Mana Short, und die Mana-Lock Karten Opposition & Static Orb ebenfalls. Andererseits erschien Opposition möglicherweise auch zu gefährlich mit den Mirrodin-Artefakten, die beim Tappen abschalten. (Über den Orb oder die Ensnaring Bridge durften wir dann abstimmen, ohne zu wissen, dass Opposition gehen würde - ein weiterer Beleg dafür, was für eine Augenwischerei diese Abstimmungen waren!)

Wer hat übrigens bemerkt, dass Pillage noch in der Siebten war? Hand aufs Herz? Abgesehen von einigen auf Burning Wish basierenden Decks wurde Pillage praktisch nicht gespielt. Landzerstörung war im Zeitalter von Wild Mongrel und Gonlin Piledriver einfach zu langsam, und ohne diese Flexibilität wurde Pillage einfach nicht gebraucht. Jetzt, wo Mirrodin beinahe schon garantiert, dass er immer nützlich sein würde, wird er durch den langsameren Demolish ersetzt.

Ein Zufallstreffer dürfte es übrigens gewesen sein, dass die Goblin Matron hinausging! Es hat doch vor Scourge wirklich niemand damit gerechnet, dass diese Karte von größter Bedeutung für das Environment sein würde? Ja, auch jetzt wird Goblin Bidding noch gespielt, aber ohne den Tutor für den Warchief ist die Performance dieses Decks doch deutlich schwächer, und es wird bereits von Bidding-losen Varianten verdrängt. Wenn ohne Burning Wish auch noch die Option fehlt, den teuren 5-Mana-Spruch im Sideboard zu belassen, werden die Bidding-Versionen vermutlich wieder zu Außenseitern werden.

Kommen wir langsam zu den bedeutsamsten Entscheidungen: Da ist zunächst einmal die Herausnahme der Painlands!...oder ist das denn so wichtig gewesen? Tatsache ist, dass dieselben zweifarbigen Aggro-Decks gespielt werden wie vorher, nur eben mit Fetchlands und einigen Cities of Brass. Wenn die Motivation für die Herausnahme von Karplusan Forest & Co tatsächlich gewesen sein sollte, das Format langsamer zu machen, dann ist das wohl gescheitert! Wenn überhaupt eine Wirkung zu beobachten ist, dann die, dass einfarbige Goblin-Decks durch ihre konstante Manabasis wieder besser mitspielen können, während mehrfarbige Kontrolldecks es ohne die Painlands eher schwerer haben - zumindest, bis ihnen die Talismans aus Mirrodin zur Verfügung stehen.

Aber letztlich war das wohl gar nicht der wirkliche Grund gewesen. Stattdessen ging es wohl eher darum, mehr Gestaltungsspielraum für interessante Doppelländer in den Erweiterungen zu haben, ohne gleich zusammen mit den Painlands aus dem Grundset einem Deck 8 hochwertige Manakarten zu geben.

Eine ähnliche Argumentation habe ich auch beim Counterspell gelesen, aber mal ganz ehrlich: Verarschen kann ich mich auch alleine!! Die Achte Edition bringt eine glasklare Botschaft, und die lautet: Blau soll aufs Maul kriegen! Nicht nur, dass mit Counterspell, Equilibrium, Force Spike, Mana Short, Memory Lapse, Merfolk Looter, Opportunity, Opposition & Sleight of Hand beinahe alle wichtigen blauen Turnierkarten herausgenommen wurden und dafür kaum Ersatz gebracht wurde (Mana Leak, Bribery, Coastal Piracy, Concentrate, Curiosity, Merchant Scroll, Trade Routes ist eine weit weniger beeindruckende Aufzählung), wir dürfen auch dem Wettbewerb Wieviele-Antiblaukarten-kann-man-in-ein Hauptset-stecken zusehen: Boil, Hammer of Bogardan, Mogg Sentry, Obliterate, Choke, Gaea's Herald & Defense Grid lesen sich wie das Who is Who der Anti-Draw-Go-Karten... obwohl man aus dem derzeitigen Kartenpool dieses Deck nicht einmal ansatzweise bauen könnte!

Nein, die Motivation ist eindeutig (und wurde auch bereits bestätigt): Blau sollte ABSICHTLICH geschwächt werden, da es bislang eigentlich immer stark gewesen ist. Letzteres ist eine Tatsache, und sicherlich tut Blau ein kleiner Dämpfer auch einmal gut. Aber muss man denn gleich übers Ziel hinausschießen? Bisher hat sich R&D immer (mit wechselndem Erfolg) Mühe gegeben, die Farben auszubalancieren, aber jetzt erleben wir das erste Mal, dass eine Farbe bewusst schwächer konzipiert wird als die anderen! Das ist für mich eher ein Armutszeichen.
Am ägerlichsten jedoch finde ich, dass die angestrebten Ziele dadurch nicht einmal erreicht werden! Das Format sollte also ein wenig langsamer werden und teurere Karten sollten stärker gespielt werden? Naja, wenn man Wake als langsames Deck mit teuren Karten akzeptiert - hoppla! Dieses Deck gab es ja auch schon zu Zeiten von Counterspell (und hat ihn teilweise nicht einmal gespielt)! Hm, das vorher bereits vorherrschende Kontrolldeck ist durch den Ersatz von Counterspell durch Mana Leak eher stärker geworden und wird im aktuellen Environment nur durch das ultraschnelle Gobindeck in Schach gehalten - nicht ganz das, was erreicht werden sollte, oder?

Analysieren wir die Veränderungen doch einmal genauer: Die hereingenommenen Blau-Hoser beträfen eigentlich nur hauptsächlich blaue Kontrolldecks und sind deshalb herzlich egal, denn diese wurden vorher nicht gespielt und jetzt erst recht nicht. Bei den Verlusten sind neben Counterspell besonders Force Spike, Memory Lapse, Opportunity (ja, obwohl diese Karte zuletzt kaum gespielt wurde) und Sleight of Hand zu beklagen, denn diese sind Bestandteil einer Counter-basierenden Strategie: Frühe Disruption und Library Manipulation, um bis zum Kartenvorteil mit Instant Speed zu überleben. Relevante Hereinnahmen dafür sind lediglich Mana Leak & Concentrate.

Welches Deck hat im alten Standard-Metagame die Rolle des Permission-Decks eingenommen? Tog natürlich. Und wieso war Tog (zu seinen besten Zeiten) so stark?

...wegen Upheaval. NUR wegen Upheaval! Tatsache ist, dass die Gewinnoptionen des Togdecks eigentlich kaum vor Gegenmaßnahmen zu beschützen sind, insbesondere dann nicht, wenn man das Deck auch noch mit Sprüchen vollstopfen muss, um die Anfangsoffensive des Gegners zu überleben. Nur die Möglichkeit, mit einem Upheaval das Spiel in einem Zug zu gewinnen, und die damit verbundene Drohung, die den Gegner unter Druck setzt, machte dieses Deck stark (dass Psychatog unter diesen Umständen als Killoption die Faust aufs Auge war, kam noch dazu). War Counterspell nun in diesem Deck das Problem? Es stimmt, dass Tog mit der Achten Edition praktisch tot ist. Aber einerseits hat das Deck gleichzeitig auch Force Spike und Underground River, sowie den gegen Kontrolldecks fundamental wichtigen Mana Short zur Vorbereitung des Upheavals verloren, und andererseits war Tog auch bereits zu Zeiten von Scourge und Siebter Edition bereits kein Topdeck mehr, da es zwischen Hammer (Goblins) und Amboss (Wake) geraten war, die es einfach nicht beide gleichzeitig schlagen konnte.

War Counterspell denn wirklich zu stark? Sicherlich war er ein Staple in blauen Decks (obwohl U/G Madness z.B. für gewöhnlich gar keine Counterspells spielte), aber ist denn Staple gleichbedeutend mit zu stark? Waren Llanowar Elves zu stark? Oder Chainer's Edict?

Ich habe gerade den Artikel von Kai Budde im Sideboard vor mir, in dem er die Entscheidung von R&D verteidigt. (Kai, wenn Du sie verdammt hättest, wäre Dein Artikel wohl nicht gedruckt worden, oder? ) Ich finde seine Argumente nicht allzu überzeugend. Besonders der Schluß "At least I wasn't really interested in watching countless Psychatog mirror matches all day. The past year was certainly enough!" lässt mich grinsen - o ja, es war ja sooo viel interessanter, den unzähligen, endlosen Wake Mirror Matches bei der WM zuzusehen, oder jetzt den nicht weniger unzähligen, aber wenigstens bei weitem nicht so endlosen Goblin Mirrors! Aber das war ja nicht wirklich das Argument gewesen. Stattdessen führt er an, dass Counterspell mit seiner Fähigkeit, für 2 Mana jeden Spruch zu stoppen, zu stark ist, und zeigt anhand der Geschichte des Counterspells in der Pro Tour auf, das er eigentlich immer gespielt wurde.
Fangen wir mit dem zweiten Argument an: Counterspell ist ein Staple in blauen Decks, da sind wir uns einig. Blaue Decks waren offensichtlich fast immer stark, also ergibt es Sinn, dass Counterspell immer gespielt wurde. Aber ist Counterspell der Grund dafür? Das lässt sich hieraus nicht ableiten.

Also zum ersten Argument. Ist UU einfach zu günstig für eine derart flexible Karte? Masn kann damt jede Karte des Gegners, abgesehen von Ländern oder ganz wenigen uncounterbaren oder wiederkehrenden Karten neutralisieren, was je nach Environmant bedeutet: Alle bis fast alle wichtigen Karten des Gegners. Und alles, was man dafür in Kauf nimmt, ist - dass man zwei seiner Inseln aus dem Spiel entfernt.

Wie bitte? So habt Ihr das noch gar nicht gesehen? Es ist aber nun einmal so, dass einem der Counterspell in der Hand gar nichts nützt, wenn man nicht jederzeit UU freihält! Counterspell ist nämlich nicht etwa die superflexible 2-Mana-Antwort auf alles, sondern die super-unflexible 2-Mana-Antort, die man GENAU IM RICHTIGEN AUGENBLICK spielen muss! Das macht ihn nicht schlecht, ganz bestimmt nicht, aber zwingt doch, ihn in etwas anderen Licht zu betrachten: Counterspell ist erheblicher Temponachteil! Klar, ich kann den wichtigsten Spruch meines Gegners countern - aber eben nur, wenn ich die ganze Zeit über mit 2 Mana weniger spiele! Oder ich countere natürlich einfach das erste, was mein Gegner spielt. Damit vermeide ich den Tempoverlust, aber irgendwie ist da keine besondere Flexibilität zu erkennen...

Trotzdem behaupte ich, dass eher die 2. Art, den Counterspell einzusetzen, sich als größeres Problem erwiesen hat. Damit setze ich den Counterspell nämlich nicht als Permission, sondern als DISRUPTION ein - ich hindere den Gegner eine weitere Runde daran, seine Gewinnstrategie umzusetzen, während ich der meinen einen Schritt näher komme (Donate/Illusions, High Tide/Time Spiral, Upheaval/Tog... was auch immer). Wären diese Decks also ohne Counterspell weniger dominant gewesen? Das darf bezweifelt werden! Schließlich ist Counterspell gleichzeitig auch die beste Waffe GEGEN solche Strategien. Außerdem wurde hier Counterspell nur benutzt, weil er die beste zur Verfügung stehende Variante war - tatsächlich hätten aber Mana Leak oder Memory Lapse größtenteils den gleichen Zweck erfüllt.

Ja, natürlich kann ich dafür auch einen Beleg liefern! Nennen wir ihn... Wake! Hier erfüllte früher der Lapse und erfüllt jetzt das Leak genau diese Funktion mit Bravour: Den gegnerischen Plan solange aufzuhalten, bis man die eigene Siegesbedingung erfüllt hat! Da aber Mana Leak im Vergleich zu Counterspell einer viel größeren Anzahl von Decks zur Verfügung steht, muss man wohl konstatieren, dass sich DIESES Problem mit der Achten Edition in Standard eher verschärft hat.

Warum waren nun aber blaue Decks in der Geschichte von Magic so oft dominant? Hauptsächlich aus 2 Gründen, denke ich: Einmal waren die blauen Kartenzieher traditionell einfach zu stark! Auch wenn Counterspell fast jeden Spruch stoppen kann, tauscht er doch immer nur eins zu eins ab (von Ausnahmen ala Mox Diamond einmal abgesehen), und das auch noch unter den bereits genannten mit Tempoverlust verbundenen Bedingungen. Man tauscht also reaktive Karten mit aktiven Karten. Ich denke, es hat sich bereits herumgesprochen, dass das auf Dauer keine vielversprechende Strategie ist, denn irgendwann hat man einmal nicht die richtige Antwort auf ein Problem parat, und dann verliert man eben!

...oder man zieht so viele Karten, dass man eben DOCH immer eine Antwort hat. Sei es früher Ancestral Recall, oder in jüngerer Zeit die Intuition/Accumulated Knowledge Engine oder Fact or Fiction, Blau konnte seine Hand effizient und am Ende der gegnerischen Runde, wenn die Gefahr eines bedeutsamen Spruchs gering war, auffüllen. Und dann munter weitercountern. Auf diese Art wurde der Counterspell zwar verhasst, aber das erinnert mich nur an die Äußerung eines Gelegenheitsspielers, der zum ersten Mal in der ersten Runde an der Land/Black Lotus/Channel/Fireball Kombo starb: "Fireball ist ja wohl voll unfair!" Der Kartenvorteil war das eigentliche Problem, nicht die Counter.

Und der zweite Grund für die Dominanz von Blau? Die WIRKLICH überstarken Karten: Time Spiral, Necropotence, Yawgmoth's Bargain (bzw. Academy Rector), etc... Wenn das Metagame voll mit Decks ist, die in der dritten Runde in der Lage sind, das Spiel zu gewinnen, diese sich aber alle unterscheiden, was macht man da? Entweder selbst so ein Deck spielen und hoffen, dass man den Würfelwurf gewinnt (wie spannend), oder eben die einzigen Gegenmaßnahmen ergreifen, die gegen alle diese Decks wirksam sind: Counterspell und/oder Duress. (Aus diesem Gedankengang sollte klar werden, warum Counterspell und Duress sogar UNVERZICHTBAR für ein gesundes Environment sind, solange darin schnelle Kombodecks existieren... hmpf, ich hoffe, R&D hat ihre Kombo-Engine-Karten in Mirrodin GRÜNDLICH getestet!) Das ist auch der Grund, warum in Typ 1 so viele Decks mit 4 Force of Will spielen: Nicht, weil es so wahnsinnig toll ist, 2 Karten und ein Leben zu opfern, um einen Spruch zu countern, sondern, weil man ansonsten einfach riskiert, in Runde zwei tot zu sein!

Problematisch ist es natürlich, wenn ein Deck SOWOHL die superstarke Kombo ALS AUCH die Mittel gegen diejenige des Gegners hat, wie einst in Necro-Donate! Das Problem waren hier aber wiederum nicht die Counter, sondern eben die Necro und das Dark Ritual - der Kartenvorteil und der Manavorteil.

Um also zusammenzufassen, wie ich die Herausnahme des Counterspells aus Standard sehe:

Die Disruption für Kombo- oder Lock-Decks ist mit Mana Leak kaum schwächer, aber dafür flexibler geworden. Die Disruption GEGEN solche Decks ist durch den Wegfall auch von Duress & Cabal Therapy sehr stark geschwächt.

Echte, auf viel Permission beruhende Kontrolldecks sind tot.

Offensive Decks sind nicht mehr gezwungen, besonders manaeffiziente Threats zu spielen, um auf Countern basierende Kontrolldecks zu überlasten.

Die Prognose:

Möglichkeit 1: Es gibt keine starken Kombo- oder Lock-Decks, weil R&D die Karten hervorragend getestet hat. Dann ensteht eine Rüstungsspirale der immer größeren Threats wie im Onslaught-Block, die irgendwann den Punkt erreicht, an dem die teuersten Decks wieder von relativ ineffizienten Kontrolldecks (z.B. U/W mit Complicate & Rewind) in Schach gehalten werden, während diese wiederum von sehr schnellen, billigen Decks überrannt werden können.

Möglichkeit 2: Es gibt starke Kombo- oder Lock-Decks, weil R&D halt nicht alle möglichen Kartenkombinationen testen kann. Diese können sich vor den ineffizienten Kontrolldecks mit Hilfe ihrer eigenen Disruption schützen und besiegen die behäbigereren Aggrodecks. Das Metagame zerfällt in superschnelle Aggrodecks mit massivem Antikombo-Sideboard (welches möglicherweise, in Ermangelung einer anderen generellen Antwort auf verschiedene Kombo-Arten aus Mana.Denial besteht) und Kombo/Lockdecks mit massivem Anti-Beatdown-Sideboard. Die meisten Partien werde, wie einst zu Zeiten des Urza-Blocks, dadurch entschieden, wer mehr Sideboard-Karten zieht.

Möglichkeit 2 gefällt mir überhaupt nicht, während Möglichkeit 1 mich nicht aus den Socken haut, aber keine Katastrophe ist - vorausgesetzt, die drei Decktypen werden nicht NUR von Goblins, rot-weißer Kontrolle und blau-weißer Kontrolle repräsentiert

Natürlich ist das alles nur Spekulation. Sorgen bereitet mir eben, dass mit der Eliminierung starker Kontrolldecks eine Absicherung gegen Kontrolldecks verloren geht, während gleichzeitig die Konstruktion manaeffizienter Aggro-Decks weniger belohnt wird und Spiele zwischen Power-Decks stattdessen eher dadurch entscheiden werden, wer eine Powerkarte mehr zieht als der Gegner.

Jetzt ist es aber genug mit dem Gejammere über den Verlust des Counterspells! Was bringt die Achte Edition Interessantes ins Metagame ein?

Savannah Lions sind ein Bekenntnis dazu, dass Power 2 für ein Mana NICHT zwangsläufig zu stark sein muss, sondern nur im Zusammenhang mit zu effizienten Burn-Spells ein Problem darstellt. (Und Disenchant hätte White Weenie trotzdem besser getan!)

Curiosity und Coastal Piracy schreien nach Aggro-Control-Decks. Liegt hier die Zukunft von Blau? (Hm, unwahrscheinlich bei all den Goblindecks, die hermlaufen, fürchte ich...)

Phyrexian Arena ist wieder da! Zusammen mit Promise of Power, Vicious Hunger & Consume Spirit könnte Black Control wiederauferstehen! (Wenn Oblivion Stone alleine in der Lage ist, Karma und die Artefakt-basierenden Decks in den Griff zu bekommen.)

Wir haben Blood Moon wieder! (Leider wurden in Runde drei die meisten Fetchlands wohl schon benutzt. Und Artefakt-basierende Decks sind wohl auch nicht allzu schlimm betroffen. Ach Menno.)

Hammer of Bogardan kehrt zurück! (Und dazu fällt mir jetzt auch nichts Negatives ein!)

Und Plow Under! Ohne Rofellos und Priest of Titania wird man ihn zwar nicht mehr in Runde drei spielen können, aber Potenzial hat er doch trotzdem, oder?

Tja. Ich könnte noch ein bisschen mehr aufzählen, aber insgesamt steht die Tendenz wohl fest: Die Achte Edition gewinnt mit den neu hereingenommenen Karten sicherlich den Schönheitspreis, aber was den Einfluss aufs Standard-Metagame betrifft, springt doch leider mehr ins Auge, was HINAUSGEHT, als was HEREINKOMMT. Und das ist sehr schade.

In den letzten Jahren haben die Block Constructed Saisons - mit der rühmlichen Ausnahme des Invasion Blocks - eigentlich immer demonstriert, warum es so wichtig ist, einen größeren Kartenpool zur Verfügung zu haben. Ansonsten stagniert ein Metagame zu schnell. Insofern wäre es wünschenswert, wenn das Hauptset einen größeren Anteil an Constructed-relevanten Karten hätte. Es ist natürlich immer noch Einiges da: Wrath of God, Birds of Paradise, Mana Leak, Flashfires etc... Aber ich finde, es könnte mehr sein. Und ohne den Counterspell erfüllt das Hauptset eine wichtige Aufgabe nicht mehr: Dafür zu sorgen, dass Blau immer über eine Gegenmaßnahme zu auf einzelnen Karten basierenden Decks verfügt. Das ist ebenso wichtig wie die Existenz von Disenchant (auch wenn der jetzt Grün ist) oder Wrath of God.

Ach ja, habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es ein Fehler war, Counterspell...

(Manuskript gewaltsam abgebrochen!)

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