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Von Nationalstolz und was es bedeutet, ein Pro zu sein
von Andreas "Zeromant" Pischner
18.08.2003

Tja, anstatt nun endlich mit der "Quo Vadis"-Reihe fortzufahren, sitze ich hier schon wieder an einem "Off Topic"-Artikel - aber was sein muss, muss eben sein (eine Tautologie ist eine Tautologie, die eine Tautologie ist)! Einer der Hauptbeweggründe für mich, diese Kolumne zu beginnen war, mich zu allem, was mehr oder weniger mit meinem Hobby MAGIC zu tun hat, äußern zu können, wenn ich dazu etwas zu sagen habe - und gerade jetzt gibt es eben ein Thema, das mir auf der Zunge brennt.

Auslöser war diesmal ein Absatz in meinem WM-Bericht, in dem ich fette Slops an das deutsche WM-Team verteilt habe. Hm, langsam sollte ich mich daran gewöhnen, dass meine Artikel, egal wie lang sie sind, letztlich immer auf den einen Satz reduziert werden, über den man sich am besten streiten kann... (Wo bleiben eigentlich die ganzen WM-Berichte von anderen Leuten? Wenn ich die Ausbeute einmal mit der DM vergleiche, ist das noch ganz schön mager, Leute!!)

Unter den zahlreichen Kommentaren, die sich auf diesen Absatz bezogen, stach besonders einer von Team-Mitglied Falk Bernhardt heraus, der sein völliges Unverständnis ob meiner Kritik bekundete. Für seine besonders überzogenen Formulierungen hat Falk sich unterdessen entschuldigt, aber auch abgesehen von der exakten Wortwahl bleibt an der essenziellen Aussage seines Post kein Zweifel: Das Abschneiden des "Team Deutschland" gehe uns einen Scheißdreck an, und wenn wir zu dumm seien, dies zu begreifen, dann tue ihm das leid.

Falk, Du bist hier weit im Unrecht! Dir - und allen anderen, die es angeht - möchte ich in diesem Artikel ausführlich erklären, weshalb.

1. Die Frage des "Nationalstolzes"

Bin ich "stolz" darauf, ein Deutscher zu sein? Die Antwort darauf ist ganz klar: Nein! Der Grund dafür ist die völlig rationale Einsicht, dass ich nichts, aber auch gar nichts zum Erlangen meiner Nationalität beigetragen habe, und es daher hier auch nichts gibt, worauf ich stolz sein könnte! Ich bin allerdings sehr FROH darüber, ein Deutscher zu sein! Der Grund dafür ist schlicht, dass es in unserer Welt kaum einen Ort gibt, an dem es sich besser lebt, als in Deutschland, und eine ganze Menge Orte, an denen es sich schlechter lebt. Diese Freude mag mach anderer als "Stolz" empfinden oder auch in Form von Patriotismus äußern, und auch daran ist nichts Verkehrtes.

Identifiziere ich mich nur aufgrund meiner Staatsangehörigkeit mit deutschen Magic-Spielern auf der Pro Tour? Nein, das tue ich nicht! Dabei wäre auch das keineswegs absurd: Deutsche Vertreter bei internationalen Wettbewerben, egal in welchem Sport, haben durchaus eine gewisse Verbindung zu mir: Sie sind im selben Staatengefüge aufgewachsen, in selbem Kulturkreis (und auch im Rahmen der Globalisierung gibt es da immer noch gewisse Unterscheidungen). Ja, selbst die simple Tatsache, dass in deutschen Medien mehr über sie berichtet wird, bringt sie mir bereits ein wenig näher als andere Teilnehmer. Trotzdem fühle ich mich beispielsweise bei einem Tennisturnier keineswegs verpflichtet, dem deutschen Teilnehmer die Daumen zu drücken. Der Bezug ist einfach nicht stark genug - ich habe eben noch nie in meinem Leben einen Tennisschläger in der Hand gehabt und daher auch niemals auch nur die aller ersten Schritte auf dem Weg gemacht, die einen Boris Becker beispielsweise auf den ersten Platz der Weltrangliste geführt haben.

Bei Magic ist das etwas völlig anderes! Das Team Deutschland bei der WM hat das erreicht, was ich selbst versucht habe zu erringen und wieder versuchen werde. Inwieweit ich dabei eine ernstzunehmende Chance habe, ist irrelevant: Das Team Deutschland besteht aus denjenigen Vertreter der Magic-Gemeinde, DER AUCH ICH ANGEHÖRE, die erfolgreicher gewesen sind als ich und repräsentieren deshalb MICH, ebenso wie alle anderen aktiven deutschen Magic-Spieler!

Dabei ist auch die WM nicht etwa nur "eine weitere Pro Tour". Die Vertreter des "Team Deutschland" haben sich für sie über die DEUTSCHE MEISTERSCHAFT qualifiziert - ein Turnier, an dem eben nur deutsche Spieler teilnehmen können, und daher keineswegs ein "normaler" Pro Tour Qualifier. Auch der Team-Wettbewerb, bei dem die Vertreter sich nicht etwa nach eigenem Gutdünken zusammenraufen dürfen, sondern eben durch ihr Abschneiden bei ihren nationalen Meisterschaften zusammengefügt werden, ist nicht irgend ein weiterer Team-Wettbewerb für Pros. Das ist auch der Grund, warum Ihr auch als "Team Deutschland" angetreten seid, und nicht etwa als "Dirk & Thomas featuring the incredible Falk"! Bei diesem Wettbewerb repräsentiert Ihr, auch wenn es Euch nicht passt, die deutsche Magic-Gemeinschaft sowohl nach innen als auch nach außen hin.

2. Was es bedeutet, ein "Pro" zu sein

Allerspätestens nach dem zweiten verlorenen Team Draft wurde klar, dass es abgesehen von den 1000€ Antrittsprämie pro Person nichts mehr für Euch zu gewinnen gab. Warum also solltet Ihr weiterspielen? Wenn ein Verbleiben im Wettbewerb doch so offensichtlich sinnlos gewesen wäre, wie kommen wir dazu, Euch deswegen zu kritisieren?

Gut, gehen wir mal einen Schritt zurück, um die richtige Perspektive zu gewinnen. Und gleich noch einen.

Warum habt Ihr bei der Weltmeisterschaft spielen können? Ja, Ihr habt Euch qualifiziert - aber darauf zielt meine Frage nicht ab. Warum GIBT es überhaupt so etwas wie diese Weltmeisterschaft? Warum gibt es die Pro Tours? Wie kommt es eigentlich, dass Ihr nur durch Euer Antreten, auch wenn Ihr Euch noch so sehr blamiert habt, jeder 1000€ einstreichen konntet?

Richtig: Weil WotC diese ganzen Mammutspektakel als riesige Werbeveranstaltung für ihr Produkt finanziert! Aber warum? Ist der Grund der, dass sie alle Magic-Spieler mit den ungeheuren Geldgewinnen auf der Pro Tour verlocken wollen zu versuchen, ebenfalls dorthin zu gelangen? Zum Teil sicherlich. Aber selbst wenn hundert Mal so viele Spieler, die es realistisch schaffen könnten, sich die Pro Tour zum Ziel nehmen, bezweifle ich doch sehr, dass das alleine den enormen Aufwand wert ist. Nein, um sich zu rentieren, muss die Pro Tour einen weitaus höheren Prozentsatz der Magic-Spieler ansprechen: Die Zuschauer! Jungs, auch wenn Eure Schecks sich im Vergleich zu den Millionengewinnen oder -gehältern von Tennisspielern oder Fussballprofis äußerst bescheiden ausnehmen, kommen sie auf die gleiche Art zustande: Ihr erhaltet Eure dicken Schecks nur deswegen, weil weltweit hunderttausende von Magic-Spielern Euer Abschneiden verfolgen! Mit dem ARBEITSAUFWAND oder der LEISTUNG, die Ihr erbringt, hat dieses Geld ebensowenig zu tun, wie bei David Beckham oder auch Britney Spears. Ja, Ihr seid gut in Eurem Hobby, und daher klingt der Vergleich mit David vielleicht fairer als der mit Britney. Aber das ändert nichts an der Tatsache: Ihr werdet dafür bezahlt, dass Ihr im Rampenlicht tanzt, und wir sehen Euch dabei zu und träumen davon, an Eurer Stelle zu sein. Ihr habt auch keinen Grund, Euch zu beklagen, denn Ihr verdient Geld mit dem, was Euch Spaß macht: Mit Magic!

Aber daraus ergibt sich eben auch eine gewisse Verantwortung! Die reicht zugegebenermaßen nicht allzuweit - wenn Ihr Lust zu droppen habt, dann droppt Ihr eben. Sie reicht aber weit genug, dass Ihr Euch Kritik an Eurem Abschneiden anhören müsst! Dabei sind wir Magic-Spieler, insgesamt gesehen, nun wirklich keine harschen Kritiker: Wenn es gut läuft, freuen wir uns für Euch und mit Euch und gratulieren Euch. Wenn es weniger gut läuft, dann bekommt Ihr meistens irgendwelche "Kopf hoch!"-Botschaften übermittelt, und selbst in Fällen, in denen Ihr Euch mega-frisiert habt, wie z.B. Kai Budde mit seinem facedown Whipgras Entangler bei den Deutschen oder Wolfgang jetzt mit seinem Sparksmith im WM-Viertelfinale, halten sich Spott und Häme doch in recht engen Grenzen. Aber selbst, wenn es anders wäre, dürftet Ihr Euch nicht beklagen! Ihr spielt die Feature Matches um hohe Geldbeträge - das Risiko, Euch dabei zu blamieren, gehört nun einmal dazu! Aber wie gesagt, Magic-Spieler sind im Großen und Ganzen eine sehr nachsichtige Gemeinde - was sich Fussballprofis z.B. nach verlorenen Spielen anhören müssen, ist da schon ein ganz anderes Kaliber.

Das ist Eure Verantwortung: Ihr spielt FÜR UNS, an unserer Stelle, und zu unserer Unterhaltung. Und wir als das Publikum haben das Recht auf Kritik, auf Lobpreisung ebenso wie auf Schmähungen. Wie könnten wir uns über den Weltmeistertitel von Daniel Zink freuen, wenn wir nicht bei der Europameisterschaft vom Abschneiden der Deutschen enttäuscht gewesen wären? Spannung entsteht nur im Spektrum der Möglichkeiten von Freude bis Enttäuschung.

Und das Abschneiden des Team Deutschland bei der WM war SEHR enttäuschend. Alleine schon die peinliche Platzierung wäre Grund genug für ein gerüttelt Maß Spott gewesen - Platz 40 befindet sich dermaßen weit unterhalb jeder angemessenen Erwartung, dass es lächerlich ist. Trotzdem haben wir dafür Verständnis: Wir sind ebenfalls Magic-Spieler und wissen, dass es an manchen Tagen einfach nicht läuft, dass ein bisschen Unvermögen und viel Pech einfach einmal zusammenkommen können.

Dass Ihr jedoch gedroppt seid, setzte dem Ganzen dann doch die Krone auf, weil es eben zeigte, dass Ihr Euch Euer Verantwortung als Repräsentanten der deutschen Magic-Szene nicht bewusst wart, bzw. dass sie Euch am Arsch vorbeiging (wie Falk auch unzweideutig zu erkennen gegeben hat)! Ist es Eure Sache, wenn Ihr droppt, weil Ihr keinen Bock mehr habt? Ja natürlich, das ist es! Und ist es unsere Sache, dann "BUUUUH!!" zu rufen, wenn Ihr es tut? JA, DAS IST ES EBENFALLS!

Buhrufe sind keine persönlichen Beleidigungen oder Morddrohungen, und niemand wünscht Euch für die Zukunft etwas Schlechtes. Sie sind aber ein völlig gerechtfertigter Ausdruck unserer Unzufriedenheit mit Eurem Abschneiden und insbesondere Eurer Einstellung! Und als die Magic-Profis im Rampenlicht ist es Teil Eurer Verantwortung, das zu akzeptieren! Ein Schauspieler, der auf Buhrufe aus dem Zuschauerraum mit Publikumsbeledigungen reagiert, riskiert seinen Job. Ein Effenberg, der schmährufenden Stadionbesuchern den Stinkefinger entgegenhielt, flog aus der Nationalmannschaft. Es gibt nur eine richtige Art, mit Buhrufen umzugehen: Man muss sie akzeptieren und versprechen, es besser zu machen (ob man es nun ernst meint, oder nicht). Hier geht es nicht um sachliche Kritik: Eure Show war scheiße, und das Publikum hat immer recht!

Trotzdem drücken wir Euch natürlich weiterhin die Daumen, und wenn der Falk einmal gegen den Kai in derselben Situation sein sollte, wie bei der WM der Wolfgang, dann wird der Kai wohl auch gegen ihn conceden, auch wenn es laut Falk doch angeblich egal ist, wieviele Deutsche in den Top 8 einer Pro Tour sind

Aber denkt in Zukunft daran: Ihr spielt NICHT nur für Euch selbst, und wenn Ihr das einmal nicht berücksichtigt, dann müsst Ihr die Konsequenzen auch akzeptieren!

P.S. Hier muss ich doch einmal besondere Slops an den Chef-Oberheuchler Auenland vergeben, der es fertiggebracht hat, erst selbst in seinem Artikel Slops an das deutsche WM Team wegen des Droppens zu verteilen, und dann mich im Kommentar zu meinem Artikel deswegen zu bashen!!

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