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Casual
Darf ich noch etwas weniger haben?
Warum reich sein und Magic spielen nicht zusammen
von Sören "Madayar" Assmann
17.05.2003

Ich erinnere mich gerne an die Zeit, in der ich mein erstes Päckchen Magic-Karten in der Hand hielt. Es war ein Mirage (Trugbilder)-Päckchen mit 60 zufällig sortierten Karten. Meine Freunde hatten sich auch welche gekauft - Robert aus der 5ten und Horst aus Tempest (Sturmwind). Wir versuchten, uns daraus Decks zusammen zu bauen, und durch die Regeln durchzusteigen - ohne Hilfe. Wir merkten schnell, dass es ohne extra Karten nicht ging. Zu wenige Karten derselben Farbe, und zu wenige, die zusammen passten. Ich erinnere mich, dass ich mir für 5 Francs 10 Länder in Paris auf der Klassenfahrt gekauft habe - mehrmals. Ich erinnere mich an den Stolz meines Decks - einen Lim-Dûl's Paladin. Und ich erinnere mich, dass ich die Cursed Scroll aus irgend einem Tempest-Booster immer achtlos beiseite gelegt habe und selten mal gespielt. In Hannover habe ich sie dann ganz billig weggetauscht. Das war die Zeit, als Karten nur das wert waren, was man dafür ausgeben wollte, und man keinen Sinn für Taktik, Strategie, Turnierdecks und ähnliches hatte.

Diese Zeit liegt lang hinter mir - etwa 2 Jahre. Seit ich weiß, was eine Cursed Scroll wert ist, würde ich gerne den Kerl, der mir sie weggetauscht hat, noch einmal in die Finger kriegen. Aber so ist das wohl - mit Geld kommt Habgier, Betrug und Lüge in die besten Menschen. Und Sammelkartenspiele bilden da keine Ausnahme.

Vielleicht hat es der eine oder andere schon gemerkt - dies wird KEIN Loblied auf Turnierdecks, kein Bericht von hochherrschaftlichen Zusammenkünften von Menschen, die viel zuviel Geld und viel zuviel Zeit haben, und sich daher mit kleinen Papierstücken um einen szenegebundenen Ruf streiten. Wie viele Menschen kennen Kai Budde oder John Finkel oder Richard Garfield? Wie vielen sagt der Name Gari Kasparov etwas? Wie vielen Michael Schumacher? Tiger Woods? Boris Becker? Mit Magic-Kunst lässt sich schlecht angeben.

Dies wird ein Artikel für all jene, die Magic mehr zum Spaß spielen. Die nicht bereit sind, tausende von Euro einem Spielzeughersteller in den Rachen zu schmeißen, um nur ja die neuesten Karten für ein nachgemachtes Deck aus dem Internet zu haben. Dies wird ein Artikel für jene, die unspielbare Karten spielbar machen wollen, für jene, die erst begonnen haben, und denen Preise und Spielwerte nichts sagen, die darum kämpfen, ihre Karten endlich mal ausspielen zu können, und die Schwierigkeiten haben, ihre Decks auf unter 100 Karten zu reduzieren, weil man eigentlich ja jede Karte spielen will, die man hat. Sollten Sie als geneigter Leser an einem solchen Artikel nicht interessiert sein, bitte drücken sie JETZT den Back-Button an ihrem Browser und träumen sie weiter davon, das Moxe reprinted werden und sie mal die Invitationals gewinnen.

Schön, dass sie weiterlesen. Ich werde mir Mühe geben.

Zunächst möchte ich einige Worte zu Scourge (Plagen) verlieren, der neuesten Edition, die heute ihr Prerelease feiert - ohne mich, wohlgemerkt. Ein Blick auf den Spoiler verrät, warum - ich bin nicht bereit, 25 Euro für Onslaught- und Scourge-Karten auszugeben,
von denen ich nicht weiß, was sie sind. Ich bin ein fürchterlicher Limited-Player, und auch, wenn Sealed mir mehr liegt als Draft, kaufe ich die Karten lieber direkt und baue mir Decks. Das heißt nicht, dass ich nicht auch ab und an in Eckernförde in Spielwaren Christensen reinwandere und mir einen Booster ziehe, während ich mich mit dem Chef der Modellbauabteilung unterhalte. Das gehört zum Spass. Aber allgemein macht es mehr Sinn, die Karten direkt zu kaufen oder zu ertauschen.

Scourge soll eine Edition für den Casual Player geworden sein. Ich habe meine Zweifel. Viele Karten sind im Limited gut, im Constructed vernachlässigbar. Manche würden selbst im Constructed Casual keine Freunde finden - Decree of Silence fällt mir da spontan ein. Manche haben durchaus ihren Witz - Upwelling, Dragon Mage - während andere geradezu nach Turnierspiel schreien - Decree of Justice, Stabilizer, Doomsayer.

Ich möchte mich aber hier besonders auf Karten beziehen, die nicht mehr aktuell sind, und trotzdem nicht schwierig zu kriegen. Allgemein sehe ich das Size-Matters-Theme in Scourge als sehr schwanzgesteuert an - oder, um es anders zu sagen, unlogisch. Wie viele Verdant Forces sehen wirklich Spiel?
Wie viele Sliver Queens werden auf den Tisch gelegt? Ja, selbst Multani sieht nicht soviel Spiel wie man es annehmen dürfte. Und warum? Weil man im Casual mehrfach nicht nur gegen einen Gegner steht. Casual bedeutet Two-Headed-Giant, Imperator oder Chaos, Jagd oder Highlander. Das sind andere Formate. Man gewinnt keine Großrunde mit einem großen, bösen Viech draußen. Nicht einmal mit Akroma (glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede). Wrath of God, Obliterate, Akroma's Vengeance, Kirtar's Wrath, Living Dead, Mutilate, Terminate, Vindicate, Terror, Dark Banishing, Diabolic Edict, Chainer's Edict, Innocent Blood, Befoul, Eradicate, Nekrataal, die Liste kann ewig so weiter gehen und berücksichtigt noch nicht einmal Burner, all diese Karten haben etwas gegen große, böse Viecher. Und sie sind zumeist nicht so schwierig zu kriegen. Und während ein Gegner sich austappt für einen Drachen, spielt der andere einen Innocent Blood, und der dritte kann in aller Seelenruhe seine Hand runter spielen, ohne dass man was dagegen machen kann. Nein, Casual wird nicht durch so etwas gewonnen. Masse machts, nicht Größe. Combos machen es. Selbst Damage prevention und infinite Blocker machen es.

Ich kann mich noch sehr gut an eine Großrunde erinnern, wo mal wieder ein First-Turn-Multani auftauchte. Bei sieben Spielern. Der Trick ist nicht grad schwierig - man spielt einen Sumpf, ein Dark Ritual, ein Entomb und ein Exhume. Ich hatte vorsorglich in Runde 1 kein Land gelegt, und als 8te Karte Tsabo Tavoc abgeworfen - einen Infinite Blocker gegen Multani. Ein anderer Spieler hatte nicht soviel Glück und starb nächste Runde. Doch bevor ein weiterer Spieler gehen konnte, spielte dieser ein Cremate (Entferne eine Karte aus einem Friedhof aus dem Spiel, ziehe eine Karte, und das alles für ein Schwarzes als Instant - eine hervorragende Karte meiner Meinung nach!) auf den Multani-Spieler, zog eine Karte - und spielte das Diabolic Edict hinterher, dass er getopdecked hatte. Die Runde wurde langweilig für den Spieler, der durch den Multani gestorben war, weil sie - natürlich - sehr lange dauerte, aber nachdem ich mein Cremate hinterher gefeuert hatte, kam kein Multani mehr.

Wenn man sich oft trifft, passen sich die Decks deinen Ideen an. Die Leute wissen, was du vorhast, wenn du zu statisch bleibst, sie fangen an, an den Hüllen, an dem zuerst gelegten Land das Deck zu erkennen. Dagegen hilft nur Ideenreichtum. Primär: Kein Deck ist unbesiegbar. Schlechte Draws, ein schnellerer Gegner, oder 6 Spieler, die auf dich einhacken, zwingen jeden in die Knie.
Sekundär: Mach dir Freunde. Wenn du eine Prosperity, eine Fiery Justice oder einen Wrath of God zur richtigen Zeit spielst, machst du dir Freunde. Wenn du einen First-Turn-Multani oder ein paar 3-4th Turn Drachen legst, NICHT. Tertiär: Spiele folgendes nicht: Burn, Counter, Land Destruction. Diese Dinge sind in Multiplayer verpönt, und machen dich ebenso zur Zielscheibe. Ich selbst habe mir zwei Decks gebaut, extra gegen Counterspieler. Mag sein, dass ich sterbe, aber dich ziehe ich mit, Counterspieler. Großrunden sollen Spaß machen, und weder Counter, noch Land Destruction, noch Burn sind spaßig. Auch nicht Stasis. Oder Black Vise. Vergesst es einfach. Nebenbei: Auch massenhaftes Verzauberungs- und Artefakt-Zerstören hat sich als sehr hassenswert herausgestellt.

Casual ist das Königreich der Combos. Wo man sich nicht um die Effektivität Sorgen machen muss, sondern einzig darum, dass man die Kombination an Karten heraus spielen kann, die man braucht. Ich möchte jetzt denen, die anfangen, ein paar Karten vorstellen, die sich als extrem effektiv in Großrunden herausgestellt haben:

Solitary Confinement (Einzelzelle). Weiche Verzauberung für 2W, die dich deinen Draw Step übergehen und Karten wegwerfen lässt. Doch dafür kannst du weder Ziel werden, noch erhältst du Schaden, der verhinderbar ist. Mit einem Squee auf der Hand kannst du dich ewig halten, auch, wenn du keine Karten ziehst. Kombiniert man es mit dieser fast unbeachteten Karte: Oath of Lim-Dûl, 2BB, Verzauberung, wenn man Schaden kriegt oder Leben verliert, muss man pro 1 Punkt eine Karte wegwerfen oder ein Permanent opfern. Für BB: Karte ziehen. Plötzlich zieht man Karten, und hat keinen Drawback. Eine Kombination, die einem eine Menge Sicherheit gibt, und für Casual Play mehr als geeignet.

Ebenso ist Awakening eine Karte, die man immer wieder im Casual finden kann. Natürlich nur, indem man selbst Dinge benutzt, die dafür brauchbar sind. Zudem ist es Gift für die Hass-Karte Stasis. Balance ist eine ähnliche Karte, stark im Turnier, aber auch im Casual sehr brauchbar. Sheherazade wurde geradezu dazu gemacht. Squallmonger mit Spirit Link, Subversion, Pestilence mit Death Pits of Rath, die Liste reicht ins Endlose, wie man Karten kombinieren kann, oder die einzeln gut genug geeignet sind. Aber Achtung - ohne Backup geht gar nichts. Wer eine Subversion rauslegt und keine Blocker draußen hat, oder anderes, was den Rest der Runde abhält, wird sich schnell fühlen wie ein Blatt auf einem Elefanten-Wanderpfad. Daher sind regenerierende und nicht tappende Kreaturen immer eine erste Wahl für Großrunden - immerhin muss man sich mehr verteidigen, als man angreift.

Kommen wir zum Geld. Man kann nicht immer alles haben, was man will. Das ist eine Regel, welche die meisten Kinder heutzutage nicht mehr zu kennen scheinen. Allerdings ist sie nur allzu wahr, und daher muss man in der Lage sein, aus den Karten Decks zu bauen, die man hat oder die leicht zu kriegen sind.

Als Beispiel möchte ich mein Lieblingsdeck anführen, weil ich es selbst ausgedacht, gebaut und verbessert habe. Ich bin sehr stolz darauf, weil es leicht zu kriegen war, und weil es der Grund ist, warum ich als bösartiger Deckbauer gelte.

Golden Tyranny:
 
lands (27):
12Island
8Swamp
3Mountain
3Sulfur Vent
1Crosis's Catacombs

creatures (13):
4Nightscape Familiar
4Obstinate Familiar
3Wonder
1Crosis, the Purger
1Krovikan Elementalist

75 cards
spells (35):
4Crosis's Charm
4Phyrexian Tyranny
4Sunder
4Syphon Soul
4Wash Out
4Zombie Infestation
3Prosperity
3Statecraft
3Teferi's Puzzle Box
2Breathstealer's Crypt

 
Dieses Deck baut auf einer 2-Karten Combo auf, die durch mehrere Karten "verschlimmert" wird: Teferi's Puzzle Box zwingt jeden Spieler zum Karten ziehen, während Phyrexian Tyranny genau das bestraft. Spielt man dann noch den 5-Mana-Instant Sunder und bringt alle Länder auf die Hand, stirbt normalerweise jeder. Obstinate Familiar schützt einen davor, Karten ziehen zu müssen, und Zombie Infestation lässt einen die Karten zu Verteidigungs- und manchmal Angriffseinheiten umzuwandeln. Mit Wonder schützt man sich vor fliegenden Kreaturen, und Statecraft schützt die Blocker. Wash Out entfernt störende Einflüsse auf dem Tisch in die Puzzle Box, Syphon Soul gibt einem Leben zurück und beschleunigt den Untergang anderer, Breathstealer's Crypt sorgt dafür, dass Kreaturen nicht kommen. Alles in allem ist das ein sehr defensives Deck, dass aber mit einer schnellen Sunder-Zombie Infestation-Kombination auch für Blitzangriffe sorgen kann. Ich mag dieses Deck sehr.

Ein weiteres Deck, dass eine fast unbekannte Karte benutzt und eine der besten Funkarten aller Zeiten spielbar macht:

Schaf:
 
lands (26):
12Forest
12Island
1Ghost Town
1Soldevi Excavations

creatures (20):
4Gaea's Skyfolk
4Nantuko Cultivator
4Ovinomancer
4Terravore
3Wood Sage
1Gurzigost

75 cards
spells (29):
4Harrow
4Rampant Growth
3Flooded Shoreline
3Greater Good
2Burgeoning
2Compost
2Lifeforce
2Lifetap
2Manabond
2Mind Bend
1Alter Reality
1Exploration
1Recycle

 
Dieses Deck ist natürlich nicht vollständig - aber ich habe nicht mehr als eine Exploration, zum Beispiel. Es funktioniert so auch schon gut genug. Obwohl sich Recycle und Manabond wiedersprechen, ist es recht lustig zu spielen. Und Manabond mit Flooded Shoreline (das ist eine Rare!) und Ovinomancer ist einfach offensichtlich gut.

Warum spielt man keine Decks aus Editionen, die keiner haben will? Hier ein Tribal Deck:

The Unreminded:
 
lands (14):
14Swamp

spells (15):
4Breeding Pit
4Drain Life
4Soul Exchange
1Tombstone Stairwell
2Tourach's Gate

creatures (31):
4Armor Thrull
4Basal Thrull
4Blood Pet
4Mindstab Thrull
4Necrite
4Thrull Champion
4Thrull Wizard
3Ebon Praetor

60 cards
 
Auch, wenn es einige Rares enthält, wendet euch an einen Sammler und sucht euch die Karten raus. Glaubt mir, sie sind nicht schwer zu kriegen. Und da es eine Masse an Kreaturen spielt, funktioniert es meistens auch in großen Runden.

Für Standard Casual habe ich dieses Deck zusammen geschmissen, dass überraschend gut funktioniert:

Common Zombies:
 
lands (20):
16Swamp
4Barren Moor

creatures (26):
4Embalmed Brawler
4Festering Goblin
4Gempalm Polluter
4Nantuko Husk
4Skinthinner
4Wretched Anurid
2Organ Grinder

60 cards
spells (14):
4Dirge of Dread
4Swat
2Corrupt
1Aphetto Dredging
1Cruel Revival
1Morbid Hunger
1Toxic Stench

 
Das ist nur der Abfall aus Online-Drafts, daher fehlen mehr Cruel Revivals und Toxic Stenches. Aber so ist es bereits gut zu spielen, und leicht zu kriegen - nur Commons! Es ist allerdings für Duelle gedacht.

Darf man hier Werbung machen? Ich liebe die meist sehr zynischen Schreiber der InQuest, einem englischen Kartenmagazin. Die Preislisten sind gute Grundlagen für Tauschgeschäfte, wenn auch eBay-Preise meistens die beste Grundlage sind. Aber vor allem die What-if-Rubrik und einige Fun-Decklisten sind sehr empfehlenswert. Zudem ist es englisch. Nicht einmal Eltern können sich dagegen wehren, wenn man englische Zeitschriften lesen will - ich rede nicht vom Hasenmagazin!!!

Der Artikel ist länger geworden, als ich dachte. Ich hoffe, man verzeiht mir das. Und ich hoffe, ich konnte zumindest einige Ideen, Tipps und Anregungen geben. Es geht vor allem darum: Lasst euch nicht unterkriegen. Nicht alle Decks funktionieren immer. Es braucht viel Zeit, und viel Geduld, um funktionierende Fundecks zu bauen. Aber es ist es wert, wenn du das erste Mal deinen Plan aufgehen siehst, und deine Mitspieler staunen.

Und egal, wie viele große Drachen auftauchen, wie viele dir Exalted Angels um die Ohren hauen und mit Togs nerven - sie werden keinen Spaß dabei haben. Denn Spaß ist nicht nur, den Gegner zu besiegen. Sondern auch, dass der Weg dorthin nicht leicht ist. Je schwieriger es war, desto befriedigter fühlt man sich danach, wenn man es doch geschafft hat. Und vor allem: Wenn es dein Deck war, bleibt dir das nächste Mal. Wenn du eines anderen Menschen Deck spielst, gewinnst du genauso wenig, wie du verlierst.

Lang lebe Sheherazade!

Sören "Madayar" Assmann

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Weitere Artikel/Berichte von Sören Assmann

[20.06.2003]The Tribe needs a leader
[28.03.2003]Regionals Schleswig Holstein 2003


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