Wenn ich ein Necromancer wäre, was würde ich tun?
Diese Frage, die euch sicher auch schon des Öfteren beschäftigt hat, soll heute beantwortet werden. Zunächst einmal müssen wir herausstellen, dass die Zeiten für untote Krieger selten so gut waren wie im Jahre 2012. Mit wackeren Zombies wie
Gravecrawler
oder
Geralf's Messenger
befehligt man eine Infantrie, die nicht nur traditionell schwer auszuschalten ist, sondern auch noch verblüffend gut ausgebildet daherkommt und somit beachtliche Kampfkraft aufbietet. Ebenso sind die Methoden zur Beseitigung feindlicher Krieger durchaus effektiv (wenn auch nicht gerade subtil, wie ein „
An die Kehle gehen
“ suggeriert) und in der ansehnlichen Form von
Liliana of the Veil
verfügt der geneigte Necromancer sogar über eine potente Planeswalkerin.
All das führte zwar dazu, dass schwarze Karten immer irgendwie vorne mit dabei sind, jedoch nie als der Schrecken wahrgenommen werden, der sie doch eigentlich sein wollen. Dafür gibt es mehrere Gründe, von dem typischen „Ich will nicht nur langweilig Männer in die Waagerechte drehen“ bis hin zu mangelhaften 2-Drops haben sie mehr oder weniger eine Daseinsberechtigung. Ändern kann dies letztendlich nur eine echte Seuche, eine Geißel der Menschheit, eine Krankheit, die – ich zitiere Ratadrabik von Urborg – ein Opfer wirklich ins Unglück stürzt, indem sie ihn viele kleine Verluste erleiden lässt. In weniger Worten:
Smallpox
.

Und tatsächlich! Schaut doch mal auf folgende Situationen, die gefühlt 120

% des derzeitigen Metagames abdecken. Ihr beginnt mit nichts als einem Sumpf, der Gegner hingegen legt:
Bisher war das bestmögliche Play des Necromancers nun so etwas wie
Blood Artist
,
Highborn Ghoul
oder
Sign in Blood
. Doch jetzt, Freunde der Nacht, spielen wir einfach Sumpf,
Blattern
und lachen dreckig. Nicht nur wird der superwichtige Mann des Gegners so zum Opfer, sondern auch eine Handkarte und vor allem ein Land. Letzteres mag verschmerzbar klingen, zumal sich hier die Symmetrie der Pocken aktuell auch nicht brechen lässt, allerdings wissen wir um die kommende Landzerstörung und haben uns entsprechend darauf vorbereitet – indem wir einfach verhältnismäßig viele Länder für unsere niedrige Manakurve verwenden. Die meisten Decks im Feld funktionieren genau andersherum. Mein diabolischer Kumpel Oli Rausch etwa hat gerade einen PTQ gewonnen und zwar mit der Manabasis aus 14 Inseln und viermal
Blinkmoth Nexus
. Ein typisches Naya-Pod spielt nicht nur drei Farben und unendlich viele 3-, 4- und 5-Drops, sondern ebenso bloß 23–24 Länder. Klar wird das im Idealfall über Manatierchen ausgeglichen, umso schmerzhafter ist es aber, wenn ebendiese zusammen mit dem passenden Ländchen vernichtet werden.
Fehlt noch der dritte Punkt in der Trinität des Bösen, das Entfernen der Handkarten. Noch besser als im Bereich Kreaturen (wo es fast immer ideal ist, selbst einfach keine zu kontrollieren, während der Gegner eine opfern muss) kann man hier einen Vorteil aus der scheinbaren Fairness von
Smallpox
ziehen, indem man zum Beispiel folgende Dinge in den Friedhof befördert:
 | Gravecrawler (mit Aussicht auf weitere Zombies)
|
 | Flashbackkarten
|
 | die dicksten, bösesten und unbezahlbarsten Monster der Gegenwart – um sie per Ritual zu exhumieren
|
Die beiden letzten Punkte führen zu einer Partnerschaft mit dem Erzfeind Weiß, da
Unburial Rites
nun einmal nur hier aus dem Friedhof zu wirken sind. Glücklicherweise erhalten wir dadurch auch direkt Zugriff auf zwei weitere Karten, die perfekt zur frisch ausgegebenen Strategie des dämonischen Verstands passen:
Die Seelen sind nicht erstens supergut und zweitens auch in mehrerer Hinsicht gut passend zu den Blattern. Elesh Norn hingegen ist schlichtweg der beste Fettsack zur Reanimation.
So weit, so böse, doch im nächsten Schritt müssen wir uns den Situationen stellen, die bisher noch gar nicht betrachtet wurden.
Wir sind lausige Nekromanten und als solche nicht in der Lage, Smallpox
zu ziehen. Neben den üblichen Problemen, die dadurch entstehen (zum Beispiel der Gegner hat auf einmal die Ressourcen, um sich zu wehren), könnte ein gewisser Teil der eigenen Hand aus für das frühe Spiel – drücken wir es vorsichtig aus – ungeeigneten Karten bestehen. Elesh Norn beispielsweise. Lässt sich auf zweierlei Arten lösen:
a) |
Wir machen einfach gar nichts, bis wir zum Ende eines eigenen Zugs endlich acht Karten auf der Hand halten und so die Prätorin abwerfen können.
|
b) |
Wir spielen Liliana of the Veil und aktivieren deren erste Fähigkeit.
|
Offensichtlich ist b quasi immer besser, trotzdem sollte man a nicht völlig vergessen. Es kommt tatsächlich vor (wirklich nicht oft, aber eben öfter als nie). Liliana ist sowieso eine Karte, die in erstaunlich vielen Matchups aktuell ganz schön gut ist. Ihr Problem ist und bleibt einzig folgendes: Ist sie schlecht, ist sie richtig schlecht.
Der Gegner hat dem Würfelgott mehr geopfert als wir und darf anfangen. Klingt zunächst nicht ganz so dramatisch, könnte es aber werden. Stellt euch einfach mal vor, der Gegner eröffnet mit:
Wie, das kommt euch bekannt vor? In der Tat sind es die gleichen Beispiele, die ich verwendet habe, um euch zu zeigen, wie toll die Blattern sind. Leider stimmt das nur noch bedingt, wenn man diese Premiumeröffnungen nicht sofort damit beantworten kann, zum Beispiel aus so niederen Gründen wie: „Es ist Zug 1 und deswegen hat man bloß einen einzigen Sumpf im Spiel.“ Dann passiert nämlich gern mal Folgendes:
Problem erkannt? Lösen lässt es sich leider nicht ganz so einfach.
Smallpox
ist halt einfach eine Karte, die deutlich besser wird, wenn man das Duell eröffnet, insofern sollte man dem Würfelgott eben anständig huldigen. Davon abgesehen gibt es zwei Möglichkeiten der Verbesserung:
 | Tragic Slip für die Fälle a, b und c, wodurch man zwar meist nicht mehr so zerstörerische Blattern vorbereitet wie im Idealfall, aber immer noch ordentliche. Ein weiterer Vorteil ist die schöne Synergie mit Liliana und eben Smallpox , die Tragic Slip zum harten 1-Mana-Removal aufwerten.
|
P |
 | Mutilate (Day of Judgment ), da per Definition alle natürlichen Strategien zum Umspielen von Edikteffekten (Liliana, Smallpox ) die Rekrutierung von quantitativ größeren Armeen vorsehen, was dann wiederum einem gepflegten Massenvernichter in die Karten spielt.
|
Aus irgendwelchen Gründen wirft der Gegner jetzt selbst Karten wie Gravecrawler
oder Lingering Souls
ab. Einer der Vorteile unserer neuen Strategie of Doom ist die Verwendung richtig guter Einzelkarten. Das bedeutet leider im Gegenzug auch immer, dass diese von einigen Gegnern verwendet werden. Im angedeuteten Fall verringert es etwa die Effektivität der Blattern. Das kann verheerend sein, muss es aber nicht, wobei zahlreiche weitere Punkte eine Rolle spielen. Die beste Chance hat man immer dann, wenn der Gegner
Smallpox
nicht kommen sieht und entsprechend die passenden Karten nicht auf der Hand behält. Theoretisch könnte man auch die eine oder andere schwarze Spruchbombe schon ins Maindeck integrieren, inwiefern dort jedoch Platz vorhanden ist, wird noch zu begutachten sein.
Unser Gegner – offensichtlich ein vorsichtiger Magier – spielt einfach keine Kreatur aus. Dadurch verlieren wir zwar die simpelste Möglichkeit, die
Smallpox
-Symmetrie zu brechen, und werden nahezu sicher quantitativen Kartennachteil erfahren, trotzdem lohnen sich die
Smallpox
meist dennoch. Grund hierfür ist der qualitative Vorteil, den wir dadurch erhalten, dass wir eine vergleichsweise unnütze Karte (sagen wir Elesh Norn bei nur fünf Ländern) abwerfen und gleichzeitig besser mit dem beidseitigen
Stone Rain
umgehen können. Decks, die längere Zeit nichts machen, tendieren nämlich dazu, das eine oder andere Land mehr zum Funktionieren zu benötigen. Zusätzlich empfehle ich,
Liliana of the Veil
zu legen, möglichst in Zug 3.
Und damit noch einmal zurück zur Einstiegsfrage: Was würde ich also tun, wenn ich ein Necromancer wäre? Antwort: Folgendes Deck spielen …

| 4 Isolated Chapel 16 Swamp 2 Plains 3 Evolving Wilds
3 Tragic Slip 4 Smallpox 4 Lingering Souls 4 Liliana of the Veil 3 Unburial Rites 4 Sign in Blood
| | 2 Griselbrand 3 Elesh Norn, Grand Cenobite 4 Gravecrawler 4 Geralf's Messenger
Sideboard:
 1 Tragic Slip 3 Mutilate 3 Duress 2 Stony Silence 2 Nihil Spellbomb 1 Surgical Extraction 3 Despise
|
Wie so oft bleiben beim Anblick der Deckliste noch ein paar Fragen offen. Die – für mich – offensichtlichsten kann ich zum Glück direkt beantworten.
Warum genau diese Konstellation aus drei Unburial Rites
, dreimal Elesh Norn, Grand Cenobite
und zweimal Griselbrand
? Das Ergebnis harter Testarbeit. Wirklich! Zunächst hatte ich mehr von allem, vier Rites, vier Eleshs, drei Grisels, aber das führte zu oft zu unschönen Situationen. Eine Hand aus
Griselbrand
, Elesh Norn und Rites wird eben nur spielbar, wenn man auch tatsächlich
Liliana of the Veil
erfolgreich ins Spiel bekommt. Im Gegenzug verringert man so die Wahrscheinlichkeit, dass
Smallpox
genau das machen, was sie tun sollen, da man verstärkt gezwungen sein wird, sie bloß zu spielen, um Fettklöpse von der Hand zu bekommen. Die jetzige Konfiguration sagt somit etwa: „Es ist schön, wenn die Reanimationsschiene klappt – falls nicht, gebe ich aber nicht zu viele Ressourcen aus.“ Die 3

:

2-Verteilung zugunsten von Elesh Norn zeigt übrigens, dass ich die Prätorin im Großteil der Matchups für stärker halte. Pod, Zombies, Delver. Auf der Gegenseite stehen allerdings mit Rampe und Esper zwei Decks mit steigender Popularität. 3

:

2 halt. Interessant dabei ist vielleicht noch, dass
Griselbrand
die etwas flexiblere Karte ist, die dank Lifelink auch gegen die Aggrodecks anständig ist, wohingegen Elesh Norn im falschen Matchup wirklich furchtbar ist und auch gern herausgeboardet werden kann.
Was zum Teufel! Nur acht Zombies? Genau. Alle anderen sind einfach zu schlecht. Nächstbester Kandidat wäre wohl
Diregraf Ghoul
, aber der passt nicht wirklich in den Gameplan. Dieser sieht nämlich ein etwas längeres Spiel vor, sodass über kurz oder lang zumindest ein weiterer Zombie für die
Gravecrawler
gefunden werden sollte.
Geralf's Messenger
selbst ist bekanntlich über jede Kritik erhaben. Er ist schlicht superalbern.
Duress
und Despise
im Sideboard? Jepp.
Duress
dürfte klar sein. Den Slot von
Despise
hatte hingegen längere Zeit
Torpor Orb
inne, bis mir auffiel, dass der sich nicht sonderlich gut mit dem Messenger versteht. Es spricht übrigens für den Orb, dass ich mehrere Spiele benötigte, um den Verlust wirklich zu bemerken. Stattdessen jetzt halt
Despise
, hauptsächlich für die Decks mit Manatieren. Beide Karten werden übrigens dadurch aufgewertet, dass man ansonsten recht wenig im ersten Zug zu tun hat und sie somit nett in die Manakurve passen. Auch das zweitrangige Discardthema wird jeweils ausgebaut. Deshalb gibt es eigentlich für jedes Matchup mindestens eine der beiden Karten, manchmal (zum Beispiel gegen Ramp) sogar beide.
Stony Silence
? Ist das überhaupt eine Karte? Und was für eine! Sie hilft gegen die gefürchtete schwarze Spruchbombe ebenso wie gegen sämtliche Schwerter und Piken,
Trading-Post
-Albernheiten,
Ratchet Bomb
und natürlich
Birthing Pod
.
Jetzt haben wir also das unendlich fiese, fast monoschwarze Deck des Vertrauens und müssen uns trotzdem noch eine Frage stellen:
Wofür? Leider ist das nicht ohne eine gesunde Portion Idealismus zu beantworten, da es in den verbleibenden Wochen mit
M12 keine bedeutenden Standardturniere mehr geben wird. Aber so ein FNM will man schließlich nicht nur gewinnen, sondern seine Opfer wirklich ins Unglück stürzen, indem man sie viele kleine Verluste erleiden lässt.
Trotzdem war das vermutlich mein letztes Standarddeck mit den mehr oder weniger geschätzten
Scars-Karten in
dieser Kolumne. Was das wirklich bedeutet, was wir vermissen werden und was nicht – das erfahrt ihr dann in circa 14 Tagen.
Bis dahin, bleibt gesund!
Der MiDi