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Deutsch-Amerikanische Freundschaft
...and justice for all
von Justus Rönnau
02.08.2004

Die deutschen Meisterschaften sind das Turnier, auf das ich mich jedes Jahr am meisten freue. Da halten höchstens noch die Weltmeisterschaften mit. Auch wenn die DM von ihrer Bedeutung her mit einer PT nicht mithalten kann, ist es doch immer etwas Besonderes bei einem großen Turnier dabei zu sein, wo man 90% der Crew und 80% der Spieler kennt. Hat irgendwie was vom Familientreffen .
Im Gegensatz zu einem GP läuft das Ganze auch immer recht ruhig ab, man hat also Zeit auch mal bisschen miteinander zu quatschen.

Wohltuend im Vergleich mit den europäischen GPs hebt sich die DM auch immer durch die hervorragende Organisation ab. Man weiss recht früh, wann und wo die DM stattfindet und welche Schieris vor Ort sein werden, so dass man als Headjudge in Ruhe planen und sich vorbereiten kann.

So sammelte ich am Donnerstag meinen Schierikollegen Lars Freitag ein und machte mich auf den Weg nach Heidelberg, wo die DM an altbekannter Stätte stattfinden sollte.

An diesem Tag standen erstmal die Meatgrinder auf dem Plan. Stapelweise Turniere im KO-System, wo sich jeweils der Sieger noch in letzter Minute für die DM qualifizierte.

So es denn einen Sieger gab, denn wir hatten diesmal tatsächlich einen Grinder, wo das nicht der Fall war. Das lag daran, dass die beiden Finalisten sich nach einigem Feilschen auf einen Preis von € 70,- einigten, für den der eigentliche Sieger bereit war aufzugeben. Wie das bei Finals nun mal so ist, standen da so 10 Leute drum rum, die das alles mitbekommen haben. Ingo Kemper, der HJ des Grinders, erklärte den beiden, dass sich wohl keiner von ihnen für die DM qualifiziert hatte und bat sie Statements über die Sache abzugeben. Es entfachte eine heiße Diskussion, so dass ich mir das mal anhören wollte. Ich riet den beiden dazu, einfach nur die Wahrheit in die Stellungnahme zu schreiben, weil wir sowieso alles mitbekommen haben und Ehrlichkeit ihre einzige Chance sei, um eine Suspension herumzukommen. Einer der beiden bestand aber felsenfest darauf, dass es keine Bribery war, denn er hatte zuerst aufgegeben und sein Gegner hatte ihm dann aus Dankbarkeit einfach so das Geld gegeben (nach einigen Verhandlungen über die Höhe, versteht sich).
Haben wir ihm natürlich voll geglaubt. Jaja. Die Sache mit Mario Wirth war ja auch nur eine große Verschwörung. Verschwörungen und finstere Rachepläne gibt es viele, aber mehr dazu später.

Der erste Tag der DM verlief dann aber erwartet ruhig, größere Probleme gab es keine.

Interessant wurde es dann wieder am zweiten Tag. Viele von euch werden von der Situation wohl schon gehört haben, aber vielleicht aus einer anderen Sicht, deshalb hier mal die Geschichte von Anfang an.

Einer der Judges, Guido Brandt aus Berlin, kam zu mir mit einem Appeal. Es ging darum, dass sich die beiden Spieler nicht einig waren, in welcher Phase des Matchs man sich grade befindet – bevor oder nachdem der Schaden auf den Stack gegangen ist. Wie bei Appeals üblich fragte ich Guido, wie sein Ruling war. Es sagte mir, er sei bei der ganzen Situation dabei gewesen und hätte deutlich gehört, wie Jonas Bodmann gefragt hätte, ob der Damage auf den Stack geht und wie sein Gegner, Michael Müller, das bestätigt habe. Ich fragte Guido, ob er sich sicher sei. Das war er.

Die Situation war die folgende:
Michael griff mit einem Tel-Jilad Exile an. Jonas blockte mit zwei 1/1 Kreaturen, tappte dann vier Mana, zog eine Karte aus der Hand, steckte sie dann aber wieder zurück. Dann fragte
Jonas „Damage auf den Stack?“. Michael sagte „Ja“. Dann spielte Jonas Wail of the Nim, was auch verrechnet wurde. Michael regenerierte seinen Exile und wies Jonas dann darauf hin, dass seine Kreaturen sterben würden (Guido wollte das auch bemerken, Michael war aber schneller). Da sagte Jonas dann, dass er den Wail gespielt hätte bevor der Damage auf den Stack ginge. Die beiden diskutierten ein wenig, bis Guido einschritt und sagte, dass er auch gehört habe, wie Jonas „Damage auf den Stack“ gesagt habe. Jonas appealte.

Zwischenbemerkung: Falls ihr mit dem Begriff „appeal“ in dem Zusammenhang nichts anfangen könnt: Ist ein Spieler auf einem Turnier mit dem Ruling eines Schieris nicht einverstanden, hat er das Recht das Ruling an den Headjudge zu appealen (also anzufechten). Der Judge holt dann den HJ, der sich die Situation noch mal erklären lässt und dann entscheidet. Das Ruling des Headjudges ist dann endgültig und kann nicht mehr angefochten werden (nach dem Turnier kann man sich natürlich bei der DCI beschweren).

Ich kam also zum Tisch und liess mir die Situation nacheinander von den beiden Spielern beschreiben. Was oben steht ist genau die Version von Michael. Die von Jonas unterschied sich darin, dass dort der Teil, wo er „Damage auf den Stack“ sagte fehlte. Was für später wichtig wird: Dieser Teil fehlte ersatzlos, nichts anderes tauchte dafür auf. Ich fragte Jonas also konkret, ob er „Damage auf den Stack“ gesagt habe. Jonas sagte „Nein“. Ich wartete ein wenig, ob da vielleicht ein „Nein, ich habe XY gesagt“ oder etwas in der Richtung kommt. Tat es aber nicht.
Ich bat die beiden zu warten, entfernte mich mit Guido vom Tisch und läutete die Schieri Alarmglocken. Ich fragte Guido noch mal, ob er sich wirklich sicher sei, dass Jonas „Damage auf den Stack“ gesagt habe. Erneut sagte Guido mir, dass er sich sehr sicher sei. Bald hatte ich auch die anderen erfahrenen DM-Judges versammelt und erläuterte kurz die Situation. Wir waren alle der Meinung, dass man sich noch mal mit Jonas unterhalten sollte, das ganze aber sehr stark nach einem DQ roch.

Ich setzte mich also mit Jonas an einen etwas abseits gelegenen Tisch und ging die Sache noch mal durch. Jetzt meinte Jonas, er hätte auf meine Frage mit „nein“ geantwortet habe, weil er die Frage so verstanden hätte, ob er das als Feststellung gesagt habe, was er nicht getan hatte. Er hätte das als Frage gesagt. Ich fragte ihn, warum er das in seiner ersten Version, die er mir erzählt hat nicht erwähnt habe. Jonas antwortete, dass er das für unwichtig gehalten habe, da er als nicht-aktiver Spieler diese Frage ja gar nicht stellen könne.
Er sagte mir dann, dass es zwischen ihm und Guido wohl Streit gegeben habe (beide kommen ja aus Berlin) und dass Guido ihm bestimmt nur einen reindrücken wolle. Es sei ja sowieso merkwürdig, dass er sich einfach so an den Tisch setzt.

Dazu erstmal meine Stellungnahme: Ich habe nicht den geringsten Anlass an Guidos Integrität als Judge zu zweifeln. Die Schieris waren angewiesen, die Matches, wo Spieler noch die T8 erreichen konnten gründlich zu beobachten – glücklicherweise hatten wir genug Schiedsrichter um das machen zu können.
Ich sprach noch mal mit Michael, das Gespräch ergab aber nichts Neues.

Danach hörte ich folgende Version von Jonas: Er habe „bevor Damage auf den Stack...“ gesagt, um seinen Spruch anzukündigen. Da er häufig etwas undeutlich spricht (was richtig ist), hätten das Guido und Michael wohl nicht mitbekommen.

Ich war (und bin es noch immer) der Überzeugung, dass Jonas einen Spielfehler gemacht hat – er hatte nicht daran gedacht, dass seine Kreaturen auch dann noch Kampfschaden bekommen würden, wenn sie durch die Regeneration des Wails aus dem Kampf entfernt worden sind.
Als ihn Michael darauf hinwies, versuchte er die Situation zu retten indem er behauptet, der Schaden wäre noch nicht auf dem Stack gewesen – schließlich konnte er gut in die Richtung argumentieren, da Michael den Kampfschaden noch nicht zugeteilt hatte (auch wenn man sich fragen könnte, warum er dann überhaupt mit beiden 1/1ern geblockt hat). Damit hätte er auch gut durchkommen können (falls Guido die Sache nicht mitbekommen hätte) – auch wenn die Schadenszuteilung in dieser Situation recht offensichtlich ist, dass der Gegner den Schaden noch nicht zugeteilt hat ist ein starkes Argument.

Aber darum ging es dann ja gar nicht. Das entscheidende war, dass ich als Judge ihm als Spieler eine konkrete Frage gestellt habe und er absichtlich eine falsche Antwort gegeben hat. Das wurde besonders deutlich, da er später noch versuchte sich durch mehrfaches Ändern der Geschichte aus der Sache herauszureden.

Wenn ein Judge eine Frage zu einer Spielsituation stellt, muss der Spieler wahrheitsgemäß antworten. Eine Lüge muss eine Disqualifikation nach sich ziehen, denn wenn wir bei so einer Sache nicht vollkommen konsequent sind öffnen wir dem Betrug Tür und Tor. Wenn wir bei so einer Sache nicht völlig konsequent sind bricht das ganze System zusammen, weil dann jeder erzählen kann, was er will solange es halbwegs glaubhaft klingt. Deshalb habe ich Jonas DQ'd.

Die nächste interessante Situation gab es am Samstag in der letzten Runde. Wie üblich hatten wir für jedes Match, wo noch um die T8 gespielt wurde einen Tablejudge abgestellt. An dem problematischen Tisch – Sebastian Zink gegen Adrian Koy - saß Mertel. Der sah nun den Adrian ziemlich offensichtlich sein Deck stacken und danach nur kurz mischen (das Gerücht, dass es sich dabei um Fake-Shuffles handelte war übrigens nicht korrekt, sonst wäre meine Entscheidung auch anders ausgefallen).
Wir schnappten uns also das Deck und sahen es uns genauer an. Es war definitiv nicht „randomized“, allerdings auch nicht perfekt gestacked oder so – es hätte schon eine Reihe von Stellen gegeben, wo ein Mulligan fällig gewesen wäre. Es tauchten zwar durchaus häufig gleiche Kartenkombinationen auf, aber nicht unbedingt zueinander passende.
Nach einem Gespräch mit Adrian entschieden wir uns für einen Matchloss. Ich habe ihn nicht disqualifiziert, da ich nicht glaube, dass er wissentlich versucht hat zu betrügen. Wäre das der Fall gewesen, hätte er das bestimmt nicht vor den Augen eines Judges gemacht, in einem Match, wo ihn nur ein Sieg weiterbringt (bei einer Niederlage oder einem Unentschieden hätte er keine Chance auf T8 gehabt). Wäre er sich darüber im klaren gewesen, was er da macht, hätte er auch gewusst, dass er dafür mindestens einen Matchloss bekommt – es gibt also gar keinen Grund, das vor den Augen eines Judges zu machen.

Ein vernünftiger Kritikpunkt, den ich von einem Spieler gehört habe war, dass er es nicht richtig fand, dass Adrian trotz dieses Verstoßes (den er sicher nicht nur in diesem letzten Match probiert hat) noch Preise bekommen hat, also Preise, die er vermutlich bei korrektem Spiel nicht gewonnen hätte. Das ist ein guter Punkt – gäbe es so was wie einen Matchloss ohne Preise hätte ich den auch ausgesprochen. Wenn ich aber jemanden disqualifiziere, muss ich auch damit rechnen, dass er auch gesperrt wird. Ob das der Fall ist entscheiden zwar andere, aber trotzdem kann ich niemanden DQ‘en, wenn ich nicht auch eine Sperre für ihn vertreten könnte – und das war bei Adrian eben nicht der Fall.
So musste ich eben abwägen – was wichtiger ist, die Preise, die er so unberechtigt bekommt oder die Gefahr, dass ich jemandem mit meiner Entscheidung sein Hobby kaputtmache, ohne dass er das eigentlich verdient hat. Da es – von den ersten vier Plätzen mal abgesehen – bei der DM jetzt nicht wirkliche Unsummen zu gewinnen gibt, war die Sache relativ klar.
Trotzdem habe ich wegen der Sache einen längeren Kommentar an die DCI geschrieben, die auch in seine History mit einfließt. Sollte er also noch mal bei so etwas erwischt werden (was ich nicht glaube), wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesperrt werden, selbst wenn er wieder nur einen ML oder gar weniger für die Sache bekommt.

Am Sonntag schaffte es dann der Wahl-Amerikaner Torben Twiefel, den alten deutschen Meister Dirk Baberowski abzulösen. Mit ihm im Team Deutschland werden Roland Bode aus Bielefeld und Sebastian Zink aus Bochum spielen.

Aber das war natürlich noch nicht alles in Sachen Deutsch-Amerikanischer Freundschaft, denn es standen ja auch noch die US Nationals an. In den letzten drei Jahren wurde ein deutscher Judge für den Event gesponsored (‘01 und '02 ich, '03 Michael Hüllecremer), also bewarb ich mich natürlich wieder. Das ganze auch mit Erfolg, denn Traditionen müssen ja nun bewahrt werden. Kurze Zeit später bekam ich eine Mail von Andy Heckt, dem Judge Certification Manager (also de Könisch von alle Judges), wie es denn aussähe, ob ich Interesse hätte mal nen Lvl 4 Test zu machen irgendwann. Ja, hatte ich schon. Ich hab zwar manchmal das Gefühl, dass das allen anderen wichtiger ist als mir selber, aber machen wollt‘ ich's ja schon. Super, schrieb Andy zurück, wir glauben auch du packst das, aber in dem einen oder anderen Bereich musst du uns das eben noch zeigen und damit fangen wir bei den US Nats mal an. Natürlich verbreitete sich gleich das Gerücht, ich würde bei den US Nats meinen Test machen. Jedem, der von der Prozedur ein bisschen Ahnung hat, hätte aber ein Blick auf die Schieriliste des Turniers gereicht um festzustellen, dass an dem Gerücht nichts dran sein kann. Es waren nämlich „nur“ zwei Lvl 4 Judges vor Ort, der HJ Mike Guptil und Sheldon Menery. Ein Lvl 4 Interview ist eine verdammt zeitaufwendige Sache, da kann kein HJ mitmachen. Und ein Lvl 4er reicht eben nicht für so'n Interview.

Trotzdem war das Turnier natürlich was Besonderes für mich. Am Donnerstag machte ich bei einem Grinder mit (in den USA sind diese Turniere größer als in Deutschland, bis maximal 256 Spieler, aber auch KO-System, dafür Qualifizieren sich die besten 4 Spieler des Grinders), quasi als Backup für einen Judge, Mike Goodman, der am Sonntag seinen Level 3 Test machen sollte. Recht schnell wurde vor allem ein Problem deutlich – seine Fähigkeiten im Bereich Leadership waren verbesserungswürdig. Er gab nahezu keine Anweisungen (er hatte immerhin ein Team von 4 Judges unter sich) und koordinierte selber sehr wenig, machte dabei aber selber sehr viel von den „normalen“ Judge Tätigkeiten. Ich hatte das Gefühl, dass es bei ihm in der Gegend ein sehr eingespieltes Judgeteam gibt, wo es einfach nicht nötig ist die Judges zu koordinieren, da eh jeder weiß, was er zu tun hat (bei den Turnieren in Dülmen ist es z.B. genau das gleiche, was ja an und für sich auch eine gute Sache ist). Das ganze lief zwar auch so, da eben doch jeder wusste, was getan werden muss und man sich dann eben mehr oder weniger selber koordinierte (bzw. ich das übernahm wo es notwendig war), aber das konnte Mike nicht wissen, denn er kannte keinen seiner Judges näher. Das war aber auch das einzige, was nicht gut lief, ansonsten machte Mike einen hervorragenden Job.

Beim Main Event selber stand ich außerhalb des normalen Team Systems. Ich hatte drei Aufgaben:
Zum einen normales Floaten und da aushelfen, wo es grade notwendig ist. Dann war ich noch eine Art eine Art „Co-Headjudge“. Effektiv bedeutete das, dass ich erstmal alle Entscheidungen, die normalerweise der HJ trifft, machte. Die besprach ich dann mit Mike (dem echten HJ). Es gab aber nur eine Situation, wo ich etwas anderes gemacht hätte als er.

Während der letzten Runde am Samstag wurde ein Feature Match zufälliger Art und Weise für einen Deckcheck ausgewählt. Mike meinte er habe das nicht so gerne und man solle sich lieber ein anderes Match aussuchen. Ich war da anderer Meinung. Indem man Feature Matches nicht von DCs ausnimmt zeigt man den Spielern zum einen, dass sie jederzeit einen DC abbekommen könnten. Wird erstmal festgestellt, dass es bei Feature Matches keine Deckchecks gibt, könnte versucht werden das auszunutzen (auch wenn das nicht so wahrscheinlich ist wegen der vielen Zuschauer). Weiterhin zeigt man den Spielern und Zuschauern, auch denen die das Event per Internet verfolgen, dass es Deckchecks gibt und dass die Judges auch was tun um eventuelle Cheatingversuche zu entdecken. Auch könnte es seinen Teil dazu beitragen dem falschen, aber scheinbar kaum auszurottenden Gerücht dass die Judges die bekannten Spieler bevorzugen, weiteren Boden zu entziehen. Meine Argumente konnten Mike dann auch überzeugen und der Deckcheck fand statt. Wie das Schicksal so spielt brachte der dann auch gleich ein größeres Problem zu Tage, welches durchaus das Potential für einen DQ hatte.

Im Sideboard von einem der beiden Spieler, Neil Reeves, gab es eine Unstimmigkeit. Auf seiner Liste standen 2 Naturalize, in seinem tatsächlichen SB waren aber zwei Nantuko Vigilante. Dazu kam es folgendermaßen: Neil und sein Kumpel Gabe Walls hatten sich recht kurzfristig vor dem Turnier entschlossen die Nantukos statt der Naturalizes zu spielen (sie spielten identische Versionen des R/g Goblin Decks). Blöderweise konnten sie aber keine mehr auftreiben und trugen so die Naturalizes in die Deckliste ein. Dann, kurz bevor die Decklisten eingesammelt wurden, kam ein Kumpel von ihnen mit den vier Vigilantes an. Auf Gabe's Deckliste waren ganz klar die durchgestrichenen Naturalizes zu sehen, ersetzt durch die Vigilantes. Die entscheidende Frage war nun also, wann Neil bewusst geworden ist, dass sein Deck nicht mit seiner Deckliste übereinstimmt. Erst, als wir es ihm gezeigt haben oder schon vorher? Hatte er es nämlich schon vorher gemerkt, wäre des cheating, da er wissentlich mit einer falschen Deckliste gespielt hat. Aufgrund seiner Reaktion und der nachfolgenden Gespräche kamen wir dann aber zu dem Schluss, dass er es tatsächlich erst gemerkt hat, als wir ihm seine Deckliste unter die Nase hielten.

Einen tatsächlichen DQ hatten wir aber auch, direkt am Freitag. Ein Judge hat nämlich beobachtet, wie ein Spieler mehrfach beim Draften in die Karten des Nachbarn geschaut hat. Er sagte dann zwar, dass er das nicht absichtlich gemacht habe, aber das hat ihm auch nichts genutzt. Es kann zwar tatsächlich mal passieren, dass man die Karten des Gegners sieht ohne das zu planen, aber das sollte erstens nicht mehrmals passieren und zweitens liegt das auch nicht nahe wenn sich der Hals reckt und man viel Weiß in den Augen sieht. Etwas blöd war, dass der Judge, der das beobachtete damit nicht gleich zum HJ gegangen ist, sondern das einfach auf einen Zettel mit anderen Draftwarnings geschrieben hat, welcher dann dem Scorekeeper gegeben wurde. So kam das erst raus, nachdem der Mensch schon eine Runde gespielt hatte.

Ein weiterer Job von mir bei dem Turnier war es, so ziemlich alle Ansagen zu machen (Rundenstart und Ende, etc.). Zusätzlich habe ich auch die Drafts gecalled.

Zwischenbemerkung: Bei großen Turnieren wird nach strengen Zeitvorgaben gedraftet – es ist genau festgelegt, wie viel Zeit die Spieler haben um ihre Karten zu picken. Das wird gemacht indem sich ein armer Teufel (alternativ auch ein Judge) ans Mikrofon hängt und somit zentral die Kommandos gibt. Dabei sind mehrer Sachen wichtig. Zum einen natürlich eine deutliche Aussprache, aber auch ein gewisses Rhythmusgefühl (auch wenn man natürlich eine Uhr dabeihat). Außerdem muss man ruhig und gleichmäßig sprechen können (wenn man mal schneller und mal langsamer oder in verschiedenen Tonlagen spricht ist das sehr störend) und sich über die Zeit voll konzentrieren zu können - so ein Fehler pro Draft ist normal und passiert jedem, aber das sollte sich eben nicht häufen.

Allgemein schienen die Leute mit meinen Fähigkeiten in diesem Bereich sehr zufrieden zu sein, ich hörte viele lobende Worte, was als Judge überaus selten ist. Normalerweise akzeptiert man eben dass alles gut war wenn keiner meckert (bzw. nur die, die immer Meckern, egal was).
Mein Akzent brachte wohl auch eine gewisse Komik in die Sache – die Leute vom Sideboard erzählten mir zumindest, dass sie sich sehr amüsiert hätten und nur darauf warteten, dass ich irgendwann so was wie „pick up your booster or you'll be shot“ sagen würde. Leider sagte mir Brian David Marshall das erst nach dem zweiten Draft, sonst hätte ich das am Ende eines Draftes noch mit eingeflochten. Na mal sehen, vielleicht mach ich so was ja noch mal, dann kann man den immer noch bringen.

Von den Finals am Sonntag habe ich eigentlich gar nichts mitbekommen, denn ich saß die ganze Zeit bei Interviews von Lvl 3 Kandidaten. Leider haben beide nicht bestanden, bei einem Kandidaten, Mike Goodman, mit dem ich ja auch schon den Grinder zusammen gemacht habe, fehlt es aber tatsächlich nur an Führungsqualität. Kann er die noch ausreichend verbessern, wird er ein sehr guter Lvl 3 Judge werden. Bei dem anderen Kandidaten, David Welsh, hingegen waren Hopfen und Malz verloren. Er hatte genau einen Punkt in dem er gut war – Regelkenntnis. In allen anderen Bereichen war er grauenhaft. So kannte er zwar z.B. die Turnierregeln, verstand aber in keinster Weise den Sinn dahinter. Das war kein Spaß und deutlich das schlechteste Interview, das ich jemals mitbekommen habe (und ich war schon bei einigen schlechten mit dabei).

Allzu viel kann ich hier darüber leider nicht schreiben, aber ein paar Tipps habe ich trotzdem, die helfen vielleicht nicht nur bei einem Lvl 3 Interview sondern auch bei welchen für Lvl 1 oder 2 wenn sie da denn nötig sein sollten:

  • Der Prüfer ist nicht dein Feind. Er ist zwar auch nicht dein Freund, aber er will dich nicht reinreißen, er will herausfinden, was du als Judge kannst.
  • Versuche nicht das Spiel zu spielen. Das heißt, versuch nicht herauszufinden, was der Prüfer hören will um dann das zu sagen. Das klappt nicht. Zum einen wird der Prüfer bei so einer Sache viel mehr Erfahrung haben als du und zum anderen – viel wichtiger noch – gibt es häufig gar nichts spezielles, was er hören will. Die Frage ist, wie reagierst du in bestimmten Situationen. Wie gehst du das Problem an? Wofür du dich letztendlich entscheidest ist nicht so wichtig.
  • Hör den Prüfern zu. Selbst wenn du nicht bestehen solltest, bei solchen Interviews kann man verdammt viel lernen. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass sich ein oder mehrere expert-level Judges ein oder mehrer Stunden mit nichts anderem als mit dir als Judge beschäftigen.


So, das war's für dieses Mal. Das nächste Mal geht's dann entweder mit dem GP Zürich oder den Weltmeisterschaften weiter – je nachdem ob ich vor den Worlds dazu komme, den Zürich Bericht zu schreiben.

Macht's gut,

Justus
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