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Clueless
von Michael Diezel
14.04.2016

Nachdem wir in der letzten Woche anscheinend richtig erkannt haben, dass die Menschen das wohl kampfstärkste Völkchen auf Innistrad sind, drehen wir den Powerlevel heute zwei bis drei Stufen nach unten. Das wiederum lässt sich nur durch entweder eine radikale Budget-Variante oder riesengroßen Spielspaß rechtfertigen. In diesem Fall Letzteres.

Das bedeutet jetzt nicht, dass ihr damit auf dem nächsten FNM völlig chancenlos wärt, sondern lediglich, dass ich in wichtigeren Turnieren vielleicht doch eher zu etwas weniger Ausgefallenem greifen würde. Menschen zum Beispiel. So weit zur Vorwarnung, nun zur eigentlichen Idee: Wir stellen Nachforschungen an und entdecken dabei jede Menge Hinweise, die uns der Lösung des Problems – ein episches Duell mit einem anderen Planeswalker – dann entscheidend näherbringen.


Klingt ein bisschen wie die Fibel der Archäologie, aber keine Angst, es geht nicht um Spaten – auch wenn einige der enthaltenen Kreaturen durchaus in schlechten Momenten an einen solchen erinnern –, sondern um die witzigen Clue-Spielsteine, die von jeder Menge Karten unserer neuesten Lieblingsedition produziert werden. Nun sollte sich mit den Dingern doch mehr anfangen lassen, als alle hundert Spielzüge mal einen zu opfern, immerhin lässt sich mit ein wenig Aufwand die ganze eigene Seite des Schlachtfelds mit den Dingern zupflastern. Meist fehlt dann aber das Mana, um sie schnell genug in echten Kartenwert umzuwandeln. Blöd. Wie so viele, bin auch ich dann in einem gewaltigen Denkprozess auf folgende Karte gestoßen:


Diese Verzauberung ist nicht nur nachweislich gut genug fürs Modernformat, sondern auch der perfekte Partner für ein Schlachtfeld voller Clues. Leider können wir es jetzt nicht einfach ins nächstbeste Clue-Deck stecken, denn a) gibt es ein solches noch nicht und b) gilt es vorher diverse Probleme zu überwinden:

Ghirapur Æther Grid ist eine typische rote Verzauberung in der Tradition von Burning Vengeance: Ausgesprochen nutzlos außer in sehr speziellen Konstruktionen. Gut, darum kümmern wir uns ja gerade, jedoch bleibt es trotzdem ein rotes Enchantment, mit der Betonung auf „rotes“. Wenn man sich nämlich einmal die Farben der Karten anschaut, die Hinweise produzieren, landet man in Bant. Und in Monat 1 nach den Fetchlands ist das ein ernstes Problem.
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Damit alles so richtig abgeht, müssen wir uns dem Konzept völlig verschreiben. Logisch, so geht es den Menschen und den Affinity-Tieren auch, allerdings sind bei denen entweder die Einzelkarten, auch ohne näher auf Synergien einzugehen, richtig gut oder aber der Synergieeffekt so stark, dass man ein paar Opfer bringen kann. Bei den Clues sieht es ein bisschen nach „weder … noch“ aus.
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Wenn wir um Ghirapur Æther Grid herum ein Deck zusammenwerfen, werden wir nicht so richtig daran vorbeikommen, auch volle vier Stück zu spielen. Das wiederum hat den Nachteil, dass man auch mal zwei Exemplare zieht. Leider ist Nummer 2 jedoch ein wenig schwächer als Nummer 1, da sie absolut gar nichts macht, weil die Dinger sich leider nicht aufaddieren. Schade, eigentlich.

Ihr seht, da wartet Arbeit.

Beginnen wir deshalb sofort mit der Reduzierung der Farben. Rot brauchen wir offensichtlich und im allerbesten Fall noch zwei weitere dazu. Das bedeutet wir müssen die Clue-Farben (Weiß, Blau, Grün) um mindestens eine reduzieren. Schauen wir dafür doch einmal, was uns jede einzelne so anbietet.


Weiß: Wenn wir ehrlich sind, gibt es in Weiß eigentlich nur zwei relevante Karten: Bygone Bishop und Thraben Inspector. Letzterer dürfte in einem dreifarbigen Deck auch längst nicht so stark sein wie in einem mit knapp 20 Ebenen. Bleibt der Bischof. Der ist wirklich stark, weil wir ja einen Weg suchen, jede Menge Clues zu produzieren, und da überzeugt er. Ein weiterer Pluspunkt für Weiß ist die Gesamtstärke der Farbe. Egal, was wir noch an zusätzlichen Karten spielen wollen, Removal, Planeswalker, Flash-Engel – Weiß hat sie alle.


Blau: Auch in Blau sehe ich eigentlich nur zwei Karten, die auf jeden Fall mitspielen wollen: Erdwal Illuminator und Ongoing Investigation. Beide haben das Potenzial, sehr schnell gewaltige Mengen an Hinweisen rauszuhauen, insbesondere die Laufenden Ermittlungen sind äußerst verlockend, zwingen uns aber auch so ein wenig in Grün, da man doch auch gern die aktivierte Fähigkeit verwenden möchte. In der Farbe finden wir darüber hinaus noch einige „Vielleichts“ mit Confirm Suspicions und Daring Sleuth zum Beispiel.


Grün: Ganz ähnlich wie in Weiß gibt es auch in Grün eine herausragende Karte für unser Deck, und zwar Tireless Tracker. Der ist vermutlich sogar noch ein wenig besser als der Bischof, hauptsächlich weil es wahrscheinlicher ist, dass man ihm zumindest einen Hinweis entlockt, indem man seinem Wirken direkt den Land-Drop folgen lässt.

Danach wird es rasch dünner, wobei einige Karten, die eigentlich wie gemacht für das Deck aussehen, schwer enttäuscht haben:


Diese beiden Karten haben zwei entscheidende Probleme: Erstens, sie machen allein ziemlich genau nichts. Zweitens, sie kosten drei Mana. Während man Ersteres mit Blick auf die Synergieeffekte bis zu einem bestimmten Punkt verschmerzen kann, ist das Zusammenspiel mit Zweiterem endgültig das Aus, da der 3-Mana-Slot mit den unverzichtbaren Grids und Trackers schon bestens gefüllt ist. Ähnliches gilt übrigens auch für Fleeting Memories, die sogar noch furchtbarer sind, da sie selbst im besten Fall kaum einen Zugewinn bedeuten.

Nachdem wir auf diese Weise die Farben auf Temur festgelegt haben, können wir uns dem Problem der Abhängigkeit von Ghirapur Æther Grid zuwenden. Wie schon angedeutet geht dieses in zwei Richtungen: Was können wir tun, um die Abhängigkeit von dieser Verzauberung zu verringern beziehungsweise wie verhindern wir Grid-Flood? Ganz einfach: Wir erhöhen die Redundanz, indem wir weitere Karten suchen, die von Clue-Action profitieren – wobei uns klar sein sollte, dass sie dies vermutlich nicht im gleichen Maße wie die originale Verzauberung tun:


P & K bieten nicht unbedingt die beste Verwertung von Clues, da sie in der Anwendung noch teurer sind als das aufgedruckte Kartenziehen. Für sie spricht hingegen, dass ihre Kartenqualität sehr, sehr hoch ist. Tamiyo's Journal ist so ein bisschen das Gegenteil: Furchtbare Einzelkarte, die allerdings in keinem Deck besser aufgehoben sein dürfte als in diesem. Beachtet, dass die besondere Struktur des Journals dazu führt, dass wir auch im weiteren Deckbauprozess neue Vorgaben erhalten, Einzelstücke nämlich deutlich aufgewertet werden.

Neben diesen beiden gibt es noch eine Reihe von Limited-Allstars, die zumindest theoretisch hier ihre Chance für einen Constructed-Auftritt wittern:








Daring Sleuth: Der Ermittler ist interessant, weil Ongoing Investigation ja kleine Kreaturen anzieht und er später als Überbringer dramatischer Neuigkeiten nicht nur über einen sensationellen Kartennamen verfügt, sondern auch für regelmäßigen Nachschub an Hinweisen sorgt. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass Daring Sleuth zunächst nichts anderes ist als ein Coral Merfolk.
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Briarbridge Patrol: Auch die ist für sich gesehen der angedeutete Spaten, wenngleich die ausgelöste Fähigkeit häufiger relevant wird (nämlich selten), als von mir erwartet (nie). Für die Patrouille spricht hauptsächlich die Synergie mit Tamiyo's Journal, die so funktioniert, dass wir uns einen möglichst dicken Klops suchen und den dann direkt ins Spiel bringen. EZ.
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Confront the Unknown: Erinnert ihr euch an Become Immense? +6 /+6 für ein Mana? Nun, die Karte kann das sogar noch steigern, zumindest theoretisch. Zudem erhält man einen langsamen Cantrip, der zusammen mit Erdwal Illuminator sogar zur (sehr) langsamen Divination wird. Sensationell!
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Graf Mole: Das ist auf jeden Fall eine solide Karte, die gegen einige Decks absolut Bombe ist, gegen andere jedoch eher eine Fehlzündung. Klingt für mich wie Sideboard und dort kommt sie auch rein.
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Reclusive Artificer: Der kann mit jeder Menge Clues zum besten Flametongue Kavu aller Zeiten werden. Der Body ist dabei eher enttäuschend, am Ende schlägt aber auch er zumindest zu, was für Ongoing Investigation nicht völlig irrelevant ist. Offensichtlich deutlich schlechter, wenn der Gegner keine passende Kreatur ausspielt beziehungsweise das Deck nicht das macht, wofür es gebaut ist – aber dann hat man sowieso ein Problem.

Ihr seht, ich tue mich schwer damit, echte Alternativen zu Ghirapur Æther Grid aufzuzeigen, sodass uns da wohl nichts anderes übrigbleiben wird, als das Playset zu spielen und uns die Daumen zu drücken. Der Nachteil, dass überschüssige Kopien der Karte rein gar nichts machen, lässt sich dabei leider nicht vermeiden. Es gilt halt: Lieber zwei als keine.

Das alles führt uns zu folgender Deckliste:


4 Yavimaya Coast
2 Mountain
1 Island
4 Cinder Glade
4 Wandering Fumarole
4 Shivan Reef
1 Forest
4 Evolving Wilds

4 Erdwal Illuminator
4 Hangarback Walker
4 Hedron Crawler
4 Tireless Tracker
3 Pia and Kiran Nalaar
1 Reclusive Artificer
2 Briarbridge Patrol
1 Dragonlord Atarka


4 Ghirapur Æther Grid
4 Ongoing Investigation
3 Confront the Unknown
2 Tamiyo's Journal

Sideboard:

2 Thopter Spy Network
4 Graf Mole
4 Fiery Impulse
2 Eldrazi Obligator
3 Negate


Ihr seht, sie sind alle dabei: Briarbridge Patrol, Tamiyo's Journal und Confront the Unknown. Ein Dragonlord Atarka darf auch mitspielen. Seine Aufgabe ist es, der angesprochene Late-Game-Klops zu sein, der vom Journal gesucht und von Briarbridge Patrol ins Spiel gebracht wird und hoffentlich nie auf irgendeiner Starthand auftaucht. Das Mana besteht intensiv aus Painlands, was wir uns deswegen erlauben können, weil die meisten Karten recht harmlos in der Farbigkeit ihrer Manakosten sind. Nur so gelingt die Dreifarbigkeit in diesem Format.

Knapp nicht geschafft haben es Daring Sleuth, der besonders on the draw zu oft völlig nutzlos war, sowie Whirler Rogue. Der ist vermutlich besser als Briarbridge Patrol, da er auch ohne das perfekte Spiel um ihn herum eine solide Figur macht, aber mit einem solchen Deck will ich ja zunächst einmal die Möglichkeiten andeuten. Whirler Rogue ist über seine Einzelkartenstärke hinaus noch auf zwei weiteren Wegen hilfreich: Ghirapur Æther Grid mag Artefakte (duh!) und die verliehene Unblockbarkeit hilft nicht nur beim Schadendurchbringen, sondern auch beim Schadendruchbringen mit Ongoing Investigation. Man muss allerdings zugeben, dass er anspruchsvoller in der Farbigkeit seiner Manakosten ist. Die offenen Slots gingen übrigens an Hangarback Walker und Hedron Crawler, also zwei günstige Artefaktkreaturen mit ausgesprochen hilfreichen Fertigkeiten, die noch dazu sehr gute bis solide Einzelkartenqualitäten mitbringen.

Im Sideboard gibt es dann nur wenige Überraschungen: Fiery Impulse und Graf Mole für die aggressiven Gegner, da wir uns mit Massremoval à la Kozilek's Return schwertun, weil sich doch jede Menge eigener Kreaturen davon betroffen fühlen würde, Negate gegen alle langsamen Decks und Eldrazi Obligator für die richtig fetten Kreaturen.


Und dann ist da noch Thopter Spy Network. Auch das ist natürlich primär für den Kampf mit Decks gedacht, die aufs längere Spiel aus sind. In einem solchen ist die Verzauberung allerdings nur schwer zu schlagen, weil das Deck recht zuverlässig dafür sorgt, dass man beide Effekte nutzen kann. Erneut sind mehrere Exemplare nicht zwingend hilfreich. Deswegen und weil es wirklich langsam ist, reichen zwei aus, diese allerdings haben es in sich.

Ansonsten bleibt mir nur noch, euch viel Freude mit dem Deck zu wünschen. Die hat man wirklich oft, lediglich gegen dieses blöde Dromoka's Command mag man nicht spielen …

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal

Der MiDi
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