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Emotionen in Magic
von Andreas Rose
10.12.2015

Hallo liebe Magic-Gemeinde!

Diesmal werde ich auf die Rolle von Emotionen beim Magic-Spielen eingehen. Dazu werde ich euch erst einmal die theoretischen Grundlagen des Themas näherbringen und dann erklären, mit welchen Auswirkungen verschiedener Emotionen ihr beim Spielen rechnen könnt. Zudem werde ich noch aufzeigen, inwiefern emotionale Zustände die kognitive Verarbeitung beeinflussen können.

Emotionen werden in der Psychologie dem Bereich des Erlebens zugeordnet. Daher sind es subjektive, von außen nicht beschreibbare Zustände, auf die wir meist nur durch Selbstbeschreibungen Zugriff haben. Eine Verhaltensbeobachtung kann zwar Aufschlüsse über Emotionen geben, aber nur weil jemand lächelt, heißt das noch lange nicht, dass sich derjenige auch wirklich freut. Viele Emotionen können wir zwar an der Mimik ablesen, doch diese kann auch willkürlich verändert werden. Seid entsprechend eher vorsichtig, wenn ein Gegner mit scheinbar frustriertem Gesichtsausdruck seinen Zug abgibt. Vielleicht hat er schlecht gezogen, vielleicht möchte er euch aber auch nur von einem Kampftrick oder einem Gegenzauber ablenken und in eine Falle locken.


Die Definition einer Emotion ist im wissenschaftlichen Kontext immer noch umstritten, eine einheitliche Begriffsbestimmung findet man daher bis heute nicht. Emotionen im Sinne von Affekten werden aber gängigerweise in der Literatur von Stimmungen abgegrenzt. Stimmungen sind eher schwache Gefühlslagen ohne konkreten Objektbezug. Das heißt man spricht dann eher von einer positiven oder negativen Stimmungslage. Stimmungslagen werden teilweise auch von Emotionen verursacht und spielen eine Rolle in der Verarbeitung bei geistigen Tätigkeiten, wie ich euch später noch aufzeigen werde.

Des Weiteren ist es wichtig, Emotionen von körperlichen Zuständen wie Müdigkeit, Erschöpfung (wobei es auch eine emotionale Erschöpfung gibt) oder Ulamog, also dem endlosen Hunger, zu unterscheiden.


Die Kernelemente einer Emotion

Emotionen selbst haben fünf Kernelemente, an denen man sie erkennt und zum Teil auch klassifizieren kann:

1.

Emotionen besitzen eine bestimmte Qualität. Das heißt eine Emotion wird in ihrer jeweiligen Situation als angenehm oder unangenehm empfunden. Über einen Sieg werdet ihr euch meistens freuen. Das empfinden viele Gegner jedoch als unangenehm. Es kann aber auch passieren, dass ihr euch für euer Glück ein wenig schämt, was demnach eher eine negative Qualität bedeuten würde.

2.

Emotionen haben eine Intensität. Gefühle können sehr stark sein, zum Beispiel wenn ihr gerade ein Turnier oder sehr glücklich ein wichtiges Spiel gewonnen habt. Emotionen können aber ebenso gut nur schwach ausgeprägt sein, wenn ihr beispielsweise ein eher unwichtiges Spiel am Küchentisch verloren habt. Die Intensität erlebter Emotionen hängt dabei oft auch vom Temperament der jeweiligen Person ab.

3.

Emotionen sind auf ein Objekt bezogen. Das ist der wichtigste Unterschied zu einer Stimmung. Emotionen haben immer einen Bezug. Ihr könnt euch über euren unfreundlichen Gegner ärgern, über eine wichtige Karte auf eurer Hand freuen oder glücklich sein, in einer fröhlichen Runde Karten zu spielen. Wichtig ist, dass das betreffende Objekt nicht automatisch die Ursache der Emotion sein muss. Diese findet ihr in Punkt 4.

4.

Die vorauslaufende Bedingung. Emotionen werden immer durch irgendetwas verursacht. Wenn ihr genervt von der Arbeit kommt und dann beim Kartenspielen verärgert seid, unterscheiden sich vorauslaufende Bedingung und das emotionsbezogene Objekt voneinander. Deutlich wird das beispielsweise an einem Experiment von Dutton und Aron im Jahre 1974. Diese ließen Männer wahlweise über eine Hängebrücke oder über eine befestigte Brücke laufen. Im Anschluss beurteilten die Männer eine Frau auf der Gegenseite deutlich attraktiver – 1974 halt –, wenn sie über die unsichere Hängebrücke statt über die sichere feste Brücke gelaufen waren. Sie bezogen ihre physiologische Erregung also auf ein anderes Objekt.

5.

Die handlungsbezogene Konsequenz. Emotionen führen zu Handlungen. Angst löst beispielsweise Flucht- oder Kampfreaktionen aus. Scham meist eine Vermeidungsreaktion und Liebe ein Annäherungsverhalten. Beim Kartenspielen kann es beispielsweise passieren, dass ihr mit Wut im Bauch aggressiver spielt und dabei in die Fallen der Gegner tappt. Oder ihr freut euch über euer vermeintliches Glück beim Ziehen und seht dabei nicht, dass euer Gegner einen anderen Spielplan verfolgt. Dazu dann mehr bei der Informationsverarbeitung unter emotionalen Einflüssen.

Emotionen beeinflussen uns daher auf verschiedenen Ebenen. Die folgende Grafik zeigt gut die verschiedenen Aspekte von Emotionen auf:


Emotionen entstehen in der Regel aus unseren Gedanken und Bewertungen einer Situation oder Person heraus. Dieser Punkt wird im Bereich der Emotionsregulation noch mal wichtig werden. Ebenso auch die körperliche Reaktion, die die Intensität eines Gefühls entscheidend mitbestimmt. Emotionen erzeugen aber auch immer ein subjektives Erleben der aktuellen Situation beziehungsweise beeinflussen dieses. Dieser Punkt spielt im Bereich der Wirkungen von Emotionen wieder eine wichtige Rolle.

Ein Punkt, der gerne auch im Erleben starker Emotionen vergessen wird, ist die Handlungsbereitschaft. Diese wird stark von der Qualität und Intensität der Emotion bestimmt. Hier seht ihr schon, dass Emotionen sich zwangsläufig auch auf das Spielen von Magic auswirken müssen. Welche Wirkungen unsere Gefühle aber tatsächlich haben, schauen wir uns im nächsten Abschnitt an.


Die Wirkung von Emotionen auf unser Denken

Wie genau wirken Emotionen nun aber auf uns? Um die Wirkung von Gefühlen näher beschreiben zu können, sollten wir uns kurz zwei wichtige Funktionen von Emotionen ansehen. Neben der bekannten Schutzfunktion erfüllen Emotionen auch die Funktion sozialer Hinweise. Durch unsere Fähigkeit, Gefühle anderer einzuschätzen, können wir uns in unserer sozialen Umwelt bewegen und mit anderen kommunizieren. Das klappt dank der längeren Evolutionsgeschichte in aller Regel auch ganz gut. Menschen, die sich dieser Funktion aber bewusst sind, können damit andere ebenfalls sehr gut manipulieren. Daher ist es gerade beim Magic-Spielen günstig, diese Funktion im Hinterkopf zu behalten. Ist das Gefühl unseres Gegenspielers echt oder nur ein Bluff? So kann das In-sich-Zusammensinken des Gegners auf einen schlechten Draw hindeuten oder er will uns in eine Falle locken.


Des Weiteren weisen uns Emotionen auf unsere Bedürfnisse hin. Auch hier ist es wichtig, nicht jedem Bedürfnis sofort nachkommen zu wollen. Selbst ein LSV kann nicht nur Kartenzieher und teure Karten im Draft auswählen. Ihr müsst also gut abwägen, ob ihr eure Bedürfnisse jetzt gerade befriedigen müsst oder ob der Aufschub der Bedürfnisbefriedigung nicht doch zu einem besseren Ergebnis führt.

Abgesehen von den Funktionen für uns und unsere soziale Umwelt haben Gefühle außerdem Auswirkungen auf unsere kognitiven Funktionen. So ist es beispielsweise bekannt, dass eine etwas negative Stimmungslage den Blick für Details schärft, aber dadurch auch das Erfassen des Ganzen schwieriger macht. So erkennen Personen in negativer Stimmungslage (in psychologischen Experimenten meist durch traurige Videos ausgelöst) zwar mehr Rechtschreibfehler in einem Text, können aber den gesamten Inhalt schlechter erfassen. Man spricht hier von der „Bottom-up-Verarbeitung“ von Informationen. Dabei versuchen die Menschen von den Details hin auf das Ganze zu schließen. Das ist nicht nur ein anstrengender, sondern ebenso ein relativ fehleranfälliger Prozess. Beides wollen wir gerade in langen Turnieren nicht in ausuferndem Maß, sonst sind wir schnell ausgebrannt. Kurzfristig kann diese Art der Informationsverarbeitung aber durchaus sinnvoll sein, um zum Beispiel komplexe Spielsituationen richtig erfassen zu können.


Eine positive Stimmung hingegen führt zu einer sogenannten „Top-down-Verarbeitung“. Uns gelingt es leichter, dass Ganze zu erfassen und kreativ zu denken. Damit können wir vielleicht ein Spiel besser lesen oder außerhalb gewohnter Muster reagieren. Das kann in der Evaluation von Karten im Draft helfen oder zu interessanten Spielzügen führen. Es kann euch allerdings auch durch zu viel Optimismus in eine Sackgasse führen, wenn ihr euch zum Beispiel nur die besten Spielsituationen ausmalt und daher Karten überbewertet.

Ihr seht: Die Balance ist hier entscheidend. Weder eine negative Stimmungslage noch eine positive Stimmungslage ist immer und in jeder Situation gut. Wichtig ist es hier, sich selbst gut zu reflektieren und zu wissen, ob die aktuelle Stimmung förderlich ist oder eben nicht und dementsprechend auch seine Emotionen zu regulieren.

Gefühle beeinflussen wie weiter oben beschrieben zudem verschiedene Formen der Handlungsbereitschaft. So führt Angst in der Regel zu Vermeidungs- oder Kampfverhalten. Beides ist im Magic nicht unbedingt ideal. Weder solltet ihr vom Tisch springen und schreiend davonrennen noch lohnt es sich, den Gegner zu schlagen. Was zum Glück beides recht selten passiert. Angst beeinflusst aber auch eure Gedanken und kann diese sogar blockieren und damit eure Fähigkeit zum logischen Denken erheblich einschränken. Evolutionär gesehen war das früher sogar durchaus sinnvoll. Wenn ein wildes Tier durchs Gebüsch sprang, hatte man nicht viel Zeit zum Denken (und diejenigen, die das trotzdem gemacht haben, sind wahrscheinlich eher nicht eure Vorfahren …).


Insgesamt sind es die sehr intensiven Emotionen, die unser logisches Denken beeinträchtigen. Vermeidet also lieber intensive Freude oder starke Wut. Egal ob gerechtfertigt oder nicht, diese Gefühle bringen euch in der Regel beim Magic-Spielen nichts. Sich nach einer Runde über einen Sieg zu freuen, ist sicherlich nicht negativ. Sich im Spiel über einen Fehler des Gegners oder einen glücklichen Topdeck zu freuen, kann aber schnell zu einer Niederlage führen, wenn ihr dadurch beispielsweise eine wichtige Karte im Friedhof eures Gegners vergesst oder in einen Gegenzauber rennt.

Aber auch Wut, beispielsweise über einen schlechten Draw oder das vermeintliche Glück des Gegners, ist kein guter Berater in schwierigen Situationen. Wenn ihr nichts machen könnt, bringt euch die Wut nicht weiter. Wenn ihr euch jedoch durch die Wut eine mögliche Lösung entgehen lasst, wenn ihr zu zeitig aufgebt oder eine Karte nicht richtig lest, verbaut ihr euch damit die Möglichkeit zum Sieg. Eurer Gegner hatte Glück? Vielleicht hat er das Spiel bloß so gespielt, dass er dazu in der Lage war, mit diesem Glück zu gewinnen. Ganz egal, euer Gegner kann nichts für sein Glück und euch bringt Wut da ebenfalls nicht weiter.

Negative Emotionen haben noch einen weiteren Nachteil. Ihr könnt schlechter lernen. Diverse Lernexperimente haben gezeigt, dass negative Gefühle die Fähigkeit zum Lernen deutlich beeinträchtigen. Wie wollt ihr aber im Magic-Spielen besser werden, wenn ihr euch der Möglichkeit des Lernens beraubt?


Können wir unsere Emotionen beeinflussen?

Diese Frage muss ich stellen. Schließlich liest sich dieser Artikel so, als würde ich diese Fähigkeit voraussetzen. Jeder Mensch hat eine gewisse Einstellung dazu, inwiefern er glaubt, seine Gefühle regulieren zu können. Genau diese Einstellung lässt sich übrigens recht gut durch die folgenden Fragen erfassen. (Übernommen von Barnow, S.: Gefühle im Griff, Springer Verlag 2014.)





Ich werde es schon hier vorwegnehmen: Ja, natürlich können wir unsere Emotionen beeinflussen. Denkt einfach mal an ein schönes Ereignis, lächelt dabei (so komisch es euch vielleicht gerade vorkommt) und achtet auf eine ruhige und gerade Körperhaltung. Normalerweise solltet ihr schon mit dieser kleinen Übung eine Änderung eurer Stimmungslage erreichen können. Wie genau ihr noch Emotionen regulieren könnt und wie die Auswertung der obigen Tabelle aussieht, erzähle ich euch aber in meinem nächsten Artikel zur Emotionsregulation.

Ich hoffe, es waren ein paar interessante Sachen für euch dabei, über reges Feedback freue ich natürlich wie immer!

Bis dahin weihnachtliche Grüße
euer AndiR
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