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Der Bestätigungsfehler in Magic: Warum wir denken, dass wir Recht haben
von Andreas Rose
02.09.2015

In meinem ersten Artikel hatte ich bereits verschiedene typische Urteilsverzerrungen im menschlichen Denken angesprochen. Ein sehr häufiger und manchmal auch fataler Fehler ist der sogenannte Bestätigungsfehler, auch confirmation bias genannt. Dabei handelt es sich um eine positive Teststrategie, das heißt, wir suchen intuitiv eher nach Hinweisen, die unsere Hypothesen bestätigen (Prinzip der Verifikation). Dabei wäre es eigentlich logischer, nach Hinweisen zu suchen, die unseren Hypothesen widersprechen (Prinzip der Falsifikation).


Wahrscheinlich tritt dieser Fehler deswegen so oft auf, weil er uns das Gefühl der kognitiven Leichtigkeit vermittelt und sich damit richtig anfühlt. Zudem spielt das selektive Erinnern oder auch die selektive Wahrnehmung hier eine Rolle. Wir erinnern uns besser an plausible Argumente für unsere Position und suchen auch eher nach Hinweisen, die unsere Position bestätigen, missachten dabei aber deutlich Erinnerungen und Hinweise, die unserer Position widersprechen.

Ursprünglich wurde der Bestätigungsfehler mit der 2-4-6-Aufgabe von Peter Wason (1968) beschrieben. Der Versuchsleiter dachte sich dafür eine Regel aus, die bestimmte Zahlenfolgen generierte, nannte aber bloß eine Zahlenfolge, die dieser Regel entsprach: in diesem Fall zwei, vier und sechs. (Die zugehörige Regel: drei Zahlen in aufsteigender Reihenfolge.) Um die Regel zu erraten, sollten die Versuchspersonen nun ihrerseits Zahlenfolgen nennen und erhielten jeweils eine Ja/Nein-Auskunft darüber, ob ihre Zahlen der unbekannten Regel entsprachen. Dabei wendeten die Personen meist positive Teststrategien an (nannten also möglichst ähnlich gelagerte Zahlen wie acht, zehn und zwölf), durch welche sie sich der Regel bestenfalls nähern konnten. Günstiger wäre es gewesen, unpassende Zahlenfolgen zu generieren, um damit die Regel einzugrenzen.

Ein weiteres Beispiel von Wason ist die „Karten-Wahl-Aufgabe“. Die Versuchspersonen finden vor sich vier Karten mit der Beschriftung „A“, „D“, „4“, „7“.


Die These dazu lautete: „Wenn eine Karte auf einer Seite einen Vokal hat, dann hat sie auf der anderen Seite eine gerade Zahl.“ Die Versuchspersonen durften zur Prüfung der These nur zwei Karten umdrehen.

Welche hättet ihr genommen?

In den Versuchen wählten die meisten Personen die Karte „A“ und die Karte „4“. Das ist ein typischer Fehler der Verifikation. In Übereinstimmung mit der Regel müsste auf der Rückseite von „A“ zwar eine gerade Zahl stehen, aber eine „4“ könnte jede beliebige Rückseite haben, ohne die Regel zu brechen.

Tatsächlich wären die Karten „A“ und „7“ die richtigen Karten gewesen. Ist auf der Rückseite der Karte „A“ eine ungerade Zahl, wäre die Hypothese widerlegt. Befindet sich auf der „7“ ein Vokal, wäre auch hier die These widerlegt.

Diesen Bestätigungsfehler findet man recht häufig, auch bei der Bewertung von Magic-Karten. Es werden allzu oft Situationen heraufbeschworen, in denen eine Karte gut ist. Ich habe zum Beispiel schon von vielen gehört, wie gut Descent of the Dragons ist, wenn man viele Kreaturen und Dragon Tempest liegen hat (Verifikation). Dass Descent of the Dragons aber meist nichts macht, wenn man keine sechs Mana, keine Kreaturen oder keinen Battlefield Thaumaturge hat, wird oft missachtet (Falsifikation). Je mehr Elemente man benötigt, damit eine Kombination gut ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, diese auch zu treffen.


Anders sehe ich das beispielsweise bei der beliebten Diskussion um einen möglichen Einsatz von Hangarback Walker im Modern. Während die eine Seite argumentiert, dass die Karte perspektivisch zu schwach ist und zu wenig für ihr Mana macht, sehe ich doch echte Chancen. Dabei gehe ich einfach mal vom Prinzip der Falsifikation aus und versuche mich an den Szenarien, in denen der Walker wirklich schlechter als andere Kreaturen ist. Der Großteil des Removals, das den Walker schlecht aussehen lässt (Path to Exile, Banishing Light, Magma Spray), lässt auch die meisten anderen 2-Mana-Kreaturen schlecht aussehen. Ein Snapcaster Mage und ein Young Pyromancer können mehr Impact auf das Board haben, benötigen dazu aber Karten im Friedhof oder auf der Hand.

Ich kann die Diskussion um Hangarback Walker sicherlich nicht alleine klären, allerdings hält er vielen Falsifikationsversuchen meinerseits stand, weswegen ich ihn als stark in relativ vielen Formaten einschätze. Den typischen Bestätigungsfehler würde ich übrigens begehen, wenn ich die Stärke des Walkers mit seinen guten Möglichkeiten im Bereich Affinity, bei den blau-roten Artefakten oder im Einsatz von Tron-Decks begründete, da ich hier eine positive Teststrategie fahren würde.

Der Bestätigungsfehler tritt übrigens nicht nur bei Kartenbewertungen auf. Auch die Frage ob ein Mulligan bei einer spezifischen Hand sinnvoll wäre oder nicht, hängt oft von unserer Teststrategie und den damit verbundenen selektiven Erinnerungen ab. Nehmen wir die blau-roten Artefakte mit einer Hand aus Darksteel Citadel, Darksteel Citadel, Springleaf Drum, Mountain, Island, Chief of the Foundry und Stubborn Denial.


Würden wir eine positive Teststrategie fahren und uns damit beschäftigen, wie gut die Hand sich entwickelt, wenn wir Ensoul Artifact, Ghostfire Blade oder Ornithopter ziehen, könnten wir fälschlicherweise zu dem Schluss gelangen, dass die Hand haltbar ist. Was passiert aber, wenn wir ein weiteres Land, mehr Springleaf Drum, Stubborn Denial oder auch nur einen Shrapnel Blast ziehen? Oder eine Mischung aus diesen Karten und unser Gegner vielleicht sogar noch den Chief wegmachen kann? Hier seht ihr, wie eine positive Teststrategie zu falschen Entscheidungen führen kann.

Das kann aber auch in der Deckwahl passieren. Nehmen wir an, ihr spielt sehr gerne Monorot und sucht nach einem Grund, dieses für das nächste größere Turnier eintüten zu dürfen. Dann könnt ihr euer Augenmerk auf die Pro Tour richten, Artikel zu Monorot lesen oder auch Videos anschauen, in denen Monorot gut läuft. Die schlechten Ergebnisse anderer Turniere, die Videos, in denen der Spieler 2:2 geht, und die Artikel, die auf das schlechte Umfeld für Monorot eingehen, droht ihr dagegen zu übersehen. (Ohnehin sind solche Artikel deutlich seltener.) Das passiert oft automatisch, da die Siege eher mit einem positiven Gefühl verbunden sind als die Analyse der Niederlagen. Diese kostet weitaus mehr Willenskraft und ist daher meist mit negativeren Emotionen verbunden. Vorsicht, hier könntet ihr dann dem guten alten Bestätigungsfehler unterliegen.

Der Bestätigungsfehler wird gerne auch bei der Beurteilung neuer Editionen gemacht. Die guten Karten fallen auf und beeinflussen damit oft im Sinne eines Halo-Effektes die Wertung der gesamten Edition. So haben die Götter, Thoughtseize und Elspeth Theros besser aussehen lassen, als es eigentlich war.


Das Fazit heißt: Jeder kann dem Bestätigungsfehler unterliegen (welcher übrigens oft auch die Grundlage für Vorurteile gegen bestimmte Gruppen bildet). Daher solltet ihr aufmerksam werden, wenn ihr in bestimmten Situationen wiederholt nach Bestätigung eurer Annahmen sucht. Das fehlerhafte Anwenden positiver Teststrategien kann durch Achtsamkeit und Übung recht gut reduziert werden. Dazu ist es aber wichtig, dass ihr euch der Anfälligkeit gegenüber dieser kognitiven Verzerrung bewusst seid. Kritik kann oft die Verzerrungen relativieren, daher hört euch Kritik an euren Theorien oder Hypothesen genau an, vermeidet es, nach Gegenbeispielen für versuchte Falsifikationen zu suchen (das wäre dann wieder die Verifikation), und nehmt euch das Beste aus der Kritik mit. Habt ihr aber eine Position oder Hypothese, die ihr zwar mit vielen Leuten ernsthaft diskutiert, die aber sehr wenig Kritik oder kaum Gegenargumente einfährt, dann seid ihr wahrscheinlich auf einem guten Weg!

Zum Abschluss noch eine Beispielfrage aus dem Forum. Dazu noch der Hinweis, dass ihr mir gerne weitere solche Geschichten ins Forum schreiben dürft – ich freue mich darauf!

Original von „Cypha“:
Vor Jahren (vermutlich 2006, da ich mich an ein 250-Karten-Deck mit Battle of Wits erinnern kann) habe ich einmal bei einem National Qualifier in der letzten Runde um die Qualifikation gespielt. Spiel 1 gewinne ich recht zügig und im zweiten Spiel ist mein Gegner on board tot, als ich meine Bibliothek durch irgendwas mische. Diesmal hebt der Gegner nicht ab und riffelt auch nicht, sondern pile-shuffelt, und als er fertig ist, geht die Hand in die Höhe und er ruft den Judge. Auf meinen verdutzten Blick sagt er, ich hätte ein illegales Deck, was der Judge bestätigt, da es 59 Karten besitzt. Die letzte Karte lag unter dem Tisch und der Spieler hat mich dann draußen darüber aufgeklärt, dass ich sie vor dem Spiel habe fallen lassen.

Die Frage, warum sich jemand mit 250-Karten-Decks zu Turnieren schleppt, wird mir vermutlich auch ein Psychologe schwerlich beantworten können, aber die Beweggründe des Gegners für diese Aktion sind in der Ferndiagnose vielleicht interessant …?

Insgesamt finde ich es immer wieder schade, wenn Spiele durch solche Dinge entschieden werden. Was aber könnte deinen Gegner hier bewegt haben? Punkt Nummer 1 ist die ungewöhnliche Wahl des Decks. Battle of Wits wirkt ja schon immer etwas exzentrisch, er wollte wohl damit ein wenig Aufmerksamkeit erzeugen. Zudem schien er eine recht konkurrenzfähige Version zu haben, da er ja mit dir um die Qualifikation spielen konnte.

Über seine Beweggründe kann man natürlich spekulieren, mehr aber leider auch nicht. Ihm schien es wichtig, sich zu qualifizieren. Vielleicht erhoffte er sich, schon durch die Größe seines Decks Gegner ein wenig verwirren zu können. Dass er dich nicht auf die Karte unter dem Tisch hingewiesen hat, zeigt, wie wichtig ihm der Sieg war. Wäre es ihm wichtig gewesen, die Erfahrung guter und spannender Magic-Spiele zu machen und allein wegen seines Könnens zu gewinnen, hätte er dich ja auf die Karte hingewiesen. Magic ist in vielen Bereichen eben auch sehr wettbewerbsorientiert mit den entsprechenden Wirkungen. Es wurden ja schon Spiele verloren, weil Morphs nach Ende einer Partie nicht offen vorgezeigt wurden. Für mich bildet das immer einen bitteren Beigeschmack, da ich sonst die Erfahrung des Magic-Spielens sehr schätze.

Bis dahin – euer AndiR!
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