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Primal Impulse
von Michael Diezel
02.04.2015

Ich hatte euch ja heute den Buchstaben „B“ versprochen, dabei aber nicht beachtet, dass es in Dragons of Tarkir noch mindestens ein weiteres „A“ gibt, das nicht unbeachtet bleiben soll …


Auf Anticipate habe ich persönlich mindestens ein Jahrzehnt gewartet, denn neben aggressiven Allstars wie Goblin Grenade oder Dark Confidant gehört auch der gute alte Impulse zu meinen absolutten Lieblingskarten. Dafür sorgt schon allein die Nostalgie, immerhin bin ich mit folgendem Deck mal beinahe Sachsenmeister geworden:


4 Impulse
4 Whispers of the Muse
4 Counterspell
4 Dismiss
3 Dissipate
4 Wall of Blossoms
3 Gaea's Blessing
2 Uktabi Orangutan
4 Wrath of God
3 Gerrard's Wisdom
1 Disenchant
2 Fireball


4 Reflecting Pool
3 Gemstone Mine
1 City of Brass
1 Wasteland
1 Quicksand
1 Undiscovered Paradise
1 Adarkar Wastes
2 Thalakos Lowlands
1 Flood Plain
1 Vec Townships
1 Svyelunite Temple
1 Plains
1 Forest
3 Islands


Okay, das ist nicht wirklich mein Deck des Jahres 1998 gewesen, sondern das eines gewissen Jeff Donais. Aber so ähnlich hat es ausgesehen, vermutlich mit weniger Ländern, denn die fand ich damals nicht so wichtig. Auf jeden Fall dabei war jedoch dieser Impulse und natürlich auch die unendlich gute Wall of Blossoms.


Beide Karten mochte ich aus einem ganz einfachen Grund ungemein: Sie verringerten die Varianz. Varianz ist ja zunächst einmal nichts Schlechtes, allerdings nur in bestimmten Maßen. Wo genau dieses Maß aufhört, ist für jeden ziemlich unterschiedlich, aber vermutlich hat keiner Spaß daran, kein Spiel zustande kommen zu lassen, weil man entweder viel zu wenige oder deutlich zu viele Länder zieht. Karten wie Impulse oder Wall of Blossoms verhindern genau das und liefern darüber hinaus noch viel mehr. Selbstverständlich nähert man sich bei dieser Qualität der Varianzminderung irgendwann dem Punkt an, wo die Karten wirklich zu stark sind und genau deshalb gibt es jetzt Anticipate und nicht Impulse sowie keine Wall of Blossoms, sondern folgenden Gesellen hier:


Wenn man Orator of Ojutai spielen möchte, stellt sich natürlich die Frage, wie viele Drachen man benötigt, um dies sinnvoll zu tun. Inmitten meiner Testspiele verfasste Frank Karsten eine sehr lesenswerte mathematische Abhandlung zu genau diesem Thema und kam zu einem Ergebnis, das sich problemlos mit „Orator of Ojutai sucks“ zusammenfassen ließe. „Ein bisschen spät, lieber Frank“, dachte ich mir und versuchte weiter unbeirrt, meinen Weg zu finden. Allerdings muss ich zugeben, rein mathematisch hat der gute Frank natürlich völlig Recht, auch wenn ich mir seine Gleichungen noch ein wenig mit zusätzlichen Variablen wie Scrylands oder Anticipate schönen könnte.


Spieltechnisch gibt es jedoch zumindest eine kleine Entschuldigung für den Orator: Zeitig spielen muss man ihn eigentlich nur im Kampf gegen aggressive Decks und dort ist er auch ohne das Kartenziehen mindestens okay. Gegen alle anderen Gegner kann man problemlos auf den Drachen warten und die Mauer dann einfach durchcyceln. Nicht sonderlich stark, aber wir sprechen ja hier auch von den ungünstigen Szenarien. Also diese 40% der Fälle, in denen wir Turn 2 mit Orator of Ojutai dasitzen und keinen unserer sechs Drachen halten. Das wiederum bedeutet, in immerhin 60% aller Fälle haben wir eine bessere Wall of Blossoms und ansonsten entweder einen ordentlichen Blocker oder halt eine Karte, die erst später zum Einsatz kommt. Selbstverständlich bietet gerade der letzte Fall immer die Möglichkeit, ein wenig zu spät Nutzen zu bringen. Zudem wollen wir lieber nicht davon anfangen, von einem getopdeckten Orator zu sprechen. Aber um das zu vermeiden, werden wir einfach viele Tempel spielen.

Kommen wir zum Wichtigsten: den Drachen. Im Standardformat gibt es aktuell beachtliche 44 Stück. Wenn wir davon ausgehen, dass wir Weiß und Blau spielen wollen, um Anticipate und Orator of Ojutai zu supporten, und weiterhin maximal eine weitere Farbe mit ins Deck aufnehmen, reduziert sich die Liste auf folgende, realistisch betrachtet spielbare Drachen:

Vermutlich können wir direkt noch ein paar weitere eliminieren. Sunscorch Regent würde ich vermutlich nie über Dragonlord Ojutai beziehungsweise Icefall Regent wählen. Für Hoarding Dragon gilt Ähnliches, nur dass hier noch Stormbreath Dragon als unschlagbare Konkurrenz hinzukommt und Dromoka ist zwar wirklich gut, allerdings sehe ich mich nicht Grün dafür splashen, zumal die Farbe ansonsten kaum etwas für ein passendes Deck bereithalten dürfte.

Ansonsten fällt auf, dass mit einer Ausnahme alle aufgelisteten Drachen fünf oder sechs Mana kosten, was die von Frank Karsten geforderten zehn Exemplare natürlich völlig illusorisch erscheinen lässt. Auf der anderen Seite hebt es den Wert von Thunderbreak Regent ungemein, da er quasi die einzige Möglichkeit darstellt, auf einen annähernden Wert zu kommen, ohne die Manakurve völlig aufzugeben. Wählt man den roten Weg, verbaut man sich allerdings ein wenig die starken Silumgars, die dann auch noch mit folgender Karte einhergingen:


Offensichtlich ist Crux of Fate in einem kontrollorientierten Drachendeck die absolute Bombe, weil man das ganze Gemüse abräumen kann und die edlen Drachen zurückbehält. Allerdings kostet auch diese Wrath-Variante geschmeidige fünf Mana, was einen Manakurvenklumpen in diesem Bereich zur Folge hätte, den man nur aufdröseln kann, indem man weniger Drachen spielt, was wiederum Orator of Ojutai endgültig unspielbar macht. Eine solche Version hat der Meister aller Esper-Decks Shaheen Soorani am Wochenende mit nach Richmond gebracht …

Shaheen Sooranis Esper-Control

3 Anticipate
4 Dig Through Time
4 Dissolve
4 Hero's Downfall
4 Silumgar's Scorn
3 Ultimate Price
2 Utter End
3 Narset Transcendent
3 Crux of Fate

4 Island
2 Swamp
1 Caves of Koilos
4 Polluted Delta
2 Radiant Fountain
4 Temple of Deceit
4 Temple of Enlightenment
4 Temple of Silence
1 Urborg, Tomb of Yawgmoth


2 Dragonlord Ojutai
2 Silumgar, the Drifting Death

Sideboard:

1 Pearl Lake Ancient
1 Stratus Dancer
4 Encase in Ice
1 Virulent Plague
2 Negate
1 Ojutai's Command
1 Dragonlord Silumgar
4 Drown in Sorrow


Wir hingegen spielen Jeskai, ganz einfach aus Mangel an Alternativen und zwar mit folgender Drachenverteilung:

Das sind jetzt neun Drachen, was selbst nach Karsten'schen Maßstäben schon ziemlich ordentlich ist und uns auch noch eine dritte Karte aus dem 1998er-Deck in entschärfter Fassung spielen lässt:


Gegenüber dem Orator hat diese Karte den riesengroßen Vorteil, zu Beginn des Spiels auch ohne Drachen sehr, sehr stark zu sein, da man fast immer auch für Force Spike ein Ziel findet.

Die Kombination aus Kontrolle, fetten Drachen und 0/4-Mauer ist zudem wie gemacht für eine weitere Karte, die im aktuellen Metagame zumindest einige Decks völlig kaputt macht – Anger of the Gods! Anger ist nicht nur gegen die wirklich aggressiven Vertreter als billiger Wrath of God Weltklasse, sondern auch im Kampf mit den meisten der diversen grünen Decks, egal ob Sultai-Reanimator oder GW-Devotion. Leider sinkt der Wert rapide, wenn der Gegner verstärkt Siege Rhino, Drachen oder gar keine Kreaturen spielt, deshalb gibt es hiervon nur drei Exemplare. Die fühlen sich eh an wie fünf, weil man zwischen Orator, Anticipate und Dig Through Time nahezu immer eins findet. Genau das Gegenstück bildet Valorous Stance. Zwingend benötigte Antwort auf fette Einzelbedrohungen mit alternativer Anwendung, einen Nicht-Stormbreath-Dragon vor der drohenden Vernichtung zu beschützen.

Apropos Stormbreath Dragon. Insbesondere im Zusammenspiel mit Thunderbreak Regent kann er urplötzlich in die Offensive wechseln. Dabei hilft so eine Gratismauer natürlich ungemein. Dieses Umschaltspiel kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, ermöglicht es nicht bloß beachtlichen Druck in Spiel 1, sondern sehr potente Sideboardmöglichkeiten für Spiel 2, etwa Goblin Rabblemaster. Jetzt mal ehrlich, würdet ihr die billigen Antworten auf kleine Kreaturen im Deck lassen, wenn ihr gerade ausschließlich Drachen gesehen habt? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Fakt ist, unbeantwortet ist Goblin Rabblemaster vermutlich in den Top 3 der stärksten Kreaturen des Formats und kann als solche manches Spiel im Alleingang gewinnen. Selbst im schlimmsten Fall, dass der Gegner sein an sich schlechtes Removal drin gelassen hat, muss er es auch immer noch ziehen. Beziehungsweise müssen wir den Rabblemaster auf den Tisch bringen, denn sonst schauen seine Wild Slash/Bile Blight ziemlich dumm den einen oder anderen Drachen an.

Wie gesagt, das klappt besonders dadurch gut, dass die roten Drachen selbst durchaus als Bedrohung gelten können.


4 Temple of Epiphany
4 Mystic Monastery
4 Temple of Enlightenment
4 Flooded Strand
4 Shivan Reef
3 Island
1 Plains

3 Wild Slash
3 Anger of the Gods
3 Valorous Stance
4 Anticipate
4 Dig Through Time
4 Silumgar's Scorn


2 Pristine Skywise
4 Thunderbreak Regent
2 Dragonlord Ojutai
4 Orator of Ojutai
3 Stormbreath Dragon

Sideboard:

1 Wild Slash
2 Erase
1 Ojutai Exemplars
2 Negate
1 Anger of the Gods
4 Goblin Rabblemaster
1 Arc Lightning
3 Disdainful Stroke


24 Länder sind sicherlich auf der gierigen Seite, da man ja durchaus auf fünf, sechs Mana kommen will und auch gegen mehr nicht wirklich etwas einzuwenden hat. Aber manche Sachen haben sich auch seit 1998 nicht geändert …

Entsprechend müsste man vermutlich einen Pristine Skywise gegen ein Land eintauschen, als Kompromiss könnte das Haven of the Spirit Dragon sein. Das Deck in seiner jetzigen Form ist farbtechnisch durchaus anspruchsvoll, so mit in Zug 2, in Zug 3 und immer auch noch einem , sodass ich eigentlich nicht gerade begeistert von Ländern bin, die dabei nicht weiterhelfen. Aber eins ist bekanntlich keins und somit zumindest den Versuch wert. Die anderen Sideboardkarten dürften hingegen selbsterklärend sein, vielleicht mit Ausnahme von Ojutai Exemplars. Diese sind einfach eine gute Karte mit verschiedenen Anwendungsgebieten gegen diverse Decks.

Das Deck spielt sich wirklich gut. Die Anzahl an Drachen ist nach meinem Gefühl hoch genug, um sowohl Counterspell (Silumgar's Scorn) als auch Wall of Blossoms (Orator of Ojutai) zu rechtfertigen. Diese wiederum helfen einem hoffentlich, unbeschadet durch die ersten Züge zu kommen, und danach gibt es Drachen, Drachen, Drachen.

Einer hat mir dabei übrigens besonders gefallen, nämlich Dragonlord Ojutai. Den legt man erst einmal hin und schaut, was dem Gegner so einfällt. Im Normalfall ist das nicht viel. Dann kann man – je nach Gesamtsituation – diesen Status beibehalten oder gierig angreifen. Diese Entscheidungsmöglichkeit ist dabei das Glanzstück, da man ja nicht gezwungen wird, den Drachenlord herumzudrehen. Falls man aber jemals mit dem Gegner in Berührung kommt, gibt es das Anticipate gratis … und nach all der Lobhudelei auf die Karte, könnt ihr euch bestimmt vorstellen, wie gut sich das anfühlt! Leider sind inzwischen auch schon zwei, drei andere Spieler darauf gekommen, sodass es schwer sein dürfte, noch gut an einen Dragonlord Ojutai zu kommen. Wenn ihr die Möglichkeit seht, schlagt aber unbedingt zu! Nicht nur für dieses Deck, welches sich übrigens wirklich sehr wacker schlägt, sondern für die kommenden fast zwei Jahre.

So, damit haben wir „A – Part II“ erledigt. Mal sehen, wie es mit dem Alphabet so weitergeht …

Frohe Ostern
Der MiDi
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