Eternal
Modern Talking – Auf ein Neues!
von Nico Bohny
10.02.2014

Es war einmal vor langer, langer Zeit, als sich Vulpine Goliath und Kezzerdrix noch gute Nacht wünschten und begabte Tüftler und Erfinder die Welt mit ihren amüsanten, erquickenden Deckideen rund um Karten wie Runed Halo und Story Circle unterhielten, dass plötzlich, aus unerklärlichen Gründen, die friedliche Harmonie ein jähes Ende fand und irgendein Depp auf die Idee kam, Bitterblossom zu entbannen.

Und da sind wir nun, an einem Punkt, nennen wir ihn mal Postmoderne, an dem vom einen auf den anderen Tag kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Um nicht lange um den heißen Brei zu reden, sondern gleich mal harte Fakten nachzuliefern:

Modern Bannings – February 3, 2014:

Deathrite Shaman is banned, Wild Nacatl is unbanned, Bitterblossom is unbanned.

Und das Ganze drei Wochen vor der Pro Tour im Modern – was man da in meinem stolzen Alter noch alles mitmachen muss. Doch eins nach dem anderen. Beginnen wir ganz vorne bei der Liste …


Deathrite Shaman

Viele hellseherisch begabte Zungen haben die Verbannung des Schamanen schon vor ein paar Wochen prophezeit und tatsächlich scheint es mir eine sinnvolle, nachvollziehbare Sache. Deathrite Shaman war zwar an sich nicht komplett unfair und an zu frühen Kills beteiligt wie andere Karten, die es verdient auf die Banned-Liste geschafft haben, außerdem mischte er auch nicht in etlichen Tier-1-Decks mit. Aber, wie Wizards auch argumentierten, war die Karte schlicht zu stark und zu vielseitig verwendbar. Gute Beschleunigung ist eines, aber dazu noch Grabräuber, Lebensspender und Raufbold in einem ist dann schon zu viel des Guten für ein nicht mal reinrassiges Mana.


Aber was passiert nun? Der erste, bisher meist gehörte Schluss war: Recycling übernimmt die Weltherrschaft, in gutem Deutsch: den Friedhof verwertende Decks werden besser. Das halte ich für einen Trugschluss. Living End beispielsweise ist ein den Friedhof sehr stark nutzenden Deck und hatte ein prima Jund-Matchup, Schamane hin oder her. Dadurch, dass der Schamane verbannt wird, wird auch Jund weniger gespielt, was zur Folge hat, dass Living End ein sehr gutes Matchup verliert und im Schnitt mehr gegen andere Decks ranmuss. Außerdem werden sich die Leute darauf vorbereiten, gegen Graveyarddecks spielen zu müssen und viel härteren Graveyardhate auspacken, als es der Schamane je war.

Was wird also in meinen auch nicht allwissenden, aber altklugen Augen passieren? Ziemlich einfacher erster Schritt: Die meisten Decks werden den Schamanen mit anderen Manadorks ersetzen und Jund, für welches der Schamane die wichtigste Taschenmesserfunktion übernommen hatte, wird weniger gespielt. Ich lehne mich nicht so weit aus dem Fenster, um zu sagen, es wäre tot, denn das wäre dann doch etwas voreilig, aber es wird sich in seiner Häufigkeit sicher mindestens halbieren. Davon profitieren mehrere Decks, denn Jund beinhaltet bekanntlich auch mehrere Rollenspieler als nur den Schamanen: Liliana of the Veil, Dark Confidant, zu einem gewissen Grad Handdisruption, Abrupt Decay und sogar ein wenig Scavenging Ooze. Alles Problemkarten für verschiedene Decks. Werden es auch bleiben, nur eben nicht in der gleichen Häufigkeit anzutreffen sein. Im Endeffekt profitieren davon sämtliche Decks, die ein eher maues Matchup gegen Jund hatten, also diejenigen, die man in letzter Zeit kaum noch gesehen hat, weil Jund immer mehr zu einem der Decks to beat wurde und weil niemand, der sich gut auf ein Turnier vorbereitet hatte, das Haus ohne einen Plan gegen Jund verließ.

Der Wegfall des schwarzen Teils des Jund-Decks wird sicherlich von Kombodecks am meisten begrüßt. Diese sind zwar durch die früheren Bannings schon ordentlich kastriert, können aber dennoch ihren Plan gut durchziehen. Storm, Scapeshift, Splinter Twin, Infect, Goryo's Vengeance und vielleicht sogar kuriose Sachen wie Open the Vaults werden besser respektive überhaupt erst spielbar. Tron, Birthing Pod, Living End verlieren ein eher gutes Matchup, können sich allerdings damit darüber hinwegtrösten, dass die entbannten Karten und die so entstehenden Decks nicht wahnsinnig schlimm für sie sind. Außer vielleicht ein schnelles Zoo-Deck für Tron.

Wer als Einzelkarte übrigens auch wieder vermehrt auf der Bildfläche erscheinen könnte, sind Kitchen Finks. Haben nun wieder effektives Persist und freuen sich an neuen Spielkameraden wie Wild Nacatl und Bitterblossom. Finken wird man im Jund-Deck vielleicht wieder vermehrt haben wollen, möglicherweise auch, um den Lifeloss der eventuell neu darin gespielten Bitterblossom zu kompensieren. Und wo wir gerade bei Jund sind: Ich nehme an, die neue Version des Decks wird die Schamanen nicht mit Manavögeln ersetzen wollen, sondern wie erwähnt vielleicht eher mit einem weiteren Land, einigen Bitterblossoms und Finks, und dafür den Wegfall sämtlicher 4-Drops in Kauf nehmen. Die waren in meinen Augen ohnehin nie wirklich gut in dem Deck. Das wird zwar um einiges weniger unfair sein, aber dennoch stark genug, um mit den meisten Decks auf Augenhöhe zu bleiben.


Wild Nacatl


Über die Reintegration eines fast ausgestorbenen Tieres zurück in die Mutter Natur freut man sich seit jeher. Nicht anders bei dieser Katzendame, welche zwar komischerweise Brüste statt Zitzen mit sich herumträgt, sich damit aber wohl mehr Freunde als Skeptiker macht. Auch über die Reintegration in die Welt der Postmoderne freut man sich und möchte natürlich gleich wieder auf alte, heißgeliebte Decks zurückgreifen. Wild Nacatl wird das Format verändern, zumindest kurzfristig. Ob Nacatl-Decks an die Spitze der Tier-1-Pyramide zurückklettern, bleibt offen. Was aber klar ist: Lightning Bolt bleibt wohl auch weiterhin die beste Karte des Formats und die Manakurve des eigenen Decks sollte, Tron mal ausgeschlossen, eher tief bleiben. Doch nun noch konkret zu Nacatl-Decks: Als Erstes gab es da das uralte Zoo, mit tollen Karten aus allen Farben, also Dark Confidant, Tidehollow Sculler, Steppe Lynx, Kird Ape und so weiter. Dann kam bald die Zeit, in welcher sich die Zoo-Decks in zwei Richtungen entwickelten – das eher langsamere Naya-Deck, das, welch Überraschung, ein gutes Zoo-Matchup mit sich brachte, und das aggressive, welches in etwa alle gut spielbaren 1-Drops mit ein wenig Burn verzierte und somit das wohl schnellste Tierchendeck des Formats wurde, bis später Affinity übernahm. Kurz vor den Bannings hatte schließlich ChannelFireball für die Worlds in San Francisco noch eine neue Version des Decks auf den Markt gebracht, mit einigem an Turn-1-Power, kombiniert mit Geist of Saint Traft und Snapcaster Mage – ebenfalls sehr stark.


Eigentlich ist nun auch im Vorhinein klar, dass es durch Wild Nacatl keine neuen Decks geben wird – die Dreifarbigkeit, die quasi auf der Karte steht und die Aggressivität reden eine klare Sprache. Was man sich höchstens denken könnte, wäre ein Splash für Nacatl in einem anderen bestehenden Deck wie zum Beispiel Burn, welches ohnehin oft Weiß für Boros Charm mitnimmt. Ob es hier der beste Plan ist, mehr Ziele für Lightning Bolt ins Deck zu nehmen, bleibt diskutabel. Vielleicht ergibt sich ja sogar wieder ein Dark Naya, wo Nacatl quasi ins Jund gesplasht wird. Man kann nie wissen. Schlussendlich ist mit den Fetchländern ja eh fast alles möglich, und wer sich über einen 3/3er für ein Mana freut, wird ihn irgendwie via Fetchpower auch integrieren können – Voraussetzung ist eine grüne Basis des Decks, den Rest kann man sich zusammenfetchen. Wenn ich mich richtig erinnnere, wurde früher Nacatl so einmal ins Bant gesplasht.

Um noch einen etwas weiteren Bogen zu schlagen: Was wird denn besser, wenn Nacatl wieder da ist? Jegliche Decks mit Lightning Bolt (also ohnehin fast alle), Lightning Helix, Kitchen Finks sowie frühen Abwehrmechanismen. Auch Spellskite zählt dazu, Wall of Roots, Wall of Omens und so weiter. Auf der Verliererseite tummeln sich tendenziell langsamere Decks, welche Mühe mit schnellen Kreaturen haben. Aber wegen Splinter Twin, Affinity, Dark Confidant und bislang Deathrite Shaman ist günstiges Removal ja ohnehin beiebt, daher wird sich nicht allzu viel ändern.


Bitterblossom

Viel Gutes vermag ich über die Karte nicht zu sagen. In erster Linie hat sie damals etwa jedes meiner Kontrolldecks im Alleingang besiegt. Was nicht bedeutet, dass meine Decks schlecht waren, ganz im Gegenteil, ich hatte damit ein positives Matchup gegen quasi alles außer Bitterblossom. Schön, dass diese Zeiten nun wieder anbrechen.


Nun ja, einen Lichtstreifen am Horizont einer neuen Bitterblossom-Ära sehe ich – damit könnte tatsächlich mein altes, geliebtes BW-Tokendeck wieder spielbar werden. Für andere hingegen muss sich das Unbanning der Blüte ja direkt wie die Rückkehr des verlorenen Sohnes anfühlen – ich sehe Matthias Künzler schon seinen Beruf kündigen, um sich die nächsten Monaten mit den süßen, kleinen Feenwesen zu vergnügen.

Neben meiner emotionalen Abneigung der Karte gegenüber ist an ihrer Rückkehr jedoch herzlich wenig auszusetzen. Bitterblossom war damals so unendlich gut, weil sie so gut mit den ganzen Feenkarten synergierte. Im Vakuum ist die Karte nicht unfair stark. Gegen die schnelleren Deck ist sie oft nur eine Maschine, um für Lifeloss Chumpblocker zu generieren, und gegen die eher midrangeorientierten Deck macht sie möglicherweise einfach zu wenig innerhalb kurzer Zeit. Klar, gegen „echte“ Kontrolldecks ist die Karte phänomenal, aber echte Kontrolldecks haben ohnehin einen harten Stand im Modern, da es so viele Problemstellungen gibt, für welche man sofort einen Lösungsansatz benötigt, dass man schon ein richtiger Glückspilz sein muss, um immer die richtige Antwort bereit zu haben. Da sollte man lieber zu „Wer wird Millionär“ gehen, da zahlt sich das besser aus.

Aber nehmen wir die Karte doch einmal aus dem Vakuum heraus. Synergien bieten in meinen Augen immer noch dieselben Decks wie früher – Faeries und BW-Tokens. In diesen Decks sollte die Karte auf gar keinen Fall fehlen. Die Frage stellt sich natürlich, ob diese Decks immer noch ebenso stark sind wie anno dazumals, und ich persönlich würde zu einem Nein tendieren. Das Format ist schon einiges schneller und enthält durchaus maindeckbare Antworten. Im Feendeck war die Blüte so zentral, dass die Spiele ohne schon richtig haarig werden konnten. Ich bin echt noch skeptisch, ob das Unbanning von Bitterblossom tatsächlich ähnliches Veränderungspotenzial fürs Format birgt, wie der Nacatl, aber es kann natürlich schon gut sein.

Um doch noch einmal zum Vakuum zurückzukommen: Gegen gewisse Decks wird die Blüte vielleicht auch als Sideboardoption stark genug sein. Gegen Affinity ist sie ähnlich stark wie Lingering Souls und gegen Twin möglicherweise auch. Vielleicht ist der Platz dieser schmucken Karte vorläufig wirklich auf der Ersatzbank zu finden, um sich für den großen Einsatz erst aufzuwärmen.


Alles in allem gefallen mir die Un-/Bannings. Es wird einiges zu testen geben für die nächste Tour, aber ich finde es total spannend, was sich daraus ergibt und zu welchen Schlüssen die anderen Teams kommen. Für interessante Erleuchtungen im Forum bin ich natürlich dankbar und hoffe, ich liege mit meinen Einschätzungen nicht völlig falsch.
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