Standard
Radetzkymarsch
von Michael Diezel
31.01.2013

Nachdem schon während des Prereleases nicht sonderlich viel geblockt wurde – niemand blockt Gruul, kein Boros-Spieler blockt und so weiter –, erwarte ich auch für die nächsten Wochen im Standardformat ein ordentliches Gemetzel. Die anscheinend besten Gatecrash-Karten (abgesehen von den Ländern) befinden sich nahezu vollständig im Bereich der offensiven Zauber und Kreaturen und so wird das Standardformat wohl gehörig an Geschwindigkeit aufnehmen.

Bei jeder neuen Edition schaue ich mir zuerst die Planeswalker an. Sie sind nicht nur ein sehr spannender Kartentyp, sondern – wie wir spätestens mit Jace, dem alten Mind Sculptor gelernt haben – auch immer potenziell broken. In letzter Zeit haben mir die neuen Weltenwanderer ausgesprochen gut gefallen. Fast ausnahmslos gehörten sie zur Kategorie „gut und interessant“, aber nicht zum jacigen „bescheuert“.


Die beiden Gatecrash-Planeswalker fallen ebenfalls in diese Gruppe. Domri Rade etwa wird gleich in zweierlei Hinsicht in seiner Spielbarkeit eingeschränkt: durch die Zweifarbigkeit der Kosten und im gesamten Deckdesign durch die offensichtliche Affinität zu Kreaturen. Gideon, Champion of Justice auf der anderen Seite musste ich mir mehrfach durchlesen, bis sich der Sinn erschloss. So hundertprozentig ist mir das immer noch nicht gelungen, weswegen wir ihn für den Moment zurückstellen wollen und stattdessen beim ollen Rade bleiben.

Schauen wir uns den Knaben zunächst noch einmal in seiner vollen Pracht an:


Gute Frisur.

Wie man unschwer erkennen kann, steht der Typ auf Kreaturen und zwar möglichst solche, die gut kämpfen. Alle drei Fähigkeiten profitieren mehr oder weniger direkt davon, viele dieser Monster im Deck zu haben.

Die erste Fähigkeit schaut dabei lediglich auf die Quantität. Eine höhere Anzahl erhöht logischerweise auch die Trefferwahrscheinlichkeit. Kennen wir schon, zum Beispiel von der Fliege des Grauens, Delver of Secrets, auch wenn diese gerade keine Kreaturen sehen wollte. Ein weiterer Punkt, den sich Domri dabei mit dem Delver teilt, ist die so ins Spiel gebrachte Varianz. Selbst wenn wir optimistisch von 30 Kreaturen auf 60 Karten ausgehen und somit statistisch ziemlich genau mit jeder zweiten Aktivierung eine Zusatzkarte erwirtschaften, fällt sehr schnell auf, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, auf welcher Seite der Wahrscheinlichkeit man im konkreten Fall gerade unterwegs ist. Zwischen null und zwei Bonuskreaturen bei einer doppelten Aktivierung liegt nicht selten auch die Entscheidung zwischen Sieg und Niederlage – vergleichbar mit dem berüchtigten Turn-2-Delver-Flip. Dadurch wird Domri Rade keine schlechtere Karte, ausgenommen die Momente, in denen er eben nicht das macht, wofür er eingehüllt wurde …

Die zweite und dritte Fähigkeit wiederum sehen am liebsten kampfstarke Kreaturen auf dem Tisch, ein Fakt, dem wir bei der Auswahl der zahlreichen Männer Rechnung tragen werden. Insbesondere die Fight-Ability soll beachtet werden, da sie doch deutlich öfter zum Einsatz kommen wird als das Ultimate. Kämpfende Kreaturen, da war doch was … Richtig – vor nicht allzu langer Zeit hatte ich euch ein monogrünes Budget-Deck ans Herz gelegt:


23 Forest

4 Arbor Elf
4 Strangleroot Geist
2 Deadbridge Goliath
4 Predator Ooze
4 Ulvenwald Tracker
4 Wolfir Avenger
3 Wolfir Silverheart
2 Yeva, Nature's Herald
2 Scorned Villager
(Moonscarred Werewolf)


4 Rancor
2 Ranger's Guile
2 Prey Upon

Sideboard:

1 Ranger's Guile
1 Prey Upon
3 Triumph of Ferocity
2 Plummet
3 Ground Seal
4 Bramblecrush
1 Pithing Needle


Gleichzeitig kämpft sich Brian Kibler derzeit recht erfolgreich mit einer grün-schwarzen Version durch diverse Dailys, was andeutet, welches Potenzial in Ooze und Co. steckt. Die Basis des Decks harmoniert dabei wunderbar mit Domri und das gleich in vielerlei Hinsicht:

1)

Dank Arbor Elf kann der Planeswalker theoretisch schon ab Zug 2 mitmachen, was – besonders on the play – für einige Decks ein beachtliches Problem darstellt.

2)

Predator Ooze ist vermutlich der beste „Fighter“ überhaupt.

3)

Mit Ulvenwald Tracker kann man die Konzentration auf diese Form der Kreaturenentfernung noch weiter ausbauen – und das ganz ohne wertvolle Spell-Slots zu verschwenden (da man ja eine möglichst hohe Anzahl Kreaturen spielen will).

Die beim letzten Punkt angedeutete Form des Übernehmens der Aufgaben von Sprüchen durch Kreaturen funktioniert übrigens auch ganz hervorragend mit der neuen Bloodrushfähigkeit der passenden Gruul-Gilde. Posterboy dürfte hierbei Ghor-Clan Rampager sein, der ganz einfach sowohl als Mann wie auch als Riesenwuchs die besten Power/Kosten-Verhältnisse aufweist. Trample als zusätzlicher Bonus ist auch nicht zu verachten, schließlich wachsen Ooze und Kollegen gern mal in beeindruckende Dimensionen und dann möchte man nur ungern gewaltige Schadensbereiche an einen sich heldenmutig in den Weg stellenden Random-DeppTM verlieren.


Inwiefern man jetzt noch weitere gruulige Gestalten integriert, liegt zum einen an der angenommenen Aggressivität des Decks und zum anderen an den Bloodrush-Kreaturen selbst. Mein Problem mit ihnen ist, dass ich sie in ihrer Kreaturengestalt ziemlich furchtbar finde. Die potenziellen Pumpeffekte sind zwar alle wunderbar, aber dann doch zumindest ein wenig dadurch eingeschränkt, dass sie eben ausschließlich während des Angriffs funktionieren. Letzteres kombiniert mit meiner Annahme, dass die nächsten Wochen von Boros-Charm-Decks dominiert werden – die wiederum nicht unbedingt für ihren abwartenden Gameplan berühmt sind – führt dazu, dass ich aktuell keine weiteren dieser Kreaturen im Deck habe.

Stattdessen gibt es ein Wiedersehen mit diesem Knaben:


Ich gebe zu, der ist nicht unbedingt die erste Karte, die in den Sinn kommt, wenn ich ein offensives Deck bauen möchte. Trotzdem denke ich, dass er hervorragend in unser Konzept passt. Zunächst verteilt er solide Stats auf zwei Körper. Des Weiteren arbeitet seine Werwolffähigkeit zwar nicht gerade perfekt mit den 30 Kreaturen des Decks zusammenn (die bekanntlich nur in Ausnahmefällen im gegnerischen Zug gespielt werden können), aber ein paar Ausnahmen (Wolfir Avenger oder Bloodrush) gibt es eben doch. Hauptargument ist aber erneut die vermutete Aggressivität der Decks der kommenden Wochen. In einem Damagerace gibt es halt kaum eine bessere Karte als den Huntmaster. Übrigens, selbst falls ich mich bei meinen Prognosen verschätzen sollte, kann man immer noch argumentieren, dass ein Deck um Karten wie Predator Ooze, Strangleroot Geist und Domri Rade gegen langsame Decks sowieso gut aussieht.

Okay, ich zeige euch erst einmal meine fertige Liste, bevor ich auf ein paar spannendere Details eingehe:


10 Forest
1 Kessig Wolf Run
4 Stomping Ground
4 Rootbound Crag
4 Gruul Guildgate

4 Arbor Elf
4 Strangleroot Geist
4 Predator Ooze
4 Ulvenwald Tracker
4 Ghor-Clan Rampager
4 Huntmaster of the Fells
2 Wolfir Silverheart


4 Rancor
4 Domri Rade
3 Searing Spear

Sideboard:

2 Garruk, Primal Hunter
4 Bonfire of the Damned
1 Silklash Spider
4 Mwonvuli Beast Tracker
2 Garruk Relentless
2 Acidic Slime



Die Manabasis

Predator Ooze hat neben all seinen unbestrittenen Vorteilen auch leider einen wichtigen Nachteil: oben rechts. Das bedeutet selbst in der heutigen Zeit gewisse Einschränkungen in der farblichen Entfaltung. Möchte man den Schlamm obendrein möglichst schon im zweiten Zug auf den Tisch bringen (und das will man), braucht es eine stattliche Anzahl an Wäldern der einen oder anderen Form. Das wiederum lässt sich nur bewerkstelligen, indem man Grün als eindeutige Hauptfarbe festlegt und sich zudem auf eine zweite Farbe beschränkt. Selbst so klappt das nur, wenn man das Playset des passenden Guildgates spielt – nicht unbedingt ein gutes Zeichen.


Doch man möchte eben unbedingt erreichen, dass fast alle Länder grünes Mana produzieren. Dieses Argument beschränkt auch die Anzahl von Kessig Wolf Run auf ein einsames Exemplar. Selbst dieses bereitet mir immer wieder Bauchschmerzen, darf aber noch mitspielen, da sein Effekt wirklich unheimlich gut ist und perfekt mit dem Deck harmoniert.


Die billigen Kreaturen

16 billige Kreaturen ist sehr wenig für ein Deck, was doch eigentlich angreifen möchte. Leider habe ich einfach keine weitere gefunden, die mich auch nur ansatzweise überzeugen konnte. Wolfir Avenger kam dem Ganzen noch am nächsten, allerdings gibt es für drei Mana bereits Domri Rade und somit eigentlich genug Karten. Hinzu kommt, dass der Avenger zwar immer solide ist, aber selten wirklich beeindruckend. Vermutlich muss er trotzdem irgendwie ins Deck, momentan bin ich aber einfach zu gierig und bleibe bei den etwas teureren – und dafür deutlich beeindruckenderen – Männern.


Die typischen Kandidaten, die sonst gern in Gruul-Listen auftauchen (Experiment One, Flinthoof Boar) sind leider aus nachvollziehbaren Gründen nur bedingt für diese spezielle Variante geeignet.


Die teuren Kreaturen

Einzig über Meister Silberherz habe ich mich noch nicht ausgelassen. Seine Funktion liegt offensichtlich einfach in der rohen Gewalt. So einen Mann fürs Grobe braucht man erstaunlich oft, sei es um ein Damagerace zu gewinnen oder einfach nur einen würdigen Kämpfer für den einen oder anderen Fight zu schaffen. Dazu kommt, dass unsere Männer zwar größtenteils sehr beständig sind, aber von sich aus kaum fest zuschlagen.


Searing Spear


Lange, lange Zeit habe ich versucht, mit lediglich viermal Rade und viermal Rancor auszukommen. Leider kostete mich das immer wieder Spiele, zum Beispiel gegen Frontline Medic, Izzet Staticaster oder Silverblade Paladin. Da der Speer nie komplett schlecht ist (zur Not geht er schließlich immer ins gegnerische Gesicht), erhält er den Vorzug vor den Alternativen. Und, wenn wir ehrlich sind, fällt der Unterschied zwischen 26 und 29 Kreaturen bei Domri jetzt auch nicht so ins Gewicht.


Das Sideboard

Neben offensichtlich benötigtem Massremoval in Form von Bonfire of the Damned und den beiden Garruks, die grundverschiedene Gegner angehen, habe ich hier noch ein kleines Schmankerl versteckt, das leider zu schlecht fürs Maindeck ist:


Die Bestienfängerin ist Domris Lieblingsspielgefährtin und kann mit diesem eine nette Tutorengine für die ebenfalls im Sideboard wartenden Acidic Slime und Silklash Spider anwerfen, die einige der größten Probleme des Decks angehen.

Vermutlich ist das aber zu schlecht und stattdessen muss der wertvolle Sideboardplatz an effektivere Karten vergeben werden. Solange man aber noch nicht wirklich sagen kann, was die Gegner so vorhaben, spricht nichts gegen diese überaus flexible Variante.


Was ist gut, was ist schlecht?

Gut sind auf jeden Fall die „guten“ Draws – deswegen heißen die vermutlich auch so. Im Ernst. Jede Form von Turn-2-Rade oder -Ooze ist für zahlreiche Decks kaum zu besiegen und auch ansonsten funktioniert das Deck prima, wenn man halbwegs die Manakurve trifft. Diese Einschränkung ist jedoch nicht ganz ohne. So spielt man lediglich zwölf Kreaturen für weniger als drei Mana und da jede Hand ohne eine solche – zumindest on the draw – ein sehr wahrscheinlicher Mulligan ist, ist das sehr optimistisch. Wie bereits angedeutet habe ich viel ausprobiert, um hier Abhilfe zu schaffen, aber irgendwie erwies sich jeder Versuch in der Praxis als Gurke.

Domri Rade selbst schwankt extrem in seiner Performance. Ist man vorn beziehungsweise zumindest nicht im Hintertreffen, kann er Spiele im Alleingang gewinnen. Selbst wenn man nur knapp zurückliegt, kann man ihn mithilfe seiner zweiten Fähigkeit (das erinnert dann ziemlich an Liliana of the Veil) oft gewinnbringend einsetzen. Macht der Gegner jedoch richtig Druck, ist er auch mal zu langsam. Hinzu kommt die anfangs angedeutete Varianz. Mein Rekord im erfolglosen Benutzen von Rade liegt bei sieben (!) Mal +1 am Stück.

Ansonsten treten Probleme meist dann auf, wenn der Gegner Männer hinlegt, die ein Spiel im Alleingang dominieren und für die man nicht das passende Removal findet. Izzet Staticaster etwa ist solch ein Kandidat, aber auch ein profaner Flieger mit guten Werten – nennen wir ihn beispielhaft Thundermaw Hellkite – kann direkt tödlich sein. An der Stelle fehlt der Farbkombination einfach das solide Removal, was flexibel (und idealerweise spontan) alle derart auftretenden Probleme gleichermaßen beseitigt.

Als Letztes möchte ich noch ansprechen, dass man zusätzlich davon profitiert, dass noch sehr viele Spieler nicht auf das vorbereitet sind, was wir so abliefern. Das betrifft sowohl die Antworten auf Predator Ooze (die in sehr vielen Decks quasi nicht vorhanden sind) als auch die Selbstverständlichkeit, mit der man das Bloodrush von Ghor-Clan Rampager optimal einsetzen kann. Gerade Letzteres wird wohl nicht mehr lange funktionieren, da der Kollege so gut ist, dass man ihn in den nächsten Wochen und Monaten häufiger abbekommen wird.

Somit haben wir also ein sehr ordentliches Deck gebaut, dass Domri Rade nahezu perfekt ausnutzt. Trotzdem gibt es noch viele Baustellen, die wir uns beim nächsten Mal ansehen werden. Lösen können wir die Probleme vermutlich nur, wenn wir eine weitere Farbe integrieren, was wiederum das Ende für den Schlamm bedeutet. Dreifarbiges Domri Rade also, vermutlich mit Weiß, da man so Extranutzen aus Avacyn's Pilgrim zieht – und den möchte ich auf jeden Fall ausprobieren, da ein Domri im zweiten Zug definitiv besser ist.

Seid also gespannt. Bis dahin viel Freude bei den ersten Drafts mit Gatecrash!

Der MiDi
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