Casual
Casualthies: Bye Bye Birdie
von Torben Thies
18.09.2012

Hallo! Ich mal wieder.

Heute bewegen wir uns durch die bunte Welt der Ornithologie. Der Anlass hierfür ist die anstehende Migration meiner Freundin, die die nächsten acht Monate in Spanien überwintern wird. Magic-technisch kommt dieser Umzug zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Im letzten Jahr nahm ihre Begeisterung für das Spiel nämlich kontinuierlich zu. Wir bewegten uns von unserer von mir liebevoll gestalteten, aber abgeschotteten Zweispielerbiosphäre in die Gefilde meiner Casualgruppe, in der sie schon nach kurzer Zeit ein häufig und gern gesehenes Gesicht geworden ist. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Evolution erreichte sie dann am Samstag: Bei der Magic Celebration (die übrigens ein großartiges Event für Neulinge ist) füllte sie den Bogen für ihre eigene DCI-Nummer aus und ist jetzt offiziell registrierter Nerd. Besonders stolz macht mich diese Entwicklung, weil sie ohne Druck von außen zustandegekommen ist. Natürlich freue ich mich, dass ihr mein Hobby so viel Spaß macht, aber ich würde ihr niemals vorschreiben, wie viel Zeit und Energie sie dort hineinstecken soll. Für manche ist Magic eben ein Lifestyle und für andere ein kurzweiliges Spiel wie Mensch ärgere dich nicht.

Zu einem vollständigen Halt kommt es wohl aber erfreulicherweise nicht. Sabrina (so heißt die im obigen Absatz noch Namenlose) hat sich bereits nach Fachgeschäften in Santiago de Compostela erkundigt. Magic ist eben auch ein nationalitätsgrenzenüberbrückendes Hobby, bei dem man sehr gut neue Leute kennenlernen kann. Weil sie sich noch nicht so recht an die Turnierszene herantraut, habe ich ihr ein Commanderdeck gebaut, das ihr ermöglichen sollte, in entspannter Atmosphäre zu spielen. Dabei bin ich auf ihren absoluten Lieblingskreaturentyp eingegangen und erfülle mir zusätzlich selbst einen Traum, der schon viele Jahre auf Eis liegt. Aufmerksame Leser werden sicherlich gemerkt haben, dass es sich dabei nur um ein Vogeldeck handeln kann.

Mein erster Versuch, das Federvieh zu einem schlagkräftigen Paket zusammenzuschnüren, liegt mittlerweile bereits fast zehn Jahre zurück. (Ja, ich fühle mich alt genug für regelmäßige, nostalgisch verklärte Erzählungen.) Gerade war der Aufmarsch-Block durch Plagen beendet worden. Neben populären Kreaturentypen wie Elfen, Goblins und Remasuris (deren Anziehungskraft ich persönlich nie so richtig verstehen konnte) unterstützte das Tribal-Set außerdem ein paar Nischentiere, zu denen unter anderem eben auch Vögel gehörten. Ungefähr zeitgleich wurde ich in die wunderbare Welt des Highlander eingeführt und deshalb versuchte ich, meine Liebe zu dieser Variante mit meiner Sympathie für Underdogs (Underbirds?) zu verbinden. Das Ergebnis war ein scheußlicher Haufen, der nicht nur an meiner Unerprobtheit am Deckbau scheiterte, sondern auch auf eine viel simplere Barriere stieß: Es gab einfach nicht ausreichend gute Vögel, für die man sich nicht schämen musste, sie zu spielen. Frustriert stampfte ich das Deck nach einer Woche ein und vergaß schnell meine heiße, aber schnell verbrannte Liebe zu den Avior.


Aber wer hätte gedacht, dass sich dieser Aschevogel am Ende als Phönix herausstellt? Ich ehrlich gesagt am wenigsten. Sabrinas große Augen, als sie das erste Mal eine Diebische Elster sah, entfachten das Feuer schließlich erneut. Hier seht ihr die derzeitige Version meines Abschiedsgeschenks, die von der mittlerweile deutlich gestiegenen Artenvielfalt sehr profitiert:


Kommandeur:
Kangee, Aerie Keeper

10 Plains
8 Island
Lonely Sandbar
Secluded Steppe
Kor Haven
Tectonic Edge
Vivid Creek
Vivid Meadow
Faerie Conclave
Emeria, the Sky Ruin
Seaside Haven
Flood Plain
Moorland Haunt
Prahv, Spires of Order
Command Tower
Celestial Colonnade
Sejiri Refuge
Glacial Fortress
Strip Mine

Welkin Tern
Mindshrieker
Soulcatcher
Augury Owl
Pride of the Clouds
Stormscape Familiar
Jötun Owl Keeper
Raven Familiar


Cloudchaser Kestrel
Keeper of the Nine Gales
Aven Mindcensor
Aven Mimeomancer
Mentor of the Meek
Lieutenant Kirtar
Soraya the Falconer
Arctic Aven
Thieving Magpie
Tine Shrike
Impaler Shrike
Emeria Angel
Aven Cloudchaser
Grand Arbiter Augustin IV
Commander Eesha
Tradewind Rider
Mist Raven
Gustcloak Savior
Reveillark
Sky Hussar
Isperia the Inscrutable
Shriek Raptor
Celestial Gatekeeper
Murder of Crows
Crookclaw Elder
Glarecaster
Aven Brigadier
Windbrisk Raptor
Elesh Norn, Grand Cenobite


Sol Ring
Skullclamp
Preordain
Enlightened Tutor
Path to Exile
Swords to Plowshares
Culling Dais
Soulcatchers' Aerie
Favorable Winds
Mask of Memory
Azorius Signet
Absorb
Oblivion Ring
Loxodon Warhammer
Jace Beleren
Battle Screech
Bonehoard
Faith's Fetters
Airborne Aid
Return to Dust
Rite of Replication
Opposition
Bribery
Gravitational Shift
Coat of Arms
Martial Coup


Eine der großen Schwierigkeiten beim Bau dieses Decks war, herauszufinden, was es überhaupt machen will. So ganz habe ich dieses Rätsel noch nicht gelöst, aber oberflächlich können wir vorerst mit einem Sesamstraßencharakter arbeiten …


Big Bird

Ja, es ist nicht die subtilste Strategie, aber ein großer Teil von KFC (Kangee's Flying Champions) dreht sich darum, seine Vögel möglichst groß zu bekommen. Dafür sorgen vor allem Soraya the Falconer (die durch Errata jetzt alle Vögel und nicht nur Falken unterstützt, falls sich Verwirrte wundern), Soulcatchers' Aerie, Aven Brigadier, Favorable Winds, Elesh Norn, Grand Cenobite, Gravitational Shift (eine der stärksten Karten im Deck), Coat of Arms und Kangee höchstpersönlich. Während die ersten sechs sich eigentlich selbst erklären, möchte ich zu Kangee und dem Waffenrock noch ein paar Worte verlieren.


Kangee, Aerie Keeper ist wohl einer der überteuertsten Lords, die es gibt. Man muss sieben Mana ausgeben, um einen Bonus von +1/+1 zu bekommen. Weil er aber so ein passender General ist und außerdem sogar noch zum Vogel erratat wurde (und jetzt anderen Vögeln den Bonus gibt), bringe ich es nicht übers Herz, ihm die Führungsposition zu nehmen. Zumindest wird er durch die ebengenannte Änderung auch von anderen Vogelfreunden unterstützt und ist kostenmäßig nicht ganz so schäbig, wenn Grand Arbiter Augustin IV auf dem Tisch liegt. Eine schöne Interaktion findet übrigens zwischen Kangee und Nico Bohnys Lieblingskarte, Aven Mimeomancer, statt. Beide wurden neun Jahre entfernt voneinander gedruckt, sind jedoch durch ihre Liebe zu Federmarken verbunden. Kangee kann sich nämlich nicht nur mit einer, sondern je nach Zeit, die er im Spiel verbringt, mit beliebig vielen fremden Federn schmücken und so ohne riesige Manainvestitionen zum gefürchteten Herrscher aufsteigen.


Einen günstigeren, dafür zweischneidigen Bonus bietet Coat of Arms. (Kamahl würde sagen: „Ich weiß nicht, was die Leute gegen ein zweischneidiges Schwert haben. Es ist ein Schwert. Mit zwei Schneiden.“). Ich bin immer noch nicht sicher, ob es der Waffenrock in die finale Version des Decks schaffen sollte. Dies ist bei Weitem nicht die einzige Commanderstrategie, die massig Kreaturen des gleichen Typs ansammelt. Allein schon ein paar Saprolingspielsteine können die Sache ziemlich aus dem Ruder laufen lassen. Momentan spiele ich das Artefakt eher wie eine Hexerei, die mir zum finalen Durchbruch in der Luft verhilft. Ob das gut genug ist, muss ich noch herausfinden, bis ich Sabrina Ende September die Box in den Koffer lege.


Bird Control

Absolut einseitige Aggrostrategien haben in Commander meist große Probleme. Angefangen bei den 40 Startlebenspunkten über die Omnipräsenz von Massenvernichtern bis zu der Tatsache, dass man einfach nie schnell genug mehrere Spieler besiegen kann, bevor sie sich stabilisieren, gibt es eine Menge Hindernisse, die eine Strategie à la „Kreatur, Kreatur, Kreaturen groß machen“ überwinden muss. Deshalb verfügt auch dieses Deck über einige Elemente, die es ihm ermöglichen, die eigene Situation auf dem Tisch entscheidend zu verbessern.


Die einschneidendste und prominenteste Karte dieser Kategorie ist auf jeden Fall Opposition. Wer in einer Zweispielerpartie schon einmal diesem Monster gegenübersaß weiß, wie frustrierend das Spiel dagegen sein kann. Besonders, dass die Verzauberung Länder tappen kann, sorgt für jede Menge verzogener Mienen am Tisch. In Multiplayerrunden ist Opposition nicht ganz so unfair, kann aber ebenfalls dafür sorgen, dass ihr große Bedrohungen überlebt und sogar an ihnen vorbei angreifen dürft. Kein blaues Deck, das ausreichend Kreaturen zur Verfügung hat, sollte auf dieses Juwel verzichten.

Gleichermaßen gute Dienste leisten Keeper of the Nine Gales und sein Bruder im Geiste (heh), Tradewind Rider. Die beiden sind ziemlich identisch. Der eine braucht speziellere Kreaturen als der andere, was aber in diesem Deck kaum merklich sein sollte. Könnt ihr mal gerade keinen richtigen Druck ausüben und/oder wollt das Tempo des Spiels entscheidend mitbestimmen, helfen euch diese praktischen Pogosticks (sie bouncen, ihr versteht?). Wie bei Opposition liegt auch hier die Stärke in der manalosen Aktivierung. Während ihr euer Board weiterentwickelt, hinken eure Gegner hinterher, weil sie sich vorerst darauf konzentrieren müssen, wie sie die Windmaschinen abstellen.


Ein letztes (und zugegebenermaßen nicht ganz billiges) Stoppschild für gegnerische Aggression bildet Glarecaster. Was auf der Karte ein wenig verwirrend formuliert ist, bildet in der Realität eine Art Nebel, der zurückschlägt. Weil aller Kampfschaden gleichzeitig verteilt wird, auch wenn er von mehreren Kreaturen stammt, ist es dem Boing-Flip-Vogel möglich, alles zu verhindern und auf die andere Seite des Tisches zurückzuschleudern. Seid nur ein bisschen vorsichtig, wenn Erstschläger oder Doppelschläger mitkämpfen. Die tanzen nämlich aus der Reihe und werden als eigene Schadensinstanz behandelt. Der Umstand, dass Glarecaster sich auch noch gut vor schadensbasiertem Removal schützen kann, macht ihn in spezifischen Spielsituationen zu einem Schweizer Taschenmesser (wer das Oxymoron findet, kann es behalten).


Caw Draw

Jedes Commanderdeck muss Kartenvorteil erzeugen können. Das ist eine Philosophie, von der ich felsenfest überzeugt bin. Die Natur von Mehrspielerpartien gebietet es, dass man sich, wenn man länger mitspielen möchte, Zugriff auf mehr Ressourcen verschafft, als einem normal zustehen. Im Vogeldeck bedeutet das, dass ich gern mein an allen Ecken und Enden anfallendes Kleinvieh in Karten umwandeln möchte.

Dass Skullclamp die Aufgabe, 1/1-Kreaturen zu verwerten, mit Bravour erfüllt, muss ich wohl nicht mehr erwähnen. Und auch meine Liebe zu Culling Dais habe ich bereits schon einmal verbalisiert. Bei den schmackhaften Opfern, die Battle Screech, Emeria Angel oder Pride of the Clouds bieten, ändert sich in dieser Hinsicht nicht viel.


Ein paar Zeilen mehr hingegen verdienen die vogelinternen Arbeitstiere Celestial Gatekeeper, Airborne Aid, Seaside Haven und Crookclaw Elder. Letzterer sieht dabei ein wenig schwachbrüstig aus, entpuppt sich aber als eine Art Mini-Azami, wenn man ihn im Spiel hat. Seaside Haven ist ein wenig manaintensiv, verbraucht jedoch keinen Platz im Deck und kann somit als Alternative zu Culling Dais und Skullclamp gut mithalten. (Dass mir jetzt aber bloß keiner ankommt mit: „Hat der tatsächlich behauptet, dass Seaside Haven besser als Skullclamp ist?“) Airborne Aid sollte eigentlich Distant Melody sein, damit man auch mal nach einem Martial Coup ein paar Karten ziehen kann. Doch das Original erwähnt halt explizit Vögel – Ende der Diskussion. Celestial Gatekeeper ist währenddessen die vogelspezifische Version von Reveillark, der in weißen Decks mit kleinen Kreaturen bekanntlich schon unverzichtbar geworden ist. Hier leisten beide gute Dienste bei der Repopulation, falls eine etwaige Geflügelpest zum Massensterben geführt hat. Übrigens muss ich beim Bild von Celestial Gatekeeper immer an „Now you're thinking with portals“ denken.


Zusätzlich zu den eben erwähnten Helfern nutzen noch ein paar andere Karten die speziellen Eigenschaften von Vögeln: Mentor of the Meek (klein), Mask of Memory (fliegend) und Sky Hussar (viele). Ihr seht, das Kartenziehrepertoire dieses Decks ist genau auf die Bedürfnisse seiner Bewohner zugeschnitten!


Breaking Bird or Birding Bad?

Trotz zufriedenstellender Testergebnisse habe ich noch nicht das Gefühl, an dem Punkt angelangt zu sein, an dem ich mit dem Deck sein möchte. Manche Hände sehen immer noch wie ein Schwalbenschwarm aus, der gleich in eine Flugzeugturbine fliegt. Meist ist das der Fall, wenn ich den Teil der Liste erwische, der vergleichsweise „vanilla“ ist, also nur ein paar Kreaturen anbietet, die nichts anderes können als fliegen. Deshalb überlege ich, konstante Underperformer wie Welkin Tern oder Augury Owl herauszuschmeißen und durch kontrolligere Karten zu ersetzen. Manchmal ist mir der Atem des Decks einfach noch nicht lang genug.


Wahrscheinlich ebenfalls zu schwach sind die beiden Infectvögel Tine Shrike und Shriek Raptor, die gegen riesige Lebenspunktarsenale in Verbindung mit Vogelpumpern und/oder Loxodon Warhammer einen schnellen Ausweg bieten sollen. Das Problem ist bloß, dass die Idee zwar sehr süß ist, die beiden Ölvögel aber auf sich allein gestellt nicht sehr bedrohlich sind.

Ich werde euch in zwei Wochen berichten, wie die finale Version von Hitchcocks feuchtem Traum aussieht. Das Grundgerüst steht jedenfalls und viele Aspekte gefallen mir jetzt schon ausgezeichnet. Ich kann mir gut vorstellen, am Ende sogar bei Grand Arbiter Augustin IV als General zu landen. Das würde das Spiel um einiges flüssiger gestalten und so manche Hand entkloben. Vielleicht lande ich dann bei etwas, das in Richtung von Feendecks geht, die je nach Situation aggressiv oder defensiv agieren können. Die Ansätze sind da und das Deck jetzt schon ein großer Spaß. Der Adler ist gelandet.
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