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Magic an der Leine
von Nico Bohny
30.03.2012

Magic Online ist schon ein tolles Programm. Solange draußen noch Väterchen Frost regiert und mir der Regen gegen die Fensterscheiben prasselt, da weiß ich, dass ich in meinem bequemen Sessel vor meinem persönlichen, kleinen AKW (mein PC trägt diesen Namen nicht ohne Grund, wie der unwissende Leser hier vermuten mag) wunderbar versorgt bin. Na ja, ich will meine Stubenhockeraktivitäten nicht verherrlichen oder romantisieren. Sähe man das Ganze etwas objektiver, hieße der Artikel wohl „Nerd allein zu Haus“ oder „Wie Nico seine Wochenenden in den Sand setzt“.

Aber da ich mich hier unter Gleichgesellten fühle, kann ich mich ja outen. Und für alle anderen: Um ganz ehrlich zu sein, bin ich auch ganz froh, dass diese Ära jetzt mit dem Frühling langsam, aber sicher wieder zu Ende geht. Wenn Magic Online an der Leine wieder im Garten neben dem Hundehäuschen angebunden wird, herzerweichend jault und trotzdem keine Beachtung mehr erhält. Oder so ähnlich irgendwie.

Aber von Fuchur (immer wenn ich von Hunden erzähle, taucht der wieder irgendwo in meinen Gedanken auf) von Futur zurück zu Präsens und Präteritum, es ist ja nicht so, dass ich nicht auch die eine oder andere Story zu teilen hätte. Und den einen oder anderen Tipp für den nächsten Schritt ins Infinite.


Block-Constructed


Auf Magic Online mutieren mit den Prereleaseturnieren nicht nur die Limitedformate, sondern zeitgleich auch die Constructedformate. Dark Ascension war also auf Magic Online constuctedlegal, bevor das erste virtuelle Booster der Edition geöffnet wurde. Um zuerst auf die Limitedformate einzugehen: Als Prerelease werden hier komplett überteuerte Sealed- und Draftturniere angeboten. Die Queues füllen sich aber trotzdem ordentlich, da die Preise von Dark Ascension-Karten natürlich entsprechend der Nachfrage ziemlich hoch sind. Lingering Souls – vier Tickets (ein Ticket entspricht einem US-Dollar), Sorin, Lord of Innistrad – 34 Tickets, Huntmaster of the Fells – 30 Tickets und so weiter. Für Online-Verhältnisse unglaublich viel. Nebst den Prereleaseturnieren läuft das normale Programm weiter – „alte“ Drafts, normale Turniere in allen Formaten. Auch Block-Constructed-Events. Natürlich hatte zu dem Zeitpunkt die Hälfte der Leute noch nicht kapiert, dass man die neuen Karten in den Turnieren spielen durfte, der anderen Hälfte waren die Karten schlicht und ergreifend zu teuer. Und dann war da noch Nico, der alte Fuchs. Und ein Fuchs muss tun, was ein Fuchs tun muss – also rund 200 Tickets am Samstagmorgen in folgendes Deck umgesetzt:


13 Plains
3 Swamp
2 Evolving Wilds
4 Isolated Chapel
3 Vault of the Archangel

4 Champion of the Parish
4 Doomed Traveler
4 Fiend Hunter
3 Geist-Honored Monk
3 Mikaeus, the Lunarch
4 Intangible Virtue
4 Gather the Townsfolk
4 Sorin, Lord of Innistrad
1 Increasing Devotion
4 Lingering Souls


Sideboard:

4 Thalia, Guardian of Thraben
2 Nevermore
3 Grafdigger's Cage
4 Sever the Bloodline
2 Urgent Exorcism


Das Block-Constructed-Metagame war damals sehr einfach zusammenzufassen: Weiß-Rot-Aggro, Flashback-Kontrolle, Stalker-Decks und UG-Spider Spawning. Gegen RW-Aggro, das meistgespielte Deck, konnte man mit dem Maindeck praktisch nicht verlieren und benötigte keine Sideboardkarten. Gegen Kontrolldecks war man mit Thalia, Guardian of Thraben, die den Gegner noch bedeutend mehr screwte als einen selbst, und Grafdigger's Cage, das die Burning Vengeance und die meisten Sprüche des Decks völlig negierte, ganz gut dabei. Stalker-Decks besiegten sich meistens selbst, ansonsten konnte man mit einem guten Start oder Vault of the Archangel durchaus mitracen. Und gegen Spider Spawning und Kessig Cagebreakers ließen sich die wenigen Threats mit Sever the Bloodline, Nevermore und Grafdigger's Cage prima unter Kontrolle halten. Der langen Rede kurzer Sinn: 212 Tickets investiert, den ganzen Tag Daily Events und Queues gegrindet, am frühen Abend mit einer Bilanz von 15:1 (die einzige Niederlage war gegen das Stalker-Deck, das mir zweimal den Draw Stromkirk Noble, Invisible Stalker, Furor of the Bitten, Spectral Flight hinlegte) die Karten wieder verkauft, insgesamt für 228 Tickets, was mir mit den gewonnen Boostern etwa einen Reingewinn von knapp 100 Tickets bescherte. Nennt mich Eivind Infinitter!

BW-Tokens – Wo die wilden Kerle wohnen reloaded. Wie unbesiegbar es auch immer ist. Kein Wunder, haben Wizards mittlerweile das halbe Deck gebannt – denn online war fast nichts anderes mehr zu entdecken außer diesen Tokendecks.


Standard


Eines musste schon lange mal gesagt werden: MiDi ist ein wahrer Gott, was gute Constructed-Ideen anbelangt! Und er scheint oft eine Vorliebe für dieselben Decks zu haben wie ich [BW-Tokens anno 2006 – Tobi]. Auf jeden Fall war ich von dem Pod-Deck, über welches er in den letzten Wochen mal geschrieben hat, sehr angetan und baute es gleich nach. Das erste Event, ein Standard-Premier mit etwa 80 Spielern, das ich damit spielte, beendete ich direkt auf dem zweiten Platz. Lorbeeren gehen ans Deck, ich war teilweise ziemlich überfordert, vor allem mit dem korrekten Sideboarden. Mittlerweile habe ich den Dreh etwas besser raus und das Deck spielt sich nach wie gut sehr schön. Hier meine momentane Liste:


6 Forest
3 Sunpetal Grove
2 Rootbound Crag
1 Mountain
1 Plains
4 Copperline Gorge
4 Razorverge Thicket
3 Gavony Township

4 Birds of Paradise
4 Avacyn's Pilgrim
1 Llanowar Elves
4 Strangleroot Geist
1 Fiend Hunter
4 Blade Splicer
4 Huntmaster of the Fells
(Ravager of the Fells)
1 Solemn Simulacrum
1 Hero of Bladehold
1 Acidic Slime
1 Geist-Honored Monk
1 Inferno Titan
1 Wurmcoil Engine
1 Elesh Norn, Grand Cenobite
1 Green Sun's Zenith
4 Birthing Pod
2 Oblivion Ring


Sideboard:

2 Thrun, the Last Troll
2 Thalia, Guardian of Thraben
1 Viridian Corrupter
1 Oblivion Ring
3 Mental Misstep
3 Surgical Extraction
1 Ancient Grudge
1 Ray of Revelation
1 Karn Liberated


Die paar wichtigsten Fragen, ich ich mir zum Deck gestellt und beantwortet habe:

Warum Rot und nicht Blau?

Die ursprüngliche Liste stammt ja von Lukas Blohon und wurde von ihm bei der Pro Tour in Hawaii in die Top 8 pilotiert. Ein Grund, dass Lukas Rot über Blau als Drittfarbe bevorzugte, war wohl das zu erwartende kreaturenlastige Metagame. Mit zunehmendem Anteil an Kontrolldecks beeindruckt die Sun Titan-Schiene mit Phantasmal Image und vielleicht sogar noch Venser, the Sojourner deutlich mehr als Inferno Titan und Huntmaster of the Fells. Folglich müsste man eigentlich die Farben wechseln. In meinen Augen ist der zweite Grund für den roten Anteil des Decks allerdings viel wichtiger: die Manabasis. Mit Copperline Gorge lassen sich vier zusätzliche Quellen für den Manaproduzenten im ersten Zug spielen. Und ohne Sprungbrett in die höheren Gefilde des Decks spielt sich Pod schon um einiges weniger beeindruckend. Ein auf den ersten Blick eher nebensächliches Argument, in der Praxis aber ein extrem tragendes.

Was habe ich geändert?

Das Maindeck ist bis auf drei Karten unverändert. Viridian Emissary gefiel mir überhaupt nicht, ebenso wenig wie Mortarpod. Zwar gibt es für beide Karten durchaus sinnvolle Anwendungen, viel zu oft machen sie aber auch mal gar nichts. Ersetzt habe ich sie durch einen zusätzlichen Accelerator, einen grünen Zenit und einen Hero of Bladehold. Der vierte Avacyn's Pilgrim unterstreicht nochmals die Wichtigkeit eines Manatierchens im ersten Zug, Green Sun's Zenith ist ein zwar etwas beschnittenes Schweizer Taschenmesser, lässt sich aber in einfacher Ausführung ganz gut als Kurvenjoker einsetzen. Und der Hero ist einfach stark genug, dass man nie traurig ist, ihn zu ziehen und dass nur die Manakurve das ausschlaggebende Argument für mich war, nicht noch zusätzliche Kopien davon ins Deck zu pressen.

Wie sideboarde ich?

Die Frage musste ich mir immer und immer wieder stellen. Das Hauptproblem besteht darin, dass man echt wenige Karten rausnehmen kann, ohne das Grundgerüst des Decks zu schädigen. Deshalb sind viele Karten auch nur in geringer Anzahl im Board, da man selten viele Karten austauschen will. Ausnahmen bilden Kontrollmatchups und Reanimator, in denen man wirklich auf zusätzliche und zahlreiche Hilfe aus dem Sideboard angewiesen ist. Ich habe außerdem gemerkt, dass ich on the play und on the draw extrem unterschiedlich sideboarde. Fange ich an, nehme ich beispielsweise gerne Thalia, Guardian of Thraben rein, on the draw äußerst selten. Heraus nehme ich oft einen Teil der Pod-Engine zwischen vier und sieben Mana, on the draw gegen Tempodecks auch mal Birthing Pod selbst. Karn Liberated ist im Übrigen der wahre König des Sideboards, weil er gegen Kontrolle viele Spiele ohne große Mithilfe des Decks stiehlt. Und Viridian Corrupter darf dank des Zeniten statt Manic Vandal mitspielen. Schwerter und Phyrexian Metamorph überzeugten mich kaum, da die meisten Decks ohnehin Artefaktremoval im Board haben und man dem Gegner nicht unbedingt zusätzliche Ziele für seine Divine Offering und Ancient Grudge geben will.

Alles in allem kann ich das Deck echt wärmstens weiterempfehlen. Und auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ist es um einiges anspruchsvoller zu spielen und vor allem zu sideboarden, als man denken mag.


Modern


Das Lustigste am Deck ist sicherlich der Name – was früher TEPS (The Extended Perfect Storm) hieß, kann man jetzt elegant als PMS (Perfect Modern Storm) bezeichnen. Und mal ganz ehrlich, wer will schon kein rotes Deck mit diesem Namen spielen? There will be blood!

Inspirationen und Motivationen fürs Deck habe ich von verschiedensten Seiten erhalten – einerseits dem niedrigen Einkaufspreis auf Magic Online, andererseits den vielen Schweizern, die's bei den PTQ pilotiert haben, und dann gab's auch einen wirklich guten MiDi-Artikel (habe ich schon erwähnt, dass der Mann Ahnung hat …?) darüber. Nach einigem Hin und Her bin ich bei folgender Version angelangt:


4 Island
1 Mountain
2 Misty Rainforest
4 Scalding Tarn
4 Shivan Reef
2 Steam Vents

4 Faithless Looting
3 Thought Scour
4 Desperate Ritual
4 Sleight of Hand
3 Past in Flames
4 Manamorphose
4 Serum Visions
4 Seething Song
1 Grapeshot
4 Pyretic Ritual
4 Gitaxian Probe
4 Pyromancer Ascension


Sideboard:

2 Gifts Ungiven
1 Grapeshot
4 Lightning Bolt
3 Echoing Truth
2 Empty the Warrens
3 Shattering Spree


Eigentlich sollte das Deck eher unter dem Namen „Ascension“ publiziert werden, da man mit dieser Maindeckkonstellation wirklich durchs ganze Deck abgehen muss, um den Gegner zu töten, was früher oder später dann eben auch die Pyromancer Ascension miteinbezieht. Lustig im Übrigen immer die Matches, in denen der Gegner sich unendliche Leben macht (was auf Magic Online ohnehin ein schwammiger Begriff ist und stark vom Fleiß und Ehrgeiz des Piloten anhängt), nur um dann zuzusehen, wie man abgeht, sich sämtliche Ascensions im Deck auflädt und mit Thought Scour 40–50 Karten wegmühlt.

Die große Stärke des Decks ist klar, dass es im ersten Spiel gegen praktisch alles vorne liegt. Die klare Schwäche ist der Spash-Damage, den man von sämtlichem Hate nimmt – ob nun von Discard, Graveyard-Hate, Thalia- oder Rule of Law-Effekten, ohnehin alle anderen Silver-Bullet-Tierchen und so weiter. Was einem meist zu einem eher unschönen zweiten Spiel verhilft. Trotzdem immer wieder ein schönes und auch erfolgsgarantierendes Goldfischdeck für Online-Queues. Und abzugehen, ohne sich mit farbigen Würfeln Mana notieren zu müssen und Strichlisten für den Storm-Count zu kritzeln, ist schon Luxus!


Limited


Last but not least habe ich natürlich auch wieder Limited gespielt. Am lustigsten fand ich das Onslaught-Sealed, das mal an einem Wochenende stattgefunden hat. Das Format haben wir, Christoph Huber und ich, früher gezockt wie die Verrückten, also durften wir an dem Event nicht fehlen. Natürlich kannten wir das Format aber noch mit dem guten, alten Damage auf dem Stack, was nun eine Neueinschätzung sämtlicher Morphs mit sich brachte. Bane of the Living schätzten wir allerdings nach wie vor richtig ein.


9 Swamp
8 Mountain

1 Crypt Sliver
1 Spitfire Handler
1 Spectral Sliver
1 Bloodstoke Howler
1 Sootfeather Flock
1 Shaleskin Plower
1 Bane of the Living
1 Aphetto Exterminator
1 Embalmed Brawler
1 Zombie Cutthroat
1 Severed Legion
1 Skirk Commando
1 Ridgetop Raptor
1 Prowling Pangolin
1 Death's-Head Buzzard
1 Anurid Murkdiver


1 Lingering Death
1 Scattershot
2 Carbonize
1 Torrent of Fire
1 Commando Raid
1 Solar Blast


Für ein 4:2 reichte mein Pool, was immerhin noch neun Booster abwarf. Christoph musste sich mit seinem sehr mittelmäßigen Pool und einem 3:3 zufriedengeben. Das Lustigste, was wir beim Turnier aber gemerkt haben: Wusstet ihr, dass Prowling Pangolin neuerdings kein einfaches Biest mehr ist, sondern sogar ein „Anteater Beast“?! So ist es, he's an Anteater, make you buy cars, make you cut cards, make you fall real hard in love! Wie haben wir gelacht und gesungen! Richtig fies aber vor allem für Spitting Gourna, der mag nämlich Ameisen auch ganz gerne, hat den Kreaturentyp aber trotzdem nicht gekriegt. Ohnehin, das habe ich im Gatherer rausgefunden, ist der Pangolin der einzige Ameisenbär in Magic, und das, obwohl er in seinem deutschen Kartennamen ganz klar als Schuppentier definiert ist. Aber was soll's, einer reicht ja, damit man seine Mistform-Kreaturen zu Anteaters umfunktionieren kann. Meine Erwartungen sind hoch, ich will mehr Ameisenbären in Avacyn Restored. Vielleicht wird Avacyn ja ein Anteater-Angel? Oder wer weiß, vielleicht behalten sich Wizards den Anteater ja auch als neue Planeswalkeridee zurück. Wir werden sehen …
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