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Restating the Obvious
von Tobias Henke
22.08.2011

Obwohl das Turnier fast ganz am Ende einer langen Reihe gleich-formatierter Nationals stand, konnte man bei der Deutschen Meisterschaft in diesem Jahr tatsächlich ein paar im eigentlichen Sinne Magic-bezogene Erkenntnisse sammeln. (Während nach der DM im letzten Jahr ja selbst die Stammkneipe der Essener Draftrunde begann, regelmäßig The Smiths' „Panic“ zu spielen …)


Was ich persönlich von dem Turnier mitgenommen habe, kreist allerdings überwiegend um Pyromancer Ascension, weil …

„Ach ja, du bist ja der, der immer, wenn's möglich war, versucht hat, Ascension zu spielen.“
„Nein, das stimmt überhaupt nicht. Ich habe das immer genau dann versucht zu spielen, wenn's grad unmöglich war.“

… so zum Beispiel beim PTQ in Aachen, wo ich ein flottes 0:2-Drop-Ergebnis aufs Parkett legte und zu der Überzeugung gelangte, dass Pyromancer Ascension „einfach kein gutes Deck“ sei.

Wirklich schlecht fühle ich mich auf diese Aussage zurückblickend jedoch nicht. Damals stimmte meine Einschätzung nämlich noch. Auf der DM hingegen stimmte die Einschätzung dann entschieden nicht mehr. Unter den 16 erfolgreichsten Standarddecks befanden sich drei Ascension-Decks, knapp hinter Valakut und Monorot, gleichauf mit UB-Control. Insgesamt aber waren 35 Spieler mit Blau-Schwarz angetreten, 31 mit Valakut, immerhin 17 mit Monorot und lediglich sechs hatten auf Ascension gesetzt. Strength in Numbers? Wohl kaum. Was also hatte sich geändert?


Nun, da sich dieses Deck nicht nennenswert geändert hat, waren es offensichtlich die anderen. Caw-Blade in der tonangebenden CFB-Variante hat keinen Oblivion Ring im Maindeck, weder Celestial Purge noch Revoke Existence im Sideboard, ja selbst Kor Firewalker, der in Listen mit drei Schwertern noch mordsgefährlich für Ascension gewesen war, fehlt komplett. Apropos, Sword of Feast and Famine hat sich natürlich ebenfalls als 2-of etabliert und die Counter wurden auch zusammengekürzt. Nicht zuletzt sind alle Toughness-4-Kreaturen wie Spellskite oder Hero of Bladehold verschwunden. Stattdessen findet man mit Dismember, Timely Reinforcements und Day of Judgment ganze sieben weitestgehend tote Karten im Maindeck. Man vergleiche das einmal mit der Version, mit der Denis Sinner ebenjenen PTQ in Aachen gewann. Spätestens nach dem Sideboarden gab es da verdammt viele tödliche Karten, Sieg für Ascension quasi ausgeschlossen.

Einschub! Die letzte Ausgabe der „Gedanken vom Grabbeltisch“ rief einen Kommentar hervor, der an dieser Stelle total gut passt.

„Das Steel vs Caw MU ist überhaupt nicht gut...“

Der Kommentar bringt perfekt auf den Punkt, was extrem viele Spieler inklusive meiner selbst gerne ignorieren: Das Matchup zwischen Deck A und Deck B existiert nicht! Im Constructed spielt man immer 75 Karten gegen 75 Karten. Ob es hilft, sich das hinter die Ohren zu schreiben? Im Hinterkopf sollte dieses Wissen ja ohnehin verfügbar sein.

Zurück zum konkreten Fall. Pyromancer Ascension profitierte, wie eindrucksvoll in der Top 8 bewiesen, außerdem sehr vom erhöhten UB-Control-Aufkommen. Eine einmal resolvte Ascension bekommt der UB-Magier bloß mit seinem einen Into the Roil oder dem einen Karn Liberated wieder weg. Discard hilft zwar dabei, eine Ascension zu verhindern, gegen Preordain, Ponder oder Halimar Depths aber eben auch nur bedingt.

Pyromancer Ascension war jedenfalls relativ zum angetretenen Kontingent das erfolgreichste Deck der DM. Zusammengefasst lag das daran, dass sich das Metagame im Vorfeld in einer Weise geändert hatte, die Nichtkreaturen-Permanents extrem begünstigte. Speziell lag es allerdings nicht an einer Metagameveränderung der gespielten Decks, sondern der gespielten Karten. Das halten wir an dieser Stelle einmal fest und konstatieren im Nebenbeiverfahren, dass Monorot Nutznießer derselben Faktoren war. Ein unbeantworteter Shrine of Burning Rage produziert nun einmal ähnlich viel Extraschaden wie Pyromancer Ascension.


Warum aber war Ascension nicht noch erfolgreicher? Warum holte Monorot den Titel? Das ist gleichermaßen auf eine uralte Magic-Weisheit zurückzuführen. Sie lautet: Man kann durchaus auch zu viel sideboarden. Bei den meisten Kombodecks sind die Schlüsselkarten klar ersichtlich und niemand würde auf die Idee kommen, ausgerechnet sie herauszuboarden. Andere Kombodecks arbeiten mit einer Vielzahl ähnlicher Karten, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Dredge mit seinen Dredge-Karten ist dafür das Musterbeispiel. Ascension mit seinen billigen Kartenziehern ist ein weiteres.

Das hat Tobias Dreger meines Erachtens nicht berücksichtigt. Meines Erachtens hat er sich ganz klassisch selbst kaputtgeboardet. Und ja, selbstverständlich spielte Glück eine Rolle und selbstverständlich hätte das Finale genauso gut anders ausgehen können. Mein Punkt ist, dass er es sich schwerer gemacht hat, als er hätte sollen/können. Ein Zitat dazu:

„Joa, nach dem Boarden schien mir das Matchup irgendwie viel einfacher.“

So äußerte sich der frischgebackene Deutsche Meister Helge Nelson. Dregers Sideboardplan in drei der Finalspiele:

−4 Gitaxian Probe
−4 See Beyond
−1 Foresee
−1 Red Sun's Zenith
−2 Into the Roil

+2 Batterskull
+4 Flashfreeze
+3 Pyroclasm
+3 Mental Misstep

Zusammen mit Mana Leak insgesamt also elf Counter – das konnte nicht gut gehen. Und es ging auch nicht gut. An mehreren Stellen im Match saß Dreger mit einer halb aufgeladenen Ascension und lauter reaktiven Handkarten da, die er schlicht nicht ausspielen konnte, solange sein Gegner sich nicht rührte. Nelson behielt die Initiative.

Am beeindruckendsten zeigte sich das in Spiel 5. Da hätte Nelson mit seinem zuvor gebouncten Koth of the Hammer ins Flashfreeze rennen können, was zugleich die zweite Marke für die Ascension besorgt hätte. Dann wäre das nachgezogene Preordain verdoppelt worden und hätte Dreger vermutlich das Spiel gewonnen. Nelson aber wartete mit seinem Koth, bis das unkopierte Preordain die Ascension aktiviert hatte, und gönnte Dreger lieber ein kopiertes Flashfreeze. Man erkennt leicht, dass Gegenzauber hier zwei entscheidende Nachteile haben: Nicht nur ist es schwieriger, mit ihnen die Ascension aufzuladen; wenn die Ascension einmal aufgeladen ist, profitieren sie auch überhaupt nicht davon.


Trotzdem ist Flashfreeze wohl notwendig. Zweifel darf man viel eher bei Mental Misstep anmelden. Goblin Guide zu countern, ist das Beste, was dieser Spruch auszurichten vermag, und wenn eh schon Pyroclasm dazukommt, stellt sich die Frage, ob man darauf wirklich so dringend angewiesen ist. Keine Frage hingegen ist, dass das Ascension-Deck eine kritische Masse an Carddraw benötigt. Umso mehr übrigens, wenn man mit 22 Ländern eine 5-Mana-Karte namens Batterskull auszuspielen gedenkt. Dreger nahm jedoch gut die Hälfte seines Carddraws aus dem Deck.

Von der finalen Kapitulation zur Rekapitulation:

1)

Man unterschätze niemals die Fähigkeit des Metagames, alte Wahrheiten über den Haufen zu werfen! Noch vor drei Wochen hätte ich es für absolut unmöglich gehalten, dass Ascension zur besten Deckwahl der DM „aszendiert“. Genau das ist aber geschehen.

2)

Man betrachte konkrete Decks und nicht abstrakt postulierte Matchups! Wer vor einem Monat einmal festgestellt hat, dass Ascension gegen Caw-Blade verliert, der hatte erstens Recht, zweitens ein Ticket für den völlig falschen Dampfer gelöst.

3)

Man widerstehe der Versuchung, zu viele Karten zu sideboarden! Denn das führt zu verlorenen Spielen, verlorene Spiele führen zu verlorenen Matches und verlorene Matches führen geradewegs zur dunklen Seite des Rampenlichts. Nur weil Sideboardkarte A auf Anhieb so stark aussieht und Maindeckkarte B so unscheinbar, heißt das noch lange nicht, dass ein Austausch korrekt ist.

Alles in allem keine schlechte Ausbeute an Dingen, die man für die Zukunft einmal im Gedächtnis behalten kann. Auch wenn freilich nichts davon neu ist, sondern bloß „restating the obvious“.
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