Standard
Beat It
von Tobias Henke
08.08.2011



Diese Aussage machte letzte Woche einmal die Retweet-Runde. Und natürlich stimmt es, dass gerade die großen Namen der US-amerikanischen Magic-Szene Champions der neuen Caw-Blade-Welle sind. Das Phänomen prägte bereits die SCG-Turnierserie und setzte sich bei den US-Nationals fort. Genau genommen setzte es noch einen drauf. Luis Scott-Vargas ist nicht umsonst einer der berühmtesten aktiven Pros des Landes und Owen Turtenwald steht nach diesem Wochenende bestimmt nicht zufällig so einsam an der Spitze des Rennens um den Titel Spieler des Jahres.

Aber sechsmal in der Top 8? Und immerhin fünf von 13 der erfolgreichsten Standarddecks des Turniers? Keine Frage, Caw-Blade ist das Deck, das es vor allen anderen zu schlagen gilt. Die gute Nachricht: Das ist möglich.


Das Deck kann zwar immer noch ungefähr alles, ist sowohl in der Lage, einen Gegner unter absurdem Kartenvorteil zu begraben (Consecrated Sphinx), als auch ziemlich konstant (Preordain); es verfügt weiterhin über bewährte Gegenmaßnahmen (Spell Pierce, Mana Leak, Dismember) für brokenere Spielpläne (Valakut, Splinter Twin) und manche Versionen legen sogar ein beeindruckendes Beatdowntempo vor (Hero of Bladehold); schließlich ist es vor allem ein Meister darin, aus dem Klein-Klein eines jeden mit fairen Mitteln ausgefochtenen Abtauschkriegs siegreich hervorzugehen.

Aber es kann nicht mehr alles auf einmal. Insbesondere fehlt der Reinkarnation des Decks ein echter „nut draw“. Vor den Bannings sah man oft, wie im vierten Zug Squadron Hawk beschwört, ein Stoneforge Mystic mit Sword of Feast and Famine ausgerüstet und Jace, the Mind Sculptor gespielt wurde. Mit vier Extramana und je nach Rechenweise um die sechs Extrakarten war das ungefähr die Definition von „nut draw“. Heutzutage geht es dagegen weitaus gemächlicher und zwangsläufig reaktiver zu.

Das eröffnet Optionen. Man nehme zum Beispiel diese Liste, die am vorletzten Wochenende den PTQ in Frankfurt gewonnen hat:

Thomas Schmidt: Steel-Aggro

4 Memnite
4 Vault Skirge
4 Signal Pest
4 Steel Overseer
4 Hero of Bladehold

4 Glint Hawk Idol
2 Shrine of Loyal Legions
4 Tempered Steel
4 Dispatch
2 Dismember
3 Mox Opal


3 Dread Statuary
4 Inkmoth Nexus
14 Plains

Sideboard:

4 Kor Firewalker
3 Leonin Relic-Warder
3 Leonin Arbiter
3 Torpor Orb
2 Oblivion Ring


Keine Sorge, das hier will euch niemand als perfektes Antideck verkaufen. Diese Version von Steel-Aggro führe ich in erster Linie bloß deshalb an, weil ich damit gegen Caw-Blade getestet und dabei etwas Interessantes herausgefunden habe. Es ist absolut möglich, die Kontrollelemente von Caw-Blade zu überfordern.

Speziell diese Steel-Variante betreibt allerdings auch einigen Aufwand, um genau das sicherzustellen; sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, immer noch „mehr“ zu haben, sei es Glint Hawk Idol, was Day of Judgment überlebt, Hero of Bladehold zum Nachlegen, Shrine of Loyal Legions oder Extra-Manlands in Form der unüblichen Dread Statuary.

Wenn Caw-Blade nach dem Sideboarden mehr Day of Judgment und deutlich mehr Ratchet Bomb auffährt, ganz zu schweigen von Revoke Existence, verliert man trotzdem einen fairen Anteil der Spiele. Und wenn sich die grundsätzliche Unkonstanz des Deckansatzes in einer längeren Testreihe angemessen niederschlägt, verliert man wohl ähnlich viele Matches, wie man gewinnt. Das aber – nämlich zumindest kein schlechtes Matchup gegen Caw-Blade zu haben – darf man durchaus als Erfolg verbuchen.

Am ausgiebigsten beschäftigt habe ich mich allerdings mit einem anderen Deck:

Valakut

4 Overgrown Battlement
4 Solemn Simulacrum
3 Oracle of Mul Daya
4 Primeval Titan
3 Avenger of Zendikar

4 Explore
4 Rampant Growth
2 Harrow
4 Summoning Trap


4 Valakut, the Molten Pinnacle
2 Terramorphic Expanse
2 Evolving Wilds
6 Forest
2 Verdant Catacombs
12 Mountain


Dennoch ist diese Liste längst nicht zu hundert Prozent in Stein gemeißelt. Man könnte zum Beispiel andere Fatties statt der Avenger spielen oder auch schlicht einen Fattie weniger. Zwischenzeitlich befand sich Burst Lightning im Harrow-Slot, übrigens über Lightning Bolt, weil die meisten Beatdown-Kreaturen von beidem gleichermaßen abgerüstet werden, weil das Deck Schadenspunkte ausnahmslos in 3er-Schritten austeilt und weil Deceiver Exarch, Hero of Bladehold und Spellskite lediglich für gekickte Blitze empfänglich sind. Nicht zuletzt gab es mal ein 29. Land, um die Trefferquote von Explore und Orakel zu verbessern.

Wie dem auch sei, Plan des Decks ist natürlich, vier Mana im dritten Zug zu haben und dann entweder Solemn Simulacrum oder Oracle of Mul Daya zu legen. Aus diesem Grund befinden sich hier auch ungewöhnlich viele Länder, die das Spiel ungetappt betreten, wobei die so gesteigerte Bewaldung wiederum für Harrow spricht. Die andere Besonderheit der Liste ist Summoning Trap statt Green Sun's Zenith. Wer sich im Netz nach Valakut-Decks umschaut, wird zweifellos zu dem (Trug-)Schluss gelangen, dass der Zenit prinzipiell unentbehrlich und speziell stärker als die Falle sei. Da derjenige zugleich aber ebenso zu dem Schluss gelangen muss, dass Valakut momentan kein gutes Deck ist, ist es legitim, Ersteres infrage zu stellen, wenn man Letzteres ändern möchte.

Mit dieser Version habe ich jedenfalls ein positives Ergebnis gegen Caw-Blade erzielt, vor allem dank Oracle und Trap. Das ist nicht unbedingt auf Anhieb ersichtlich und insbesondere dem Orakel sollte man mehr als nur ein paar Testläufe geben, weil es mit eine der Karten ist, die am meisten unter der Varianz leiden können. Zudem zeigt sich, dass Oracle of Mul Daya manchmal doch nicht das korrekte Turn-3-Play ist. Auch ist es nicht immer leicht, sein Orakel korrekt zu managen. Wenn man das aber schafft … Nun, ich habe sogar ein paar Spiele gewonnen, ohne dass es jemals ein Titan aufs Feld geschafft hat. Man kann Caw-Blade in die Defensive drängen, wo es sich wie ein braves Controldeck verhalten muss und irgendwann von Summoning Trap oder einem Threat überrumpelt wird; die Manabeschleunigung, die früher Stoneforge Mystic und Sword of Feast and Famine besorgt haben, fehlen Caw-Blade gerade in diesem Matchup ganz gewaltig.

Und dann gibt's da noch die Siegerliste der US-Nationals …

Ali Aintrazi: UB-Control

4 Creeping Tar Pit
4 Darkslick Shores
4 Drowned Catacomb
4 Island
1 Mystifying Maze
5 Swamp
4 Tectonic Edge

1 Black Sun's Zenith
1 Consume the Meek
1 Despise
1 Dismember
3 Doom Blade
1 Go for the Throat
4 Inquisition of Kozilek
1 Into the Roil
4 Jace Beleren
1 Karn Liberated
1 Liliana Vess
4 Mana Leak
4 Preordain


2 Consecrated Sphinx
2 Grave Titan
3 Solemn Simulacrum

Sideboard:

1 Black Sun's Zenith
1 Despise
2 Disfigure
2 Duress
3 Flashfreeze
1 Memoricide
1 Peace Strider
1 Praetor's Grasp
1 Surgical Extraction
1 Volition Reins
1 Wurmcoil Engine


Die Coverage zitiert Aintrazi mit den Worten, hiergegen könne Caw-Blade nur on the play gewinnen und nur mit Squadron Hawk im zweiten Zug. Dass das Deck gut gegen Caw-Blade ist, glaube ich ja, diese Aussage möchte ich jedoch anzweifeln. Nur on the play, das bedeutet schon mal 50%. Muss der Caw-Blade-Magier außerdem noch Squadron Hawk ziehen und darf überdies nicht das Opfer von Inquisition of Kozilek oder Despise werden, fällt seine Siegchance bereits auf … weniger als 20%? Und damit nicht genug: Wenn er einzig auf diese Art gewinnen kann, kann er also auch auf diese Art verlieren. Aintrazis Einschätzung ist offenbar völlig aus der Luft gegriffen beziehungsweise selbst nichts als heiße Luft.

Wie es in Wahrheit aussieht, darüber möchte ich, ohne getestet zu haben, lieber nicht spekulieren. Allem Anschein nach macht blau-schwarze Kontrolle die Dreifaltigkeit komplett. Steel-Aggro ist ein Beispiel für ein Deck, das mitunter mehr Bedrohungen produziert, als Caw-Blade abzuwehren vermag; Valakut kann Caw-Blade überrumpeln; und UB ist mutmaßlich dazu in der Lage, Caw-Blade auszukontrollieren.

Das wäre das Schlusswort. Wobei, eine Sache habe ich noch. Es geht um dieses Feature-Match. Dort spielt Kyle Sanchez ein blau-grünes Milldeck, das angeblich 80% gegen Caw-Blade holt. Das Match hat er gewonnen, genauso wie übrigens alle seine Standardmatches. Tatsächlich hat er im Standard sogar nur ein einziges Spiel abgegeben. Sein Deck taucht in der Coverage dummerweise nicht wieder auf, weil er nach vier Niederlagen in Folge aus dem Draftteil des Turniers leider gedroppt ist. Es dürfte so ähnlich, aber wirklich nur so ähnlich wie dieses hier ausgesehen haben:


3 Forest
8 Island
4 Misty Rainforest
2 Mountain
4 Scalding Tarn
4 Terramorphic Expanse

3 Chandra, the Firebrand
3 Jace, Memory Adept
4 Archive Trap
4 Explore
3 Into the Roil
4 Ponder
4 Preordain


4 Hedron Crab
4 Lotus Cobra
2 Spellskite

Sideboard:

3 Creeping Corrosion
4 Deceiver Exarch
4 Obstinate Baloth
1 Spellskite
3 Splinter Twin


Spellskite und Chandra traten im beobachteten Match nicht in Erscheinung, wohl aber ein Mountain, was auf die fortgesetzte Verwendung des Morphsideboards mit der Twin-Kombo schließen lässt. Den Weg ins Maindeck haben derweil mindestens zwei Visions of Beyond gefunden. Ich hatte eine erste Testversion ausschließlich aus Ländern und den neun Spells gebaut, die in der Coverage aufgetaucht waren, und war ehrlich gesagt überrascht, dass die Visions nicht von Anfang an Teil des Konstrukts gewesen sein sollen. Meiner Meinung nach ein integraler Bestandteil dessen, was dieses Deck am Laufen hält.

Das Maindeck funktioniert fantastisch gegen Valakut und idiotisch gegen Caw-Blade. Wie es sich gegen UB schlägt, ist schwierig einzuschätzen. Gegen alles andere ist es dafür richtig, richtig schlecht und lässt sich lediglich mithilfe des Sideboards retten. Auch einen einzelnen Eldrazi besiegt man wohl nur darüber. Ob das weiterhin eine sinnvolle Wahl fürs Metagame darstellt oder eher eine Verzweiflungstat für Freunde exotischer Decks, kann ich nicht sagen. Wer es ausprobieren möchte, dem drücke ich sämtliche Daumen!

Eine Redensart empfiehlt: If you can't beat 'em, join 'em. Aber das könnt ihr. Caw-Blade ist längst nicht so unschlagbar, wie es manchmal scheint. In diesem Sinne: Beat it!
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