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Allerlei wirre Gedanken um Legacy und um Legacy herum
von Andreas "Zeromant" Pischner
02.03.2010

Grand Prix Madrid. Das größte Magic-Turnier aller Zeiten. Schon wieder! Und schon wieder gewinnt ein Deutscher! Beeindruckend.


Was diese unglaubliche Spielerzahl angeht, fühle ich mich jedenfalls in meinen beiden grundlegenden Ansichten bezüglich Legacy bestätigt:

1.

Legacy hat Standard in der Beliebtheitsskala der Nicht-Limited-Formate von Platz 1 verdrängt. Inwieweit die Stärke von Legacy direkt aus der Schwäche von Standard resultiert, ist allerdings eine interessante Frage: Standard ist auf dem Weg zu einem Nischenformat, Hand in Hand mit Block und Extended. Ein maßgeblicher Faktor dafür ist die finanzielle Unerschwinglichkeit von Standard: Der Preisunterschied zwischen einem Standard- und einem Legacydeck ist unterdessen – trotz des Runs auf Legacy-Staples wie Tarmogoyf und die Doppelländer! – gering genug geworden, dass sich ein Umsatteln auf Legacy tatsächlich bereits in absehbaren Zeiträumen auszahlt. Wenn man sich für Standard alle Vierteljahre vier Baneslayer Angel/Lotus Cobra/Jace, the Mind Sculptor kaufen muss, dann kann man sein Geld auch gleich in Legacy-Staples investieren. Dabei ist der exakte Kostennutzenvergleich zwischen diesen beiden Formaten nicht einmal wesentlich: Standard ist einfach zu teuer geworden, um ein massentaugliches Format zu bleiben. Es hat damit seinen wesentlichen Anreiz verloren, es zu betreiben. Es ist kein Einstiegsformat mehr, aber auch kein Hobbyformat, welches Gamer allwöchentlich nebenher betreiben. Es erfordert ein substanzielles finanzielles Commitment, und selbstverständlich investieren die meisten Spieler, die dazu bereit sind, lieber gleich in das nichtrotierende Format. Der andere maßgebliche Faktor ist derjenige:

2.

Legacy ist zu 90%+ ein Casual-Format. Nur so kommen diese wirklich beeindruckenden Spielerzahlen zustande. Und nur so ist der Dilettantismus, mit dem die Legacy-Community dieses Format so häufig analysiert, erklärbar. Es ergibt durchaus Sinn: Welches andere Format würde ein Casual-Spieler wählen, wenn nicht eines, in dem er seinen Kartenpool auch tatsächlich verwenden kann, und in dem er, größtenteils unabhängig von all den künstlich erzeugten Metagame-Shifts, die Wizards so bewusst im Standard-Format implementieren, sein bevorzugtes Deck mit kleineren Modifikationen konstant pilotieren kann? Die sich in anderen Formaten stellende Frage, „Welche Decks sind zur Zeit spielbar?“, kennt der Legacy-Spieler in dieser Form nicht. Die Vielfältigkeit und Unberechenbarkeit des Metagames bedingen einander. Vor allem aber verklärt der massive Casual-Unterbau dieses Formates die tatsächlichen Kräfteverhältnisse: Auch in Legacy gibt es letztlich nur einige wenige echte Tier-1-Decks, aber die Abgrenzung zu Tier 2 etc. verläuft weniger deutlich. Das liegt nicht nur am allgemein höheren Random-Faktor eines größtenteils von Casual-Spielern betriebenen Formates, es liegt auch an den zahlreichen nivellierenden Karten, die sich im stetig anwachsenden Legacy-Pool befinden. Es gibt eben auf alles Antworten, und wer die richtigen Antworten für die gegnerischen Decks eingepackt hat und zieht – was natürlich zum großen Teil Glückssache ist – kann eben selbst prinzipiell deutlich stärkere Decks schlagen. Legacy ist nicht nur eine Ansammlung der stärksten Magic-Karten aus über 16 Jahren Magic-Geschichte; es ist vor allem eine Ansammlung der stärksten Antworten und Hoser aus dieser Zeit. Sie gestalten Spiele, Turniere und damt das gesamte Environment extra swingy und verwischen die Strukturen des Legacy-Metagames.

Die beiden größten Magic-Turniere aller Zeiten haben in den Formaten Limited und Legacy stattgefunden. Auch Wizards werden diese Realität nun anerkennen müssen. Die Frage ist: Wie reagieren sie darauf? Geben sie Standard als „Standard“ endgültig auf? Machen sie es doch wieder für Einsteiger attraktiver? Oder setzen sie auf Boosterdrafts als ihre Haupteinnahmequelle (was bedeutet, sie räumen Magic Online gegenüber RL-Magic noch höhere Priorität ein)?
-Reserved-List
 
„Reserved cards will never be printed again in a functionally identical form. [...] In consideration of past commitments [...] no cards will be removed from this list. [...] All policies described in this document apply only to non-premium, tournament-legal Magic cards.“

Zur Liste

Und was ist mit den Möglichkeiten, welche die Beliebtheit von Legacy ihnen bietet? Dieses Format kann nicht beliebig wachsen; dem steht die Kartenverfügbarkeit im Weg. Die Reserved-Liste wird zurzeit allenthalben diskutiert, nicht zuletzt deswegen, weil Wizards gerade erst beschlossen haben, sie effektiv außer Kraft zu setzen, indem sie das „Foil-Loophole“ nutzen. Müsst ihr da nicht ebenfalls an diese unsäglichen All-Foil-Alara-Booster denken? All-Foil-Revised-Booster, hmm... Warum nicht gleich All-Foil-Reserved-List-Booster? Natürlich WOLLEN Wizards das.

Es wäre gut für ihre Umsätze. Es wäre gut für die Community. Wobei: Genau genommen wäre es gut für die Community gewesen, diese unsägliche Liste niemals einzuführen, aber dieses Kind liegt nun einmal im Brunnen. Die Frage, ob Wizards Legacy-relevante Karten nachdrucken WOLLEN, stellt sich überhaupt nicht; die Frage ist, ob sie es KÖNNEN. Eine Demokratie mag eine deutlich erstrebenswertere Staatsform sein als eine Diktatur, aber wenn der Weg dorthin über eine Revolution führt, die Bürgerkrieg, Massaker und einen wirtschaftlichen Niedergang mit sich bringt, dann ist dieser Weg möglicherweise trotzdem der falsche. Wizards können diese Liste nicht von heute auf morgen abschaffen oder ignorieren; die Kollateralschäden wären zu groß – der Aufschrei der Händler, Sammler und Spekulanten; der Verlust an Vertrauen. Ironischerweise haben Wizards sich auch diese Grube selbst gegraben: Sobald sie erkannten, welch eine bodenlose Idiotie die Reserved-Liste darstellte, hatten sie zwei Möglichkeiten. Einmal zu sagen: „Diese Liste war eine bodenlose Idiotie, deswegen schaffen wir sie zum Wohl des Spiels wieder ab.“ Ja, auch das wäre ein gebrochenes Versprechen gewesen, vor allem aber ein eingestandener Fehler! Stattdessen entschieden sie sich jedoch für die Variante: „Ja, diese Liste war eine bodenlose Idiotie, aber wir halten trotzdem daran fest, weil wir es versprochen haben.“ Ein Versprechen, das gegebene Versprechen zu halten; eine Bekräftigung eines Schwurs.


Das Problem ist, dass Wizards aus diesem erneuerten Versprechen nun nicht mehr mit ein paar Kratzern herauskommen! Sicher, auch der Bruch des ursprünglichen Versprechens wäre schmerzhaft gewesen, aber dafür hätte die Community gewiss eher noch Verständnis gehabt: Wizards waren 1995 eine blutjunge Firma in turbulenten Zeiten. Niemand konnte voraussehen, welchen langfristigen Erfolg Magic haben würde, und wie weitreichend daher die Konsequenzen dieser Liste sein würden. Lasst euch das eine Lehre sein, liebe Leser: Leichtfertig ein Versprechen zu geben oder einen Schwur zu leisten, ist ein Riesenfehler. Zu diesem Versprechen oder Schwur zu stehen, nachdem man WEISS, dass man einen Fehler gemacht hat – das ist ein größerer Fehler!

Wizards haben 2003 diesen größeren Fehler begangen. Sie WUSSTEN unterdessen, dass sie einen Fehler gemacht hatten, und sie beschlossen, ihn nicht rückgängig zu machen, weil sie sich an ihr Versprechen gebunden fühlten, obwohl dieses Versprechen von völlig anderen Leuten in einer anderen Situation unter anderen Bedingungen abgegeben worden war. Anstatt das Kind aus dem Brunnen zu holen, wobei sie gewiss einige Kratzer abbekommen hätten, stießen sie es noch tiefer hinein.


Und jetzt sind sie an dem Punkt angelangt, an dem sie begreifen, dass sie das Kind herausholen MÜSSEN, und wissen nicht wie. Das ursprüngliche Versprechen könnten sie jetzt brechen – und die Community würde sie dabei lauthals anfeuern! – weil dies das Eingeständnis eines dummen Fehlers wäre, für den sie letztlich nicht einmal verantwortlich waren – die Entscheidungsträger von damals sind allesamt nicht mehr im Amt. Aber das erneuerte Versprechen – dafür waren und SIND sie verantwortlich. Dieses erneuerte Versprechen wurde von der modernen Firma Wizards of the Coast abgegeben, und es wurde unter explizitem Eingeständnis der begangenen Dummheit abgegeben; es war ein Versprechen, bei dieser Dummheit zu bleiben. So langsam allerdings dämmert es ihnen, dass ein offensichtlicher Fehler plus Eingeständnis eigener Dummheit plus eingestandener Unfähigkeit, einen Fehler zu korrigieren in der Summe tatsächlich mehr Schaden anrichtet als das Brechen von Versprechen...

Also tun sie was? Ziehen sie einen sauberen Schlussstrich und sagen, „Hey, wir haben nicht nur einmal, sondern zweimal Mist gebaut, aber wir bringen das jetzt in Ordnung“? Natürlich nicht! Sie winden sich und suchen nach Schlupflöchern. Als sie vor vielen Jahren die Uncommons von der Reserved-Liste gestrichen hatten, verlief das anders, wohlgemerkt: Da haben sie einfach nur die Community gefragt. „Habt ihr etwas dagegen?“, und die Community antwortete, „we couldn't care less“ – und schon tauchten Clone, Juggernaut, Erhnam Djinn und Underworld Dreams als Reprints auf. Da war kein Schlupfloch: Ursprünglich befanden sich alle diese Karten auf der Reserved-Liste, vor Nachdruck geschützt durch ebenjenes VERSPRECHEN von damals. Und wenn man bedenkt, wie JEDE Veränderung, egal ob gut oder schlecht, von einem Aufschrei der Magic-Community begleitet wird, war das relative Schweigen anlässlich dieses Wortbruch damals ohrenbetäubend. Allerdings wurde auch gerade diese Änderung der Liste in das erneuerte Versprechen eingefügt, dessen Inhalt daher eigentlich lautete: „Okay, wir haben unser vorheriges Versprechen gebrochen, aber jetzt geben wir euch ein neues, und das werden wir ganz, ganz, ganz bestimmt nicht brechen!“


Und deswegen beginnt nun die Suche nach Schlupflöchern. Judge-Promos? Da hatte niemand etwas dagegen. Treasures in Zendikar? Ohohoh, schwieriges Terrain... obwohl diese Karten zweifellos nicht nachgedruckt, sondern lediglich vom Sekundärmarkt aufgekauft und wieder in Umlauf gebracht wurden, wurden da doch eine Menge Leute nervös. Besser, man äußert sich offiziell gar nicht dazu. Foil-Nachdrucke in der From the Vaults-Reihe? Nun, dieses Experiment ergab, dass die Community sich nicht täuschen lässt! Zwischen diesem Produkt und den Judge-Promos verläuft eine klare Trennlinie: Wizards verkauft nun regulär neu gedruckte Karten von der Reserved-Liste. Natürlich berufen sie sich darauf, dass der (überarbeitete) Wortlaut ihres Versprechens dies erlaubt, aber es ist einfach zu offensichtlich, dass mit dieser Interpretation die ursprüngliche Intention der Liste ausgehebelt wird. Außerdem ist die öffentliche Meinung, wenngleich nicht einhellig, so doch eindeutig: WEG MIT DER RESERVED-LISTE! Womit Wizards sich – wieder einmal – an diesem Punkt befinden: Alles spricht dafür, dass sie ihr Wort brechen – außer eben, dass sie es dafür brechen müssen. Mein abschließendes Wort zu diesem Thema soll gleichzeitig mein Phrasenquotum für diesen Artikel hier erfüllen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

Die Beliebtheit von Legacy ist jedenfalls unbestreitbar. Ebenso unbestreitbar ist der Graben, der zwischen Legacy- und, nun ja, NICHT-Legacy-Spielern verläuft. Es entbehrt übrigens wirklich nicht jener berühmten Ironie, wenn ausgerechnet ein User wie „Bombo“, dessen Beiträge inhaltlich seinem gewählten Nick durchaus entsprechen, von „Legacy-Clowns“ spricht... Tatsächlich muss man sehr vorsichtig sein, wenn man sich als Minderheit über Mehrheiten lustig macht! Zwar sind Größenverhältnisse nicht alles, aber tatsächlich wäre es unterdessen wohl bereits weitaus gerechtfertigter, von „Standard-Freaks“ zu sprechen! Ja, sicher gibt es „Legacy-Clowns“ – Halbstarke, die beim Versuch, mit den großen Hunden zu pissen, auf die Schnauze fallen. Sicher ist die Legacy-Community in großen Teilen von Dilettantismus geprägt. Doch die beiden hauptsächlichen Gründe dafür liefern bei näherer Betrachtung nicht gerade Munition für die Standardspieler:

Einmal ist eine Masse von Dilettanten zunächst einmal eine MASSE. Dass Standard-Clowns (nennen wir sie doch – zum Beispiel – Duodax?) in der deutschen Standard-Community nicht den Ton angeben, liegt schlicht daran, dass diese Community hinreichend klein ist, dass Kompetenz nicht völlig im Meer ahnungsloser Vielstimmigkeit versinkt. (Für ein Gegenbeispiel hierzu braucht man sich nur ein wenig auf MTGSalvation umzusehen.) Je kleiner eine Community ist, desto höher ist der Anteil derjeniger, die sich mit ihrem gewählten Thema gut auskennen, und desto geringer ist der Anteil an Dilettanten, die sich zu Wort melden.

Zum anderen grenzen sich die „ernsthaften“ Turnierspieler von der Legacy-Szene bewusst und gezielt ab, was dieser Szene natürlich Kompetenz vorenthält. Als Paradebeispiel hierfür will ich die Magic-Bundesliga nehmen. Ihr wisst schon – diese Liga, die mit großem Getöse letztes Jahr vorangekündigt wurde und um die es in diesem Jahr auffällig still geworden ist. (Genauer: für die sich außer Babak keine Sau mehr zu interessieren scheint – nein, das macht Babak zu keiner Sau!) Ach kommt, ihr erinnert euch doch bestimmt noch – diese Liga, bei der MiDi, einer ihrer drei Initiatoren, zur letztjährigen „Endrunde“ nicht angetreten ist, weil er keine Mitspieler gefunden hat...

Diese Liga, die meiner Ansicht nach nicht zuletzt daran scheitert, dass sie die Majorität der Magic-Spieler bei der Wahl der Formate ausgegrenzt hat! Block, Standard und Extended – das sind die drei „echten“ Constructed-Formate; die drei, die regelmäßiger Bestandteil des PT- und PTQ-Circuits sind. Oder, eigentlich: WAREN! Block-Constructed scheint zuletzt gar nicht mehr im Programm zu sein... Letztes Jahr war da eine Pro Tour, aber kein Grand Prix. Dieses Jahr ist da wieder eine PT, und bei den Grand Prix zweimal, Legacy, dreimal Extended, viermal Standard... und natürlich eine Menge Limited. Wisst ihr, ich könnte mir gut vorstellen, dass dies das letzte Jahr ist, in dem überhaupt noch Block gespielt wird! Zu deutlich geht dieses Format denselben Weg wie Rochester-Draft damals: Außerhalb der Pro Tour spielt es einfach niemand! Rochester wurde damals konsequenterweise abgeschafft – welchen Sinn hat es, auf der Tour – die schließlich immer noch zuallererst eine Promoveranstaltung ist – ein Format zu präsentieren, welches in der realen Welt praktisch ausgestorben ist? Und nun überlegen wir einmal, welches andere Format Block ablösen könnte... hmm... In welchem Format fand noch einmal das größte Magic-Turnier aller Zeiten statt?

Wizards sind ein großer, behäbiger Konzern, und insbesondere ihre Planung bei großen Turnieren benötigt einen langen Vorlauf, aber selbst sie sind gedanklich nicht so träge wie die Initiatoren der Bundesliga. Hey – ich bin ja alt genug, um diese nostalgischen Gefühle nachzuvollziehen, aber auch vernünftig genug, um sie als das zu erkennen, was sie sind: Nostalgie eben! Die Bundesliga mit den Formaten Block, Standard und Extended, das ist VERGANGENHEIT. Diese Formate sind tot oder sterbend.

So ziemlich die dümmste Argumentation, die ich in jener ursprünglichen Diskussion immer wieder zu lesen bekommen hatte, war diejenige: Erst einmal alles organisieren – Termine, Veranstaltungsorte, Modus – und DANN schauen, welche Formate man spielt, denn das sei ja nicht wichtig! Au Mann, Leute – welcher Konzertveranstalter mietet erst die Halle, legt den Eintritt fest und beginnt den Vorverkauf, und kümmert sich DANN erst darum, wer auftritt? Oh, dieser Vergleich hinkt euch zu sehr? Na schön: Welcher Tunierveranstalter bei Magic macht seine Kalkulation NICHT maßgeblich vom angebotenen Format abhängig? Wizards jedenfalls tun es. Was meint ihr, warum es zuletzt immer mehr Legacy-GPs und keine Block-GPs mehr gibt?

Zuallererst muss man den Spielern etwas anbieten, was sie spielen WOLLEN. Und die alte Garde der MiDis, Johannsens, Rueßes und von mir aus auch Pischners, die ihre spielerischen Wurzeln noch in der Hoch-Zeit des Turnier-Magic haben, sind da nicht mehr repräsentativ. Ich stand der ganzen Idee, die Bundesliga wiederzubeleben, von Anfang an sehr kritisch gegenüber, weil ich die Nachfrage nach regelmäßigen Pflichtterminen in der Zeit eines Überangebots von Spielmöglichkeiten (insbesondere auch durch Magic Online) nicht mehr sehe, aber eine Abgrenzung und ein Ausschluss von der Legacy-Community, die im Gegensatz zur „ernsthaften“ Turnierspielergemeinde sowohl lebendig als auch zahlreich ist, war wohl der letzte Sargnagel.

Und diese Ablehnung wurzelt in dem Selbstverständnis, etwas Besseres zu sein, RICHTIGES Magic zu spielen. Dabei wird aber völlig verkannt, dass Legacy – zumindest im Ansatz – nicht nur ein ebenbürtiges, sondern sogar überlegenes Format ist! Ja, die Kartenverfügbarkeit ist ein Problem, und mit der Legalwerdung der Portal-Sets und von Starter 1999 (übrigens auch ein gebrochenes Versprechen, doch kaum jemanden außer mir scheint es gestört zu haben) hat sich dieses Problem drastisch verschlimmert. Aber wenn ein MiDi in seiner Kolumne über Standard schreibt, dass er Decks mit dem neuen Jace gar nicht mehr in Betracht zieht, da er selbst keine besitzt (und wenn, dann nur um sie zu verkaufen), dann verliert dieses Argument gegen Legacy seine grundlegende Qualität.


Die fehlende Rotation allerdings, die ist ein grundlegendes Argument FÜR Legacy. Sicher kann man auch die Frische eines sich ständig neu definierenden Formates wie Standard oder gar Block schätzen, aber ganz offensichtlich ist die Nichtrotation der eigentliche „Standard“ und die beste Grundlage für eine langfristige Beschäftigung mit einem Format. Diese „langfristige Beschäftigung“, die ist äußerst wichtig, und die haben Wizards 1995/96 unterschätzt, als sie sich für die Reserved-Liste und die Trennung von „Typ 1“ und „Typ 2“ entschieden: War es damals so gewesen, dass aufgrund des explosiven Wachstums von Magic die Spielerschaft mit Zugriff auf „Typ 1“-Karten immer mehr in die Minderheit geriet, so hat dieser Prozess sich längst umgekehrt: Magic gibt es nunmehr lange genug, dass die Neulinge, für die ein Einsteigerformat wie Standard prinzipiell attraktiver ist (einmal den finanziellen Aspekt ausgeklammert), sich genüber den „alten Hasen“, die sich schon lange damit befassen, weit, weit in der Minderheit befinden. Selbst für Extended beginnt das zu gelten, insbesondere seit die Blöcke, mit denen Magic Online seine Existenz begonnen hat, aus diesem Format herausrotierten, und auch in der virtuellen Turnierwelt die Nachfrage nach „Classic“-Formaten immer mehr wuchs (und durch die nachträgliche Veröffentlichung der alten Karten auch gezielt gefördert wurde). Allein die sich verändernde Altersstruktur der Magic-Gemeinde ergibt zwingend eine Hinwendung zu „Eternal“-Formaten. (Außerdem geht sie Hand in Hand mit der Casual-Natur dieser Formate: Tendenziell können ältere Spieler in ihre Hobbys mehr Geld, aber weniger Zeit investieren.)

Da auch an der Ausgeglichenheit und Vielfalt des Legacy-Metagames kein ernstzunehmender Zweifel bestehen kann, ist letztlich der einzige triftige Grund, warum die „ernsthaften“ Turnierspieler Legacy ablehnen, der, dass es kein „ernsthaftes“ Turnierformat ist. Dies aber liegt nicht in seiner Natur begründet, sondern ist eine Entscheidung von Wizards – und zwar eine Entscheidung, deren Änderung sich am Horizont seit Madrid (und eigentlich, wenn man gute Augen hat, schon erheblich länger) abzeichnet.

Auf dem PT-Level wurde Legacy via Worlds bereits erfolgreich etabliert. Auf GP-Ebene sprengte es schon in Chicago und nun in Madrid noch einmal weit beeindruckender vorherige Teilnehmerrekorde. Was spricht eigentlich gegen eine Legacy-PTQ-Saison? Die Kartenverfügbarkeit wohl nicht, denn einmal sind Legacy-Turniere auch ohne PTQ-Bonus sehr gut besucht, und zum anderen macht es nicht wirklich einen Unterschied, ob Testgruppen von acht Spielern ihre Mythic Rares oder ihre Doppelländer zusammenlegen, damit ein bis zwei von ihnen die gewünschte Deckliste pilotieren können. Heißt es nicht immer, man braucht keine Baneslayer Angel; man braucht nur Freunde, die sie einem leihen?

Das eigentliche Problem ist wohl eher, dass die „ernsthaften“ Turnierspieler nicht mit den Legacy-Clowns befreundet sind, nicht wahr? Man stelle sich das nur vor – Wizards könnten sie dazu zwingen, sich mit denen tatsächlich abzugeben, anstatt sich abzusetzen!


Vielleicht solltet ihr über diese „Bundesliga“-Idee noch einmal nachdenken, Leute. Wenn ihr dieses Projekt dazu nutzen würdet, die Spaltung der Magic-Gemeinde zu kitten, indem ihr euch mit Legacy-Spielern an einen Tisch setzt, dann hat diese Idee vielleicht (aber auch nur vielleicht) eine Existenzberechtigung. Eine Society for Creative Anachronism hat sie im Bereich des Turnier-Magic meiner Ansicht nach nicht. Turnier-Magic hat den Anschluss an die Casual-Spielerschaft verloren und könnte von einer engeren Anbindung an die Legacy-Szene nur proftitieren, und die Legacy-Szene könnte sicherlich von der „Ernsthaftigkeit“ der Constructed-Spieler profitieren, aber letztlich hängt sie auch von der Existenz eines Einsteigerformates ab – über den direkten Weg vom Anfänger zum Legacy-Format alleine kann die Szene sich nicht mit Nachschub versorgen. Standard und Legacy brauchen einander. Auf lange Sicht ist es schwer vorstellbar, dass Magic ohne eines dieser beiden Formate existieren kann. Aber eines sollte klar sein: Wenn Magic tatsächlich eines Tages stirbt und keine neuen Sets mehr erscheinen – dann stirbt Legacy zuletzt.
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