Casual
MiDi und der Tempel des Todes
von Michael Diezel
03.02.2010

Etwas verschlafen wirken noch die meisten der 145 neuen Karten, kaum eine sticht als offensichtlich großartig heraus. Interessant sind jedoch einige, allen voran folgendes Prachtstück:


Der junge Archäologe auf dem Bild wirkt dabei nicht sonderlich begeistert vom Ziel seiner Suche – kein Wunder, warten dort doch sämtliche Ungeheuer, die ein Ozean so zu bieten hat: Kraken, Leviathane, (See-) Schlangen und Oktopoden. (Anscheinend ist dies die am ehesten richtige Pluralform – offenbar begegnet man diesen Achtarmigen nicht oft in Massen).

In unserem aktuellen Kartenuniversum „Standard“ bedeutet dies nicht weniger als neun Zutaten für Frutti di Mare, wobei ein Großteil bemerkenswert unnütz oder teuer ist. Gern auch beides zusammen. Wirklich bezahlbar ist eigentlich nur Kraken Hatchling, dessen Playset eine beachtliche kombinierte Stärke von null auf den Tisch bringt. Ich glaube jedoch nicht, dass unser Freund, der Archäologe gleich diesen Kraken erblicken wird.


Zum Glück erlaubt uns eine erfolgreich absolvierte Quest, die Manakosten schlicht zu umgehen, sodass wir einfach ein Best of Meeresungeheuer auswählen können. Dieses bedeutet meist viermal Inkwell Leviathan, plus nach Belieben noch Lorthos, the Tidemaker, Kederekt Leviathan oder den sympathischen Wrexial, the Risen Deep. Für mehr als Stylepunkte sind diese drei aber selten gut, wobei ein Kederekt schon erst einmal Ruhe aufs Schlachtfeld bringen sollte, allerdings muss man die Quest auch von Neuem beginnen.

Ihr merkt hoffentlich, dass Ihr heute eher kein Deck von mir erwarten könnt, mit dem man sich zu einer Pro Tour qualifiziert oder bei der nächsten DM teilnehmen darf. Der Grund dafür ist nicht etwa mein verschwundener Turnierehrgeiz, sondern ein Dutzend junger Damen, die unter meiner Regie das Fußballspielen lernen und ausprobieren. Letzteres geschah in den vergangenen Tagen erschreckend häufig, u.a. in einem mehrstündigen Turnier.

Draußen
– bei frostigem Schneefall.

Echter Kerl, der ich bin, habe ich mir direkt alles eingefangen, was man sich bei ein paar (kleingeschrieben...) Stunden an der Linie so einfangen kann (und gewonnen haben wir auch nicht). Dadurch wurden meine Testmöglichkeiten sehr eingeschränkt, was gerade bei neuen Karten aber dringend erforderlich ist. Anstatt Euch jetzt Halbgares oder gar nichts vorzusetzen, habe ich diese Variante gewählt. Ende der Geschichte.

Zurück zum Deck, insofern Euer Interesse nicht schon erloschen ist. Folgender Teil darf als gesetzt angesehen werden:

4 Quest for Ula's Temple
4 Inkwell Leviathan
+ ein paar weitere dicke Jungs

Nun will das geheimnisvolle Ula noch gefunden werden. Die Suche besteht dabei aus drei Teilen, der Suche selbst, der Suche nach geeignetem Getier auf der Hand sowie der Suche nach der Suche (quasi: Der Auftrag), schließlich kann man nicht davon ausgehen, die Verzauberung permanent auf der Starthand zu halten. Zum Glück unterstützen sich die drei Punkte gegenseitig, sodass wir den zweiten und dritten Teil zunächst unauffällig ignorieren können.

Um nun ans Ziel zu gelangen, benötigen wir Männer und Bibliotheksmanipulation. Für Letzteres ist unsere Hauptfarbe Blau ziemlich bekannt, für die starken Männer eher nicht so sehr. Deswegen stellt sich rasch die Frage nach einer Zweit- bzw. Drittfarbe für die Bereitstellung des Fußvolks. Schnell wird man dabei allerdings merken, dass wenig Blau gleichbedeutend mit „selten Quest in Runde 1“ ist – und das sollte immer unser Ziel sein, sonst bräuchten wir uns ja gar keine Gedanken über Leviathane und Co. zu machen. Nein, ein paar – zumindest teilweise – blaue Männer braucht es schon und somit begeben wir uns auf eine andere Suche, freundlich unterstützt vom Gatherer.


Folgende rein-blaue Männer stehen dabei in der engeren Auswahl:

Calcite Snapper (1)
Djinn of Wishes (3)
Master Transmuter (3)
Merfolk Looter (2)
Sage Owl (2)
Sphinx of Jwar Isle (1)
Sphinx of Lost Truths (2)
Wall of Frost (1)

Grob lassen sie sich dabei in drei Kategorien gliedern: Die guten Blocker (1), die guten Kartenzieher bzw. -manipulatoren (2) und die guten Kostenbetrüger (3). Netterweise funktionieren Kreaturen sowohl aus Gruppe 2 als auch aus Gruppe 3 ganz hervorragend mit der Suche (2) und den dicken Leviathanen selbst (2, 3). Denn eine weitere Option, einen ultrafetten Kerl aufs Feld zu bringen, ist genauso wenig zu verachten wie die Möglichkeit, ihn im entscheidenden Moment erst mal auf der Hand zu haben.

Ein weiterer Kandidat fürs Deck ist das Pilgrim's Eye, welches nicht nur wunderbar das Mana erhöht (und fixt), sondern gleichzeitig mit verschiedenen Manipulatoren wie Ponder, Jace oder der gefürchteten Eule zusammenarbeitet.

Zwei Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen ergeben sich für meinen Geschmack aus dieser Liste. Zum einen können wir nahezu Monoblau bleiben und einfach ein Best of blaue Kreaturen spielen oder ein Artefakt-Subthema einbauen, wobei neben den hier aufgeführten Robotern noch weitere aus Weiß oder Schwarz hinzukommen müssten. Dies führt wahrscheinlich zu einer höheren Kartenqualität, bei gleichzeitig verringerter Stabilität. Bevor wir uns eingehender mit dieser Frage auseinandersetzen, werfen wir einen Blick auf die Nicht-Kreaturen-Sprüche, die uns letztendlich auch den Platz für die Männer vorgeben.


Hierbei wird man wohl an dem Triumvirat Ponder/Treasure Hunt/Jace, der alte Mind Sculptor nicht vorbeikommen. Ponder und Jace sorgen dabei dafür, dass die Suche voran und keine unbezahlbaren Kreaturen auf die Hand kommen, während eine Schatzsuche bereits rein thematisch nicht außen vorgelassen werden kann, zumal sie dank der sowieso enthaltenen Manipulatoren fast immer für quantitativen Kartenvorteil sorgt. Ein weiterer Baustein sind Halimar Depths, die besonders in der monoblauen Variante einen vernachlässigbaren Nachteil mitbringen, um jede Form der (Schatz-) Suche voranzutreiben. Das Zusammenspiel dieser Karten ist dabei so stark, dass blaue Decks in den zukünftigen Monaten kaum darauf verzichten können. Sie machen sogar aus seltsamen blauen Männern eine schlagkräftige Truppe. Theoretisch wäre es sogar eher denkbar, Ponder zu entfernen, wenn man mit der Eule schon einen ähnlichen Effekt an eine Kreatur getackert vorweisen kann.

Denn der vielleicht einzige Nachteil des ganzen wunderbaren Carddraws sind die vielen Slots, die ihm eingeräumt werden müssen. Vier Ponder, vier Treasure Hunt, drei Jace sowie vier Quests stehen eben auch für 15 Nicht-Kreaturen-Karten, die unsere Suche nach Ulas Tempel zumindest nicht direkt weiterbringen. Entsprechend sollte auch nahezu der komplette Rest des Decks mit Ländern und Kreaturen gefüllt werden, wodurch Kontermagie oder andere Tricks wegfallen.

Bei der Wahl unserer blauen Ritter gibt es neben den Unbezahlbaren folgende drei Versionen:

Variante 1:

Die mit Sicherheit manipulativste. Lediglich die Schildkröte des Vertrauens dient keinem höheren Zweck als dem, im Weg zu stehen. Alles andere bringt uns dem Ziel eines im Spiel liegenden Leviathans ein ganzes Stückchen näher. Bei dieser Version kann man ruhigen Gewissens mal auf Ponder verzichten.

Variante 2:

Die Mini-Kombo Owl/Djinn ist zugunsten soliderer Kreaturen verschwunden. Damit stärkt man die Defensive (und die Offensive gleich mit), kommt aber nicht so sicher zu den Quest-Marken. Überhaupt sucht man selten und zieht dafür oft, wodurch man auch recht schnell die wichtigen Sprüchen finden sollte. Man muss allerdings aufpassen, nicht zu viele Leviathane von der Hand abzuwerfen (Merfolk Looter oder Sphinx of Lost Truths), da man am Ende noch ein paar benötigt, damit es beim Finden von Ulas Tempel nicht zu einer Enttäuschung kommt...

Ansonsten funktionieren Looter und Sphinx in diesem Deck ganz hervorragend, da man neben den unendlich teuren Klopsen (bei nicht beendeter Suche) ebenso überschüssige Quests (irgendwann einfach zu langsam), Länder (hat man dank Pilgrim's Eye und Treasure Hunt meist viele) oder Walls (in den Control-Matchups) gewinnbringend loswird.

Variante 3:

Diese stellt einen Sonderfall dar, da man sich gar nicht erst die Mühe macht, die Bibliothek sonderlich zu manipulieren. Die Suche wird auf dem geradlinigen Weg erfüllt, dass man einfach unendlich viele Kreaturen spielt und deswegen eine hohe Trefferquote in der Versorgungsphase unter Beweis stellt. Nachteil der ganzen Angelegenheit ist, dass sich jede später gezogene Quest recht nutzlos anfühlt, da sie nach Runde 1 gelegt eigentlich immer zu langsam sein sollte. Je nach Platz im Deck kann man da zwar zumindest mit Jace entgegenarbeiten, aber schön ist es trotzdem nicht.

Der große Vorteil der Version ist hingegen die hohe Anzahl virtueller Leviathane in Form des deutlich flexibleren Sphinx Summoner sowie ein theoretischer Alternativplan: Zuschlagen!


4 Island
2 Swamp
2 Plains
2 Marsh Flats
4 Arcane Sanctum
4 Mistvein Borderpost
4 Fieldmist Borderpost

4 Pilgrim's Eye
3 Inkwell Leviathan
3 Master Transmuter
4 Sphinx Summoner
1 Platinum Angel
4 Tidehollow Sculler
1 Sharuum the Hegemon
4 Vedalken Outlander
4 Etherium Sculptor
4 Master of Etherium

4 Quest for Ula's Temple
2 Jace, the Mind Sculptor

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Ihr seht, hier gibt es die vollständige Liste, während die beiden anderen noch eine Manabasis benötigen. Der Grund dafür ist einfach. Im Artefaktedeck baut sie sich ganz von allein, da man auf die Borderposts nicht wirklich verzichten möchte.

Spielt man hingegen Monoblau, gibt es neben den schon gelobten Halimar Depths und den obligatorischen Inseln noch weitere Optionen. Meine Favoriten sind Tectonic Edge und Quicksand, wobei Letzterer aktuell den Zuschlag erhält. Kleine Männer sind für das Deckkonzept einfach zu gefährlich, da man doch eine gewisse Zeit benötigt, um in die Gänge zu kommen. Fügt man alles schön zusammen, erhält man folgende Prunkstücke:

Variante 1Variante 2

3 Quicksand
4 Halimar Depths
16 Island

4 Merfolk Looter
4 Sage Owl
4 Calcite Snapper
4 Inkwell Leviathan
4 Pilgrim's Eye
3 Djinn of Wishes
1 Lorthos, the Tidemaker
2 Kederekt Leviathan

4 Quest for Ulas Temple
3 Jace, the Mind Sculptor
4 Treasure Hunt


3 Quicksand
4 Halimar Depths
15 Island

4 Merfolk Looter
4 Calcite Snapper
4 Pilgrim's Eye
2 Wall of Frost
3 Sphinx of Lost Truths
2 Sphinx of Jwar Isle
4 Inkwell Leviathan

4 Quest for Ulas Temple
3 Jace, the Mind Sculptor
4 Treasure Hunt
4 Ponder

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Das Spielen selbst ist ein riesengroßer Spaß, da man permanent am Kartenziehen oder -tauschen ist, witzige Kombinationen zeigt und am Ende – im Idealfall – mit einer unspielbaren Kreatur gewinnt.

Trotzdem gibt es noch Gegner, die uns nicht einfach bei unserer Suche nach Ulas Tempel begleiten, sondern uns am Erreichen dieses mystischen Ortes hindern wollen. Für solche bietet sich ein Sideboard an. Hierbei sollte man natürlich versuchen, punktuell am Deck des Gegners zu arbeiten:



4 Flashfreeze
3 Negate
4 Sleep
4 Spreading Seas

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Ganz einfach, wobei der Nachteil schnell ersichtlich wird. Nichts davon ist eine Kreatur, was eine erfolgreich absolvierte Quest nicht unbedingt wahrscheinlicher macht, selbst wenn man theoretisch natürlich Ponder, Treasure Hunt oder Jace herausnehmen könnte. (Alternativ kann man natürlich ebenso auf den gesamten Quest-Quatsch verzichten, dicke Männer und die vier Verzauberungen herausnehmen und durch gute Karten ersetzen. Aber dann wäre es ja ein anderes Deck.)

Bleibt die Frage, nach dem Sinn einer solchen Konstruktion.

Nun, zum einen sollte es auch mir nach einem Jahr „Suche nach dem Constructed-Deck“ mal gestattet sein, auf meinen inneren Timmy/Johnny zu hören. Bei nicht allen Spielen werden Rating-Punkte vergeben und mit einem solchen Etwas erntet man sicher interessierte Blicke. Zum anderen sind eine Menge neuer Karten mit Constructed-Potenzial enthalten, die hier ihr ganzes Können unter Beweis stellen dürfen, immerhin müssen sie den Casual-Kram ausgleichen.

Dabei merkt man recht schnell, wer es drauf hat und wer nicht. Supergut ist etwa das Draw-Paket um Jace, Treasure Hunt und Halimar Depths, welches mit wenig Aufwand einen unerhöhten Karten- und insbesondere Qualitätsvorteil bringt.


Ebenfalls überzeugt wurde ich von Calcite Snapper. Die Schildkröte blockt zunächst fröhlich vor sich hin, wobei sie Toughness-1-Kreaturen komplett abstellt. (Okay, davon gibt es nicht so viele.) Jegliche Form von gezieltem Removal prallt an ihr ab, was in diesem Format mit Path to Exile, Lightning Bolt, Smother, Terminate, Maelstrom Pulse etc. unendlich gut ist. Zusätzlich bedroht sie das leere Board ungemein, da vier Schaden nicht zu verachten sind und besonders im Doppelpack kräftig Betrieb machen. Weniger spektakulär, aber dafür extrem solide ist Pilgrim's Eye. Farbloser Borderland Ranger, der Planeswalker piekst und sich heldenhaft für Gatekeeper of Malakir opfert.

Auf der anderen Seite gab es beim Ausprobieren auch ein paar Karten, die enttäuscht haben. Abgesehen von Quest for Ula's Temple (wäre es denn wirklich so broken gewesen, die Meeresungeheuer aus der Bibliothek zu suchen?), war das insbesondere bei Lodestone Golem im Artefaktdeck der Fall. Selbst ideal in Runde 3 ausgespielt, ist das eigentlich zu langsam, um den Gegner ernsthaft zu behindern. Nervt er doch, gibt es immer noch die Toughness von drei, die ihn zum großartigen Ziel von Blitz und Drang zu trinken (den Namen musste ich einfach irgendwie unterbringen) machen.

So weit also mein kleiner Ausflug in die Casual-Welt. Ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder ernsthafteren Content bieten kann. Bis dahin bleibt mir nur noch, Euch ein häufiges Zurückziehen der Küste zu wünschen...

Der MiDi
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