Extended
Die Reise geht weiter, Teil 2
von Artie Heinrich
11.11.2008

[Teil 1 mit Deckliste, Sideboardplänen und der Analyse des ersten Tages findet ihr hier.]

Tag 2

Man hatte am Vorabend schon gemunkelt, dass etwa ein Drittel des Feldes an Tag 2 aus Elfball-Decks bestehen würde – keine guten Vorzeichen für mich. Zudem hatte ich jetzt zwei Nächte hintereinander nur wenig geschlafen (meine Kumpels hatten noch das Super Friday Night gespielt) und wenn die Pro Tour eines erfordert, dann geistige Aufmerksamkeit.


Runde 9: Shuuhei Nakamura mit Elfball

BAMM! Gleich das erste Spiel am Tag gegen den designierten Player of the Year mit meinem schlechtesten Matchup. Wäre ja jetzt schön, wenn ich irgendeine tolle Geschichte erzählen könnte, wie ich mit genialen Spielzügen und unglaublichem Glück das Match noch drehen konnte. Aber im richtigen Leben passiert halt doch auch meistens das, was am wahrscheinlichsten ist. Ich verlor also zwei kurze unaufregende Spiele. Gesideboardet habe ich nach dem Plan, den ich letzte Woche dargelegt hatte, aber er hat mich sowieso zweimal mit Beatdown fertig gemacht. Er spielte übrigens weder Drachen noch Storm-Spells, sondern Tar Fiend.

Shuuhei ist ein total netter Kerl, mit dem ich mich noch richtig gut unterhalten habe. Ich habe ihn gefragt, ob er intensiv für die Pro Tour getestet hätte, da er ja schon seit dem GP Paris in Europa war. Er verneinte und meinte nur, er hätte lieber Sightseeing gemacht und dann einfach Saitou gebeten, ihm das beste Deck in die Hand zu drücken. Schon irgendwie cool.


Runde 10: Masahiko Morita mit Elfball

Das schien so langsam der „Lass Dich von Japanern mit Elfball verprügeln“-Tag zu werden...

Im ersten Spiel geht er erst mal auf gechillte 64 Leben, bevor er mich mit der Drachenkombo besiegt. In Spiel 2 (Sideboarding s. hier) schaffe ich es dann tatsächlich, nachdem ich Chord of Calling und Wirewood Hivemaster mit Cranial Extraction erwischen konnte, mit Worm Harvest mehr Würmer zu machen, als er Elfen hat, und ihn zu überrennen. Ich kann es kaum glauben: Ich habe ein Spiel gegen Elfball gewonnen! Das bringt mir aber leider auch nichts, da ich das dritte Spiel dann wieder gegen Elfenbeatdown verliere.


Runde 11: Philippe Massart mit Next Level Blue

Diese Spiele waren die geilsten der ganzen Pro Tour: Wir haben fast die komplette Zeit gebraucht, es ging dauernd hin und her mit unglaublichen Comebacks – einfach tolles Magic!

Im ersten Spiel tappt er sich für Vendilion Clique in meinem Drawstep aus und discardet mir Damnation. Ich topdecke Death Cloud und schaffe es dann mit Kitchen Finks-Beatdown, einer weiteren Death Cloud und danach acht Runden dauernden Sakura-Tribe Elder-Beats zu gewinnen.

Ich boarde wie an Tag 1 und hoffe v.a. auf meine Ghost Quarter gegen seine Mutavault. Das klappt leider nicht so ganz und er überrent mich mit den Manlands und einem Tarmogoyf. All meine Removalversuche werden mit Countern im Keim erstickt.

Im dritten Spiel schließlich bleibt er erstmal auf zwei Ländern stehen, spielt allerdings noch eine Chalice of the Void für eins. Damit versauert erst einmal Raven's Crime auf meiner Hand und natürlich ziehe ich zielsicher noch drei Thoughtseize nach. Zum Glück kann ich aber Kitchen Finks resolven und bringe ihn auf drei Leben. Er hat inzwischen Länder und eine volle Hand, bouncet und countert mir die Finks und ich schaffe es nicht mehr, auch nur einen Threat aufs Board zu bringen. Am Ende spielt er sogar noch eine Chalice auf zwei, die zwar den Großteil seiner Counter abschaltet, aber auch meine Loam-Rekursion verhindert, die mir irgendwann den Worm Harvest gefunden hätte. Ich verliere schließlich ein ultraenges Match, aber die Spiele waren einfach supergeil und es hat richtig Spaß gemacht.


Runde 12: Hironobu Sugaya mit Zoo

Diese Runde beginnt wirklich klassisch: ich sehe einen Japaner und denke Elfball. Also halte ich eine Hand mit zwei Raven's Crime und Damnation, spiele Overgrown Tomb ungetappt, gehe auf 18, spiele Crime und er wirft Oblivion Ring weg. In diesem Moment denke ich mir nur: Sch***, jetzt erwische ich also den einzigen Japaner, der nicht Elfball spielt. Im Endeffekt war ich natürlich froh darüber. Ich verliere zwar das erste Spiel wegen meiner Fehleinschätzung, kann aber die anderen beiden problemlos gewinnen.


Runde 13: Naoki Shimizu mit Elfball

Na also, ein Japaner mit Elfball, warum auch nicht, gibt ja keine anderen Spieler auf der Pro Tour. So langsam nervt es mich schon ein bisschen, vor allem weil, wie um mich zu verhöhnen, an den Nebentischen dann meistens irgendwelche Zoo-Mirrors gespielt werden.

Ich halte ein Hand mit Turn-3-Damnation. Wenn er also nicht vorher in die Kombo geht, kann ich noch ins Spiel kommen. Natürlich hat er jetzt die Gotthand und kombot mich vorher aus – yeah!

Auch hier schaffe ich es, wie in allen anderen Postboard-Spielen dieses Tages gegen Elfball, die Kombo zuverlässig zu disrupten, sterbe allerdings am ganz „normalen“ Elfenbeatdown mit Dutzenden von Insekten. Zwar spiele ich schon aggressiv in die Fecundity – das ist v.a. gut, wenn er in der darauffolgenden Runde noch Pakte bezahlen muss, und oftmals zieht man auch selber noch ein paar Karten – aber es reicht immer noch nicht, um zu gewinnen.


Runde 14: Taylor Webb mit TEPS (Tendrils)

Ich halte eine Hand mit zwei Raven's Crime und ziehe die beiden anderen innerhalb der nächsten drei Züge nach. Damit kann ich ihn soweit disrupten, dass er mit nur drei Karten seinen Komboturn versuchen muss und fizzlet.

Sideboarding:
Im zweiten Spiel kommt zum Crime-Discard sogar noch Ghost Quarter hinzu, das gegen sein Deck eine echte Strip Mine ist. Trotzdem schafft er es dank Lotus Bloom und Empty the Warrens plus nachgezogenem Rite, mir sechs Goblin-Tokens vor die Nase zu setzen. Allerdings habe ich noch zwei Sakura-Tribe Elder auf der Hand, ziehe dann Life from the Loam und Kitchen Finks nach und damit schiebt er zusammen. Wahrscheinlich muss ich gegen Storm sogar noch zwei Damnation behalten, um dem alternativen Kill mit Empty the Warrens zu begegnen.


Runde 15: Sebastian Pozzo mit Death Cloud

Nicht ganz ein Mirror-Match: er spielt ohne Life from the Loam und Worm Harvest, dafür mit Tarmogoyf, Eternal Witness und Liliana Vess. Allerdings sind Loam und Harvest genau die Karten, die im Mirror den Vorteil bringen. So kann ich nach einer Death Cloud leichter wieder aufbauen und Worm Harvest verwandelt auch ohne Loam jeden Landdraw in Kreaturen. Genauso läuft es dann im ersten Spiel: Zwar kann er zuerst clouden und dann Goyf nachlegen, aber ich mache mir mehrere Runden lang viele, viele Würmer, die ihn zunächst blocken und schließlich überrennen.

Sideboarding:

Ich bin mir nicht mehr sicher, wie genau ich hier geboardet habe. Auf jeden Fall werde ich vollends zum Kontrolldeck, das es auf einen Ressourcenkrieg gerne ankommen lässt, da ich im Endspiel dann mit Loam und Harvest bevorteilt bin.

Im zweiten Spiel schaffe ich es sogar, seinen Garruk zu extirpaten, was mir ungehinderte Planeswalkervorherrschaft sichert. Nun, nicht ganz, denn er bekommt Liliana Vess aufs Feld. Ich zünde zwei Death Cloud, die ihn auf ein Land bringen. Ich habe zwei Länder behalten und Loam mit normalen und Cycle-Ländern im Friedhof, allerdings besteht die Gefahr, dass Liliana in sechs Zügen alle Kreaturen für ihn zurück ins Spiel holt; ich habe also nicht ewig Zeit. Als sich dann nach drei Zügen allerdings ein Tribe-Elder zeigt und im darauffolgenden Zug Worm Harvest in den Friedhof gedredget wird, gibt er nach zwei langen Spielen das Match verloren.


Runde 16: Richard Hoaen mit UB-Faeries

Zum Schluss also noch einmal gegen einen „Name Player“. Rich ist ein netter, ruhiger Typ und wir unterhalten uns ein wenig über seine Vorbereitung, was er im Moment so macht und seine Pro-Player-Karte.

Im Spiel zeigt sich dann, dass er eine sehr aggressive Faerie-Variante mit Bitterblossom spielt. Das macht meine Death Cloud nicht wirklich gut und im Endeffekt erschlägt er mich mit Umezawa's Jitte-ausgerüsteten Faerie-Tokens. Bei mir macht sich auch langsam die Tatsache bemerkbar, dass ich nun schon fast 20 Stunden Magic an zwei Tagen gespielt habe: Ich bin mental einfach ausgelaugt und fange an, Spielfehler zu machen. Das macht es gegen einen erfahrenen Spieler wie Rich natürlich nicht leichter.

Sideboarding:
In Spiel 2 halte ich nach einem Mulligan eine 1-Land-Hand mit Elder und Edge of Autumn, ziehe aber drei Runden lang nur Kitchen Finks. Rich kommt jedoch auch nicht wirklich aufs Board und nachdem ich dann endlich Land habe, kann ich irgendwann einmal einen meiner Threats resolven. Auch seine Jitte kann ich mit Putrefy zerstören und am Ende stirbt er an seinem eigenen Dark Confidant. Ich hätte nie geglaubt, dass ich in einem so extremen Manascrew-Spiel noch ein Comeback schaffen würde – Rich wohl auch nicht.

Das dritte Spiel ist leider sehr ereignislos: Diesmal lässt mich ein Doppelmulligan auf der 1-Land-Hand stehen und ich ziehe nichts nach, während Rich mit Mutavault Beatdown macht. Zwar habe ich irgendwann noch Ghost Quarter, aber als er die Aktivierung dann stiflen kann, ist ein nicht mehr gewinnbares Spiel zu Ende.

Statistik

Stand Tag 2: 3-5 (9:11)
Gesamtstand: 9-7 (21:18)
Mulligans Tag 2: 7x auf sechs Karten, 1x auf fünf Karten
(meist 1-Land-Hände; einmal 6-Land-Hand)



Zoo:
Elfball:
Next Level Blue:
Faeries:
Death Cloud:
Sonstiges:

Statistische Matchups

2
2
1
1
1
1

Tatsächliche Matchups

1
3
1
1
1
1 (Storm)


Gesamtstatistik Matchups
(statistisch / tatsächlich)

Zoo: 5 / 5
Elfball: 4 / 5
Next Level Blue: 2 / 2
Faeries: 1 / 1
Death Cloud: 1 / 1
Storm: 1 / 1
Sonstiges: 2 / 1 (Burn)

Gewonnen-Verloren


5-0
0-5
1-1
0-1
1-0
1-0
1-0

Wenn mir die Wahrscheinlichkeit da nur noch ein bisschen ausgeholfen hätte und ich statt des fünften Elfball irgendein anderes Deck erwischt hätte, dann wäre ich vielleicht sogar im Geld gelandet.

Fazit


Natürlich bin ich mit meiner Leistung mehr als zufrieden; ein 9-7 auf der ersten Pro Tour kann sich durchaus sehen lassen, denke ich. Vor allem auf das 6-2 an Tag 1 bin ich doch sehr stolz. Trotzdem hatte ich mir da schon auch Hoffnungen gemacht, an Tag 2 ins Geld oder vielleicht sogar in die Top 50 zu kommen. Aber man muss einfach sagen, dass mein Deck zwar ein sehr gutes Tag-1-Deck war, aber mit dem Feld an Tag 2 nicht wirklich konkurrieren konnte.

Ich möchte mich noch einmal bei all den Leuten bedanken, die mich beim Testen unterstützt haben, als da wären (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Huy, Sebastian, Kersten, Erik, Alf, Alex, Jeffrey, Felix, Martin, Dennis. Und natürlich bei meiner tollen Frau, ohne deren Unterstützung und Wohlwollen ich bei weitem nicht so exzessiv meinem Hobby frönen könnte.
Auf der Tour zu spielen, hat unglaublichen Spaß gemacht, es war ein tolles Erlebnis und ich werde auf jeden Fall versuchen, das zu wiederholen.

So ist mein Experiment nun erfolgreich beendet. Die Ausgangsfrage war ja gewesen: Kann es ein durchschnittlich talentierter Spieler mit entsprechendem Arbeitsaufwand schaffen, zur Pro Tour zu kommen. In meinem Fall kann ich die Frage jetzt mit ja beantworten. Vielleicht konnte ich sogar den ein oder anderen von Euch inspirieren, es mir gleichzutun. Denn ich kann nur sagen: auf der Tour zu spielen, hat unglaublichen Spaß gemacht, es war ein tolles Erlebnis und ich werde auf jeden Fall versuchen, das zu wiederholen.

Over and Out,

Artie


PS: Ich habe in den Kommentaren zur Coverage hier immer wieder gelesen, was einige Leute über das Elfendeck denken. Ich kann nur eines sagen: Ich bin nicht der Meinung, dass das Deck nur im Moment stark ist und sich das Metagame schon darum kümmern wird, dass es nicht so dominant bleibt. Als jemand, der fünfmal dagegen gespielt und ausführlich dagegen getestet hat, und als Live-Zuschauer der Top-8-Spiele bin ich überzeugt: das Deck ist mindestens so schlimm wie Affinity vor den Bannings von Disciple of the Vault & Co. (wenn nicht sogar wie zu Skullclamp-Zeiten) und dabei deutlich resistenter gegen Hate, als es Affinity je war. Wer mir nicht glaubt, soll sich bitte die Spiele von Scott-Vargas gegen das Tezzeret-Deck von Öberg ansehen.

Ich hoffe inständig, dass die DCI wichtige Karten des Decks bannt, bevor die Qualifier-Saison im nächsten Jahr beginnt. Sonst werden wir nämlich alle keinen großen Spaß daran haben. Die momentane Situation ist auf jeden Fall untragbar, es sei denn jemand hat Freude an Spielen wie dem Halbfinale von Thaler mit fast 500 Lebenspunkten pro Spieler, etwa 100 Kreaturen auf jeder Seite und einer Zugdauer von mehr als 15 Minuten.

Zum Abschluss dieser Bemerkung hier noch die Meinung von Luis Scott-Vargas (Gewinner der Pro Tour Berlin mit Elfen):

As for the state of Extended, my guess (and hope) would be that Elves is put in check by bannings. The deck as it stands is much too fast and resilient, forcing other decks to do way too much to even try and beat it. You even have the elf beatdown plan, which is quite effective.

Treffend gesagt und die Kompetenz von LSV wird wohl auch niemand in Abrede stellen.
-------gggggggggggggggg--------------