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Bei den Eidgenossen
...and justice for all
von Justus Rönnau
01.09.2004

So ca. 2 Wochen vor dem GP Zürich bekam ich eine Mail von Peter Coenen, ob ich den GP Zürich headjudgen könne – er hatte eigentlich Jakub Wysoczanski eingeplant, aber der sagte ab. Genau genommen wollte er dieses Jahr wohl gar kein Turnier mehr Headjudgen und wohl auch von seinem Lvl 4 zurücktreten (was dann nur konsequent ist, denn eine gewisse Aktivität sollte man als Lvl 4er schon haben).
Ich schrieb Peter zurück, dass mir das eigentlich gar nicht gut passt, da ich das Wochenende vorher bei den US Nationals sein würde und bat ihn, sich nach einem anderen Kandidaten umzusehen. Sollte aber ums Verrecken keiner zu finden sein, würde ich das wohl trotzdem machen.

Wen anders gab's aber nicht. Es gibt auch in Europa nicht allzu viele Judges, die einen GP außerhalb ihres Gebietes Headjudgen können. Rune, Gis und Jaap hatten alle keine Zeit, Marc Hernandez arbeitet mittlerweile für Upper Deck und darf somit keine professional events Headjudgen. Auch brauchte dieser GP einen erfahrenen HJ, denn es war kaum zu erwarten, dass Judges mit GP Erfahrung ohne full sponsorship kommen würden – da gibt es nämlich keine in der Nähe, besonders da auch niemand wußte, was es denn nun eigentlich an Judge Compensation geben würde, denn in dem Sponsorship Offer für Zürich stand nichts drin.
Die Alternative zu mir wäre also, jemanden zum HJ zu machen, der noch nie einen GP als HJ gemacht hat und das ganze in einem fremden Land und ohne Backup. Keine gute Idee.
Also sagte ich zu, bat Peter aber den anderen Judges die notwendigen Informationen zu schicken (in erster Linie in welchem Hotel die Judges untergebracht sind), da ich am nächsten Tag schon in die Staaten fliegen würde.

Auf dem Rückweg aus den USA gab's dann auch noch Probleme. Mein Flug ging über Chicago und da tobten wohl mal wieder die Stürme. United sagte durch, dass es deswegen aber keine Umbuchungen machen würde, da in Chicago alles aufgehalten wird, auch sämtliche Anschlussflüge.
So traf ich mit ca. 2-stündiger Verspätung in Chicago ein und stellte da fest, dass die netten United Leute mit „allen Anschlussflügen“ wohl „alle kontinentalen“ meinte – mein Flieger war nämlich schon weg. Damit war ich auch keineswegs alleine, so ca. 200 Passagieren ging es ähnlich.
United versuchte dann noch mich in eine Lufthansa Maschine am Abend reinzukriegen, aber das wollten auch ca. 50 andere Leute, so das das nicht klappte.
Also auf den Flug am nächsten Tag umgebucht, eine Nacht in einer billigen Absteige in Chicago gepennt und dann los. So gegen 5 Uhr Mittwoch morgen war ich dann auch in Frankfurt. Uff.
Dort stellte sich dann heraus, dass die hochkompetenten Mitarbeiter von United mein Gepäck nicht auf den nächsten Flug nach Paderborn (so gegen 7 Uhr), sondern erst auf den um 12 Uhr gebucht haben. Also durfte ich mir in Frankfurt noch mal 7 Stunden um die Ohren hauen. Ich war richtig gut gelaunt.
Am Mittwoch Nachmittag kam ich dann endlich in Paderborn an. Und wenn ich „ich“ sage, dann meine ich damit auch nur mich – mein Gepäck, so erfuhr ich von der freundliche Dame am Flughafen, erfreue sich wohl grade der kalifornischen Sonne. Wie immer es auch dahin gekommen sein mag.
Ich hatte grade das Flughafengebäude verlassen, als mein Name aufgerufen wurde. Die Jungs vom Zoll hatte grade mein Gepäck reingebracht. Warum der Computer sagte, dass es in Kalifornien sei, konnte mir aber auch keiner sagen.

Zuhause angekommen schaute ich erstmal nach wichtigen Mails – und in der Tat, da war eine Mail von Peter, in der er schrieb, dass er schon mehrer Anfragen von Judges nach dem Hotel bekommen habe und dass ich denen doch bitte mal schreiben sollte, weil die müssen ja übermorgen schon abreisen. Ich antwortete ihm mit dem Hinweis, dass er das machen wollte, da ich grade erst aus den USA zurückgekommen sei. Na ja, kurz eine Mail mit Haste geschrieben und abgeschickt.
Im Amigo Forum hatten sich während meiner Abwesenheit auch noch so ca. 30 Regelfragen angesammelt. Die sollte ich wohl noch beantworten bevor ich wieder abreise. Jetzt hatte ich aber erstmal die Schnauze voll, haute mich ins Bett und schlief bis nächsten Mittag.
In der verbleibenden Zeit bis Freitag Mittag schaffte ich es dann auch noch die ausstehenden Fragen zu beantworten und schwang mich jetlagged und vollkommen unvorbereitet in den Flieger nach Zürich. Das konnte ja lustig werden.


Wie oben schon angedeutet, hatte ich ursprünglich etwas Sorgen, was die Qualität und Quantität des Judgestaffs betrifft. Diese Sorgen stellten sich aber als gänzlich unberechtigt heraus. Mit Pasi Virtanen (Finnland), Riccardo Tessitori (Italien) und David Vogin (Frankreich) standen mir noch drei weitere Level 3 Judges zur Verfügung. Hinzu kamen noch einige erfahrene und kompetente Lvl 2er wie Johanna Knuutinen. Ein Hoch auf das Sponsorship der local Offices. Die Judges mit etwasweniger Erfahrung wie Thomas Oelschläger (der einzige Schweizer) und Christian Gawrilowicz waren hochmotiviert und fügten sich auch gut in das Team ein. Auch der Scorekeeper, Frederico Calo aus Italien war sehr kompetent.
Sehr enttäuscht hingegen war ich von Isabell Bollinger, einer schweizer Lvl 2 Schiedsrichterin, die zwar Sponsorship beantragte und das auch bekam, dann aber ohne abzusagen nicht auftauchte. Von Remo Mori (der OP-Manager für die Schweiz) hörte ich, dass das wohl auch nicht das erste mal war. Dafür aber das letzte mal, würde ich vermuten.

Es gab nur ein Problem was die Schieribesetzung betraf. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass ich der einzige deutsche Judge auf einem internationalen Turnier bin. Bei einem GP, der nicht grade am Rande Europas stattfindet aber schon – das ist jetzt kein Vorwurf an die deutschen Judges, ohne Full Sponsorship wäre ich auch nicht da gewesen, auch ohne die Zeitprobleme durch die US Nats.
Wir hatten also mit Thomas, Christian und mir nur drei Judges, die der vorherrschenden Landessprache mächtig waren. In der Tat was es für einen französisch oder italienisch sprechenden Schweizer leichter mit einem Judge zu verständigen als für einen deutschsprachigen (mangelnde Englischkenntnisse immer vorausgesetzt). Ich setzte Thomas und Christian also in die Deckcheck Teams, damit jemand da ist um bei deutschsprachigen Kartennamen zu helfen.
So musste ich des öfteren an einen Tisch obwohl kein Appeal vorlag, schlicht und ergreifend weil sonst keiner frei war, der Deutsch sprach. Und ich sage euch, so ein Schweizer Kiddie richtig in Fahrt ist gar nicht so einfach zu verstehen.

Aufgrund meiner nicht vorhandenen Vorbereitung fiel das Judgemeeting dann auch sehr kurz aus – das hätte ich mit mehr Vorbereitung sicher wesentlich besser machen können.

Eine Sache, die ich mir überlegt hatte und dann auch umsetzen wollte:
In letzter Zeit sind massenweise Hüllen auf den Markt gekommen, die schlicht und ergreifend auf Turnieren mit einem höheren REL als 1 nicht akzeptabel sind – entweder weil sie zu stark reflektieren, weil die Rückseite ein fesches Hologramm ist, welches aber leider nicht gleichmäßig ist, so dass man die Karten von hinten unterscheiden kann oder weil die Rückseite hübsche Bildchen hat, bei denen hier und da aber dummerweise durch Produktionsfehler weiße Flecken sind, die sich hervorragend zum cheaten nutzen lassen.
Natürlich wird der Händler vor Ort darauf hingewiesen und gebeten, potentielle Käufer zu warnen, aber das hilft eben nur begrenzt.
Nun ist es so, dass vor einem Turnier die Masse der Judges zwar vor Ort sein muss (weil immer etwas Unvorhergesehenes passieren kann wofür man dann Leute braucht), die aber eigentlich für ca. 90 Minuten nicht viel oder gar nichts zu tun haben. Die Zeit kann man nutzen, dachte ich mir, und bat meine Judges ab und zu durch die Reihen der wartenden Spieler zu gehen und – so sie illegale Hüllen erblicken – die Spieler darauf hinzuweisen, dass diese Sleeves beim Turnier nicht zugelassen sind.
Ob das einen nennenswerten Effekt hatte oder nicht, kann ich nicht sagen. Es dauerte nämlich gar nicht lange bis David Vogin zu mir kam und mir sagte, dass es ein Problem gäbe: Bei dem Händler waren alle legalen Hüllen ausverkauft. Kurze Zeit später waren auch die weg – es gab keine Hüllen mehr zu kaufen.

Prinzipiell gibt es jetzt zwei Richtungen, die man als HJ einschlagen kann. Zum einen kann man sich an die Regeln halten und die Sache durchziehen. Dabei riskiert man dann aber, dass eineinfaches Warning für Marked Cards – Minor effektiv ein DQ mit Preis wird, da der Spieler an der Markierung der Karten nichts machen kann – wenn er keine älteren oder abgespielten Karten hat, kann er zwar ca. 3 Runden ohne Hüllen spielen, aber danach dürfte sich das auch erledigt haben und so richtig möchte man das ja auch niemandem zumuten.
Die andere Alternative – zu der ich mich entschloss – ist, bei der Beurteilung was nun marked ist und was nicht sehr großzügig zu werden und damit auch nach den Regeln illegale Sleeves zuzulassen. Ist auch nicht grade toll, erschien mir aber als die klar bessere Alternative.
Zum Glück schaffte es der Händler aber im Laufe des Turniers doch noch legale Sleeves aufzutreiben, so dass das alles nicht so schlimm war.
Für den zweiten Tag griff Remo (Mori, der Mensch vom schweizer Distributor) dann auch noch tief in die Carletto-Kiste und brachte einen Stapel neuer Hüllen mit, die wir dann auch umsonst jedem gaben, der fragte und sie brauchte.
So konnten wir dann zumindest am zweiten Tag einen dem REL entsprechenden Maßstab bei der Hüllenbeurteilung anwenden.

Zwischenbemerkung: So eine Situation, natürlich noch etwas auf die Spitze getrieben wäre übrigens als ein Szenario für ein Lvl 3 Interview durchaus denkbar. Wie bei solchen Spielchen üblich wäre dann gar nicht so wichtig, wie sich der Kandidat letztendlich entscheidet (Standard einhalten oder Standard lockern), sondern wie er versucht, das beste aus der Situation zu machen, das Problem zu beheben und wie er seine Entscheidung den betroffenen Spielern vermittelt. Das ganze nur mal so um einen Eindruck zu vermitteln, was in so einem Interview vorkommen könnte.


Bevor das Turnier richtig losging tauchte dann auch schon das nächste Problem auf. Die Bye-Liste, die WotC.be auf die Webpage gestellt hatten und die, die sie im Rechner hatten stimmten nicht überein – kein Wunder, wurden sie auch an unterschiedlichen Stichtagen genommen. Das reichte natürlich noch nicht, also hatten die Jungs von WotC auch gar nicht so die Ahnung, welche Liste denn nun die richtige ist. Die Verwirrung rührte daher, dass der GP „off-Season“ war – der GP war zeitlich etwas vorgezogen worden. Vom Datum her hätte das ein Team GP sein sollen. Welche Bye Liste gilt nun also? Die zeitlich korrekte oder die für die noch nicht begonnene Saison, zu der dieser GP aber schon gehört? Tja, da musste auch ich passen. Ich hätte zwar kein Problem damit gehabt das einfach spontan zu entscheiden, aber wissen tat ich es leider auch nicht. Aber für sowas gibt es ja den guten Rune Horvik, denn der weiß – was sowas betrifft – alles. Und wenn er mal was nicht weiß sagt er trotzdem was, welches dann kurzerhand zur offiziellen Policy wird (weil wenn Rune es nicht weiß ist es auch noch nirgendwo beschlossen, geschweige denn niedergeschrieben worden). Und der Rune hat zum Glück auch ein Handy. Ergebnis war, es werden die Bye-Listen nach Saison, nicht nach Zeitpunkt des GPs benutzt. Das machte einige Spieler sehr unglücklich, bei anderen hingegen hob sich die Stimmung erheblich und die nahmen uns dann auch die Verzögerung gar nicht so übel

Einen Stacker hätten wir fast auch noch erwischt – Johanna Knuutinen hat davon schon in ihren exzellenten Reportberichtet. Also merkt euch – wenn euer Gegner sein Deck stacked, holt einen Judge, aber erst nachdem der Gegner sein Deck präsentiert hat – sonst ist da nicht allzu viel zu machen. Da er in diesem Fall aber schon von einem Judge auf die Sache hingewiesen wurde, war zumindest ein Game Loss vertretbar.

Ansonsten lief alles sehr glatt und sogar die Verzögerung durch die Bye-Geschichte konnten wir wieder aufholen.

Genauso ging es dann auch am 2. Tag weiter. Lustig war höchstens, wie sich René Kraft darüber aufregte gegen einen Italiener mit einem vollkommen random Sealed Deck verloren zu haben, was eigentlich gegen gar nichts gewinnen kann. Sollte jemand (wie ich es tat) bemerken, dass das Deck vermutlich doch nicht so schlecht ist, weil der Typ damit immerhin 11-0 stand erntete er nur einen bösen Blick:D
Für alle, die es noch nicht gemerkt haben, es ging natürlich um Matteo Cirigliano mit dem italienischen „Crystal Witness“ Deck, welches erst durch dieses Turnier bekannt wurde.

Tja, wie gesagt, sonst fällt mir auch nichts mehr ein, was es von dem Turnier Interessantes aus meiner Sicht zu berichten gäbe und deshalb mach ich jetzt auch Schluss.

Als nächstes geht's zur WM nach San Francisco, was sicherlich wieder Stoff für einen neuen Artikel geben wird.

Bis denn,

Justus
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