Casual
The Art of Multiplayer
Teil 3: Der Schatz im Silbersee
von Christian "trischai" Haupt
28.04.2004

The Art of Multiplayer


Teil 3: Der Schatz im Silbersee



Willkommen zum dritten Teil meiner MP-Artikelserie.

Im letzten Teil habe ich mich mit den Brachialstrategien im Multiplayer beschäftigt. Heute werde ich über das genaue Gegenteil schreiben - den Silverbulletdecks.

Hinweis:
Ich versuche immer die Strategien für sich darzustellen. Im Grunde spielen aber die meisten Decks mit mehreren Strategien gleichzeitig, so ist Manaverdopplung mit Silver Bullet recht üblich, da man dadurch erstmal eine größere Auswahl an Silver Bullets hat und auch genug Mana, um den Tutorspruch und die Karte in einer Runde zu spielen. Deswegen stelle ich hier nur Strategien vor, die auch das Potenzial haben, alleine zu funktionieren. Oftmals kann man auch nicht unterscheiden, ob das nun die eine oder andere Strategie ist. So können Rebellen einmal zur Mogelstrategie oder aber zur Silverbulletstrategie gezählt werden.

Erstmal eine Erklärung des Begriffs Silver Bullet. Eine Silver-Bullet-Karte hat gegen eine bestimmte Karte/Strategie des Gegners einen äußerst starken Effekt, gegen andere
Karten/Strategien macht sie aber so gut wie nichts, sprich sie ist hochspezialisiert. So ist Tsabo's Decree gegen ein Rebellendeck richtig gut, aber gegen ein gemischtes Kreaturendeck meistens nur ein teures Terminate. Das ist die herkömmliche Definition. Im MP kommt noch der Casual Aspekt hinzu. Es gibt oftmals Karten, die sind wirklich schlecht, würden zwar in das Deck vom Stil/Mechanik passen, aber man will sie eigentlich nur zeihen, wenn das Deck schon gut läuft. Sie sind deswegen quasi Silverbullets eher Platzpatronen aber was soll's - sie geben die wichtigen Stilpoints für ein Deck. Um nicht Gefahr zu laufen, zu viele nutzlose Karten zu ziehen, sind Silverbullets nur 1-2 mal im Deck (wenn überhaupt -> Wishes) und werden mit Tutoreffekten im Bedarfsfall geholt.

Diese Strategie ist wegen der natürlichen Verlangsamung von MP erst interessant.
Da jeder nicht nur einen Gegner hat, sondern mehrere, muss ein Deck mehr als 20 Schaden machen können. Viele typische Turnierbeatdowndecks schaffen das nicht und gehen in Multiplayer ein. Denn sie brauchen erstmal ein bisschen länger für den Kill, da sie mehr Removal abbekommen, entweder durch Teamkameraden des Gegners oder durch andere Spieler, die nicht wollen dass der Ravager/Piledriver bei ihnen angreift. Der zweite Punkt ist, dass wenn sie denn ersten Gegner schaffen, sie durch Massenremoval oder eigenes Verschulden (siehe RavagerAffinity) mit nichts mehr dastehen. Gegen den Rest, der sich im frühen Lategame befindet, können sie dann logischerweise nichts mehr ausrichten, denn viele Multiplayerdecks sind diesen Beatdowndecks im Lategame bei weitem überlegen. Die meisten Decks spielen, um diese Lategameschlacht zu gewinnen, sehr Ressourcen schonend und sind deswegen langsamer. Diese Verlangsamung ist nicht riesengroß, 2-3 Runden maximal, aber das reicht vollkommen aus, um die Tutorstrategie spielbar zu machen.

Hinweis:
Diese Strategie ist nichts für Anfänger, da sie doch ein erhebliches Maß an Erfahrung beim Deckbau und bei der Spielpraxis braucht, um sie erfolgreich und schnell spielen zu können. Einmal braucht man für den Deckbau einen guten Überblick, was in der jeweiligen Spielgruppe gespielt wird und beim Spielen darf man auch nicht grübeln welche Karten man sich holt. Das Beste, um diese Strategie zu lernen, ist bei Turnieren oder der Vorbereitung ein Deck zu spielen, dass Tutoren und Silver Bullets benutzt. Erstmal ist die Deckliste schon vorgegeben, meistens existieren auch Artikel über das Deck und wie man es gegen andere Turnierdecks spielt, was das Lernen stark erleichtert. Weiterhin lernt man schneller durch 1:1 Spiele, da man locker 4 Spiele schafft in der Zeit von einer MP-Runde.


Die Tutorstrategie wird gleichermaßen von Beatdown und Kontrolldecks genutzt, nur erfüllt sie unterschiedliche Zwecke.

Fangen wir beim Beatdown an. Die Hauptaufgabe neben der Anpassung an die Gegner, ist die Aufrechterhaltung des Drucks. Der gängige Aufbau eines Silver Bullet Beatdowndecks ist der Kern und die Silver Bullets, für Tunierspieler sicher nichts Neues. Die Aufgabe des Kerns ist ein für MP-Verhältnisse stinknormales Beatdowndeck zu sein. Denn viele Probleme schafft man sich schon durch einen guten Angriff aus dem Weg. Deswegen müssen die Silver Bullets den Angriff so gut wie möglich unterstützen und das ist auch schon das ganze Geheimnis dieser Decks im MP.

Ein Beispiel zur Erklärung:
Ich könnte in einem B/G Aggrodeck mit Vampiric Tutor folgende Karten als Tutorziel gegen Artefakte ins Deck nehmen: Oxidize, Naturalize, Null Rod, Kill Switch, Viridian Shaman, Pernicious Deed, Splinter, Glissa, Molder Slug und Woodripper.

Tja welche sind nun gut im MP. Gehen wir sie mal einzeln durch. Oxidize ist schlecht, da es zu speziell ist und auch nur ein Artefakt handeln kann, Naturalize ist kein Silver Bullet sondern eine ganz normale Karte im MP, die so selbstverständlich gespielt wird wie Skullclamp im Typ2 (warum das so ist im nächsten Artikel), sie würde also zum Kern gehören. Gegen Null Rod spricht die Ethik, wenn mit den Artefaktländern in der MP-Gruppe gespielt wird. Multiplayer sollte Spaß machen - dazu gehört, dass ich mit den anderen zusammen spiele und nicht alles tue damit sie nicht mitspielen. Null Rod stellt für 2 Mana sämtliches Artefaktmana ab und das verkraften die meisten Affinity-Decks nicht. Darüber hinaus macht Nullrod einfach zu wenig, die Permanents bleiben im Spiel und nachdem Null Rod zerstört wurde, ist alles beim Alten. Ähnliches trifft auch auf Kill Switch zu, nur das dieses mehr Artefakte zeitweise abstellen kann. Die nächsten Karten sind schon interessanter. Viridian Shaman ist eine klassische 2:1 Karte. Man zerstört das gegnerische Artefakt und bekommt noch eine 2/2er dazu, die angreifen/blocken kann und für die die Gegner, meistens noch eine zweite Karte einsetzen müssen, um sie wieder loszuwerden. Abgesehen vom Kartenvorteil sind solche Kreaturen sehr nützlich im häufig auftretenden zwei Fronten Dilemma. Auf der einen Seite muss man ein störendes Permanent loswerden auf der anderen Seite muss man angreifen oder wird selbst angegriffen und muss Blocker bereitstellen. Dieses Problem löst man am besten durch solche Kreaturen. Wobei ich das nicht nur auf Kreaturen beschränken will. Es ist einfach nur wichtig, dass die Silver Bullet Karte nicht nur das Board gegenüber dem Gegner mit dem störenden Permanent verbessert, sondern auch gegenüber dem Rest des Tisches. In diesem Sinne sind Molder Slug, Woodripper und Glissa ganz oben auf der Liste. Wobei sich, welche Karte die bessere ist, nach dem eigenen Deck und dem Metagame der Gruppe richtet. Woodripper ist z.B. dann gut, wenn viele Artefakte gespielt werden und Molder Slug nur leidlich nervig ist, weil die Gegner erstmal „überschüssige“ Artefakte opfern. Woodripper wäre auch dann besser, wenn das B/G Deck mit einem Weg spielt, Kreaturen wieder aus dem Graveyard zuholen, was in der Farbkombination ja schon fast normal sein dürfte. Glissa + Viridian Shamane sind sicher im Deck wenn dieses Skyshroud Poacher spielt usw.

Kommen wir noch zu den letzten beiden Karten Splinter und die Deed. Splinter ist so eine merkwürdige Karte. In vielen Fällen bringt ein Viridian Shaman größere
Vorteile und ein Break Asunder/Creeping Mold hätte mehr Optionen. Ein anderes Problem der Karte ist noch, dass Splinter eine asoziale Seite haben kann. Wenn ein Gegner sich ein Deck um Power Conduit gebaut hat und das auch nur richtig mit der Karte läuft, dann kann Splinter schon assig sein. Splinter hätte nur dann eine Berechtigung, wenn mit vielen unzerstörbaren Artefakten gespielt wird. Falls man dann gezwungen ist Splinter zu spielen, kann man immer noch den Effekt abschwächen, indem man die Kopien nicht findet. Pernicious Deed ist neben Naturalize auch ein No Brainer. Solche Karten braucht man geradezu im MP, sonst entarten MP-Partien sehr schnell. Ohne die Gefahr von Massenremoval fangen die Spieler an und spielen alles einfach sinnlos aus und die Spiele verkommen zu -Wer packt die meisten untargetbaren Permanents auf den Tisch-. Pernicious Deed hat zu dem noch die Vorteile, dass die Aktivierung mit Instantspeed erfolgt und sie kann so eingestellt werden, dass minimaler Schaden beim eigenen Team auftritt. Das Rüstzeug des Decks mit Recurring Nightmare könnte gegen ein Artefaktheavy Meta also so aussehen. Core: 4* Naturalize; Silver Bullets: 2* Pernicious Deed, 1* Viridian Shaman, 1* Woodripper.

Auf die Removalfrage werde ich noch mal genauer im Teil „Abrüsten“ eingehen. Und wie immer gilt, dass das alles stark Metagame abhängig ist. In manchen Gruppen wird vielleicht so gut wie keine Verzauberung gespielt, dafür aber haufenweise Affinity, dann wären die 4 Naturalize sicher Oxidize und man könnte über Null Rod nachdenken, um die exzessive Benutzung von Artfaktländern zu bestrafen.

Ein wichtiger Aspekt bei diesen Beatdown Decks ist auch, dass die Manakurve bis hoch zu 7-8 Mana mit Silverbullets in Form von guten Beatdownkreaturen besetzt ist. Viele MP-Spieler unterschätzen die Vorteile durch einen beständigen Angriff. Aber genau dass müssen diese Decks schaffen, ansonsten laufen sie denn anderen Decks nur hinterher. Ein Gegner unter Druck hat weniger Möglichkeiten, er muss sich erstmal um das Überleben kümmern und kann nicht den eigentlichen Deckplan verfolgen. In 50% der Fälle ist es natürlich so, dass die Gegner gleich eine Antwort parat haben. Aber eine Antwort wurde gebunden, was dem eigenen Deck bzw. dem Deck eines Teamkameraden im nächsten Zug wahrscheinlich mehr Luft zum spielen gibt.

Bei den Kontrolldecks ist es ähnlich. Diese sind aber mehr am Kartenvorteil und der endgültigen Abschaffung des Problems interessiert. Wie man aus meinen bisherigen Ausführungen sieht, gibt es im MP eigentlich keine reinen Beatdowndecks mehr sondern jedes ist zu einem gewissen Teil Kontrolldeck. Deswegen verschwimmen ziemlich schnell die Grenzen zw. Beatdown- und Kontrolldecks im MP. Es gibt aber so etwas wie die reinen Kontrolldecks im MP und zwar sind das die „Kombo“-Kontrolldecks. Diese Decks versuchen einen Softlock für einen bestimmten Bereich des Spiels zu erschaffen. Dieser Lock versucht eigentlich immer das eigene Ableben zu verhindern und so das Spiel zu kontrollieren.

Beispiele wären:
Kampfschaden: Landtax + Constant Mist (+Planar Birth)
Kreaturen: Avatar of Woe + Pemmins Aura oder Spirit Mirror + Unnatural Selection; Dauercounter: Forbid + 2 Squees usw.

Diese benutzen die Tutoren eigentlich nur aus dem Grund, den Softlock konstant spielen zu können. Aber bei Tutoren ist es immer das Selbe, wenn man erstmal welche spielt, kommen fast automatisch Silver Bullets hinzu.

Um zu verstehen, was nun für Kontrolldecks gute Tutor Targets sind, ist es wichtig zu wissen, wie diese im MP funktionieren. Grob unterteilt sich das in zwei Richtungen, entweder das Kontrolldeck spielt alleine oder es spielt im Team. Wenn ein Kontrolldeck auf sich gestellt ist, heißt der Schlüssel zum Erfolg Massenremoval und dem Erzeugen des „Ich kann eh nichts gegen das Deck machen“ Gefühls bei den Gegnern. Am Anfang schütz sich das Deck mit Spotremoval und Mauern bis zum ersten Wrath of God oder so etwas in der Art. Danach fängt die Aufbauphase an und das Kontrolldeck versucht sich wieder mit Spotremoval über Wasser zuhalten, aber auch Teile des Softlocks auszulegen. Wenn der Softlock komplett ist verlagern sich diese Decks auf das Beschützen ihrer Karten, da sie nun von den anderen zwangsläufig zerstört werden müssen um noch zu gewinnen. Sehr häufig geschieht das durch Counterspells. Wenn das auch noch ein wieder verwendbarer Counter wie Forbid ist, resignieren viele; aber genau hier stellen sich die Spieler im MP selbst ein Bein. Denn im Gegensatz zu 1:1 spielen hier noch andere mit und diese warten vielleicht nur auf eine günstige Gelegenheit. Auf diese Problematik gehe ich im Artikel über Free for All noch mal genauer ein.

Jetzt werden sich manche Leser fragen: „Ja warum brauchen denn diese Decks noch Silver Bullets?“ Kurz gesagt zum Abdichten von Schlupflöchern. Viele „Kombos“ dieser Decks legen zwar viele Arten zu verlieren lahm aber es gibt auch viele Möglichkeiten eine Strategie zu umgehen. So bereiten unzerstörbare/untargetbare Kreaturen vielen Kontrolldecks Probleme oder die Hauptstrategie ist gegen Kreaturenschaden ausgerichtet aber gegen Burn/Millen sind sie mit der Strategie machtlos. Die Silver Bullets müssen deswegen diese Probleme lösen können.
Kontrolldecks für Teamformate können nicht, um sich Zeit zu verschaffen, primär auf Massenremoval setzten. Zum einen müssen sie das gar nicht, da der Rest des Teams einen Teil der Schutzfunktion übernimmt. Zum anderen bringt es nichts das Board ständig zu reseten, denn die Teamkameraden werden dann ja gleichermaßen zurückgeworfen. Massenremoval wird von diesen Decks eher als Tutorziel gespielt um im Notfall darauf zurückzugreifen. Diese Decks übernehmen vielmehr die Rolle des Beschützers und Aus-dem-Weg-Räumers. Die gegnerischen Decks werden am Anfang geradezu bombardiert mit Removalsprüchen, um die eigenen Leute zu entlasten und durch den Druck den diese hoffentlich aufgebaut haben zu gewinnen. Die Silver Bullets dieser Decks sind deswegen Sprüche, die maximalen Schaden beim Gegner aber minimalen beim eigenen Team anrichten bzw. sind Antworten auf schwer zu lösende Probleme. Beliebt sind diese Decks als Emperordecks und ich werde deswegen diese Spielweise im Teil Emperor noch einmal genauer beleuchten.

Ein wichtiger Grund für das Spielen von Tutoren fehlt aber noch und zwar die Platzersparnis. Durch die schon angesprochene Verlangsamung kann man es sich leisten einen wichtigen Spruch nicht unbedingt viermal zu spielen, sonder weniger und ihn mit einem Tutor zu holen.

Dazu ein wieder mal ein Beispiel:
Ich will je vier Blastoderms und Phantom Zentauren spielen habe aber nur noch für 7 Karten Platz, dann kann ich jeweils drei und ein Worldy Tutor spielen. Ich hab jetzt beide virtuell viermal im Deck aber insgesamt nur 7 Karten verbraucht.

Meistens ist es aber so, dass man durch diese Maßnahme Platz macht für eine weitere Karte und an der Stelle ist man dann ganz schnell wieder bei einem Silver Bullet. So könnte man in dem Beispiel für die nun freie 8. Karte ein Virirdian Zealot spielen und hätte damit rechnerisch zwei Naturalize-Effekte mehr im Deck. Ähnlich verhält es sich, wenn man eine Karte wirklich sicher braucht, dann kann man die Beschränkung von jede Karte nur 4* im Deck durch Tutoren umgehen und dadurch das Deck konsistenter machen.


Fazit

Diese Strategie ist für erfahrene Spieler ziemlich verlockend, da sie einem erlaubt maximal ins Spielgeschehen einzugreifen oder sich anzupassen. Für unerfahrene Spiele sieht es deswegen häufig so aus, als hätten diese Decks Antwort auf alles und das immer zur rechten Zeit. Aber diese Situation hinzubekommen ist sehr schwer. Schon beim Deckbau muss man jede Karte auf die Goldwaage legen und überprüfen, ob sie zum Deck passt. Während des Spielens dann keine Fehler zu machen, ist dann schon eine richtig gute Leistung. Aber genau das macht den Reiz dieser Decks aus, ständig überlegen: Welche Karte ist die Richtige? Wann spiel ich sie aus?.... um dann mit chirurgischer Präzision zuzuschlagen und diesen [insert personal hate decks here] zu zeigen wo der Hammer hängt.


Fazit über Teil 2 + 3

Die drei Strategien Verdoppeln, Bescheißen und Silver Bullet sind die Grundstrategien im Multiplayer und 90% aller guten MP-Decks lassen sich mindestens einer dieser Strategien zuordnen. Sicher könnte man die Strategien anders einteilen - das würde aber nichts an ihrer Stärke ändern. Ich habe es einfach so gewählt, da für mich diese Einteilung die meisten MP-Decks abdeckt und ich so weitere Probleme besser erklären kann. Vielleicht hab ich ja den einen oder anderen schon durch die Erläuterung der Strategien geholfen ein besseres Verständnis für MP zu entwickeln.

bis zum nächsten Artikel

Christian „trischai“ Haupt

Links zu
The Art of Multiplayer - Teil 1: Stil
The Art of Multiplayer - Teil 2: Klotzen nicht Kleckern
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