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Febmrz.doc
Ein besserer Titel ist mir leider nicht eingefallen
von Justus Rönnau
10.04.2004

So, da bin ich wieder nach einer kleinen Pause – ich bin leider nicht jemand, der auf Kommando (gut) schreiben kann, ich brauche dafür die richtige Stimmung, den Drang eben etwas zu erzählen. Ich will aber nicht verhehlen, dass auch die Tatsache, dass ich Internet-mäßig heute auf dem Trockenen sitze etwas damit zu tun hat...
Zumindest hab ich es so endlich geschafft, mit dem ersten Teil anzufangen.
Ich werde hier nicht von allen Turnieren in der Zeit, die ich gejudged habe, berichten. Bei einigen war nämlich einfach nichts los – also ein sehr gelungenes Turnier aus Schiedsrichtersicht.

Zwischenbemerkung: Das ist eines der Dilemma am Schiedsrichtern. Einerseits freut man sich ja, wenn es keine besonderen Vorkommnisse gibt – das Turnier ist damit ja super gelaufen. Andererseits bedeutet das – zumindest ab einem gewissen Erfahrungsgrad – auch, dass man mal wieder nichts (außer vielleicht ein wenig Routine) dazugelernt hat.
Besonders extrem kann das bei großen Turnieren als HJ sein. Mit „groß“ meine ich nicht unbedingt die Spielerzahl, sondern die Anzahl der Schieris – also wenn man NUR HJ ist und nicht einer der Judges, dabei aber der, der im Zweifelsfall entscheiden muss. Bei diesen großen Turnieren macht man eben also HJ nichts anderes als die anderen Schieris einzuteilen (also organisatorischer Krams), versuchen die ganze Sache im Überblick zu behalten (damit man Dinge, die nicht gut laufen so bald als möglich erkennt), Appeals anzuhören und eben – natürlich natürlich nach Absprache mit anderen erfahrenen Schieries – die schwerwiegenden Entscheidungen zu treffen.
Bei mir war das bei meiner 2. DM als HJ (2002) und beim GP Heidelberg so. Ich kam mir da fast überflüssig vor. Außer Teams einzuteilen und so 3 Appeals pro Tag hatte ich da nicht viel zu tun. Das Problem ist eben nur, dass man jederzeit auf einmal GAAAANZ viel zu tun bekommen kann, so richtig entspannend ist das also auch nicht. Aber eigentlich ist das ja genau das, was man erreichen will.



Wie dem auch sei. Beginnen werde ich mit dem Trader Turnier im Februar. Eigentlich war das Turnier recht ruhig, wenn man mal von zwei Begebenheiten absieht, die sicherlich erzählenswert sind.

In Rd. 2 werde ich von André Müller (aka TrashT) an einen der niedrigen Tische gerufen (er hatte erste Runde mit seinem Goblin Deck verloren). André sagte sein Gegner, Markus Zwicklbauer (recht jung und allen Anschein nach Turnieranfänger) hätte zu viele Karten gezogen. Das lies sich recht einfach nachzählen, denn das Spiel war noch nicht alt. Tatsächlich hatte Andrés Gegner drei Karten mehr als er haben sollte. Außerdem meinte André, dass sein Gegner letzte Runde 2 Goblins und eine Spellbomb gespielt hätte – der hatte jetzt aber sechs Karten auf der Hand.
Ich fragte Andrés Gegner, ob er diese Karten tatsächlich letzte Runde gespielt habe (sein getapptes Mana passte dazu). Das bestätigte er. Ich fragte ihn dann, wie er dann 6 Karten auf der Hand haben kann. Da gab er zu gecheated zu haben. Das war ziemlich weise von ihm, denn die Situation war schon sehr offensichtlich und ich hätte ihn auch ohne, dass er es zugibt DQ‘d. Mir fällt zumindest auch in der Theorie keine andere Erklärung ein, die sich nicht sofort anhand der Spielsituation zu widerlegen gewesen wäre. Ein DQ wäre es also so oder so gewesen, aber seine Ehrlichkeit wird ihm wohl zumindest eine Sperre ersparen (vermute ich mal, auch wenn ich da nicht drüber zu entscheiden habe).

Weniger intelligent stellte sich dann der Julian Leimkühler in Runde 8 an. Der spielte am dritten Tisch unter den Augen vieler Zuschauer gegen Alexander Jersch. Alex rief mich an den Tisch und meinte, sein Gegner hätte irgendwie viel mehr Handkarten, Permanents und Karten im Friedhof als er haben dürfte. Ein kurzes Nachzählen (wir waren erst im vierten Zug) ergab, dass Julian 5 Karten zu viel hatte. Beide hatten eine Mulligan auf 5 genommen. Ich fragte Julian, wie es denn zu der Diskrepanz kommen konnte. Er gab zu, aus versehen eine Karte zuviel gezogen zu haben. Für die anderen vier hatte er aber keine Erklärung. Na ja, mir ist da spontan eine eingefallen...
Versehentlich eine Karte zu viel zu ziehen kann mal passieren. Das jemand nach einem Mulligan wieder 7 zieht und der Gegner das nicht merkt kann auch mal passieren. Ich nehme aber niemandem ab, dass er in vier Runden fünf Extrakarten zieht ohne es zu merken. Also noch ein DQ. Bei Julian halte ich eine Sperre für wesentlich wahrscheinlicher, da er bis zum Schluß versuchte, sich aus der Sache rauszureden.

Randbemerkung: Einige Spieler sind immer noch der irrigen Annahme, dass der Judge einem Spieler einen Betrug nachweisen muss – so wie bei einem Gerichtsverfahren eben. Das ist nicht korrekt. Es reicht vollkommen aus, wenn der Judge ausreichend davon überzeugt ist, dass der Spieler die Regeln mit Absicht gebrochen hat. Was ausreichend ist, unterliegt der Einschätzung des Judges. Das mag sich unfair anhören, ist aber zwangsläufig notwendig. Das liegt daran, dass für einen DQ in der Regel die Absicht entscheidend ist, also ob jemand bewußt die Regeln gebrochen oder einen Regelbruch verschwiegen hat. So was läßt sich aber praktisch nie zu 100% nachweisen. Man sollte sich als Judge aber schon sehr sicher sein, dass jemand Betrogen hat bevor man ihn rauswirft. Und über eine möglich Sperre (was ja die wesentlich härtere Strafe ist) entscheidet sowieso die DCI nachdem sie den Fall noch mal untersucht hat.

Puuh, zwei DQs in einem Turnier. Es ist verdammt lange her, dass mir so was das letzte Mal passiert ist. Wenn ich mich recht erinnere war das beim zweiten GP Wien (2001), meinem ersten GP als Vollzeit-Headjudge – und das war eine Bribery Geschichte, an der eben zwei Spieler beteiligt waren.


Die NRW Regionals liefen auch recht ruhig und problemlos ab – kein Wunder, denn Judgemäßig waren wohl dieses Jahr keine Regionals besser besetzt. Neben mir waren noch Michael Hüllecremer, Lars Freitag, Stephan Klöckner und als Veranstalter und Scorekeeper natürlich André Bronswijk da (nicht zu vernachlässigen, denn André macht immer wieder einen sehr guten Job).
Interessant (zumindest für diesen Bericht) wurde es erst in der Top 8, wo es zwei nicht ganz normale Szenen gab.
Die erste war im Viertelfinale zwischen Alexander Rikeit und Matthias Wigge.
Das Problem war, dass nicht 100% klar war, wie es denn mit den Lifetotals aussah. Matthias war fest davon überzeugt, dass die Aufzeichnungen des Table Judges (Stephan Klöckner) nicht korrekt waren (Matthias hatte auch mitgeschrieben, Alex nicht). Matthias konnte recht einleuchtend erklären, wie der Fehler zustandegekommen sein könnte (einmal beim falschen Spieler aufgeschrieben) und auch Stephan gab zu, dass er sich durchaus getäuscht haben könnte. Tja, was soll man als Head Judge da machen? Da gibt's eigentlich nur eins – ich sagte Stephan, dass er sich für die Version entscheiden sollte, die er für wahrscheinlicher hält. Da Matthias die Sache gut erläutern konnte und Alex sich auch nicht so sicher war, entschied er – wie ich es wohl auch getan hätte – für Matthias.
Also liebe Judges, falls ihr einmal in die Situation kommt, Tablejudge zu machen, denkt daran, Veränderungen bei den Lifetotals immer anzusagen – so fallen solche Fehler recht schnell auf. Denn Fehler passieren jedem mal.
Die zweite Situation gab es dann im Halbfinale zwischen Alexander Rikeit und Roland Bode. Ich war Tablejudge beim anderen Halbfinale, als ich hörte, dass am anderen Tisch erregt diskutiert wurde, also stoppte ich mein Spiel und ging mal nachschauen. Die Situation war die Folgende:
Alex griff mit einem Haufen Goblins, u.a. einem Piledriver an. Roland wollte blocken. Der nachfolgende Dialog ist vermutlich nicht wörtlich korrekt, aber schon vom Inhalt her:
Alex: „Vorher schieß ich noch auf deine Kreatur“ (per Siege-Gang Commander).
Roland: „Wann genau machst du das denn?“
Alex: „Direkt nach der Angreifer Deklaration“.
Das Problem ist natürlich, dass zu diesem Zeitpunkt die Piledriver-Fähigkeit noch auf dem Stack lag, der geopferte Goblin also nicht mehr für den Piledriver zählt – das war zumindest Rolands Verständnis. Alex hingegen war der Auffassung, dass die Piledriver-Fähigkeit schon resolved sei, da Roland ja schon Blocker Deklarieren wollte.
Der Table Judge (Michael Hüllecremer) bestätigte die Situation wie oben dargestellt – Alex hatte klar gesagt, dass er die Fähigkeit direkt nach der Angreifer Deklaration spielt.
Ich erklärte Alex, dass der Tablejudge – in so einem Fall natürlich meine verläßlichste Quelle – die Situation klar mitbekommen hatte und er auch deutlich gesagt hat, wann er die Fähigkeit gespielt hat – eben bevor die Piledriver-Fähigkeit verrechnet wurde. Die Sache ist damit eindeutig. Diskussion vorbei, weiterspielen. Zurück an meinem Tisch hörte ich, dass Alex immer noch weiterdiskutierte. Ich erwog ihm etwas wegen Unsportlichkeit zu geben, entschied mich dann aber dagegen, die Situation weiter eskalieren zu lassen, stand noch mal auf und sagte Alex recht deutlich, dass ich die Diskussion für beendet erklärt hatte – später könne man gerne weiter darüber reden, aber jetzt wird weitergespielt. Das verstand er dann auch und das Match lief ohne Probleme weiter.
Hier hätte sich Michael vielleicht etwas besser durchsetzen können.

Ansonsten war ich zwar noch bei 2 PTQs (Grevenbroich und Hannover) und den Open West Schieri, aber irgendwie ist da aus meiner Perspektive überhaupt nicht viel erwähnenswertes passiert – alles beim alten, wenn man mal davon absieht, dass Georg aus gesundheitlichen Gründen in Grevenbroich nur am Anfang und am Ende des Turniers reinschauen konnte und ich mir deshalb meinen Lieblingsjob, den des Scorekeepers, unter den Nagel reißen konnte (HJ war der Kommissar).

Zwischenbemerkung: Einige von euch mögen sich wundern wenn ich bei einem Turnier bin und nicht HJ mache. Das geht normalerweise von mir aus. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen sind Leute wie Michael Hüllecremer oder der Kommissar vollkommen dazu befähigt den Job zu machen. Zum anderen glaube ich, dass ich bei einem PTQ als HJ nicht mehr dazulernen werde als wenn ich normal mitjudge. Bei anderen sieht das anders aus. Im Normalfall natürlich nicht, aber es ist schon noch ein Unterschied, ob man z.B. bei einem Turnier mit dem HJ übereinstimmt, dass jemand DQ'd werden soll, oder ob man selber die endgültige Entscheidung darüber treffen und es dem Spieler erklären muss. Ähnliches gilt für weniger dramatische, aber ähnlich schwierige Entscheidungen. Auch ist es wenn jemand anders HJ ist für mich wesentlich einfacher, brauchbares Feedback zu geben. Sorry, wenn sich das jetzt arrogant anhört, aber das ist nur gesundes Selbstvertrauen

Jetzt wird's wüst: Zwischen-Zwischenbemerkung: An all euch Schieris da draußen, die ihr mal ein Turnier mit mir zusammen judged: wenn ihr Feedback braucht, müßt ihr mich danach fragen. Ich bin keiner, der sich von sich aus die Leute vornimmt und ihnen sagt, was sie vielleicht hätten besser machen können, wo ich noch Schwächen bei ihnen sehe, etc. Nicht, dass ich nicht bereit bin, euch so was zu sagen, wenn möglich. Das ist eher eine Einstellungs- oder Persönlichkeitssache und ist teils rational begründbar, teils nicht.
Die rationalen Gründe (vorsicht, könnte sich teilweise wieder arrogant anhören, bitte nicht so verstehen): Ich gehe davon aus, dass die Masse der Fehler, die ich bemerke auch von dem Judge selber als solche bemerkt werden. Da ist es nun wirklich nicht nötig, ihm das auch noch unter die Nase zu reiben. Ich weiß selber, wie sehr ich mich ärgere wenn mir mal ein Fehler unterläuft – da brauche ich garantiert keinen, der auch noch drauf rumtrampelt. Ausserdem denke ich, dass jeder, der nach höheren Judgeleveln strebt (und auch realistische Chancen dazu hat) sowieso ab und an nach Feedback fragt, da er weiß, dass er noch was lernen kann.
Nichtrationale Gründe: Die allergrößte Masse der Schieris macht einen guten Job für geringe Bezahlung. Wenn ich jetzt nach einem Turnier hingehe und sie kritisiere erscheint das undankbar und erweckt den Eindruck, dass ihre Leistung schlecht war. Ist natürlich Blödsinn. Wer einen guten Job macht wird auch konstruktiver Kritik gegenüber offen sein und sie begrüßen. Ein guter Schieri weiß auch, dass er nicht perfekt ist, hat aber ausreichendes Selbstvertrauen um auch Kritik einzustecken.
Tja, „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ ist eben auch nur ein Sprichwort. Definitiv ist das (Feedback, Schieriausbildung) ein Feld, in dem ich noch ernsthaft verbesserungsfähig bin.



In Hannover wurde die Top 8 mal wieder nicht direkt vor Ort ausgespielt – diesmal aber freiwillig in der Gaststätte im Gebäude, da es gemütlicher und auch nett ist, noch was zu Essen und zu Trinken.

In Mayen waren wieder viele Helfer da, auch wieder motiviert, aber als Schieris nicht besonders gut.

Noch eine Zwischenbemerkung:Wenn euer Englisch zu schlecht ist um die Comprehensive Rules zu verstehen, vergeßt die Idee mit dem Judgetest, bis ihr das könnt. Es gibt den Test zwar auch auf deutsch, das nutzt aber herzlich wenig, da es die aktuellen kompletten Regeln nur auf englisch gibt. Ohne die zu kennen werdet ihr aber eh nicht bestehen.

Als nächstes liegt der GP Bochum an – da wird es hoffentlich wieder einiges zu Berichten geben. Anfang Mai ein Team PTQ in Dortmund und danach die DM – der Event, auf den ich mich neben den Worlds jedes Jahr am meisten freue.

Zum Schluß noch eine Anekdote aus der Vergangenheit:

Eines der amüsantesten Bad Plays konnte ich bei den mittlerweile legendären PTQ Wochenenden in Rodgau erleben. Zur Entschuldigung der Spieler sei gesagt, dass es schon recht spät war – sowohl in der Nacht, als auch von den Tagen her.
Unsere beiden Protagonisten waren Iwan Tan mit CounterSliver und Hajo Höh mit Full English Breakfast. Das Spiel war ein ziemliches Patt. Iwan hatte einen random Sliver (ich glaube Crystalline) und Hajo zwei Volrath's Shapeshifter.- die oberste Karte seines Friedhofs war aber eine Wall of Roots. Eine Zeitlang zogen beide ihre Karten, konnten aber an der Spielsituation nichts ändern. Dann aber hellte sich Hajo's Gesicht beim Draw merklich auf. Mit einem Grinsen aktivierte er einen Shapeshifter und warf eine Sliver Queen ab.
Ok, das ist jetzt nicht der gute Zug, aber auch nicht so spektakulär. Überhaupt nicht mehr ein kriegten sich die zuschauenden Judges aber, als Iwan daraufhin sagte „Puuh, gegen zwei Queens kann ich nicht gewinnen“ und aufgab.

Wer das jetzt nicht kapiert hat, sollte sich die Karten und die Legend Regeln noch mal ansehen...

In diesem Sinne,

Justus
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