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Octopussy
von Michael Diezel
04.02.2016

Nachdem ich einige Tage unter größeren technischen Schwierigkeiten zu leiden hatte (denen auch leider der Artikel letzte Woche zum Opfer gefallen ist), widmen wir uns heute einer der mit Sicherheit spannendsten Karten aus Oath of the Gatewatch: Crush of Tentacles!

Oder, um es mit den Worten von Conley Woods zu sagen: „One of my favorite cards from the new set as it is both very flavorful and very powerful—4.0.“ Nachdem dann auch der gute LSV eine 3,0 verteilte, war ich interessiert. Ich meine, eine Mythic, die man quasi hinterhergeworfen bekommt, wird auffallend gut bewertet – dann müssen wir sie doch einmal ausprobieren.


Nun ist das leichter gesagt als getan, denn die zermalmenden Tentakel sind sicher nicht eine der Karten, die man einfach in jedes Deck wirft, was das entsprechende Mana produzieren kann. Der Effekt ist schlicht so speziell, dass man doch einige ganz bestimmte Ansprüche ans Deck stellen muss. So benötigen wir vermutlich:

1)
wenige bleibende Karten, da wir uns ja nicht ins eigene Fleisch schneiden wollen
2)
zahlreiche wirklich günstige Sprüche, um Surge zuverlässig nutzen zu können

Da es ganz ohne bleibende Karten nicht klappen wird, empfehle ich besonders nach solchen zu suchen, die einen Enter-the-Battlefield-Trigger mitbringen, da man diese beim Tentakeln einfach noch einmal nutzen kann. Ausgehend von diesen ganzen Punkten startete ich bei einem Deck, mit dem ich mich vor einiger Zeit schon einmal auseinandergesetzt hatte und von dem ich glaube, dass es gleich mehrere neue Spielzeuge in Oath of the Gatewatch bekommen hat:


4 Sphinx's Tutelage

4 Jace, Vryn's Prodigy
(Jace, Telepath Unbound)
2 Arashin Cleric

4 Mystic Monastery
4 Battlefield Forge
2 Flooded Strand
2 Island
2 Plains
2 Mountain
1 Prairie Stream
1 Sunken Hollow
1 Smoldering Marsh
3 Bloodstained Mire
4 Polluted Delta


4 Treasure Cruise
4 Tormenting Voice
4 Magmatic Insight
4 Radiant Flames
2 Ojutai's Command
2 End Hostilities
2 Dispel
1 Dig Through Time
1 Murderous Cut

Sideboard:

2 Arashin Cleric
1 Dispel
4 Fiery Impulse
2 Negate
1 Virulent Plague
2 Disdainful Stroke
2 Valorous Stance
1 Narset Transcendent


Der Grund, warum ich dieses Deck für besonders geeignet hielt, ist ganz einfach: Mit Magmatic Insight und Treasure Cruise spielt man die vielleicht besten 1-Mana-Karten des Formats, zumindest als ersten Spell vor dem großen Surge.

Zudem ist Sphinx's Tutelage neben random Planeswalker-Ultimates eigentlich die einzige relevante Karte, die einen unabhängig von Kreaturen gewinnen lässt. Das macht sie eigentlich auch ganz gut, allerdings gibt es zwei überaus relevante Problemkarten:


Beide funktionieren dabei grundverschieden. Das Command greift unsere Schlüsselkarte direkt an, während Rally uns dafür bestraft, den gegnerischen Friedhof zu füllen – und zwar nicht zu knapp. Für beide müssen wir uns offensichtlich etwas überlegen. Rally kann man natürlich ganz einfach mit Dispel, Negate oder Ähnlichem beantworten. Diese helfen zwar per Definition auch gegen das Command, allerdings ist dieses deutlich billiger in den Manakosten und deswegen oft schwerer zu umspielen.

An dieser Stelle kommen zwei neue Karten ins Spiel:


Wenn wir mal ehrlich sind, machen die nicht mehr so wirklich viel, wenn ihr ausgelöster Effekt einmal auf den Stapel gelegt ist. Erst recht nicht in diesem Deck, dessen Planeswalkerarmada sich auf geflippte Jaces beschränkt. Macht aber nichts, im Gegenteil. Soll der Gegner uns doch eine Verzauberung opfern lassen, füllt lediglich unseren Friedhof. Das Beste daran? Ich zitiere mich einmal selbst: „Da es ganz ohne bleibende Karten nicht klappen wird, empfehle ich besonders nach solchen zu suchen, die einen Enter-the-Battlefield-Trigger mitbringen, da man diese beim Tentakeln einfach noch einmal nutzen kann.“

Die Eide erfüllen also alle Voraussetzungen, um wirklich nett mit Crush of Tentacles zusammenzuarbeiten. Ihre Effekte selbst sind natürlich auch nicht schlecht. Chandras Eid ist das Random Removal – wenig beeindruckend, aber im Powerlevel okay. Der Eid von Jace hingegen macht eigentlich alles, was dieses Deck will: Karten ziehen und Friedhof füllen.


Und dann ist da noch Wandering Fumarole. Das angeblich beste der neuen Kreaturenländer, über deren Wert wir inzwischen wohl nicht mehr debattieren müssen. Mit diesen Überlegungen startete ich hochmotiviert in die Testphase, wobei die Ausgangsliste ungefähr so aussah:


4 Magmatic Insight
3 Tormenting Voice
3 Fiery Impulse
2 Roast
4 Treasure Cruise
3 Oath of Jace
3 Oath of Chandra
4 Sphinx's Tutelage
1 Send to Sleep
3 Crush of Tentacles


4 Jace, Vryn's Prodigy
(Jace, Telepath Unbound)

4 Shivan Reef
4 Bloodstained Mire
4 Polluted Delta
1 Sunken Hollow
1 Smoldering Marsh
4 Mountain
4 Island
4 Wandering Fumarole


Die Ergebnisse waren ernüchternd. Während der Ansatz wirklich gut funktionierte, hakte es im Detail an allen Ecken und Enden – und leider standen gerade die neuen Karten im negativen Mittelpunkt. Allen voran Crush of Tentacles. Dieser Spruch kostet zunächst einmal sechs Mana und selbst im Idealfall (Surge mit Magmatic Insight/Treasure Cruise) kauft man sich mit all dem Mana nicht viel mehr als einen Zug, weil der Gegner einfach alle Permanents wieder hinlegt. Der Oktopus selbst wird Opfer eines der zehntausend Removalspells, die im Format herumlaufen und die auf des Gegners Hand bestimmt schon lange auf ein Opfer gewartet haben. Und dann sind wir noch nicht einmal bei feindlichen Enter-the-Battlefield-Triggern … Die Synergie mit den eigenen Eiden war weniger eindrucksvoll als das erneute Ausspielen von ein oder gar zwei Tutelages schmerzvoll. Mit anderen Worten: Das ist nicht das richtige Deck für Crush of Tentacles.

Sobald wir das einmal erkannt haben, fliegt Oath of Chandra direkt hinterher, da der als Einzelkarte schlicht schlechter ist als vergleichbare Alternativen und als Verzauberung normalerweise nicht in den Friedhof gelegt wird. Dort wäre er aber für Treasure Cruise/Jace wiederverwertbar, was in der Praxis viel häufiger relevant war, als sein eigener Effekt, wenn Jace transformierte. Oath of Jace hingegen spielte sich auffallend angenehmer, zumal das Ziehen von drei Karten mit Sphinx's Tutelage schon ganz schön Druck macht.

Eine weitere Enttäuschung war Wandering Fumarole. Zugegeben, das liegt nicht unbedingt an der Karte selbst, sondern an dem Deck, das nur höchst selten floodet und dadurch quasi immer etwas anderes zu tun hat, als vier Mana in die Aktivierung eines Lands zu stecken. Davon abgesehen hatten wir ja gerade schon die Argumentation mit den aufgestauten Kreaturenvernichtern auf gegnerischen Händen.


Neben all den schlechten Erfahrungen mit den neuen Karten gab es eine mythisch rare Karte, die positiv überraschen konnte: Chandra, Flamecaller. Auch die kostet sechs Mana, was wie angedeutet eine ganze Menge ist. Dann macht sie aber auch richtig Betrieb. Entweder wird defensiv der Tisch von Kreaturen gesäubert oder aber offensiv kräftig gemühlt. Weil man mit diesem Deck nämlich nur selten wenige Karten auf der Hand hält, ist die mittlere Fähigkeit Chandras im Zusammenspiel mit Sphinx's Tutelage ernsthaft beeindruckend. Ganz zu schweigen davon, dass so eine neue Hand zu diesem Zeitpunkt des Spiels sicher nicht schlecht sein kann.

Davon abgesehen arbeitet sogar die Plusfähigkeit der Flammenruferin gut mit – wenn auch erst nach dem Sideboarden. Doch dazu später mehr. Zunächst die aktualisierte Liste:


4 Jace, Vryn's Prodigy
(Jace, Telepath Unbound)
2 Chandra, Flamecaller

4 Sphinx's Tutelage

4 Magmatic Insight
4 Treasure Cruise
3 Tormenting Voice
4 Fiery Impulse
2 Dispel
3 Murderous Cut
2 Radiant Flames
2 Painful Truths


4 Bloodstained Mire
4 Mountain
2 Sunken Hollow
2 Smoldering Marsh
4 Polluted Delta
4 Island
2 Flooded Strand
2 Wooded Foothills
2 Wandering Fumarole

Sideboard:

1 Radiant Flames
4 Stormchaser Mage
4 Monastery Swiftspear
3 Abbot of Keral Keep
2 Duress
1 Roast


Ihr seht, all die hoffnungsvollen Karten aus Oath of the Gatewatch mussten gehen – mit Ausnahme von zwei Fumarolen. Oath of Jace flog dabei als Letztes aus dem Deck, und zwar in dem Moment, als mir auffiel, dass man ja auch Painful Truths spielen und die drei gezogenen Karten einfach behalten könnte. Obwohl ich zugeben muss, dass man mit diesem Pain und den dadurch notwendigen Änderungen an der Manabasis langsam das kritische Maximum an solchen Selbstverletzern erreicht. Entsprechend habe ich noch einmal Wert darauf gelegt, die Defensive zu stärken. Auch dabei kommt das schwarze Mana, welches in der ersten Version eher dekorativen Charakter hatte und beiläufig bei der Stabilisierung der blau-roten Zweifarbigkeit half, zum aktiven Einsatz. Murderous Cut löst dabei die ganz wichtigen und auffälligen Probleme bei der Beantwortung dicker Männer – und das zum Vorzugspreis.

Einziger Nachteil ist, dass der eigene Friedhof dadurch natürlich noch mehr gefordert wird und es gelegentlich zu Engpässen kommen kann. Das merkt man dann insbesondere in den Spielen, wo es nicht wie geplant läuft (da verträgt man nämlich problemlos Treasure Cruise und Murderous Cut). Der zweite Nachteil von Painful Truths im direkten Duell zu Oath of Jace ist, dass natürlich weniger Karten in den Friedhof befördert werden. Allerdings ist es nicht viel mehr als eine, da der Eid selbst ja im Spiel bleibt. Das Argument hinsichtlich Dromoka's Command kam in all meinen Testpartien höchst selten auf. So muss der Gegner zunächst einmal Dromoka's Command im Deck haben … es dann auch ziehen … während wir tatsächlich sowohl Tutelage als auch die Splitkarte Painful Truths/Oath of Jace halten. Wie gesagt, kommt vor, aber in so ausgesuchten Fällen, dass es mich nicht gegen Painful Truths aufbringen konnte.


Eine weitere auffällige Änderung ist die Inklusion eines Doppelpacks Dispel im Maindeck. Dies ist – wie so oft – eine Metagameentscheidung. Abgesehen von irgendwelchen Rampendecks (gegen die sich das Matchup sehr seltsam gestaltet) erwischt Dispel halt fast immer eine Schlüsselkarte des Gegners und dank der ganzen Kartenzieher zieht man es auch ausreichend zuverlässig beziehungsweise kann es im schlechtesten Fall eben auch gut kompensieren. Außerdem braucht man gegenwärtig leider doch eine Antwort aufs tödliche Rally the Ancestors. Alles andere stellt eher eine Veränderung im Detailbereich dar, sodass wir direkt zum durchaus interessanten Sideboard übergehen können.

Ich habe es ja oben in der Deckliste schon gespoilert, wir werden mal wieder kreativ. Raus gehen – natürlich nur bei Bedarf – Sphinx's Tutelage und je nach Matchup einige weitere nicht so passende Karten. Ihr wisst schon, gegen Kontrolle Radiant Flames und weiteres Removal, gegen Aggro Painful Truths und vermutlich auch ein paar Tormenting Voices. Treasure Cruises werden dadurch in der Masse nicht mehr tragbar und müssen auch teilweise auf die Bank, weil Murderous Cut einfach wichtiger ist.




Hinein kommt das dynamische Trio aus Monastery Swiftspear, Stormchaser Mage und Abbot of Keral Keep, das im Standard bereits anderswo gesichtet wurde. Als reines Aggrodeck gebaut ist das natürlich ungleich geradliniger als unsere gesideboardete Version und damit im Vakuum offensichtlich auch besser. Unser Vorteil liegt aber im Überraschungseffekt. Während UR-Prowess nach dem Sideboarden mit Sicherheit gegen jedes Removal spielen muss, was die gegnerischen Decks hergeben, dürfte das bei uns genau andersherum sein, da wir im ersten Spiel ja überzeugend den Kontrollmagier gegeben haben, dessen Gesamtkreaturenstärke immerhin null beträgt.

Natürlich spricht sich so ein transformatives Sideboard im Laufe eines Turniers herum – abhängig von Erfolg, Größe der Veranstaltung, Bekanntheit und einigen anderen Faktoren mehr oder weniger schnell –, aber es zwingt einen ja keiner, den Switch zu machen. Stattdessen kann man auch alle 15 Sideboardkarten ins Deck stecken … und dann alle Kreaturen wieder herausnehmen. Bei dieser Variante des geliebten Schere-Stein-Papiers hat man dabei immer den Vorteil des Aktiven. Rät der Gegenspieler falsch (bringt also Kreaturenvernichter gegen Tutelage beziehungsweise Anti-Tutelage-Maßnahmen gegen Kreaturen), hat er normalerweise einen größeren Nachteil, als wenn er richtig liegt. Trotzdem liegt es natürlich in den eigenen Händen, dass er möglichst daneben liegt.

Noch einmal zurück zu Chandra, Flamecaller: Deren +1-Fähigkeit, die man in Spiel 1 quasi nie verwendet, wird plötzlich zum veritablen Late Game in der auf Schaden ausgerichteten Variante.


Bleibt zum Abschluss noch die Frage nach der Zukunft von Crush of Tentacles. Nach meinen Spielen mit der Karte denke ich, dass sie auf keinen Fall gut genug ist, um nur ihrer Surgekosten wegen superbillige Karten ins Deck zu werfen. Adieu, Bone Saw. Zugleich ist sie ohne Surge völlig unspektakulär, weil sehr teuer und zugleich mit Surge eigentlich auch nur in Kombination mit 1-Mana-Karten wirklich gut, da man ansonsten schon bei sieben Mana landet. Diese wiederum sind für mich ohne Beschleunigung einfach zu viel.

Bleiben also 1-Mana-Karten mit Effekt. Magmatic Insight und Treasure Cruise sind schon gut, reichen aber fast nicht aus. Weitere Kandidaten des Standardformats sind: Despise (obwohl man das eigentlich lieber danach spielen würde), Duress, Faerie Miscreant (!), Oath of Nissa, Reclaim …

Das ist dünn. Natürlich gehen prinzipiell auch alle anderen 1-Mana-Kreaturen, aber da befinden wir uns schnell wieder in der Nähe von Bone Saw, da wir nicht das Maximum aus dem Crush holen. Dann gibt es noch die Cantrips wie Defiant Strike oder Expedite, aber die passen irgendwie nicht so richtig zu dem Rest eines Decks mit Crush of Tentacles. Insofern erachte ich die 4,0 vom Conley als sehr optimistisch, aber wer weiß, vielleicht gibt es ja in der nächsten Edition Gitaxian Probe, Ponder und Serum Visions und das Ding geht durch die Decke. Vorerst glaube ich aber nicht an Crush of Tentacles als standardmäßige Standardkarte. Schade eigentlich.

Mal sehen, wie sich die ideenstiftende Karte beim nächsten Mal schlägt. Bis dahin, viel Spaß beim Verfolgen der Pro Tour!

Der MiDi




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