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Eternal
Grixis-Delver! (1)
von Marcel Kaschapow
30.09.2015

Guten Tag! Vor ein paar Wochen fand ja der zweite WMCQ des Jahres statt. Da das vorgegebene Format dort Modern hieß, stellte sich für viele die Frage, welches Deck man wählen sollte. Nicht wenige entschieden sich für Grixis-Delver, welches seit einigen Monaten gemeinhin sehr stark auf deutschen und internationalen Turnieren vertreten ist.

Grund dafür ist in erster Linie Kolaghan's Command, welches jedem roten Deck die Frage aufwarf, warum es denn kein Schwarz enthielte, und einen Großteil aller rot-blauen Decks erfolgreich zur Grixis-Seite der Macht konvertierte. Der zweite Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass fast jeder Spieler, der vorher etwas mit Scalding Tarns zauberte, ohne höhere Zusatzkosten auf Grixis umsteigen konnte.


Dieser Farbwechsel zerstörte en passant allerdings auch die vormals gleichgewichtige Diversität unter den blauen Moderndecks: Aus ehemals blau-rotem Splinter Twin, rot-weiß-blauer Kontrolle, dem blau-roten Blue Moon und anderen marginal vertretenen Decks wurde die neue Trinität von Grixis-Twin, -Delver und -Control.

Jetzt stellt sich die Frage, für welches der drei man sich entscheiden sollte. Die Antwort ist einfach: Je nach Lust und eigenen Präferenzen ist jedes die meiste Zeit über eine vernünftige Wahl. Gleichwohl bietet jedes der drei Decks Besonderheiten, die Beachtung finden sollten:

1)

Grixis-Control kann – wie der Name impliziert – am besten grinden und hat die meisten freien Slots im Deck, die man nach eigenem Gusto füllen kann – ein Traum für jeden Modernspieler.

2)

Grixis-Twin ist in dem Kontext das Gegenteil von Grixis-Control: Man gibt Flexibilität und Möglichkeiten zur Kontrolle für eine proaktive und relativ schnelle Clock auf und befreit sich damit von einem gewaltigen Teil Varianz, da man nicht mehr ausnahmslos alle relevanten Aktionen des Gegners unter Kontrolle bringen muss, oder ansonsten verliert. Dank des neuen Befehls und mit Karten wie Tasigur sowie schwarzem Removal in Gestalt von Terminate ist man darüber hinaus deutlich robuster als frühere Twin-Versionen, wenn es mit der Kombo nicht klappt. (Was oft genug der Fall ist.)

3)

Grixis-Delver ist gewissermaßen eine Mischung aus beidem. Man ist proaktiver als Grixis-Control, aber kann mehr und präziser interagieren als Grixis-Twin.


Wann ist was besser?

Grixis-Control kann wie gesagt am besten auskontrollieren und lässt sich dementsprechend nicht von bestimmten Decks besiegen, wenn es gut genug angepasst ist, aber genau das ist das Problem: Je nach Metagame benötigt man entweder mehr Counter oder mehr Removal. Eventuell benötigt man aber auch eine Mischung aus Gegenzaubern und Discard, was Ersteres deutlich komplizierter macht. Letzteres ist sogar noch variabler, allein zwischen Terminate, Go for the Throat und Dismember bestehen große funktionale Unterschiede und je nach erwarteten Gegnern muss man entsprechend umgewichten.


Terminate sieht auf den ersten Blick wie die beste Option aus, ist aber am schwierigsten zu casten, vor allem wenn man es zusammen mit Lightning Bolt im selben Zug wirken möchte, und trifft weder Master of Waves noch Kor Firewalker. (Der Master ist zuletzt immer häufiger anzutreffen und meistens genau der Grund, weshalb man gegen Merfolk verliert.) Go for the Throat hat neben den eben genannten Vorteilen praktisch nur einen Nachteil: Es trifft gegen Affinity nichts. (Die Regenerationsklausel kommt in der Praxis nie vor; vielleicht kann jemand ein illustres Beispiel in die Kommentare schreiben?) Wie man dies umgeht, darum geht es später noch. Dismember wiederum hat den Vorteil, dass man es für ein Mana casten kann, was gegen jegliches Aggrodeck trotz vier Leben weniger meistens vorteilhaft ist. Außerdem wird es nicht von Spell Snare getroffen und lässt sich gut bluffen, da die meisten Gegner 2-Mana-Removal erwarten und dann mit ihren Toughness-4-Kreaturen reinlaufen. (Bei schwächeren schreckt Lightning Bolt ab, daher dann lieber Watery Grave ungetappt lassen anstelle von Steam Vents.)

Ein weiteres Problem ist, dass Grixis-Control immer nur für bestimmte Bereiche des Modern-Metagames gebaut werden kann und man zwangsläufig einen breiten toten Winkel hinnehmen muss. So stellte ich fest, dass sogar mit vier Fulminator Mages und vier Kolaghan's Commands das Matchup gegen Urzatron furchtbar blieb, was in der Praxis aber auf keinen Fall passieren darf, wenn man vier Sideboardplätze für etwas opfert. Decks wie Amulett-Kombo oder andere Strategien mit soften Manabasen werden von Fulminator Mage nicht einmal nennenswert beeinträchtigt, sodass diese Herangehensweise ziemlich wertlos ist. Möglich wäre in dem Zusammenhang ein Mix aus Blood Moon, Fulminatoren, Sowing Salt und eventuell Spreading Seas. Gut werden diese Matchups insgesamt aber trotzdem nicht, da die Grixis-Clock sogar zusammen mit dem Hate noch langsamer ist als der Spielplan des Gegners, gerade nach dem Sideboarden, wenn man gegen Relic of Progenitus oder Leyline of the Void ranmuss. Zu empfehlen ist Grixis-Control also nur, wenn man erwartet, dass man bloß gegen eine geringe Zahl möglichst nicht zu unterschiedlicher Decks spielen muss. Wenn ein Großteil dieser Decks noch dazu Splinter Twin und langsame blaue Decks sind, hat man eine sehr gute Wahl.

Grixis-Twin ist zu empfehlen, wenn man in ein unbekanntes Metagame muss (zum Beispiel bei Grand Prix, Pro Tour oder Turnieren im Ausland) und sich keine Reaktivität, die danebengeht, leisten kann. Viel Burn und nicht-blaue Aggrodecks sind ebenfalls Argumente für Grixis-Twin.


Grixis-Delver letztendlich hat folgende einzigartige Vorteile: Es ist ein relativ schnelles, aggressives Deck mit sämtlichen Vorteilen von Blau und Schwarz, das heißt Disruption in jeglicher Form. Man ist proaktiv und verfügt aufgrund der zahlreichen Gegenzauber und Removalspells über sehr viele Interaktionsmöglichkeiten; dies macht das Deck sehr spaßig, aber auch fehleranfällig.

Die (in Magic obligatorische) Kehrseite sind die sehr konditionalen Kreaturen:

Delver of Secrets ist ungeflippt offensiv und defensiv furchtbar.
Delvekreaturen sind oft stark und günstig, oft aber auch nicht und vor allem postboard eine Belastung.
Young Pyromancer benötigt offensichtlich Unterstützung durch möglichst viele Spells.
Und sogar Snapcaster Mage stellt diverse Forderungen.

Falls dies jetzt zu harsch klingt, muss man nur einmal Wild Nacatl, Tarmogoyf, Goblin Guide oder Geist of Saint Traft zum Vergleich heranziehen. Alle vier haben ebenfalls geringfügige Einschränkungen, sind aber praktisch immer gut, wenn man sie legt, und erfüllen ihren offensiven Zweck. Die Kreaturen des Delver-Decks weisen dahingegen eine relativ hohe Varianz auf, die sich in Spielen bemerkbar macht, in denen man trotz einer angeblich guten Hand einfach umgehauen wird.


Wie baue ich mein Delver-Deck?

So wie meistens in Magic: Quellen des Vetrauens heranziehen und nach Augenmaß aus verschiedenen Listen eine sinnvolle, eigene zusammenstellen. Das Zwischenprodukt dann in Momenten von mehr Verstand als Gier/Emotion und unter Einbringung anderer Spieler überarbeiten und voilą: Das nächste Turnier kann beginnen!

Ich orientierte mich einige Wochen vor dem WMCQ hauptsächlich an den beiden Grixis-Listen der Grand-Prix-Kopenhagen-Top 8:

Thiago Rodrigues: Grixis-Control

4 Serum Visions
4 Thought Scour
2 Spell Snare
2 Mana Leak
2 Remand
4 Terminate
2 Kolaghan's Command
1 Electrolyze
3 Cryptic Command
1 Dispel
4 Lightning Bolt

2 Creeping Tar Pit
4 Polluted Delta
4 Scalding Tarn
2 Sulfur Falls
2 Steam Vents
2 Watery Grave
3 Island
1 Mountain
1 Swamp
1 Blood Crypt


4 Snapcaster Mage
2 Tasigur, the Golden Fang
3 Gurmag Angler

Sideboard:

2 Dispel
4 Fulminator Mage
1 Spellskite
1 Damnation
2 Anger of the Gods
1 Keranos, God of Storms
2 Vendilion Clique
1 Negate
1 Engineered Explosives

Branco Neirynck: Grixis-Delver

4 Serum Visions
3 Gitaxian Probe
4 Thought Scour
4 Lightning Bolt
2 Spell Snare
1 Deprive
3 Terminate
2 Mana Leak
2 Remand
1 Izzet Charm
1 Kolaghan's Command
1 Electrolyze

2 Island
1 Mountain
1 Swamp
1 Darkslick Shores
4 Scalding Tarn
3 Polluted Delta
1 Bloodstained Mire
1 Sulfur Falls
2 Steam Vents
1 Watery Grave
1 Blood Crypt


4 Delver of Secrets
(Insectile Aberration)
3 Young Pyromancer
3 Snapcaster Mage
2 Tasigur, the Golden Fang
2 Gurmag Angler

Sideboard:

1 Deprive
1 Kolaghan's Command
1 Magma Spray
1 Engineered Explosives
1 Dispel
1 Flashfreeze
1 Vandalblast
2 Izzet Staticaster
1 Vendilion Clique
2 Thoughtseize
2 Blood Moon
1 Negate


Beide listen sehen relativ standardmäßig aus, nicht zuletzt weil sie den Standard mit definierten, wobei Karten wie Flashfreeze nicht immer sinnvolle Ergänzungen sind.

Letztendlich brachte mich folgendes Deck dann in die Top 8 beim WMCQ:


4 Serum Visions
2 Remand
4 Lightning Bolt
2 Spell Snare
4 Terminate
4 Thought Scour
3 Kolaghan's Command
2 Spell Pierce
2 Mana Leak

4 Scalding Tarn
4 Polluted Delta
1 Swamp
1 Mountain
3 Island
1 Blood Crypt
1 Watery Grave
2 Steam Vents
2 Sulfur Falls
1 Bloodstained Mire


4 Delver of Secrets
(Insectile Aberration)
4 Snapcaster Mage
2 Gurmag Angler
3 Tasigur, the Golden Fang

Sideboard:

1 Remand
1 Spell Pierce
2 Mana Leak
2 Dispel
1 Izzet Staticaster
2 Engineered Explosives
2 Tribute to Hunger
1 Magma Spray
1 Vandalblast
1 Sowing Salt
1 Blood Moon


Diese Liste unterscheidet sich in mehreren Punkten von gewöhnlichen Listen:

1)

Kein Young Pyromancer: Young Pyromancer ist gegen gute Matchups nicht sonderlich wichtig (Twin, langsame Kombo, Kontrolle) und gegen nicht gute Matchups oft ziemlich schlecht (Burn, schnelle Kombo, Merfolk). Er verbessert die Spiele gegen Jund/Junk und langsame Aggrodecks enorm, ebenso das Mirror; wenn man in seinem Umfeld aber häufiger gegen Burn, schnelle Kombo und Merfolk spielt und die anderen Matchups anders verbessern kann, empfiehlt es sich, Pyromancer zu kürzen. Das Problem ist nicht wirklich der Pyromancer selbst, sondern die von ihm benötigten drei bis vier Gitaxian Probes. Die ist – im Gegensatz zur nicht selten anzutreffenden Meinung – keine kostenlose Karte: Sie nimmt Platz im Deck weg, kostet Lebenspunkte oder Tempo und stellt eine Unsicherheit dar, da die Anwesenheit von viermal Gitaxian Probe das Cutten von circa zwei Ländern ermöglicht, und umgekehrt. Entfernt man Probe, so hat man meistens Platz für zwei Länder und zwei Spells mehr. Dies lässt Delver of Secrets etwas seltener flippen, reduziert aber die Zahl von Mulligans spürbar. Weiterhin verbessert es die Manabasis: Man kann mehr farbige Quellen und Länder wie Sulfur Falls reinnehmen, ohne in ein schlechtes Verhältnis von Fetchländern/Targets zu geraten, und genug Standardländer unterbringen. Das Cutten des Pyromancer-Probe-Komplexes setzt also sechs bis sieben Slots im Vergleich zu gewöhnlichen Listen frei und bietet insgesamt mehr Sicherheit in Spielen, in denen man gezwungen ist, mit dem Gegner passend zu interagieren. (Zum Beispiel günstiges Removal gegen Burn, passende Counter plus Dispel gegen Kombo et cetera.)

2)

Starke Ähnlichkeit zu Grixis-Control: Zum einen sind 20 Länder ein bis zwei mehr als sonst, zum anderen ist die hohe Zahl an Gegenzaubern ein Anzeichen, dass man mehr Interaktion und längere Spiele beabsichtigt als ein gewöhnliches Grixis-Delver-Deck.

3)

Sehr flexible Sideboardkarten: Counter decken Kombo, Kontrolle sowie spezielle Anforderungen von Burn und Infect ab. Engineered Explosives ist stark gegen diverse Aggrodecks, Affinity, Merfolk, aber auch seltene Matchups wie Slippery Bogles, Pyromancer Ascension und Lantern-Control. Tribute to Hunger ist stark gegen Jund/Junk, weil er alle Kreaturen inklusive Thrun, the Last Troll trifft, liefert gegen Burn eine passable Lightning Helix ab, kann Hexproof-Kreaturen und Etched Champion erwischen und stellt gegen weiß-blaue Decks eine Absicherung dar, weil man sowieso Removal für Celestial Colonnade behalten muss und dann auch etwas gegen Geist of Saint Traft hat.


Im zweiten Teil werde ich Stärken und Schwächen des Decks behandeln, auf Matchups eingehen und Hinweise zum Sideboarden geben. Bis dahin!




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