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MiDi wills wissen
von Michael Diezel
22.05.2015


Es gibt ja immer wieder mal Gedankenexperimente, um den strategischen Zustand unseres Lieblingsspiels zu beschreiben, etwa die Frage, wie teuer eine Hexerei sein müsste, auf der nichts anderes steht als: „You win target game.“ Ein anderer klassischer Verteter ist die Frage nach einer Vanillakreatur (also einer Kreatur ohne Fähigkeiten) für eine bestimmte Casting Cost, sagen wir vier.

Eigentlich ist das so spannend, dass wir euch fragen sollten. Also:



Alles unter 6/6 ist vermutlich Unsinn, weil selbst Karten wie Polukranos, World Eater Probleme haben, dauerhaft im Metagame zu überleben. Und die Hydra kann dann doch einiges mehr, als einfach nur da zu sein. Die größeren Kampfwerte sind dann durchaus beeindruckend, lösen aber die beiden wichtigsten Probleme nicht:

1)

Frisch gewirkt macht so ein Megakoloss erst einmal genau nichts, außer vielleicht zu blocken. Dadurch hat der Gegner einen kompletten Zug lang Zeit, eine elegante Antwort zu finden, und von denen gibt es nun wirklich jede Menge. Selbst wenn er die nicht finden sollte, bleibt immer noch die Möglichkeit …

2)

… einfach Random Trottel in den Weg zu stellen. Beispiele:




Insofern müsste man möglichst nach Wegen suchen, einem solchen Klops Haste und/oder Trampelfähigkeit zu geben, um die Effektivität spürbar zu erhöhen. Doch zunächst braucht es ja erst einmal diesen ominösen Recken – zufällig habe ich da etwas vorbereitet:


Ich habe keine Ahnung, ob „Gelebtes Wissen“ wirklich aussieht wie die Mullbinden einer Fylamaridenmumie, aber das soll uns nicht davon ablenken, dass dieser Avatar tatsächlich die Aussicht auf sensationelle Stats mitbringt. Alles, was man dafür tun muss, ist einen dicken Zauberspruch in den Friedhof zu bringen. Das wiederum klingt einfacher als es in der Realität ist, denn man braucht schon zwei Grundvoraussetzungen:

1)

Einen dicken Zauberspruch.

2)

Eine Möglichkeit, diesen zeitnah in den Friedhof zu bringen. Und nein, einfach den Random 10-Mana-Spell zu casten, scheidet als Option aus, da dies vermutlich ein wenig langsam sein dürfte. Beziehungsweise muss man sich die Frage gefallen lassen, welchen 10-Mana-Spruch man irgendwann gewirkt hat, der dann das Spiel nicht gewonnen hat.

Beim zweiten Punkt unterscheiden wir weiterhin zwischen den Mühlkarten, wie Satyr Wayfinder, die Karten direkt von der Bibliothek in den Friedhof legen und den Looting-Effekten, zum Beispiel Tormenting Voice, mit denen man einmal gezogene ultrateure Sprüche sinnvoll abwerfen darf.


Zu unserem riesengroßen Glück gibt es aktuell eine Fähigkeit, die Punkt 1 und 2 auf natürliche Weise verbindet: Delve. Delvesprüche kosten jede Menge Mana, die man aber selten vollständig bezahlt, wodurch immer eine realistische Möglichkeit erhalten bleibt, sie auch einmal auf „normale“ Weise zu wirken. Gleichzeitig klappt das alles viel besser, wenn man den Friedhof schnell füllt – wodurch wir wieder bei Punkt 2 wären.

Diese Überlegung setzt uns auch schon direkt in unsere zweite Farbe, weil die mit Abstand besten Friedhofsfüller des derzeitigen Standardformats in Grün zu finden sind. Satyr Wayfinder und Commune with the Gods konkurrieren aber auch nur mit Taigam's Scheming und Konsorten, die nun wirklich nie gespielt werden dürften.




In Blau selbst gibt es ja mit Treasure Cruise, Dig Through Time und dem gefürchteten Temporal Trespass gleich drei verschiedene Delvesprüche, die unser Gel(i)ebtes Wissen mindestens auf 8/8 anwachsen lassen, sodass man vermutlich mit dieser Farbkombination arbeiten könnte. Die Natur der verfügbaren Länder des Formats gibt dazu allerdings wenig Anlass, schließlich bekommt man die dritte Farbe mehr oder weniger gratis. Nun habe ich gerade erst in der vergangenen Woche betont, dass ein „mehr oder weniger“ immer noch eine Einschränkung darstellt, weswegen man doch relevante Argumente für die Drittfarbe benötigt. In diesem Fall sehe ich sogar mehrere. So könnte man in Richtung Rot zielen und damit mehr Karten erhalten, die Haste und/oder Trampelschaden verleihen: Xenagos, God of Revels, Hammer of Purphoros oder Temur Battle Rage zum Beispiel.

Noch besser gefällt mir allerdings die Idee der schwarzen Karten, die gleich in vier Bereichen weiterhelfen:


Besser als 8/8 ist 10/10. Dead Drop ist zudem eine wirklich starke Karte (kostet ja auch offiziell zehn Mana) im Metagame, da Opfereffekte superpraktisch gegen die ganzen Drachendecks sind. In einem ausgewiesenen Delvedeck, wie das, auf welches wir gerade zusteuern, ist es zudem nicht ausgeschlossen, in einem erträglichen Zeitrahmen auf die benötigte Kombination von zehn Mana/Friedhofskarten zu kommen.

Dead Drop ist sicher nicht die unverzichtbare Überkarte, passt aber sehr schön ins Konzept, wenn der Rest einmal steht.


Wenn man so richtig den Friedhof vollmüllen will, führt kaum ein Weg an Sidisi vorbei. Die Bruttyrannin ist dabei eine noch stärkere Einzelkarte als Wayfinder und Commune, da sie unbeantwortet ganz entspannt ganze Spiele gewinnt. Davon abegsehen macht sie die beiden grünen Friedhofsfüller natürlich auch noch einmal ein ganzes Stück stärker.


Ich habe ja weiter oben die Unterscheidung zwischen Mühlkarten und Loot-Effekten angesprochen. Im Idealfall verbindet man beide, da es eben doch immer mal vorkommt, dass man jede Menge Delvesprüche und wenige Enabler zieht (oder andersherum). Diese sind dann auf einmal völlig irrsinnig teuer. Mit Sultai Charm hat man dann einen Delvespruch weniger, einen weiteren billiger gemacht und dann hoffentlich auch passende Karten für den weiteren Verlauf der Partie gezogen.


Die Peitsche ist und bleibt eine der stärksten Karten des ganzen Formats – rein vom Potenzial her. Wie so viele Verzauberungen leidet sie allerdings an Dromoka's Command, wodurch sie fast vollständig aus dem Metagame verschwunden ist. Auch die Kommandos von Atarka und Kolaghan sind richtig stark gegen die Erebospeitsche, aber wir lassen uns von so etwas nicht einschüchtern (sondern spielen einfach zum idealen Zeitpunkt ein Thoughtseize). Wie gesagt, wenn die Peitsche ins Spiel kommt und liegenbleibt, ist sie lächerlich wie immer. Okay, sie ist vermutlich noch lächerlicher, weil man Dinge wie den 10/10er ausgraben kann, der nach dem 20-Punkte-Lifeswing noch ein Doppeledikt für den Gegner hinterlässt. Lustig.

Doch die Peitsche soll nicht unser einziger Weg bleiben, unser 10/10-Living Lore mit Haste auszustatten:


Surrak ist als Einzelkarte schon durchaus ordentlich – und das, obwohl er lediglich die Hälfte der Stärke eines ausgewachsenen Living Lore hat. Dafür schlägt er eben auch ohne vorherige Arbeit zu und über die mögliche Anwendung zusammen mit diesem habe ich ja auch schon gesprochen. Weniger spektakulär, dennoch ähnlich wichtig ist die Interaktion mit Sidisi, die in der Realität viel häufiger auftritt.

Damit wäre die Idee in allen Einzelheiten dargelegt – jetzt muss das nur noch so zusammenkommen. Dafür sorgt schon wieder Sidisi, diesmal als Untote.


Die einfarbige Sidisi hatte ja einen guten Start ins Format, wurde danach aber immer seltener gesehen. Die Gründe sind vielfältig, hauptsächlich wird sie von den diversen Drachen einfach dominiert. In diesem Deck jedoch läuft das Mädel zu Höchstform auf. Nicht nur, dass wir diverse Interaktionen, Synergien und sonstige Spielereien forcieren wollen und entsprechend dankbar sind, wenn wir nicht jeden Bestandteil glücklich auf die Hand ziehen müssen, sondern auch, weil wir genug Gerümpelkreaturen spielen, die für einen höheren Zweck exploitet werden können. Zusätzlich erlaubt uns Sidisi, die Notwendigkeit der situativen Karten wie Dead Drop, Living Lore oder Whip of Erebos ein wenig herunterzuschrauben, um sie möglichst nie im falschen Moment (und das sind fast alle) doppelt zu ziehen.

Als Letztes gibt es auf diese Weise noch die Aussicht auf relevante Einzelkarten, die man als 1-of für sehr spezielle Situationen integrieren, aber möglichst sonst nie ziehen will. Da das Deck jedoch schon voll mit Konjunktivkarten ist, auf die diese Beschreibung zumindest teilweise zutrifft, möchte ich das auch nicht überstrapazieren. Deshalb gibt es genau eine Karte, die auf diese Weise neu ins Deck gekommen ist:


Ihr glaubt ja gar nicht, bei wie vielen Duellen ich Probleme hatte …

a)
den Gegner zu töten.
b)
an Massen dämlicher Blocker vorbeizukommen.

Der Profaner löst gleich beide Probleme, die sehr oft auch direkt miteinander zu tun haben. Das Allerbeste an der Dame ist aber, dass sie überdies eine Kreatur ist und somit sowohl von Commune with the Gods gefunden als auch mittels Erebospeitsche wieder ausgegraben werden kann. Dass sie am Ende einige feindliche Kreaturen gar nicht erwischt, ist oftmals sogar von Vorteil, weil man so sicherstellt, dass Dead Drop auch tatsächlich die lohnenden Ziele erwischt.

Natürlich ist die Entweiherin in einigen Matchups „terribad“, wie der verschollene MartenJ so gern sagte, aber deswegen spielen wir ja auch nur die eine. Zumindest vor dem Seitenwechsel:


4 Opulent Palace
1 Island
2 Swamp
3 Polluted Delta
1 Urborg, Tomb of Yawgmoth
3 Yavimaya Coast
3 Llanowar Wastes
3 Temple of Malady
1 Temple of Mystery
2 Forest

3 Living Lore
4 Satyr Wayfinder
4 Sidisi, Brood Tyrant
4 Sylvan Caryatid
1 Surrak, the Hunt Caller
1 Profaner of the Dead
2 Sidisi, Undead Vizier
3 Courser of Kruphix


3 Dead Drop
3 Thoughtseize
1 Treasure Cruise
2 Whip of Erebos
3 Commune with the Gods
3 Sultai Charm

Sideboard:

2 Profaner of the Dead
1 Thoughtseize
2 Treasure Cruise
1 Soul of Innistrad
1 Tasigur, the Golden Fang
2 Torrent Elemental
3 Drown in Sorrow
2 Disdainful Stroke
1 Negate


Dieser Profaner of the Dead hat mich wirklich überzeugt, deshalb gibt es auch mehr davon im Sideboard – sowie in einem weiteren Deck der Zukunft (Spoileralarm!).

Von dieser Karte und dem obligatorischen Drown in Sorrow abgesehen gibt es fast nur noch Dinge auf der Ersatzbank zu finden, die eher in langsamen Matchups nützlich sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass man gegen diese einfach mehr zum Herausnehmen findet. Das wiederum ist ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass die kontrollierenden Gegner einem vor dem Boarden jede Menge Schwierigkeiten bereiten, da man halt sehr viele ziemlich tote Karten hat. Interessanterweise gehört Dead Drop da nicht unbedingt dazu, weil der Gegner nahezu zwingend den einen oder anderen Drachen spielen muss.

Ansonsten wird man vermutlich nach dem einen oder anderen Testspiel feststellen, dass der ganze Kram rund um Living Lore die Mühe eher nicht wert ist. Das ist sehr schade, aber irgendwie auch nicht wirklich überraschend. Ich erinnere noch einmal an die Umfrage und allein die Unsicherheit, die ich selbst beim Beantworten hätte, zeigt, dass selbst eine zuverlässige 10/10-Kreatur für vier Mana kaum die Magic-Welt aus den Angeln heben würde. Wenn man – wie in diesem Deck – noch dafür arbeiten muss, um diese Stats überhaupt zu erreichen, erhöht das nicht gerade die Spielbarkeit. Zwar sind die meisten der Synergiekarten selbst schon ziemlich stark und deshalb muss man sich nicht schämen, sie zu inkludieren, aber im Gesamtdesign gibt es doch einige Schwierigkeiten. So nervt beispielsweise die vergleichsweise geringe Kreaturenanzahl bei Karten wie Sidisi oder Commune with the Gods. Allerdings lässt sie sich auch nur schwer steigern, da man doch eine gewisse Zahl teurer Spells für Living Lore benötigt (und da bin ich schon am unteren Rand) und Sultai Charm und Thoughtseize dringend benötigte Interaktion bereitstellen.

Trotzdem fühlt es sich natürlich sensationell an, wenn es dann doch einmal funktioniert. Das und die Tatsache, dass zwei Karten mich ziemlich positiv überrascht haben (Dead Drop und Profaner of the Dead – auch gern zusammen), reicht einigen hoffentlich, um etwas Vergleichbares zumindest einmal auszuprobieren … Ansonsten bin ich mir ziemlich sicher, dass Living Lore abseits völlig abstruser Kombodecks wohl nie auf allerhöchstem Constructedniveau gespielt werden wird. Die kleine Einschränkung bezieht sich immer auf Karten, die noch irgendwie ins Format rücken könnten, da man dem Lore ein gewisses Potenzial – wie hoffentlich gezeigt – nicht absprechen kann.


Diese Totenentweiherin hingegen sehen wir schon nächste Woche wieder!

Bis dahin
Der MiDi




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