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First Contact
von Michael Diezel
18.12.2014

Am vorletzten Wochenende wurde ein neue Ära im Bereich des Turnier-Magic eingeläutet, und zwar in Leipzig. Gut, vielleicht auch noch an ein, zwei oder 47 anderen Orten auf der Welt, denn dort fanden die ersten der sogenannten Preliminary Pro Tour Qualifier statt, deren Gewinner in ferner Zukunft eine Art Premium-PTQ unter sich ausfechten.

Für mich nach langer Zeit endlich mal wieder die Gelegenheit, direkt ins Geschehen einzugreifen und ein würdiges Deck ins Feld zu führen. Wie so oft hatte ich dabei noch Versprechungen bezüglich verleihbarer Karten gemacht, ohne daran zu denken, dass ein Format, das von dreifarbigen Decks geprägt ist, vielleicht die eine oder andere Überschneidung in den diversen Decklisten mit sich bringt. So kam es, dass ich am Morgen des Turniers noch schnell ein Deck mit möglichst wenig Fetchlands, Courser of Kruphix und Hero's Downfall bauen musste. Gut, dass gerade Weltmeisterschaft war und es den Franzosen dort offensichtlich ähnlich ging:


22 Mountain

4 Hordeling Outburst
2 Searing Blood
4 Lightning Strike
4 Magma Jet
4 Stoke the Flames
4 Titan's Strength


4 Foundry Street Denizen
4 Goblin Rabblemaster
4 Monastery Swiftspear
4 Valley Dasher

Sideboard:

1 Stormbreath Dragon
1 Hammerhand
2 Arc Lightning
2 Temple of Malice
3 Sarkhan, the Dragonspeaker
4 Chandra, Pyromaster
2 Searing Blood


Mit diesem beeindruckenden Schmuckstück haben Raphaël Lévy und Jérémy Dezani kombiniert ein beeindruckendes 3:5-Ergebnis hingelegt, was Grund genug für die Berichterstattung war, doch einmal genauer nachzufragen, ob Valley Dasher jetzt wirklich der neue Ash Zealot sei.

Es ist beeindruckend, wie wenig der Lévy über sich selbst lachen muss, während er den Talstürmer in den höchsten Tönen lobt. Fairerweise muss ich nach dem Turnier sagen, dass der gute Berserker tatsächlich besser ist, als ich erwartet hatte – kein Riesenkompliment allerdings, denn in meiner Hitliste rangierte er irgendwo zwischen Chimney Imp und Squire.


Am Ende habe ich mit 4:2 die Top 10 erreicht, was großartig wäre, wenn ich Musik machen würde, in Sachen Magic jedoch denkbar undankbar ist. Dabei habe ich mit einer Ausnahme auch alle Spiele gewonnen, in denen ich nicht auf vier oder fünf gemulligant habe. Das eine „ehrlich“ verlorene Spiel ging auf das Konto von Siege Rhino, dessen Kumpel Siege Rhino und der passenden Whip of Erebos, was für mich zu folgenden Fazits aus Sicht des Brandmagiers führt:

Das Format ufert momentan dermaßen aus, dass ein solides, konstantes Aggrodeck mit ordentlicher Kurve sogar Valley Dasher spielen kann und trotzdem jede Menge Spiele gewinnt. Schaut euch doch mal ein paar der Standardrunden bei den Worlds beziehungsweise Random Videos beachtlicher Spieler an und überlegt, wie die eine oder andere Starthand auf eine Kurve von Monastery Swiftspear/Valley Dasher reagieren würde. Ein Tipp: allergisch.
P
Das Problem dabei ist jedoch, dass man trotzdem mit dem roten Deck immer verliert, wenn die anderen genau das machen, was sie eben machen wollen. Wie etwa Sylvan Caryatid, Siege Rhino, Siege Rhino, Whip of Erebos.
P
Würfeln ist mal wieder ungemein wichtig, aber das ist ja nichts Neues.
P
Der Sideboardplan ist unglaublich seltsam, hat aber bei mir wirklich gut funktioniert. Man mischt einfach erstmal 15 Karten ein und nimmt dann die gleiche Anzahl wieder so raus, dass man entweder nahezu nichts verändert (zum Beispiel on the play gegen wenig erwartetes Massremoval) oder jede Menge schäbiger Kreaturen und zugehörige Tricks durch Planeswalker und Länder ersetzt (zum Beispiel on the draw gegen viel erwartetes Massremoval) oder die Brandsprüche durch die teuren Sachen ersetzen. Letzteres habe ich immer dann ausprobiert, wenn ich das Gefühl hatte, die Flammenkarten seien nicht sonderlich effektiv, zum Beispiel gegen die typischen grünen Decks, bei denen der obligatorische Blocker sehr schnell einen dickeren Hintern hat, als so ein Blitz abräumen kann.
P
Valley Dasher ist kein Ash Zealot.

Abgesehen von meinem mittelmäßigen Finish war das Turnier aber auch in anderer Hinsicht interessant. Immerhin ändert sich ja mit den PPTQ der komplette Qualifikationsmodus zu den Pro Touren. Für alle, die in den letzten Wochen unter einem Stein zugebracht haben, hier noch einmal die Idee – kurz und knapp:

Jeder Laden kann einen PPTQ veranstalten, dessen Sieger sich für einen regionalen PTQ qualifiziert. Wer einen PPTQ gewonnen hat, darf keinen weiteren mehr spielen. Auf der Planetenstartseite sind die PPTQ deutschlandweit aufgelistet. Ihr seht, das sind durchaus ein paar.
P
Format, Startgeld, Preise und so weiter werden vom Veranstalter völlig frei festgelegt. Es wird allerdings ein Level-2-Judge benötigt.
P
Regionale PTQ gibt es dann nicht mehr so viele, in Europa derer sieben und dort muss man dann die Top 4 beziehungsweise Top 8 (ab 129 Spieler) erreichen, um zur Pro Tour zu gelangen.

Interessanterweise – also zumindest für mich als Magic-Neandertaler – ähnelt das System stark dem der DMQ Mitte der 90er-Jahre. Auch damals gab es vor den jeweiligen Landesmeisterschaften, auf denen sich die Top-8-Spieler zur DM qualifizierten noch kleinere Events, bei denen man sich zur Landesmeisterschaft spielen konnte. Daher denke ich, dass ich die Vor- und die Nachteile des Systems, insbesondere nach den Wochenendserfahrungen ganz gut abschätzen kann …


Positiv

Der für mich größte Vorteil des gesamten Systems ist das Schließen der Lücke zwischen professionellem und „Küchentisch“-Magic (inklusive FNM). Anders als in den Staaten, wo die StarCityGames-Open eine wöchentliche Großveranstaltung darstellen, kann man in Deutschland kaum unabhängig vom FNM Karten drehen. Klar gibt es immer mal einzelne Events, denen aber sowohl in zeitlicher als auch struktureller Planung noch jede Menge abgeht. Mir ist bewusst, dass dies in bestimmt Regionen oder Einzelstädten vielleicht anders aussieht, aber diese Glücklichen dürfen sich jetzt trotzdem gern das Gejammer der großen Masse anhören.


Nun ist es aber ein riesengroßer Schritt vom FNM-Zauberer zum PTQ oder GP, der noch dazu mit nicht unerheblichen Unkosten verbunden ist. Mit anderen Worten: Für diesen wichtigen Schritt musste man bisher schon ein wenig verrückt (oder gelangweilt oder gut gesponsort) sein. Dagegen dürfte es jetzt für fast jeden mindestens ein halbwegs gut erreichbares Turnier pro Saison geben, wo man durchaus Erfahrungen sammeln kann, allerdings ohne direkt wieder in Grund und Boden gespielt zu werden.

Doch nicht nur angehenden Turnierspielern wird der Einstieg erleichtert, auch denen, die eine Stufe darüber stehen, dürfte das neue System entgegenkommen, da sie neben regelmäßiger Möglichkeit, unter ernsthaften Bedingungen zu spielen, auch in permanenten Kontakt zu Gleichgesinnten kommen. Glaubt mir, das ist nicht nur aus spielerischer Sicht unbezahlbar, spätestens wenn ihr (wie wir nach dem PPTQ) zu zwölft beim Griechen sitzt, erkennt ihr auch noch andere Vorteile!


Negativ

Während ihr vermutlich schon erkannt habt, dass ich die prinzipielle Idee wirklich gut finde, störe ich mich noch an einigen Punkten der Umsetzung. Das beginnt bei der unbeschränkten Freiheit der Veranstalter, denn übertrieben dargestellt könnte das Ganze so laufen (und Gerüchten zufolge wird das auch in wenigen Lokalitäten so kommen), dass die Teilnehmerzahl auf die Ladenkapazität begrenzt wird, die logischerweise nicht gewaltig sein kann und dadurch eine Voranmeldung erfordert. Logischerweise werden die lokalen Spieler diese schneller, eher, besser wahrnehmen können als alle anderen, was bei, sagen wir, einer Begrenzung auf 20 Spieler schon zu einer ziemlichen Einschränkung führen könnte, insbesondere in den größeren Städten. Nun ist es bestimmt nicht schlecht, dass auch der unerfahrene Küchentischmagier seine Chance erhält; wenn das aber auf Kosten der im Positiv-Teil dargestellten Gruppe geht, vielleicht schon.


Das andere Problem ist der Qualifikationsmodus, bei dem wirklich nur die Nummer 1 weiterkommt. Klar könnte es ansonsten unschön voll bei den RPTQ werden, wenn jedes Kleckerdorf ein komplettes Auto schickt, aber eine kleine Staffelung – etwa zwei Qualifikationen bei 33–64 Spielern und darüber vier – könnte auch den unterschiedlichen Grundbedingungen gerechter werden.

Darüber hinaus würde man denjenigen entgegenkommen, die eben doch noch etwas anderes vom Leben haben wollen, als jedes Wochenende Karten zu spielen, und denen es gerade gefallen hat, dass sie nur das eine PTQ-Turnier zu spielen brauchten und dann dort gleich die Chance auf Ruhm und Ehre (und Flug) hatten. Für diejenigen ändert sich ja schon, dass sie auf mindestens zwei Turnieren nicht nur auftauchen, sondern auch gut abschneiden müssen. Und dafür ist „Platz 1 oder nichts“ ganz schön hart, da Magic halt doch einen beachtlichen Glücksfaktor hat. Ich behaupte einfach mal, dass ein Großteil der wichtigen Top-8-Runden einen anderen Sieger hervorbringen würden, wenn man sie genauso noch einmal spielen würde, weil eben auf dem Niveau absolute Kleinigkeiten entscheiden können. Aber vielleicht bin ich auch nur von all meinen zweiten Plätzen bei PTQ traumatisiert.

Während man hier argumentieren könnte, dass diese Wenigspieler ja aus Wizards-Sicht weniger wichtig sind als die Vielspieler, gibt es dann jedoch immer noch die Geldproblematik, dass jedes Turnier doch die eine oder andere Mark kostet, was für den einen mehr und für den anderen weniger bedeutsam sein dürfte.

Neben dem Vorschlag, die Qualifikationsplätze zu staffeln, habe ich hierfür auch noch eine weitere Idee (die bei Wizards vermutlich niemanden interessiert), übrigens ebenfalls aus der guten alten Zeit der National Qualifier geklaut: Zusätzlich zu den bisherigen Turnieren könnte man einfach noch ein paar „Last-But-One Chance Qualifier“ veranstalten, auf denen sich noch einmal vier bis acht Spieler in größerer Runde zum RPTQ qualifizieren. Diese regional geschickt verteilten Turniere könnten dann all jene auffangen, die genau ein Turnier spielen wollen/können. Oder jene, die ein wenig darunter leiden, dass in ihrem Laden plötzlich eine dreistellige Anzahl an lebenden Pro-Punkten auftaucht. Übrigens auch eine nette Möglichkeit für verdienstvolle Stores noch ein paar Zusatzeinnahmen zu generieren.

Einen etwas anderen Blick auf das Ganze bietet euch übrigens Caleb Durward. Er beschäftigt sich hauptsächlich damit, dass die PPTQ ausarten, also plötzlich wieder in Teilnehmerzahlen vorstoßen, die denen eines PTQ würdig gewesen wären. Hier sehe ich zumindest für Deutschland eher weniger Probleme, da man doch ausreichend gut mit Events versorgt wird, dass man schon sehr leidenschaftlich sein muss, um quer durchs Land zu fahren und für Überfüllung zu sorgen.

In Leipzig etwa war es zwar ein qualitativ hochwertiges Turnier, der Zuspruch von außerhalb beschränkte sich dann aber doch auf Fahrtzeiten von maximal anderthalb Stunden, wodurch quantitativ noch durchaus Platz nach oben war.

Wie auch immer, ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen und Kommentare zu diesem Thema!

Der MiDi




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