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Limited
Aufmarsch von Legionen an Plagen
von Florian Koch
19.07.2012

Alle Welt mag cuben wollen, aber ich finde die alten Draftformate, wie zum Beispiel jetzt aktuell Onslaught, viel interessanter. Es macht mir immer wieder Spaß, alte Draftumgebungen mit modernen Magic-Kenntnissen zu erkunden. An mir selbst kann ich ganz gut beobachten, dass ich bei diesen Formaten viel besser in der Lage bin, zielführende Entscheidungen zu treffen als zu den Zeiten, wo beispielsweise Mirage oder eben Onslaught ursprünglich auf dem Markt waren. Diesen Vergleich hat man natürlich nur, wenn man damals schon Magic gespielt hat.


Im Moment, also zu dem Zeitpunkt, an dem ihr diesen Artikel lest, nicht als ich ihn geschrieben habe, kann man Onslaught auf Magic Online draften. Draftsets gibt's im Supersonderangebot für drei Tickets im Classifieds-Bereich. Da Onslaught, Legions und Scourge allerdings keine/kaum Moneykarten enthalten, führen selbst die insgesamt fünf Tickets noch zu einem leicht negativen Erwartungswert. Im Folgenden möchte ich euch einen kurzen Überblick geben, was ihr übers Onslaught-Draftformat wissen müsst, damit's so positiv wie möglich wird. Thematisch handelt es sich bei dem Block um eine Tribalumgebung mit den Tribes:

Birds (WUbr)
Clerics (WB)
Soldiers (WU)
Wizards (Ubrg)
Beasts (RGub)
Illusions (U)
Zombies (B)
Goblins (Rb)
Elves (G)
Slivers (nur in Legions, dort aber in allen Farben)

Auf der Seite der Mechanismen ist Morph das mit Abstand markanteste Merkmal der Onslaught-Draftumgebung, aber auch Cycling, Amplify und Storm dürfen mitspielen.


Invarianten


Wenn man sich ein wenig mit einer Draftumgebung vertraut gemacht hat, sollte man versuchen, die festen Größen des Formats ausfindig zu machen. Dabei geht es nicht darum Allgemeinplätze zu formulieren wie: „Dicke Kreaturen für wenig Mana sind gut“, oder: „Effizientes Removal ist frühe Draftpicks wert.“ Eine formatspezifische Invariante ist zum Beispiel im Zendikar-Draft: „Der Verteidiger ist im Nachteil“, was daran liegt, dass Landfall den aktiven Spieler bevorzugt und auch sonst sehr viele Möglichkeiten existieren, das Blocken zu erschweren. Meist gibt es einige wenige Aspekte, die eine Draftumgebung so gut charakterisieren, dass man allein mit ihrer Kenntnis ein Gefühl fürs Format bekommt, welches einem erlaubt, ungewöhnliche Draftentscheidungen zu treffen. Im Falle des Onslaught-Drafts sind mir zwei solche aufgefallen.


Utility

Die wichtigste Erkenntnis im Onslaught-Draft lautet: „Die mächtigsten Karten sind Utilitykreaturen.“ Mit Abstand am absurdesten sind Sparksmith und Timberwatch Elf. Beide sind Commons, und wenn sie in der Kurve gelegt werden, normalerweise nicht besiegbar. Daru Stinger ist wegen Amplify etwas anspruchsvoller, seit dem ursprünglichen Release von Legions hat der Stinger allerdings einen zweiten Kreaturentyp (Mensch) gewonnen und kommt so häufig mit drei Marken ins Spiel, was ebenfalls zu einer einseitigen Spielsituation führen wird. Weitere gewöhnliche Beispiele sind Aven Redeemer, Battlefield Medic, Whipgrass Entangler, Shepherd of Rot, Snarling Undorak, Wellwisher, Wirewood Savage und jeder Invoker im späteren Spiel. Die gerade genannten Karten sind natürlich nicht so zwingend unbesiegbar wie Sparksmith und Co., aber zumindest problematisch.


Mit diesem Wissen gewappnet kann man sich zum Beispiel überlegen, dass Pacifism in diesem Draftformat weniger wertvoll ist als in anderen Umgebungen, da Pazifismus keine dieser Kreaturen abstellt. Weiterhin lässt sich feststellen, dass Blau ein Problem hat, nämlich einen entschiedenen Mangel an brauchbaren Utility-Kreaturen, der sich sogar in den Bereich der Uncommons fortsetzt. Schließlich steht Blau wie üblich fast ohne Removal da, sodass es noch nicht einmal mit gegnerischen Utility-Kreaturen interagieren kann. An dieser Stelle sollte klar sein, dass Blau nur eine Chance hat, wenn man entweder ein extrem aggressives und schwer zu stoppendes Deck hat oder wenn Blau den Juniorpart in einer Verbindung gibt.


Morph

Morph führt dazu, dass beide Spieler normalerweise ab dem dritten Zug sehr viel Freiheit darüber haben, welche Kreatur sie ausspielen möchten. In den meisten Formaten spielt man einfach die Karte, die nun dran wäre, aber im Onslaught-Draft sind im dritten Zug fast alle Karten in der eigenen Hand angeschaltet. Und in den Folgezügen hat man fast immer die Möglichkeit, Kreaturen zu ihren normalen Kosten oder zu ihren Morphkosten auszuspielen, und dazu noch verschiedene Optionen, Morphkreaturen aufzudecken. Wenn man mit einbezieht, dass man Länder vielleicht nachzieht, vielleicht aber auch nicht, ist es im Onslaught-Draft wichtiger, auch die eigenen Folgezüge mitzuplanen. Gleichzeitig kann man häufig anhand der Spielweise des Gegners erraten, welche Morphs er hat oder zumindest welche Morphs er nicht hat, was häufig ausreicht.


Das ist zwar alles schön und gut und irgendwie auch invariant, aber mit diesem Wissen kann man noch nicht so viel anfangen. Aus der massiven Präsenz von Morphkreaturen und dem, was sich typischerweise drunter befindet, ergibt sich jedoch meist eine recht gemächliche Spielentwicklung. Die meisten Kreaturen können miteinander tauschen und nur selten verschläft ein Spieler das frühe Spiel komplett. Gleichzeitig spielt man relativ lange lediglich eine Karte pro Zug. Ein zusätzlicher 2-Drop kann so zwar für ein paar zusätzliche Schadenspunkte sorgen, aber auch das gerät nur selten außer Kontrolle. Man kann versuchen, dieses Schema zu durchbrechen, aber das passiert normalerweise nicht aus Versehen, sondern bloß dann, wenn man gezielt ein Deck draftet. Elfen mit Alpha Status sind zum Beispiel eine Methode, nicht nur aus diesem Schema auszubrechen, sondern diesem eine Explosivität entgegenzusetzen, mit der ein klassisches Morphkreaturendeck nicht klarkommen kann.


Jede Stimme zählt

Auf den Draft dürfte das wenig Einfluss haben, aber beim Spielen sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es im Onslaught-Block viele Effekte gibt, die die Anzahl der Kreaturen eines Typs zählen und dabei immer alle Kreaturen im Spiel betrachten. Dem Gegner im Late Game eine Extrakarte für seinen Wirewood Savage zu gönnen, nur weil man bei seinem Treespring Lorian Mana sparen wollte, ist zum Beispiel ziemlich unnötig, aber schnell passiert.


Archetypen


Neben den üblichen Goodstuff-Ansätzen, gibt es im Onslaught-Limited natürlich Tribaldecks. Dabei ist nicht jeder Tribe gleich stark und manchmal sind es die Kombinationen von Tribes, die zu einer hohen Durchschlagskraft führen.


Gx-Elf-Aggro

Wer Spaß daran hat, einen Haufen Schrottkarten auszuspielen und den Gegner damit so richtig langzumachen, ist hier goldrichtig. Der Draftplan ist dabei relativ einfach. Man verwendet die hohen Picks auf Karten mit Effekten, die mit der Anzahl an Kreaturen eines Typs skalieren und sammelt Defiant Elf und Treetop Scout im zweiten Umlauf ein. Die wichtigen Karten aus den verschiedenen Packs sind:

Tribal Unity, Heedless One, Elvish Vanguard, Wirewood Herald, Voice of the Woods, Wellwisher, Wirewood Pride
Timberwatch Elf, Tribal Forcemage, Wirewood Hivemaster, Gempalm Strider
Alpha Status, Ambush Commander, Wirewood Symbiote

Die Reihenfolge der Karten sollte dabei jeweils ungefähr die Pickorder widerspiegeln, wobei ich mir bei Wirewood Herald nicht so sicher bin, wie hoch man ihn tatsächlich picken möchte. Wenn man auch nur einen richtig guten Elfen im Deck hat, ist er direkt ein hoher Pick, nur weiß man erst später, ob man diese Elfen auch wirklich bekommt.


Bw-Zombie-Clerics

Das klingt wie ein schlechter Splatterfilm und spielt sich auch so – mein Lieblingsdeck. Die Kleriker sind in Schwarz und Weiß beheimatet und haben zum Teil sehr mächtige Effekte. Da man schon mal schwarz ist und viele Kleriker gleichzeitig Zombies sind, kann man hier beide Tribes einsammeln und entsprechend alle Synergien nutzen. Am Ende hat man meist ein Deck, das im frühen Spiel recht druckvoll agieren kann, außerdem über ein tolles Late Game verfügt, zum Ausgleich aber keinen Zugriff auf die wirklich unfairen Commons hat.

Eine kurze Zusammenfassung der wichtigen Picks ist hier nicht so leicht möglich wie bei den Elfen, weil es sehr viele gute Karten gibt, aber praktische keine essenziellen. Grundsätzlich sollte man einfach normal draften und dabei seine Tribes im Auge behalten. Grob gilt: Zombiekleriker>Zombie/Kleriker>andere Kreatur. ist kein Problem, hingegen schwierig. Man ist schon im frühen Spiel relativ freizügig mit dem „Leben“ der eigenen Kreaturen und hat auch einige, die späterhin noch Value produzieren, sodass ein Reaping the Graves oder Aphetto Dredging wirklich stark sein kann. Dank Noble Templar, Twisted Abomination und Gempalm Polluter sind Dragon Shadow und Dragon Scales häufig gut in diesem Deck.


RG-Beasts

Die klassische Fattie-Strategie bringt auch die klassischen Probleme mit sich. Spielt man bis Turn 6 jeden Zug seine Kreaturen in der Kurve, dann gewinnt man vermutlich, stockt man, verliert man aber auch schnell mit einer Hand voller Klobos. Wie so häufig ist es am Ende fast egal, welche Fatties man denn nun genau ausspielt. Wenn man ständig dickere Tiere zieht als der Gegner, wird man schon irgendwann gewinnen.

Die Schlüsselkarten für dieses Deck sind Wirewood Savage, Totem Speaker, Contested Cliffs und Krosan Warchief. Sparksmith, Timberwatch Elf, Shock und Massremoval (nicht Thunder of Hooves!) sind darüber hinaus begehrt, weil Fatties austauschbarer sind und diese Karten dem eigenen Deck ein paar zusätzliche Möglichkeiten zur Interaktion geben. Schließlich sollte man im dritten Booster nach Chartooth Cougar und Wirewood Guardian Ausschau halten. Krosan Tusker mag gut aussehen, doch man möchte viel lieber den zweiten als den dritten Zug opfern, wenn die eigene Hand einem nicht zuverlässig erlaubt, bis zum fünften Zug Land zu legen.


Rx-Goblins

Wenn man Goblins und Elfen vergleicht, fällt auf, dass Elfen die besseren Möglichkeiten haben, von einer großen Menge an Kreaturen des gleichen Typs zu profitieren. Karten wie Alpha Status oder Tribal Unity gibt es in Rot einfach nicht und auch keine vergleichbaren Alternativen. Man hat also Sparksmith gegen Timberwatch Elf getauscht und weiß ansonsten mit seinen Horden nicht viel anzufangen, braucht also fast zwingend eine Zweitfarbe.

Weiß bringt einen nicht weiter.
P
Die Kombination mit Blau gibt einem kein zuverlässiges Deck, aber fliegende Goblins (Mistform-Illusions) und diverse Kiddie-Kombos: Lavamancer's Skill findet hier meist einen Zauberer, Scornful Egotist erzeugt einen gigantischen Torrent of Lava oder Rush of Knowledge und Crown of Ascension kann allen eigenen Goblins einen Alphastrike erlauben oder einfach Skirk Commando durchbringen.
P
Schwarz bringt ein paar zusätzliche, aber verzichtbare Goblins und teures Removal, das man nicht gegen Spieler richten kann; keine große Hilfe.
P
Wenn man Grün als Zweitfarbe wählt, kann man den Elfen ihre Tricks klauen. Alpha Status, Tribal Forcemage und Tribal Unity führen eine Goblinhorde genauso gut zum Sieg wie eine Elfenhorde. Darüber hinaus wird man in Grün allerdings fast keine Unterstützung finden.

Letztlich sind die Goblins alleine recht schwach auf der Brust, finden aber auch in keiner anderen Farbe wirklich konsequent Unterstützung, sodass ich sie nicht als eigenständigen Archetyp empfehlen würde.


UW-Bird-Soldiers

Hier erhält man das klassische UW-Fliegerdeck. Solche Decks finde ich ja immer einigermaßen schwierig zu draften, weil das Ziel eine Balance zwischen guten, fliegenden Angreifern und soliden Verteidigern auf dem Boden sein muss. Wenn man stattdessen immer nur die schönen Flieger einsammelt, zwingt man sich am Ende Races auf, die man gegen die effizienteren Bodenkreaturen nicht gewinnen kann. Im Onslaught-Block passt das insofern ganz gut, als dass es sowieso fast keine echten Tribalsynergien bei den Vögeln gibt. Mit anderen Worten, UW-Birds sieht zwar aus wie ein Tribaldeck, ist aber wirklich ein ganz klassisches Fliegerdeck.

Etwas interessanter sieht das aus, wenn man sich mehr auf die Soldatenseite des Decks konzentriert. Es gibt entspannt genügend Soldatenvögel, sodass man immer noch viel Schaden in der Luft machen kann, gleichzeitig nimmt man jedoch viele zusätzliche Synergien mit. Von der erhöhten Konzentration auf Soldaten profitieren zum Beispiel Aven Brigadier, Aven Warhawk, Catapult Squad, Daru Stinger, Daru Warchief, Gempalm Avenger, Mobilization, Pearlspear Courier und vielleicht schafft es sogar Unified Strike ins Deck. Am wichtigsten dürfte allerdings sein, dass man hier das einzige Deck hat, in dem Daru Stinger richtig gut ist.


Andere Tribes

Slivers ergeben kein Deck, weil sie nur in einem Booster auftauchen und auch da zu schwach vertreten sind. Am ehesten hat man es mal, dass Crypt Sliver, Spectral Sliver und Toxin Sliver gemeinsam in einem Deck auftauchen und sich gegenseitig stärken. Wenn man einmal in Blau-Schwarz rutschen sollte, kann man dort auch ein paar Sliver-Mistform-Synergien haben, doch das sind normalerweise Nebeneffekte und keine ganzen Decks.

Wizards waren in eigentlich immer der Gammel-Tribe – bis die Küstenzauberer sich überlegt haben, dass in einem Spiel namens Magic Wizards vielleicht auch mal spielbar sein dürften. Dark Confidant, Vendilion Clique und Snapcaster Mage lassen grüßen, zu Onslaught-Zeiten war man von so etwas aber noch Jahre entfernt.

Die Illusionen schließlich sind eher eine mäßig gelungene Implementierung von dem, was später zu Changelings wurde. Als Klebstoff, der verschiedene Decks zusammenhält, wären sie auch in Onslaught brauchbar, aber dadurch, dass sie nur in einer Farbe auftauchen, machen sie gleichzeitig sich selbst und Blau zum fünften Rad am Wagen. Ein Illusionendeck gibt es jedenfalls trotz Tribal-Lord nicht.




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