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Agenda 2010
von Andreas "Zeromant" Pischner
11.06.2009



Senf muss sein, wenn man die Regeländerungen, die mit M10 in Kraft treten, serviert bekommt. (Und wenn er dazu beiträgt, deren Geschmack zu überdecken, umso besser!) Hier also meiner:

1) Simultaneous Mulligans

Hier erhalte ich den Eindruck, dass Forsythe die Bedeutung dieser Regeländerung unterschätzt: Für den nachziehenden Spieler hat es bislang immer einen erheblichen Vorteil bedeutet, in aller Ruhe abwarten zu können, wie der Gegner sich entscheidet, bevor er selbst es tut. Dieser Informationsvorsprung wird nun auf einen Mulligan reduziert. Ich weiß, dass es immer mal wieder vorkommt, dass ich eine Hand nur dann mulligane/nicht mulligane, wenn mein Gegner auf fünf oder weniger gegangen ist. Wir haben es hier also mit einer leichten Verschiebung bezüglich der Bedeutung des gewonnenen Würfelwurfs zu tun, weil der beginnende Spieler ein kleines Handicap verliert. Weltbewegend ist das natürlich nicht, und die eingesparte Zeit ist natürlich ein gutes Argument. Mit dieser Änderung kann ich leben.

2) Terminology Changes

Generell bin ich ein klarer Befürworter dieser Veränderungen! Eine Abkehr von abstrakten Termini weg hin zu solchen, welche die Vorstellungskraft beflügeln und intuitiv erfassbar sind, gefällt mir ganz hervorragend! Im Detail habe ich allerdings manches zu kritisieren:


2a) Battlefield

Furchtbar, furchtbar, FURCHTBAR! Einmal beleidigt diese billige, reißerische Hinwendung zum Martialischen mich als erwachsenen Magic-Spieler. Sofort denke ich an Sätze wie „Lass' uns kämpfen!“

Noch wichtiger aber ist der Umstand, dass diese Bezeichnung keinen Sinn ergibt! Was macht ein Island im „Battlefield“? Was soll die Library of Leng da? Auch Kreaturen kämpfen keineswegs alle.

Hier wird wieder einmal klar, dass das anvisierte Zielpublikum für Magic jünger, dümmer und peinlicher wird. Wenigstens hätte man einen weniger plumpen Begriff wählen könne, wie zum Beispiel „Arena“.

Spieltechnisch hat das Ganze natürlich keine Auswirkungen, aber was den Spielspaß angeht, spielt das Unterbewusstsein eben auch mit, und wann immer ich „Battlefield“ lese oder höre, distanziere ich mich innerlich ein wenig von diesem Spiel.


2b) Cast, Play & Activate

Ein Schritt in die richtige Richtung, aber das Ergebnis gefällt mir nicht allzu gut. „Cast“ ist prima, daran gibt es nichts auszusetzen. „Activate“ ist schon ein wenig umständlich – wäre das simplere „use“ nicht möglich gewesen? Am störendsten jedoch ist, dass „play“ weiterhin für Länder und den Allgemeinfall beibehalten wird. Wenn man die Verwirrung der verschiedenen Bedeutungen auflösen will, ist das ungeschickt. Prinzipiell jedoch gibt es keinen Grund, sich hierüber aufzuregen.


2c) Exile

Sowohl als Verb wie auch als Substantiv ist das ein wunderbarer Begriff! Ich würde diese Entscheidung deswegen vorbehaltslos loben, wenn, ja wenn da nicht diese Sache mit den Wünschen wäre... Sich exilierte Dinge mithilfe von Research zurückholen zu können, war für mich eine wesentliche Funktion solcher Karten. Man kann auch kaum behaupten, dass es sich nicht um die ursprünglich intendierte Funktion handelt, denn es war niemals anders, als dass man „removed from game“-Karten damit zurückholen konnte! Ich erinnere mich an Master of Arms, der bei Einführung der Sixth Edition Rules plötzlich mit einer weitgehend nutzlosen Fähigkeit dastand. Erst viel, viel später wurde seine intendierte Wirkungsweise per Erratum wieder hergestellt.


War es nötig, die Wünsche dermaßen zu kastrieren? Für mich als Nur-noch-Casualspieler macht diese Änderung möglicherweise genau den Unterschied zwischen Behalten-Wollen und Nicht-Behalten-Wollen aus, da ich nie auf die Idee käme, Karten aus meiner Sammlung hervorzukramen und ich ein Wish-Sideboard im Casual auch nicht unbedingt für wünschenswert (pun, pun) halte. Warum erhalten die Wünsche kein Erratum, welches die Beibehaltung ihrer schon immer bestehenden Funktionalität garantiert?


2d) Beginning of the End Step

Überfällig, und sauber gelöst. Hiermit hätte man auch gar nicht bis zum Erscheinen von M10 warten müssen, finde ich.

3) Mana Pools and Mana Burn

Das ist wieder eine ein wenig durchwachsene Angelegenheit hier:


3a) Mana Pools Emptying

Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, was so schwierig daran sein soll, Phases und Steps auseinanderzuhalten – sind das die gleichen Leute, die auch mit Stunden und Minuten oder Dollar und Cent durcheinanderkommen? Hier beobachte ich tatsächlich ein „Dumbing Down“ der Regeln auf einen absolut lächerlichen Level.

Ich bin auch nicht der Ansicht, dass es in der Realität des Spiels tatsächlich eine Vereinfachung darstellt, den Manapool öfter zu leeren. Tatsächlich muss man nämlich nun ÖFTER als vorher darüber nachdenken, dass man noch Mana im Pool hat.

Weiterhin gehen hier einige taktische Optionen verloren: Ein in der Upkeep getapptes Land noch rasch zu benutzen, in der Hoffnung, es für einen nachgezogenen Spruch verwenden zu können; einen Noble Hierarch im Beginning-of-Combat-Step als Antwort auf seine Zerstörung für Mana zu tappen, um damit später im Kampf einen Kampftrick oder Schadensverhinderung zu zocken – diese Möglichkeiten gehen verloren.

Da das zugegebenermaßen nichts Weltbewegendes ist, würde ich deswegen nicht meckern, wenn ich einen vernünftigen Vorteil dieser Regel sähe, aber das tue ich nicht: Im Gegenteil sehe ich hier eine Verbindung von umständlicheren Spiel und Verlust taktischer Optionen, und das kann nicht gut sein! Aber leben kann man damit natürlich.


3b) Mana Burn Eliminated

Hier allerdings kann ich (fast) nur applaudieren: Das war schon immer ein generell überflüssiger Aspekt des Spiels! Natürlich ist es schade, dass einige Karten hierdurch deutlich schwächer oder stärker werden, aber in diesem Fall bin ich gerne bereit, diese Opfer zu bringen, mit einer Ausnahme:

Mana Drain war eh schon zu stark, da ist es mir egal. Well of Discovery und Co. besitzen jetzt einen geringeren Nachteil (eigentlich nur noch den, dass man sein Mana nicht mehr im gegnerischen Zug benutzen kann), aber auch damit komme ich klar. Spectral Searchlight und Valleymaker besitzen immer noch genügend interessante Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere im Teamplay. Hidetsugu's Second Rite und Pulse of the Forge/Pulse of the Fields, na gut, dieser absichtliche Manaburn war letztlich nie erwünschtes Gameplay. (Painlands können helfen, wenn man etwas Entsprechendes gezielt vor hat.) Citadel of Pain allerdings verliert seine ureigene Funktion und hätte dringend ein Master of Arms-Erratum benötigt, und für Mana Cache, welches nunmehr nahezu vollständig nutzlos ist, gilt dies erst recht! Da werden Karten lieblos obsolet gemacht.


Eine Anmerkung noch: Ich hätte mir gewünscht, dass gleichzeitig mit dieser Regelung auch der ebenso überflüssige Discard im Cleanup entfallen wäre, der in der Praxis zu 99% nur Spieler mit Mana-Screw noch stärker bestraft. Hier wurde meiner Ansicht nach eine Chance vertan!

4) Token Ownership

Völlig okay, diese Regelung: Es wird Verwirrung beseitigt, und wenn eine besonders exotische Casual-Strategie, welche auf der Ausnutzung einer obskuren und so nie beabsichtigten Interaktion basiert, dadurch verschwindet, Wayne.

5) Combat Damage No Longer Uses the Stack

Here comes the Biggy: WAS-FÜR-EIN-SCHEISS!

An dieser Stelle zweifle ich wirklich an der Kompetenz der Jungs. Mal ganz ehrlich – findet Ihr das neue System einfacher zu begreifen? Ich gewiss nicht!

Der Stack ist und bleibt das zentrale Timing-Instrument des Spiels, und ich kann nicht verstehen, welche Probleme es dabei geben soll zu begreifen, dass auch Combat-Damage ihn nutzt. Diese Simplifizierung war doch eigentlich eine der großen Leistungen der Sixth Edition Rules! (Wenn es nach mir gegangen wäre, würde übrigens auch das Spielen von Ländern ihn benutzen, als weitere Vereinheitlichung ohne wirkliche negative Konsequenzen – man kann halt auf jede gespielte Karte reagieren, das ist doch intuitiv genug, oder?) Wo liegt eigentlich das Problem? Ist es wirklich die Visualisierung eines Faustschlages, welcher den Gegner noch trifft, nachdem der Kämpfer bereits niedergestreckt wurde? Aber diese Ungereimtheit bleibt doch generell dank des Stacks weiter bestehen, und es ist ja auch nicht so, dass feuerspeiende Wasserwürmer oder mit Kriegshämmern ausgerüstete Urschleime mehr Sinn ergäben...
Bliebe der Schaden auf Kreaturen am Ende des Zugs erhalten, würden größere Kreaturen kleinere nicht so sehr dominieren. Da er aber verfällt, benötigen kleine Kreaturen ein gewisses Extra, um ihren Spielwert sicherzustellen...

Ich sehe hier eine Änderung, welche die Regeln gewiss nicht vereinfacht, die taktischen Optionen jedoch wiederum erheblich reduziert! Klar, Mogg Fanatic war ursprünglich einmal nicht so gedacht gewesen, aber seitdem sind ZEHN JAHRE lang Karten mit diesem Regelverständnis im Hinterkopf designt worden – das sind zwei Drittel der bisherigen Lebensdauer von Magic! Abgesehen davon haben sich solche Tricks eindeutig bewährt: Sie machen kleine Utility-Creatures nützlicher (Mogg Fanatic, Plagued Rusalka), was ein wichtiger Aspekt in einem Spiel ist, in dem Schaden von Kreaturen am Ende jeder Runde geheilt wird. (Falls Ihr den Zusammenhang nicht seht: Aufgrund dieser Mechanik dominieren größere Kreaturen kleinere im Kampf total – bliebe der Schaden auf ihnen drauf, wäre das anders. Deswegen benötigen kleine Kreaturen ein gewisses Extra, um ihren Spielwert zu erhalten.) Weiterhin belohnen sie Spieler mit größerem Spielverständnis.

Bei den Sixth Edition Rules haben viele Leute damals geschrien, weil ihrer Ansicht nach das Niveau des Spiels herabgesetzt wude, aber das war nicht wirklich der Fall: Tatsächlich wurde nur das Verständnis der REGELN erleichtert (ein klares Positivum), während die Einführung des Stacks im Gegenzug deutlich mehr Interaktionsmöglichkeiten eröffnete und deswegen die taktische Tiefe des Spiels erhöhte! (Ja, ich denke, man kann eine Tiefe erhörhen. Sprache ist merkwürdig...)

Hier passiert hingegen genau das Gegenteil: Eine Regel wird unnötig mit dem ausdrücklichen Ziel verkompliziert, Interaktion zu unterbinden! Die Zahl der Karten, welche davon betroffen wird, ist gigantisch. Mogg Fanatic, Nantuko Husk, Greater Gargadon, Qasali Pridemage, Basal Sliver, Phyrexian Plaguelord... Oh, und Umezawa's Jitte ist gerade NOCH ein kleines bisschen brokener geworden! Während bei allen anderen Punkten sich lediglich die Regeln des Spiels Magic ein wenig geändert haben, muss man hier konstatieren: Hier hat sich das Spiel selbst geändert, und das in einer höchst nachteiligen Weise! Magic ohne „Damage on the Stack“ ist ein völlig anderes Spiel.

Was soll das? Die Vermutung liegt tatsächlich nahe, dass es hier darum geht, den unbedarftetsten Kiddies einen Gefallen zu tun, denn nur diese erfahren unter den alten Regeln einen tatsächlichen Nachteil – jeder Casual-Spieler ist doch mit dem Stapel hinreichend vertraut, dass ihm „Damage on the Stack“ in Fleisch und Blut übergegangen ist!

Die unmotivierte Reduktion von Interaktionsmöglichkeiten im Kampf; die deutliche Abschwächung einer vermutlich vierstelligen, auf jeden Fall aber deutlich dreistelligen Anzahl existierender Karten; die erhebliche zusätzliche Benachteiligung kleiner Utility-Creatures gegenüber großen, stumpfen Beatern – all dieses würde mich eine Regeländerung hier bereits dann grundsätzlich ablehnen lassen, wenn sie eine Vereinfachung darstellte. Nun kommt aber noch dazu, dass die neue Regel UMSTÄNDLICHER ist! Erst sagt man eine Reihenfolge an, in der man Schaden zu machen gedenkt, und dann, in einem späteren Schritt, sagt man an, wie viel Schaden man jeweils zu machen gedenkt – was, um alles in der Welt, ist daran einfach oder intuitiv? Wie unsinnig und kontraproduktiv diese Neuregelung ist, wird man auch gleich beim nächsten Punkt sehen...

6) Deathtouch

Diese Änderung wurde notwendig, weil Deathtouch mit den neuen Schadensregeln einfach nicht mehr so funktioniert, wie es soll. Warum Kreaturen mit Deathtouch hier eine Vorzugsbehandlung erhalten, während Mogg Fanatic oder Nantuko Husk traurig danebenstehen, tja...

Wenn man die Änderung der vorherigen Regel als Fakt akzeptieren muss, dann wurde hier prinzipiell einfach das getan, was notwendig war – aber um Himmels Willen, wie absurd ist das denn? Die Ansage von Kampfschaden wird noch einmal mit einer Sonderregel verkompliziert, und das letzte bisschen Intuitivität geht ihr auch noch verloren, wenn ausgerechnet Kreaturen mit Deathtouch sich nicht daran halten müssen. Bereits hier findet sich also eine Bankrotterklärung der neuen Schadensregelung!

7) Lifelink

Zum Schluss noch eine weniger bedeutsame Änderung. Ich sehe, ehrlich gesagt, so oder so keinen großen Unterschied, was die Komplexität von Lifelink angeht, und ich empfinde die alte Version auch nicht als unintuitiv: Trigger oder Gleichzeitigkeit, beides ergibt Sinn und ist einfach zu erfassen. Deswegen verstehe ich auch nicht, wieso diese Regeländerung als notwendig erachtet wurde.

Sie führt natürlich dazu, dass Lifelink jetzt deutlich stärker ist als vorher. War das notwendig? Ich finde, nein! Zusätzlich gehen noch einige taktische Optionen verloren, die mit dem Opfern einer blockenden/geblockten Kreatur zu tun haben, und die es ermöglichten, den Lebenszuwachs zu umgehen, aber das ließe sich noch verschmerzen. Ich bin mit dieser Regelung nicht gerade glücklich, aber sie stört mich jetzt auch nicht allzu sehr.

Mein Resümee

Wenn ich den Vergleich zu den Sixth Edition Rules ziehe, gefallen mir die neuen Regeln überhaupt nicht. (Und ja, ich war damals schon aktiver Spieler, als jene Regeländerungen in Kraft traten, und ja, ich habe sie zum allergrößten Teil damals auch bejaht und gegen Kritik verteidigt!)

Ich zweifle ihre Sinnhaftigkeit zum großen Teil an. Nichtsdestotrotz weiß ich, dass ich mich an fast alles Neue hier rasch gewöhnen werde – aber NICHT an die neuen Schadensregeln! Sie sind unmotiviert, unnötig kompliziert und schädlich für das Spiel und tragen tatsächlich erheblich dazu bei, dass man als erfahrener Spieler weniger Möglichkeiten besitzt, Anfänger auszuspielen. Vor allem aber entwerten sie einen Großteil meiner Kartensammlung und reduzieren meine Optionen für vielseitige Casual-Decks, da sie Utility-Creatures gegenüber Fatties benachteiligen. Ich wünschte, ich könnte einfach sagen „dann spiele ich halt privat weiterhin nach den alten Regeln“, aber ich weiß genau, dass das in der Praxis nicht funktioniert.

Den Spielregeln kann ich mich auch als Casual-Player nicht wirklich entziehen. Vielen Dank, Wizards, dass Ihr jetzt auch damit beginnt, mir diese Zuflucht kaputtzumachen!




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