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Behind the Scenes – ein Judge in Rotterdam
von Florian Koch
04.03.2009

Grand Prix Rotterdam ist vorüber und ich war da; nach all den GPs als Spieler zum ersten Mal als Judge...

Dieser Artikel ist ein Judge-Report über den GP in Rotterdam. Da ich selbst eigentlich mehr Spieler als Judge bin, wollte ich einmal einen Artikel aus der Sicht eines Spielers schreiben, der bei einem GP hinter die Kulissen schaut. Das mag für den ein oder anderen unspannend sein, aber dafür sage ich ja vorher, worum es geht.

Warum Judge?

Meinen ersten Grand Prix habe ich 1998 in Antwerpen gespielt. Seitdem war ich auf 20 GPs, immer als Spieler und fast jeder davon war ein Erlebnis. Was hat mich also dazu bewogen, ins andere Lager zu wechseln? Langeweile war es bestimmt nicht, ich würde immer noch jeden GP auch spielen.


Ich bin zwar seit Ewigkeiten Turnierspieler, habe mich aber immer nebenbei fürs Judgen interessiert, obwohl meine Ambitionen fast ausschließlich dem Spielen galten. Trotzdem war zu Beginn jeder Saison einer der ersten Gedanken, dass ich auch mal einen dieser GPs judgen könnte. Bisher hat der Spieler in mir noch immer über den inneren Schiedsrichter gesiegt, aber die Neugier war definitiv vorhanden.

Nachdem der GP-Plan für 2009 stand, war der Gedanke wieder da: Ich könnte doch mal als Schiedsrichter antreten. Anders als sonst war der zweite Gedanke diesmal jedoch: Wie lange will ich das eigentlich noch vor mir herschieben anstatt es einfach mal anzupacken? Ein zweiter Blick auf den Plan: Viele Constructed-GPs in der ersten Jahreshälfte. Da ich lieber Limited als Constructed spiele, war das natürlich gleich die Gelegenheit, die Überlegungen endlich in die Tat umzusetzen. Unmittelbar nachdem ich mich darauf festgelegt hatte, mich für die Constructed-Grand-Prix zu bewerben, wurde auf der Judge-List bekanntgegeben, dass man sich ab sofort für Rotterdam bewerben könne...
-Sponsorship
 
Wizards of the Coast verteilen für große Events Sponsorships. Diese gibt es in zwei Ausführungen: Full und Partial. Judges mit Full Sponsorship bekommen die Anreise und die Unterkunft von Wizards gestellt, Judges mit Partial Sponsorship bekommen nur die Unterkunft gestellt. Ich habe mich auf ein Partial Sponsorship beworben, weil ich in Aachen wohne und die Strecke Aachen – Rotterdam nun einmal nicht so weit ist.

Rotterdam wollte ich ja eigentlich spielen. Ich mag Shards of Alara, Limited sowieso und weitere große Limited-Turniere würde es bis in den Sommer nicht geben. Wo ich aber einmal beschlossen hatte, dieses Jahr ernsthafter an meiner Schiedsrichterkarriere zu arbeiten... – warum nicht gleich damit anfangen? Nach einiger Überlegung habe ich mich schließlich dazu entschieden, mich um Sponsorship zu bewerben. Falls ich das Sponsorship bekäme, würde ich judgen, bekäme ich es nicht, würde ich eben wie – ursprünglich geplant – spielen.

Wie das ausgegangen ist, könnt ihr euch mittlerweile wohl denken. Nachdem mir am 8. Januar mitgeteilt wurde, dass ich ein Sponsorship erhalten hatte, war klar, dass Rotterdam mein erster Grand Prix als Judge werden würde. Damit schloss sich direkt die Frage an, wie man sich am besten auf seinen ersten Grand Prix vorbereitet.

Vorbereitung

Es gibt einen Artikel dazu auf der Wizards-Seite. Der ist nett zu lesen, aber das meiste davon ist in meinen Augen mehr oder weniger selbstverständlich. Zu großen Teilen ist der Artikel auch auf die Spielersituation übertragbar, daher kann ich jedem Spieler, der noch nicht fünf oder mehr Grand Prix gespielt hat, empfehlen, ihn mal zu lesen.

Zunächst einmal ist es offensichtlich, dass man als Judge die Regeln kennen sollte. Die Comprehensive Rules kennt man als Spieler, zumindest prinzipiell, aber es schadet wohl nicht, sie vor einem großen Event erneut durchzuarbeiten. Leichter und gleichzeitig schwieriger sind die Penalty Guidelines. Leichter sind sie, weil sie viel kürzer als die Comprehensive Rules sind, schwieriger weil man damit als Spieler normalerweise kaum in Kontakt kommt. Zusätzlich gibt es noch einige andere Dokumente, wie die Floor Rules und Universal Tournament Rules, die in meinen Augen in erster Linie den gesunden Menschenverstand zusammenfassen.

So weit zum theoretischen Teil, aber ich wollte nicht wirklich in Rotterdam ankommen und im letzten Jahr ausschließlich Turniere von der Größe eines FNMs gejudget haben. Da der PTQ in Kruft unmittelbar bevorstand, habe ich schnell den Organisator angefragt, ob ich dort als Schiedsrichter eingesetzt werden könnte. Das Team stand schon, ich war mittlerweile gut erkältet – ein Zustand, der für den Rest des Monats anhalten würde – und war eigentlich an dem Tag noch auf einen Geburtstag eingeladen. Trotz widriger Umstände habe ich aber den TO davon überzeugt, mich mitjudgen zu lassen, um zumindest ein wenig praktische Erfahrung mit nach Rotterdam bringen zu können. Im Nachhinein waren dann wohl alle über den vierten Judge froh, weil der PTQ deutlich größer ausfiel als erwartet. Aus meiner Perspektive war es zudem sehr positiv, weil ich im Grunde alle Fragen der Spieler zu deren Zufriedenheit beantworten konnte, was Sicherheit für Rotterdam brachte.

Um noch mehr Praxis zu bekommen, habe ich außerdem die 2HG-Conflux-Launch-Party bei uns im Laden geheadjudget, was wiederum eine ganz andere Erfahrung darstellt. Das Turnier war zwar nicht größer als ein FNM, aber ich habe mein letztes Limited-Turnier vor knapp zehn Jahren geleitet und man muss sich zum Beispiel schon gut überlegen, welche Ansagen man machen möchte. Headjudges können mitunter fünf Minuten lang reden und trotzdem gibt es anschließend mehrere Unklarheiten. Das kenne ich natürlich als Spieler, aber mir ging es als Headjudge nicht anders: Die perfekte Ansprache ist mir ebenfalls nicht gelungen...

Zeitsprung

(Den Artikel bis hierhin habe ich vor Rotterdam geschrieben, den folgenden Teil anschließend.)

So, ich bin zurück und ich muss sagen, ein phantastisches Wochenende liegt hinter mir. Vorher hatte ich ja ein wenig Angst, dass ich nachher bedauern würde, nicht gespielt zu haben. Ich bin zwar schon ein wenig neidisch auf die drei Leute, mit denen ich gleich wie jeden Dienstag am Drafttisch sitzen werde, und die in Rotterdam alle in den Preisrängen gelandet sind. Aber ich kann nicht sagen, dass ich der verpassten Gelegenheit als Spieler nachtrauere. An dieser Stelle Glückwunsch: an Alex Fanghänel für einen lang verdienten Erfolg, an Marc Hollmann zu seinem ersten Money-Finish und an Simon Görtzen zu der beeindruckenden Konstanz auf hohem Niveau.

Freitag

Aber zum Anfang des Wochenendes: Los ging es Freitag um eins. Das Michael-Wiese-Taxi traf ein wenig verfrüht ein und die folgende Autofahrt war entspannend unspektakulär, ein wenig Magic-Talk gab es selbstredend, aber auch das war auf entspanntem Niveau. Das Judge-Hotel wurde sofort gefunden und der Computerausfall im Hotel erwies sich ebenfalls nicht als böses Omen für den Grand Prix. Anschließend sind wir mit der U-Bahn zur Site gefahren. Das Team um den neuen European Tournament Organizer – oder wie auch immer sein offizieller Titel sein mag [Anm.d.Red.: European Event Manager] – war gerade dabei, die letzten Aufbauarbeiten zu erledigen. Für uns gab es erst mal nicht viel zu tun, außer Zeit durch möglichst ineffizientes Aufbauen der Registration Area totzuschlagen. Die Anmeldung begann um 17:30 Uhr und nach und nach tröpfelten 550 Spieler ein. Das mag zwar komisch klingen, fühlte sich aber tatsächlich genau so an, längere Schlangen gab es nämlich nie.

Zum ersten spannenderen Punkt kam es mit dem Judge-Meeting um acht. Ich dachte zumindest, dass der Punkt spannender sei, aber auch das war nicht viel mehr als eine freundliche Begrüßung an 30-40 Judges, die an langen Tischreihen saßen und froren. Wenn keine Spieler in einer Halle sind, ist es da nämlich ziemlich frisch. Man kann sich das ganze vorstellen, wie ein etwas verlängertes Head-Judge-Announcement zu Beginn eines Turniers, nur dass es sich hier eben an die Judges und nicht an die Spieler richtet. Dazu gehört dann auch noch eine Vorstellungsrunde. Den ein oder anderen mag es beruhigen: Die Judges bekommen hier auch ein paar kurze Anweisungen, was zum Beispiel im Brandfall zu tun ist. (Level-4+-Judges gehen mit dem sinkenden Schiff unter...)

Nach dem offiziellen Teil

Anschließend ging's zum gemütlichen Teil über: Das Judge-Dinner! Zum Judge-„Dinner“, mehr eine Art traditionelle Tupperware-Party, bringt jeder Judge, der es nicht vergisst, etwas möglichst Essbares aus seiner Heimat mit und das wird dann gemeinsam verzehrt. Dabei steht man sich die Beine in den Bauch und lernt neue Leute kennen. Anfänglich stand ich etwas alleine in der Gegend herum, weil ich mich zwar einerseits nicht nur an die Leute hängen wollte, die ich eh schon kannte und andererseits auch nicht in ein Gespräch zwischen Leuten, die ich nicht kannte, einfallen wollte.
Carlos (Mitte, hinten) sorgt für Stimmung

Und für solche Situationen gibt es Carlos Ho. Carlos Ho ist der nicht ganz so große Südamerikaner mit Brille, der auf jedem einzelnen GP in Europa judget. Da er auf jedem Grand Prix ist, kennt er auch fast jeden Judge und die, die er nicht kennt, verwickelt er beim Judge-Dinner in ein Gespräch. Da ich allein in der Gegend herumstand war ich sozusagen das ideale Opfer, wobei ich es in Wahrheit natürlich recht angenehm fand, dass jemand auf mich zukam.

Etwas später gesellten sich dann auch noch Raul und George dazu. Raul Rabionet würde mein Teamleader am nächsten Tag sein und George T. gehörte ebenfalls zu meinem Team. Wer den ein oder anderen Erasmus-Studenten kennt, hat das perfekte Bild schon vor Augen. Die beiden sprechen alle möglichen Sprachen, reden ununterbrochen und sind immer gut drauf, Partypeople eben. Nach diesen ersten Bekanntschaften wurde der Weg ins Hotel, genauer die Hotelbar, angetreten.

An einem 6er-Tisch haben dann Michael, Ute und Sebastian die Probleme der deutsche Judge-Community diskutiert. Daniel und ich hörten eher andächtig zu und der sechste Platz entwickelte sich zum heißen Stuhl für ausländische Gäste, die ebenfalls ihre Kommentare dazugeben wollten. Gegen Mitternacht löste sich auch diese Runde auf und alle haben ein wenig Schlaf gesucht.

Samstag

Aufstehen um sechs! Allen Ernstes. Da haben es die Spieler richtig gut im Vergleich. Flott geduscht, kurzer Stopp beim Frühstück und auf zur Site, wo dann die Team-Meetings stattfanden. Während freitags das große Treffen aller Judges ist, verteilen sich am Samstagmorgen die verschiedenen Judges in kleinen Grüppchen und planen den Tagesablauf. Wobei Planung in diesem Fall heißt, dass sich jeder im Team noch mal etwas ausführlicher vorstellt und der Teamleader danach mit seinem Team den Zeitplan durchgeht und Sonderaufgaben verteilt. Von diesen Teams gab es in Rotterdam acht. Die Hauptteams Paper, Deck Check und Logistics existieren alle doppelt, wenn ein Grand Prix gesplittet wird. Dazu kommt ein zu Beginn sehr kleines Public-Events-Team und in diesem Fall noch das Team Gis + Jaap. Von Gis und Jaap weiß man nie so genau, was ihre eigentliche Aufgabe ist – ich glaube, sie wissen es selbst nicht wirklich –, aber Fakt ist, es ist immer gut, dass sie da sind. Die beiden sind mit ein paar anderen zusammen der Kopf hinter dem Judge-Program, wie man es heute kennt, judgen aber keine Turniere mehr. Auf einem GP sind sie gleichermaßen helfende Hand und wachsames Auge, denke ich.

Der Plan für unser Team sah erst einmal gar nichts vor. Gar nichts heißt im Wesentlichen, dass man da hilft, wo zu helfen ist. Boosterschlacht war als Erstes angesagt. Das komplette Sealed-Deck-Produkt wird nämlich am Morgen des Grand Prix vorbereitet. Bei 1200 Spielern heißt das, 200 Displays aufzureißen, den Inhalt zu Türmen stapeln und anschließend je zwölf Türme in ein Display zu quetschen. Danach stehen 150 halboffene Displays auf einem Flight-Case, was ein ziemlich beeindruckender Anblick ist.

Unsere Aufgabenstellung sah als Nächstes vor, die Late Registration Area vorzubereiten. Es gibt in der Tat eine Late Registration Area. Erfahrung zeigt, dass es gut ist, auf das vorbereitet zu sein, was sowieso passiert. Das sollte man allerdings nicht als offiziellen Aufruf zum Zuspätkommen verstehen. Die Anmeldung endet offiziell um neun. Wer später kommt, hat möglicherweise einfach Pech gehabt.

Los geht's!

Danach folgte unsere erste Aufgabe, die dem Namen „Team Paper“ gerecht wird: Aushängen der Seatings. Das ist genau so unspektakulär wie es sich anhört. Man schnappt sich einen Teampartner, bewaffnet sich mit Seatings, ihn mit Tesafilm und läuft los. Unsere nächste Aufgabe war das Verteilen der Decklisten. Auch das war dem geistigen Zustand zur frühen Stunde durchaus angemessen. Die einzige Herausforderung besteht darin, die Blätter einzeln vom Stapel abzubekommen. Man kennt das, große Papierstöße halten erstaunlich gut zusammen. Es folgten das Einsammeln des Mülls, der Deck-Swap und für unser Team die Verteilung der Chrome Mox-Promokarten. Gelang alles problemlos. Wer sich jetzt denkt „Mensch ist das stumpf!“, dem muss ich leider zustimmen. Das sind die Sachen, die gemacht werden müssen, und mit Sicherheit nicht der Hauptgrund, weshalb die meisten zum Judgen gekommen sind. Auf der anderen Seite ist es an manchen Stellen schon recht beeindruckend, weil man zwar gewöhnt ist, solche Aufgaben für zehn oder hin und wieder 100 Spieler zu übernehmen, aber 1000 ist eben eine andere Liga.

Nachdem wir die Pairings gepostet hatten, ging es dann endlich richtig los. Während das Deckcheck-Team und das Logistics-Team die Decklisten zählen, sind die Paper-Judges fast allein auf weiter Flur. Und es begann mit dem ersten kleineren Unfall: Als die Runde freigegeben wurde, gingen direkt mehr als dreißig Arme nach oben. Die Raucher hatten wohl nicht damit gerechnet, dass es so schnell losgehen würde. Erfreulicherweise sahen die meisten Raucher aber ein, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, rechtzeitig an ihrem Platz zu sein, und ertrugen die Strafen mit dem Knirschen ihrer nikotingelben Zähne.

Es folgte mein erster richtiger Judge-Call. Tatsächlich stand ich mehr zufällig daneben, als ein Spieler seinen Gegner davon zu überzeugen suchte, dass ein Fleshbag Marauder sich nie selbst opfern muss. So geht's zwar nicht, aber der Mensch war offensichtlich nur ahnungslos und nicht böswillig. Der erste Call im Sinne von Call war dann noch einmal die exakt gleiche Situation, nur dass hier beide Spieler nicht wussten, was Sache ist und es dann für gut hielten, einen Judge zu rufen.

Richtig so! Die Frage mag noch so dämlich erscheinen, aber wir sind als Schiedsrichter dazu da, sie zu beantworten. Wie gut es ist, den Gegner zu fragen sieht man schon am ersten Beispiel. Der Gegner muss nicht einmal böswillig sein, vielleicht hat er einfach nur überhaupt keine Ahnung, aber die zu Eurem Nachteil. Ergo: Call the friendly judge!

Für die nächsten Runden bestanden die weiteren Judge-Calls im Wesentlichen aus Fragen zur Interaktion von Trample und Protection. Ja, es war ein geistig entspannender Morgen, aber es wurde gegen die mittleren Runden hin auch noch etwas anspruchsvoller.

Nach der vierten Runde folgte aber erst einmal die Mittagspause. Das heißt 50 Minuten Zeit, um eine Portion kip saté einzusammeln und diese zu verzehren. Softdrinks und Schokoriegel standen außerdem im Judge-Raum zur freien Verfügung. Und damit möchte ich diesen Teil beenden. Weiter geht es nach der Mittagspause und im nächsten Artikel.




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