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Lose Enden
von Tobias "TobiH" Henke
16.02.2009

Es ist wahrlich kurios: Von allen Autoren, die ich beschäftige, bin ausgerechnet ich am unzuverlässigsten. Schon früher habe ich Deadlines öfter mal nicht eingehalten, aber in diesem jungen Jahr ist es nun bereits zweimal vorgekommen, dass ich einen Montag ganz habe ausfallen lassen. Auf der anderen Seite kann ich mich ja schlecht selbst rausschmeißen und eine Standpauke von TobiH, dem Chefredakteur, kann TobiH, der Schreiber, dementsprechend prima ignorieren.


Wenn es montags nichts von mir zu lesen gab, heißt das aber nicht, dass ich untätig gewesen wäre. Tatsächlich blicken mich von meinem Desktop nicht weniger als sechs halbfertige Artikel vorwurfsvoll an. Zwei Hälften werden heute verwurstet, der Rest wird hoffentlich dafür sorgen, dass es in Zukunft weniger Aussetzer gibt. Glück auf!

Draft Punk

Ganz ehrlich, ich bin beeindruckt!

Ich habe seit Ravnica mit keinem Block mehr dermaßen viele RL-Drafts absolviert wie mit dem jetzigen, und ich muss sagen: Es wird und wird nicht langweilig. Und das ist nicht allein meine Meinung. Unsere Draftrunde kann seit Monaten Rekordteilnehmerzahlen verbuchen und dazu kommt noch ein nie dagewesenes Phänomen: Nach dem ersten Draft finden sich gleich im Anschluss meistens sechs bis acht Spieler für einen zweiten! Das war bislang völlig undenkbar. (Einmal gab es sogar drei Drafts am Stück – verrückt!)

Und es liegt nun wirklich nicht daran, dass Shards of Alara oder Conflux so viele teure Rares enthielten, dass man beim Draften auf wundersamen Zuwachs der eigenen Finanzkraft hoffen dürfte. Nein, es ist einfach der pure Spaß an der Freude.

Dabei ist es in erster Linie die Herausforderung, die den Reiz ausmacht. Alara-Draft ist auch nach dem x-ten Mal noch eine knifflige Angelegenheit, immer ein Balance-Akt auf drei Ebenen. In jeder davon muss sich das eigene Deck nach und nach (und hoffentlich möglichst bald) irgendwo positionieren:

Zwischen bunt und weniger bunt.
Zwischen Aggro und Kontrolle.
Zwischen maximaler Synergie und starken Einzelkarten.

Diese Spannungsfelder haben Wizards of the Coast genau richtig hinbekommen. Weder das eine noch das andere ist zwingend erfolgsversprechender, alles ist ausbalanciert. (Was sich leider nicht auch auf Sealed Deck erstreckt, aber das ist nun mal Sealed Deck...) Und allen Unkenrufen zum Trotz tut Conflux dem keinen Abbruch.



Nein, ich möchte mir nicht in den Fuß schießen!

Es war bei den drei PTQ-Tagen in Frankfurt am Ende des Jahres, da erzählte ich zwischendurch jemandem eine Anekdote von einem äußerst unterhaltsamen 4-Mann-Winston-Draft. Mein Gesprächspartner hakte nach:

„Vier Mann? Also zwei parallele Winston-Drafts?“

Nein, ich möchte mir nicht in den Fuß schießen! – In einer besseren Welt wäre das meine Erwiderung gewesen. Stattdessen antwortete ich, dass Wizards den Winston Draft zwar extra erfunden hätten, damit es sich zu zweit draften lässt, dass dieses Format aber trotzdem extrem dämlich sei; glücklicherweise könne man den Prozess des Winston-Draftens jedoch problemlos auf drei, vier oder fünf Leute übertragen – und das mache dann auch richtig Spaß!

(Falls ihr gerade gar nicht wisst, worum es geht: Hier habe ich schon einmal einen Artikel geschrieben, über Winston und über Team Draft.) Jedenfalls brachte mich diese Geschichte auf eine Idee, was ich vielleicht noch einmal thematisieren sollte...

Draftformate in Abhängigkeit von der Spielerzahl

Bei dieser Liste handelt es sich reineweg um eine Sammlung meiner persönlichen Erlebnisse. Spielt, was immer euch gefällt...! Aber wenn ihr das (bislang) nicht wisst – diese Formate sind erprobt und bewährt:

Zu zweit:
Winston ist Käse. Es sind meiner Erfahrung nach zu wenig Karten im Pool, als dass ein Ungleichgewicht in den Boostern ausgeglichen werden könnte, und am Ende hat meist der glücklichere Spieler ein wesentlich stärkeres Deck ⇒ kein gutes Spiel. Andererseits: in Ermangelung von Kaviar begnügt man sich halt mit dem Käse.

Drei bis fünf Spieler:
Winston Draft! Mit das Dümmste, von dem ich je hörte, war, wie zwei einen Winston-Draft spielten und der dritte zusehen musste. Warum nicht zu dritt? Einfach alle Booster in einen Stapel zusammenmischen und dann reihum wie beim 2-Mann-Winston verfahren, inklusive der drei kleinen Stapel usw.

Zu sechst:
Ab sechs Personen lässt sich ein normaler Booster-Draft durchführen, bei genau sechs entweder in zwei Teams oder im Einzelspieler-Modus.

Bei bis zu elf Personen bleibt es dementsprechend bei einem Drafttisch, ab zwölf teilt man die Drafter in zwei getrennte Drafts auf. Bei höheren Zahlen wird es kompliziert. Folgende Faktoren spielen eine Rolle:

Die Drafts sollten möglichst gleich groß sein.
Ein Draft sollte niemals mehr als elf Teilnehmer haben.
Ein Draft sollte niemals weniger als sechs Teilnehmer haben.
Bei einer ungeraden Anzahl gibt es jede Runde ein Freilos.
Acht ist die optimale Zahl.
Bei mehr als acht Spielern sind vier Runden erforderlich, um einen eindeutigen Sieger zu ermitteln, sonst bloß drei.

Ob man aus 18 Draftwilligen also zwei 9er- oder drei 6er-Tische macht oder gar einmal zehn, einmal acht – das hängt u.a. davon ab, wie viel Zeit jeder mitbringt und als wie ärgerlich ein Bye empfunden wird. Bei unserer Runde verzichten wir z.B. nach Möglichkeit auf Tischgrößen von über acht. Das funktioniert allerdings nicht immer...

Kurzer Einschub

Je mehr Leute in einem Draft sitzen, desto mehr Produkt ist natürlich in Umlauf, desto stärker werden im Schnitt die Decks. Passt eure Erwartungshaltung daran an!

Das schlechteste Alara-Deck, mit dem ich jemals einen Draft gewonnen habe, war z.B. ein fünffarbiger Haufen mit 19 Ländern und drei Obelisken und entstammt offensichtlich einem 6-Mann-Draft.

[Deck anzeigen]

An einem 11-Mann-Tisch ist es mir hingegen passiert, dass mein Gegner, René Appel, das Board einmal per Infest geleert hatte, ich sofort mit Dragon Fodder und Rockslide Elemenal nachlud, nur um gleich noch ein Infest abzubekommen! Später im selben Spiel hatte ich dann zwei Jund Battlemage am Laufen und er legte Scourglass... Fürs zweite Spiel überlegte ich mir also, von kleinen Kreaturen lieber Abstand zu nehmen und stattdessen mit meinen beiden Drachen zu gewinnen. (Ja, ganz schlecht war mein Deck nicht.)

[Deck anzeigen]

Ich halte also eine langsame Hand. Aber was macht er? Im vierten Zug legt er Tidehollow Sculler (Nummer 1) und bouncet ihn in Reaktion auf dessen ausgelöste Fähigkeit mit Call to Heel. (So kommt die Karte, die der Sculler entfernt, niemals wieder.) Der Sculler greift sich anschließend eine weitere Handkarte und das gleiche Spielchen wiederholt René dann noch einmal mit Tidehollow Sculler Nummer 2 und Etherium Astrolabe, gräbt per Sanctum Gargoyle den verstorbenen Sculler wieder aus... und am Ende habe ich fünf Karten an diverse Sculler verloren und das Match sowieso. Tja, so sieht ein Siegerdeck im 11-Mann-Draft aus.

[Deck anzeigen]

And Now For Something Completely Different

Gestern hat der sogenannte „Einsteiger“-Bereich des PlanetMTG-Forums ein für alle Mal seine Tore geschlossen. Dieses Unterforum war von Anfang an und seither konstant das am wenigsten genutzte und nichts, was dort gepostet wurde, hätte man nicht auch anderswo unterbringen können. Dabei gab und gibt es durchaus Magic-Einsteiger, die im Forum ihre Fragen stellen, diskutieren und eigene Ideen vorstellen. Nur selbstverständlich tauchen ihre Decks im Deckbereich auf, ihre Regelfragen unter „Regelfragen“ etc.

Ehrlich gesagt weiß ich beim besten Willen nicht mehr, was wir uns überhaupt dabei gedacht hatten. (Irgendetwas aber bestimmt!) In jedem Fall war es wohl Unsinn.

Dass dieser Bereich nun nicht mehr existiert, soll bitte niemand so verstehen, dass uns Neulinge aller Art nicht weiterhin willkommen wären! Vielmehr im Gegenteil – jetzt wird keiner mehr ausgegrenzt und in ein abseitiges Unterforum abgeschoben.

Zum Abschluss...

...der heutigen Gedanken vom Grabbeltisch will ich auf eine E-Mail eingehen, die mich vor allem insofern gefreut hat, als dass sie zeigt, dass ich nicht ganz allein dastehe, was meine obskureren Interessen angeht:

Hi!

Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, wie man in deutschen (also auch in auf Deutsch verfassten) Magic-Artikeln den Plural von englischen Kartennamen korrekt bildet. Man könnte statt des Plurals auch „mehrere Kopien der Karte“ schreiben, was aber eher lästig ist und deswegen wohl wegfällt. Es ist also relevant, ob man nun den englischen Plural (Counterbalances) oder den deutschen Plural (Counterbalancen) verwendet. Analog eben Tarmogoyfs oder Tarmogoyfe usw. Es wäre nett, wenn du mir eine Antwort auf diese Frage geben könntest. (Der korrekte Plural könnte im Fall von Forces of Will z.B. auch eine Rolle spielen, wenn man die Verlinkung der Kartennamen mit einbezieht.)

Viele Grüße
-Mike


Ja, da fragst du genau den Richtigen! (Oder genau den Falschen, je nachdem ob du dir eine kurze Antwort erhofft hattest.) Nach vielem Grübeln, noch mehr Diskussionen und ein wenig Nachforschung ist zunächst einmal herausgekommen, dass Sprache keine exakte Wissenschaft ist. Und während das Regelwerk erklärtermaßen im konstanten Zwiespalt zwischen Bewahrung eines Soll-Zustands und Abbildung des Ist-Zustands steht, gehen unsere Schriftgelehrten im Prinzip davon aus, dass man heimische Begriffe verwendet. (Wie war das? Muscle Shirt mit Front Print? Man zähle die deutschen Vokabeln...)

(Die Diskussion um deutsche oder englische Kartennamen will ich an dieser Stelle übrigens NICHT führen, das wäre ein eigenes Thema für ein anderes Mal.)

Als Ausweg bietet sich allerdings die Möglichkeit an, Eigennamen gänzlich unverändert zu lassen. Das ist im Grunde die Methode, die ich bei PlanetMTG durchzusetzen versuche. Und das beschränkt sich nicht bloß auf Pluralformen, sondern umfasst jegliche Deklination.

ein Tarmogoyf, zwei Tarmogoyf, drei Tarmogoyf...
Er zerstört den Tarmogoyf.
Die Stärke des Tarmogoyf...


Ein Grund ist genau der von dir genannte: die automatische Kartenverlinkung, die andernfalls bei manchen Namen (Force of Will, Grove of the Burnwillows) einen Schluckauf bekommt. Letztlich ist es aber vor allem eine Frage der Konsequenz. Diese vergleichsweise simple Regel (der komplette Verzicht auf Deklination) lässt sich am ehesten durchgängig durchhalten und produziert nur ein geringes Maß an Stolperfallen für den Lesefluss.

Jedoch keine Regel ohne Ausnahme! Und zwar gibt es einige wenige Wendungen, bei denen Kartennamen ein s (immer ganz am Ende) angehängt bekommen. Vergleicht die folgenden fünf Fügungen und ihr werdet sehen, dass dies der Gleichbehandlung mit Eigennamen keineswegs widerspricht:

die Spielstärke von Kai Budde
die Spielstärke des Kai Budde
Kai Buddes Spielstärke
die Spielstärke Kai Buddes
(des Buddes Spielstärke)


die Spielstärke von Tarmogoyf
die Spielstärke des Tarmogoyf
Tarmogoyfs Spielstärke
die Spielstärke Tarmogoyfs
(des Tarmogoyfs Spielstärke)


In Klammern stehen jeweils ungebräuchlichere Ausdrucksformen (archaisch, könnte man sagen) – ihr kennt vielleicht noch „Des Kaisers neue Kleider“.

Komplizierter wird das Ganze bei Kartennamen, die bereits an und für sich in der Mehrzahl stehen. Die behandle ich auch als solche:

Die Kitchen Finks in meinem Highlander-Deck sind toll.

Manchmal ist das allerdings nicht eindeutig. Dann muss man in die Trickkiste greifen:

Er kontrolliert einmal Kitchen Finks.
Er kontrolliert ein Exemplar von Kitchen Finks.


Überhaupt kommt die Trickkiste immer dann zum Einsatz, wenn der Lesefluss in Gefahr ist. Die meisten würden z.B. instinktiv von „zwei Arcbound Workern“ sprechen, was den soeben dargelegten Rechtschreibregeln leider zuwiderläuft. Eine Streichung der n-Endung auf der anderen Seite – nun, damit hätte man eine prima Falle für den nächsten Vorlesewettbewerb, nicht wahr? Besser also: „zweimal Arcbound Worker".

Wie gesagt: das sind die Regeln für PlanetMTG... Tatsächlich ist es aber gang und gäbe, auch und gerade bei größeren Publikationen, dass jede Redaktion ihre eigenen Regeln aufstellt, zumal die Neue Deutsche Rechtschreibung extrem viel Spielraum lässt. Ein bekanntes Magazin schreibt beispielsweise „vor Kurzem“ und „seit Langem“ groß! (Und ist damit, soweit ich weiß, klar in der Minderheit.)

Falls ihr für deutlich „seriösere“ Stellen, insbesondere außerhalb der Magic-Szene, schreibt, würde ich es trotzdem noch anders machen. (Ich weiß von mindestens zwei Universitätsprojekten, bei denen Magic behandelt wurde – wenngleich mitunter so abstrakt, dass einzelne Karten nur bedingt eine Rolle gespielt haben dürften.)

Kitchen Finks sind wichtig.
zwei Tarmogoyf
drei Force of Will
Garruk Wildspeakers dritte Fähigkeit







Die Karte „Kitchen Finks" ist wichtig.
zweimal „Tarmogoyf"
drei Exemplare von „Force of Will"
die dritte Fähigkeit von „Garruk Wildspeaker"


Das ist dann zweifelsfrei korrektes Deutsch. (Sogar die häufige Nutzung des sonst so verschmähten „von“ ist bei Namen durchaus legitim.) Über alles andere ließe sich zumindest streiten...



Bis zum nächsten Mal tappt für euch weiter im Dunkeln...

...und ist jederzeit per E-Mail erreichbar...

TobiH




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