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Limited
Mehr Limited-Geschichte
von Andreas "Zeromant" Pischner
21.07.2008

Es laufen so viele Serienmörder frei herum, und Marienhof gibt es immer noch?

Ihr habt ihn Euch gewünscht, also folgt nun der zweite Teil meiner kleinen Limited-Geschichte!

Vorher aber möchste ich die Gelegenheit, die meine wöchentliche Kolumne mir bietet, nutzen und ein ganz anderes Thema kurz ansprechen. Kofi hat mit in die Kommentare zum ersten Teil geschrieben:

Auch ist das ganze zwar ganz unterhaltsam zu lesen, aber es kommt auch immer wieder des Pischners Affinität zu Serien zum Vorschein – sprich das ganze wird einfach aneinander gereiht ohne es irgendwie zu verbinden. Andreas, mach das ganze doch mal ein etwas rund und verbinde die Blöcke durch mehr Vergleiche und webe ein Gesamtbild der Limitedgeschichte, das mehr ist als die Summe seiner Teile. DAS wäre mal eine Schriftstellerische Aufgabe...

Ja, woher stammt eigentlich meine äußerst auffällige Vorliebe für Serien (damit meine ich jetzt nicht Buffy oder die Simpsons)?

Nun, einmal sind manche Themen einfach dermaßen groß, oder ich finde so viel dazu zu sagen, dass es einfach nicht in einen einzelnen Artikel (oder zwei, oder drei) passt. Das kommt immer wieder vor.

Dann aber sind Serien eine – zugegebenermaßen recht bequeme – Methode, meinen Lesern mehr von etwas zu geben, was bei ihnen bereits gut angekommen ist. Ich schreibe seit Beginn dieses Jahres drei Artikel pro Monat für den Planeten (und vorher waren es sogar vier), und Euch ist gewiss bekannt, dass ich auch noch auf einer anderen Seite als Magic-Autor tätig bin, wenn ich mir auch alle Mühe gebe, meine Themen den Bedürfnissen der verscheidenen Seiten und ihres Publikums anzupassen und somit inhaltliche Austauschbarkeit weitestgehend zu vermeiden.
„Schon seit Jahren sehe ich mich nicht mehr als schreibenden Magic-Spieler, sondern als Magic-spielenden Schreiber...“

Jede Woche etwas zu finden, wozu man einen (lesenswerten, unterhaltsamen) Artikel verfassen kann, das ist wirklich nicht besonders einfach, ganz besonders, wenn man eigentlich kein wirklich aktiver Magic-Spieler ist – schon seit einigen Jahren sehe ich mich nicht mehr als schreibenden Magic-Spieler, sondern als Magic-spielenden Schreiber – und schon gar nicht bei Wizards of the Coast in der Abteilung Research & Design arbeitet. „Suchen wir also unsere Zuflucht bei den Reihen", wie es ein Mathematiker angesichts eines ansonsten nicht in den Grff zu bekommenden Problems formuliert hat: Interessante Magic-Themen sind vielleicht nicht Mangelware, aber auch nicht gerade im Überfluss vorhanden, und deswegen kann ich nicht jede einzelne Woche das Rad neu erfinden.

Nun bedeutet das natürlich nicht, dass ich nicht tasächlich anstelle einer mehr oder weniger losen Aneinanderreihung verwandter Themen ein „Gesamtbild" schaffen könnte. Wäre das eine schriftstellerische Aufgabe? Aber klar doch!

Nur – es ist vor allem eben auch eine Zeifrage. Als ich mit Tobi damals abgekaspert habe, dass es auf PlanetMTG eine wöchentliche Pischner-Kolumne geben sollte, da habe ich ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich bei diesem Veröffentlichungsrhythmus nicht das allerhöchste Niveau halten kann. Ich denke, man kann eine gewisse Tendenz erkennen, dass ich meine möglicherweise besten Artikel (zum Beispiel den.) sowie meine schrägsten und originellsten (wie den.) in der Regel nicht aus dem Fließbandtakt heraus produziere. Das ist eben der Preis der Regelmäßigkeit. Ich denke, das ist es wert, denn viele ordentliche Artikel sind für eine Seite eben manchmal erstrebenswerter als wenige hervorragende, und außerdem schätzen Leser eine gewisse Regelmäßigkeit.

Das ändert nichts daran, dass ich selbst nicht mit jedem meiner Artikel zu 100% zufrieden bin! Als Beispiel will ich den (insgesamt hervorragend angekommenen) http://www.planetmtg.de/articles/artikel.html?id=4052. nennen, bei dem ich mir im Nachhinein wirklich wünschte, ich hätte meine Gedankengänge insgesamt ein wenig runder und schlüssiger dargestellt. Versteht das nicht falsch: Ich halte keinen einzigen Artikel, den ich dem Planeten oder einer anderen Seite anbiete, wirklich für SCHLECHT, denn ansonsten setze ich lieber einmal aus (das ist übrigens auch schon vorgekommen, ließ sich aber mit Hilfe eines fähigen Editors immer auf die eine oder andere Art und Weise kaschieren), aber ich sehe sehr klar, dass viele einfach nicht so gut sind, wie sie sein könnten, wenn ich dafür deutlich mehr Zeit aufwendete.

Das, was Kofi angesprochen hat, fällt in diese Kategorie. Ich habe einmal versucht, einen wirklich schlüssigen Gesamtüberblick über ein großes Thema zu geben. Ihr kennt dieses Experiment als die Magic University. Ich bin zwar stolz wie Oskar auf das Ergebnis, aber erstens ist auch diese Reihe nur halb so abgerundet und stimmig, wie ich es mir gewünscht hätte, und zweitens stellte sie einfach eine höllische Arbeit und einen gigantischen Zeitaufwand dar, den ich ohne erheblich bessere (und damit völlig utopische) Bezahlung nicht wieder leisten kann und will.

In gewisser Hinsicht lautet meine Antwort an Kofi also: Ja, das wäre eine reizvolle Aufgabe, aber dafür werde ich einfach nicht gut genug bezahlt! Auf Wunsch eines anderen Kommentators werde ich aber diesmal ein wenig mehr zu den einzelnen Formaten sagen, denn es ist ja nicht so, dass ich mich generell vor mehr Aufwand beim Schreiben drücken wollte.

So, zurück zum Limited!
7. Onslaught / Legions / Scourge

Der Onslaught-Block war bereits offiziell als tribal konzipiert worden, und Gary Wise schrieb damals – vermutlich auf sanften Druck hin – in seiner Kolumne „Limited Skills" auf magicthegathering.com eine Limited-Analyse des Sets, die nicht nach Farben aufgeteilt war, sondern nach Tribes.

Selbstverständlich war das eine superdämliche Idee, da man seine Sprüche immer noch mit weißem, schwarzem, grünem, blauem und rotem Mana bezahlte und nicht mit Goblin-Mana oder so (Achtung, MaRo: Design-Space!), aber es zeigt schon, dass nach Absicht von Wizards die Tribes Limited vergleichbar stark beeinflussen sollten wie in Invasion die Mehrfarbigkeit.. (Als „Tribes" galten damals übrigens sowohl solche, die nach moderner Terminologie Rassen sind – Zombies, Birds, Beasts, Elves und Goblins – als auch Klassen – Clerics, Wizards und Soldiers. Die blauen Illusions waren dabei eine Art deutlich schwächerer Vorläufer der Changelings.)

Tatsächlich waren tribal Interactions damals auch sehr wichtig, und insbesondere Commons wie Wirewood Savage, Wellwisher und vor allem Sparksmith prägten das Format, jedoch war meiner Ansicht nach die alles bestimmende Mechanik des Formats eine andere, deren Synergie mit den Tribals sich mir bis heute nicht wirklich erschließt: Morph! Sie hat mir dieses Format insgesamt doch eher verleidet – nicht wegen des Mystery-Effektes, obwohl dieser auch störend sein konnte, sondern weil deswegen (aber nicht nur deswegen) im Onslaught-Block-Limited irgendwie alles auf drei Mana stattfand! Morphs kosteten drei Mana, zahlreiche Kreaturen kosteten auch so drei Mana, andere Sprüche und selbst Morph-Kosten trafen ebenfalls viel zu häufig diese Stelle in der Manakurve – das alles machte dieses Environment meiner Ansicht nach furchtbar zäh. Deswegen galt der biedere Glory Seeker damals vielen als würdiger First Pick, deswegen galt der effizientere Shock als klar besser als die erheblich wirkungsvolleren Solar Blast und Pinpoint Avalanche, und deswegen habe ich damals reihenweise Gegner mit Wretched Anurid, der wegen seines Nachteils anfangs einfach kriminell underdrafted war, in Klump und Asche gehauen: Aktionen zu finden, die man vor oder zusätzlich zum Spielen eines Morphs benutzen konnte, war der Schlüssel zum Erfolg in diesem Format!

Wizards waren übrigens – nicht allzu überraschend, wenn man sich ihre Vertreter ansah – der mit Abstand schlechteste Tribe (okay, Birds boten noch weniger Synergien, besaßen aber stärkere Einzelkarten und waren außerdem eh meistens zusätzlich Soldier) und wurden nur draftbar, wenn man multiple Lavamancer's Skill abgreifen und einen davon dauerhaft anbringen konnte. Dann allerdings hatte man das Spiel normalerweise in der Tasche, weswegen diese riskante Strategie zeitweilig sehr populär war.

Legions verschlimmerte das Problem überstarker Commons mit Timberwatch Elf noch einmal um eine Größenordnung (denn Legions war ja ein viel kleineres Set und der Elf daher viel häufiger zu finden). Im OOL-Format war es ganz besonders wichtig, sich extrem auf einen Tribe zu konzentrieren, denn dann konnte man mit der Amplify-Mechanik das Spiel in absurder Weise dominieren. Da Legions zu 100% aus Kreaturen bestand, bekam man sein Tribal-Deck in der Regel auch voll.

Scourges „The bigger the better"-Thema harmonierte nicht wirklich mit der Morph- und Tribalumgebung. Die Ausnahme dabei waren die Landcycler: Während die im gesamten Block vertretene Cycling-Mechanik tiefergehende Synergien mit dem Rest des Environments vermissen ließ, konnte man mit ihnen im größtenteils verwaisten 2-Mana-Slot sein Mana fixen und später mit gerade noch bezahlbar teuren Kreaturen die auf sie zugeschnittenen Effekte nutzen.

Allerdings bot Scourge mit Carrion Feeder und Aven Farseer doch wenigstens ein paar ordentliche frühe Drops. Die böseste Eröffung des Formats erhielt man in Kombination mit einem Provoker aus Legions: Deftblade Elite + Dragon Scales konnte den Gegner bereits ab der zweiten Runde völlig lahmlegen! Ansonsten war das Leitmotiv im Limited mit Scourge die Angst vor dem Zombie Cutthroat, denn absolut jedes Deck konnte in Runde drei diesen potenziellen 3/4er legen, und nur selten konnte man um diese Möglichkeit sinnvoll herumspielen.
8. Mirrodin / Darksteel / Fifth Dawn

Mirrodin brachte uns ein Artefaktset, und mit Equipment eine neue Art Karten (kein Typ, aber ein Subtyp), welcher das Limited-Spiel stark beeinflusste, da Equipments im Wesentlichen Auren waren, welche deren schlimmsten Nachteile (Kartennachteil durch fehlende Wiederverwertbarkeit, mangelnde Flexibilität bei der Zuordnung) nicht besaßen. Allerdings lernte die Community dann (mehr oder weniger) schnell, dass sie immer noch nicht das Problem lösten, unselbständige Karten zu sein, die daher oft nutzlos herumlagen.

Mirrodin-Draft war im Wesentlichen die Kunst, sein Deck mit den richtigen Anteilen Mana, Manabeschleunigung (hauptsächlich Myr), Kreaturen, Kreaturenverstärkern und Removal auszustatten – ein wirklich schwieriges Puzzle-Spiel, weil durch die Natur des Sets viele Drafter die selben Karten wollten, weil es relativ wenige (und insbesondere wenige solide) Kreaturen gab, und weil „Removal" in diesem Set sowohl Creature-Removal als auch Artifact-Removal bedeutete. (Shatter war ungefähr gleich hoch mit Terror zu draften – okay, ich habe Terror immer noch bevorzugt, da es mehr gutes Artefakt-Removal gab und Equipment ohne Kreaturen weniger gefährlich war als umgekehrt – und Deconstruct konnte mit seinem Tempogewinn Spiele entscheiden.) Wenn beide Seiten Kreaturen im Spiel hatten, dann machten die Equipments den Unterschied, aber damit diese Grundvoraussetzung gegeben war, musste man Kreaturen sehr hoch priorisieren – was habe ich mir damals in der Zusammenkunft die Finger fusslig getippt, dass man auch einmal einen Frogmite über ein gutes Equipment nehmen sollte, wenn man seine ersten Picks bereits für Equipments genutzt hat!

Die besten Common-Kreaturen des Sets waren dabei Fangren Hunter und Skyhunter Patrol – in anderen Environments ordentliche, jedoch keineswegs spektakuläre Picks, die hier jedoch gutes Firstpickmaterial darstellten – sowie die besten Evasion-Critter Neurok Spy (essenziell ein Phantom Warrior für ) und Somber Hoverguard.

Ich komme an dieser Stelle nicht umhin, noch einmal auf eine riesige Diskussion zurück zu verweisen, die ich damals mit einem gewissen deutschen Magic-Pro, den Ihr als „Trash" kennt, geführt habe! Der hatte Raise the Alarm in seinem Limited-Review nämlich als glatt unspielbar eingestuft („Mit pissigen 1/1ern kann man in diesem Format meist nichts anfangen"), deutlich unter dem absolut unspielbaren Loxodon MenderMirrodin war zwar langsam, aber nicht SO langsam, dass man 3/3er für sechs Mana wollte – und sich wochenlang geweigert, sich durch bloße Argumente eines Non-Pros vom Gegenteil überzeugen zu lassen! Selbst als in zahlreichen Pro-Level-Events Raise the Alarm regelmäßig in Top-8-Decks zu finden war (und niemals im Sideboard!), fand diese Diskussion kein Ende – dazu musste schon Kai Budde selbst ihnen den Ritterschlag verleihen. DIESEM Argument beugte sich dann selbst Trash.

Dabei war es doch eigentlich so offensichtlich: Zwei Kreaturen für eine Karte in einem kreaturenarmen Format, in dem ihre „Pissigkeit" mit Equipments ausgeglichen werden konnte, während die gegnerischen Kreaturen häufig kaum weniger „pissig" waren – wie oft griff damals ein Myr mit Bonesplitter an, um vom Alarm überrascht zu werden? Und waren nicht Tel-Jilad Chosen einer der gefürchtetesten 2-Drops?

Unter dieser „Pissigkeit" litten übrigens insbesondere die schwarzen Kreaturen, die Nim. Vorne oft sehr groß, besaßen sie doch einen... äh... Glasarsch und wurden meistens durch die allgegenwärtigen Myr neutralisiert. Schwarz war so die vielleicht schwächste Farbe, insbesondere auch, da Consume Spirit in der Nebenfarbe einfach sehr unspektakulär war und Schwarz somit noch weniger zu bieten hatte.

Eine Zeit lang galt Affinity als der stärkste Draft-Archetyp, mit Thoughtcast, Frogmite, Myr Enforcer, Scale/Tooth of Chiss-Goria, Somber Hoverguard und den Artefaktländern und Myr als Schlüsselbestandteilen, aber sobald die Drafter entdeckten, dass fast jedes Deck diese Karten (mit Ausnahme der Chiss-Gorias) gut gebrauchen konnte, wurde die Kartendecke dafür zu dünn.

Weiß baute damals zunächst auf die Kombination von Leonin Den-Guard und Skyhunter Cub mit Equipments auf, eine zuerst unterbewertete Strategie, weil man einfach unterschätzte, wie nützlich weiße Kreaturen generell selbst ohne Verstärkung schon waren (naja, und Raise the Alarm halt)! Später wiederum fiel Equipment ein wenig im Ansehen der Drafter, was wiederum diesen Teil des Archetyps leichter zu beschaffen machte. Blinding Beam, zunächst auch ein wenig unterbewertet, stellte sich alsbald als Gambreaker und sehr hoher Pick heraus.

Die „I Win"-Kombo des Formats war übrigens diesmal Spikeshot Goblin + Verstärker (am liebsten Bonesplitter), obwohl selbst ein nackter Goblin (dieses Bild kriegt Ihr jetzt nicht mehr aus dem Kopf, bätsch!) bereits einen Großteil der Kreaturen dieses Formats zusammenschoss. Das machte ihn zur wohl stärksten Common des Formats. (Bei den Kreaturen habe ich ihn nicht aufgeführt, weil man ihn eher nicht zum Angreifen oder Blocken benutzte.)

Viridian Longbow machte damals übrigens im Ansehen der Community eine interessante Entwicklung durch: Zunächst als unspielbar abgetan, nahmen ihn manchen Drafter ein paar Wochen später bereits als First Pick!

Ich konnte das nie nachvollziehen – ich habe damals sehr, sehr viel Limited gespielt, und konnte dem Longbow (der sicherlich nicht „unspielbar" war, aber bei mir meistens den Cut nicht geschafft hatte/hätte – am Ende kriegte ich natürlich keinen mehr, wenn alle anderen ihn so hoch nahmen) den Titel „meistunausgerüstete Ausrüstung des Formats" verleihen – drei Mana waren eben doch viel!

Mit Darksteel änderten sich die Bedingungen grundlegend. In der Hauptsache gab es mehr Kreaturen im Environment, so insbesondere die Arcbounds und die Affinity-Golems. Schwarz wurde für seine Schwächephase in Mirrodin mit Chittering Rats, Grimclaw Bats, Echoing Decay und Essence Drain als Commons überreichlich entschädigt. Weiß erhielt mit Auriok Glaivemaster eine zwar fragilere und riskantere Kombokreatur, gewann mit diesem aber enorm an Tempo.

Leonin Bola und Vulshok Morningstar sorgten dafür, dass der Nachschub an starken Equipments nicht versiegte. (Whispersilk Cloak, der große Casual-Favorit, erwies sich hingegen als selbst fürs Limited zu großer Mist.) Hier schoss die Uncommon Skullclamp natürlich den Vogel ab – im Limited gibt es ja keine Bannings, aber viel näher kann man an diese Notwendigkeit nicht mehr heranreichen! Ach ja, Mask of Memory erwies sich ebenfalls als äußerst dominant – eine Karte, die damals ich wiederum ein gutes Stück unterschätzt hatte (obwohl ich sie auch bereits hoch pickte und immer spielte).

Fifth Dawn schließlich drückte dem Format mit seinen Commons keinen besonderen Stempel mehr auf. Größtenteils gab es solides, unspektakuläres Zeug, und Scry half ein wenig, konstanter zu ziehen. Die Sunburst-Mechanik ermunterte Spieler ein wenig mehr, Off-Color-Artefaktländer zu spielen, doch in einem Format, in dem man die Hälfte seiner Sprüche mit farblosem Mana sprechen konnte, tendierte man eh bereits zu Splashes, und die Manabasen der Decks änderten sich größtenteils nicht mehr grundlegend.

Als unrühmliche Ausnahme muss ich jedoch Pentad Prism erwähnen: Solide Manabeschleunigung, doch wer ein oder zwei Bringer hatte, nahm sie über praktisch alles andere! Im regulären Draft kam das nicht allzu häufig vor, doch in der Prerelease-Zeit starrte ich mehrfach auf einen Dritte-Runde-Bringer und fragte mich, warum ich nicht lieber zu Hause war und die Staubflocken hinter dem Schrank der Größe nach sortierte...
9. Champions of Kamigawa / Betrayers of Kamigawa /
Saviors of Kamigawa

Beim Recherchieren bin ich gerade darauf gestoßen, dass ich zum CHK-only-Draftformat bereits zwei Artikel auf dem Planeten veröffentlicht habe:

http://www.planetmtg.de/articles/artikel.html?id=1804

und

http://www.planetmtg.de/articles/artikel.html?id=1829

Ich habe sie gerade noch einmal durchgelesen und muss sagen, dass ich sie auch im Nachhinein für sehr gelungen halte, und ich ihnen wenig hinzuzufügen und auch nur wenig zu korrigieren hätte. (Und einige der Diskussionen, die darin anklingen, erscheinen erstaunlich aktuell, obgleich sie doch beinahe vier Jahre alt sind!) So war Champions of Kamigawa im Draft.

Betrayers of Kamigawa brachte diesem Environment mit Spirits/Arcane vs. Nicht-Spirits mit rudimentären Tribal-Bestandteilen und absurden Rare-Bomben in der Hauptsache gute 1-Drops (Spirits mit Sac-Abilities, die sich vie Soulshift immer wieder verwerten ließen) und Ninjas (welche die 1-Drops noch spielbarer machten, darunter zu allererst der constructed-starke Ninja of the Deep Hours).

Da jedoch das Set kaum gute Kampftricks mitbrachte, ergab sich hier kein dem Onslaught-Block mit seinen Morphs vergleichbares Dilemma, wenn man, egal ob man den Morph blockte oder duchließ, immer etwas falsch machen konnte: Man blockte eben. (Das wiederum wertete die vorhandenen Kampftricks, hauptsächlich aus Champions, noch einmal auf.)

Mit Saviors zerfaserte dieses Limited-Environment dann, verlor seine klaren Linien. Die Kartenqualität bei den Commons ging insgesamt etwas zurück. Weiß erhielt ein paar gute Weenies und konnte mit Cowed by Wisdom und Plow Through Reito den Gegner gut unter Druck setzen, doch ansonsten wurde das Format deutlich langsamer. Insbesondere war ein Überschuss an höchst unspektakulären 5-Mana-Kreaturen zu verzeichnen. Das Savior-Thema, Spieler dafür zu belohnen, möglichst viele Karten in der Hand zu behalten, stellte sich aber nicht nur deswegen als im Durchspiel eher unspaßig heraus. In Erinnerung geblieben ist mir hier hauptsächlich, als wie unglaublich stark sich unter diesen Bedingungen die Elder Pine of Jukai erwiesen hat.
10. Ravnica / Guildpact / Dissension

Haben wir nicht alle diesen Block als großartig in Erinnerung – bunt, spaßig, und voller toller Karten?

Ich auch!

Allerdings... Die Erinnerung trügt da ein bisschen. Tatsächlich lenken die teilweise einfach äußerst coolen Karten sowie die Buntheit des Ganzen doch davon ab, dass ein für moderne Sets erstaunlich hoher Anteil der Commons unspielbar bis bestenfalls untermittelprächtig war.

Außerdem konnte man zwar tolle Uncommons öffnen (Lightning Helix, Watchwolf, Putrify, Moroii...), man konnte aber auch einfach Pech mit seinen Uncommons haben.

Dann konzentrierte sich die Stärke des Sets noch zum großen Teil in seinen Multicolor-Karten (was natürlich Sinn ergab, damit die Spieler auch wirklich die Möglichkeiten der Gilden erkundeten), was allerdings auch dazu führte, dass öfter einmal für die eigene Farbkombination nichts Brauchbares dabei war, selbst dann, wenn man das Kunststück geschafft hatte, den Farben/Gilden seiner Nachbarn aus dem Weg gegangen zu sein.

Dabei war Ravnica-only in seiner Dynamik eigentlich grausig. Buntheit hin oder her, wer Boros oder Dimir draftete, der musste sich früh festelgen und konnte dann nicht mehr zurückblicken. Bei allen Manafixern vertrugen sich diese Strategien nicht wirklich mit gesplashten Karten. Ganz anders sah es mit Selesnya und Golgari aus: Da diese beiden Strategien sich nicht nur eine Farbe, sondern auch noch die beiden exzellenten Manafixer Farseek und Civic Wayfinder teilten, bediente man sich recht freizügig bei den Sprüchen der jeweiligen anderen Gilde. Mehr noch: Da das grüne Manafixing im Gegensatz zu den Signets und Bounce-Ländern nicht auf Gildenkombinatiuonen festgelegt war, konnte man tatsächlich auch nur den einen oder anderen Galvanic Arc oder Compulsive Research räubern und gut integrieren. Diese Vorzüge führten dazu, dass Grün als Hauptfarbe vielen als der einfache Weg schien und diese Strategie somit überdraftet wurde, so dass wiederum ein fokussiertes Boros an die Spitze des kleinen Draft-Metagames stürmen konnte.

Nur die Dimir hatten eigentlich immer die Arschkarte: Einmal, weil ihre Kartenqualität generell am niedrigsten schien (vermutlich, um Transmute nicht zu mächtig zu machen, waren die meisten Sprüche mit dieser Fähigkeit eigentlich auch nicht anders als als Tutoren zu gebrauchen), dann weil ausgerechnet bei Blau-Schwarz die Goldkarten den einfarbigen Karten an Spielstärke unterlegen waren (weswegen die Gründrafter sie einem wegschnappten – das ging bei Boris bei Weitem nicht so gut), schließlich aber auch, weil die Dimir zwei Sachen halb und keine richtig machten, mit einem Zwiespalt zwischen einer halbgaren Milling-Strategie und eher konventionellem Evasion-Beatdown. Natürlich konnte gerade dieser Umstand dazu führen, dass ein einziger Dimir-Drafter am Tisch vier Vedalken Entrancer und akzeptable Utility abbekam, aber darauf konnte man sich wirklich nicht verlassen.

Erwähnen sollte man noch, dass einige Drafter im Setup Boros – Selesnya – Golgari – Dimir eine Lücke bemerkten, welche sie durch Draften von UR zu schließen versuchten. Ohne Goldkarten jedoch, welche einem die übrigen Drafter nicht streitig machten, besaß diese Strategie ein enormes Handicap, wenn sie auch mit Drake Familiar eine interessante Schlüsselkarte besaß, deren Aufgabe es war, Galvanic Arc und Flight of Fancy wieder zu verwerten. (Das Problem war eben, genügend von diesen Auren zu bekommen.)

Mit Guildpact wurde alles besser und zugleich komplizierter. Einmal wurde die durchschnittliche Kartenqualität bei den Commons höher, wobei meiner Ansicht nach Orzhov und Izzet einen gewissen Vorsprung vor Gruul besaßen. Gleichzeitig aber musste man sich mehr oder weniger von den zweifarbigen Draftdecks verabschieden.

Die Selesnya/Golgari-Drafter hatten es wieder am besten, da sie ihre bisherige Strategie einfach mit Orzhov auffüllen konnten. Boros konnte sich nach Belieben für Orzhov, Izzet oder Gruul entscheiden, und Dimir zwischen Orzhov und Izzet. Merkt Ihr was? Gruul war in diesem Setup massiv underdraftet! Natürlich konnten sich theoretisch sowohl Selesnya als auch Golgari mit den Gruul verbünden, aber da diese beiden Gilden nun einmal über die grünen Manafixer verbunden waren (die zu allem Überfluss auch noch schlicht die beiden besten monogrünen Common-Picks waren), passierte das eher selten, wenn man es nicht ganz gezielt anstrebte. Aus der Schwierigkeit, sich in dieser Verwirrung farblich korrekt zu positionieren, entstand dann ein neuer Archetyp, welchen man wohl 4-or-5-Color-ich-wollte-eigentlich-nicht-mehr-als- drei-Farben-spielen-aber-irgendwie-ist-das-schiefgelaufen-und-hey-was-soll's-das-Format-ist-doch-langsam- genug-dass-manche-Leute-Bounceländer-firstpicken-also-spiele-ich-einfach-die-besten-Sprüche-die-ich-habe- in-allen-Farben-und-es-wird-schon-gutgehen-Deck nennen sollte (oder doch lieber kürzer „das Crap-Deck"?), und der das Draftenvironment dieses Blocks bis zum Schluss entscheidend mitprägen sollte.

Mit Dissension wurde dann das Format und die Verwirrung komplett. Prinzipiell war es zwar immer noch am sinnvollsten, deifarbige Decks anzustreben, und sich zu diesem Zweck aus drei Gilden zu bedienen. Da gab es aber ein Problem! Sehen wir uns die möglichen Pfade für diese Strategie an:

Boros — Izzet — Azorius

Boros — Orzhov — Rakdos

Boros — Gruul —...hoppla!

Dimir — Orzhov — Azorius

Dimir — Izzet — Rakdos

Golgari — Gruul — Rakdos

Golgari — Orzhov —...hoppla!

Selesnya — Gruul —...hoppla!

Selesnya — Orzov —...hoppla!


Boros und Dimir besaßen also zwei Draftpfade, die sie zur Komplettierung eines dreifarbigen Decks beschreiten konnten, Golgari einen, und Selesnya... war am Arsch. Ja, und was geschah nun mit denjeingen Draftern, die im ersten Booster die guten Selesnya-Karten genommen hatten (einer musste es ja tun, so viel Qualität besaß Ravnica nicht, dass man darauf hätte verzichten können)? Tja, die waren halt auch am Arsch. Sie konnten versuchen, ihr Deck mit ausschließlich zwei Gilden aus Dissension zu komplettieren (Azorius und Simic), aber das wog den Nachteil, in Guildpact nur einfarbige Karten nehmen zu können, nicht wirklich auf. (Das war jedoch eine Risiko-Strategie, die aufgehen konnte, wenn man von Anfang an konsequent Selesnya nahm und ausnutzte, dass die anderen Drafter sie genau aus diesem Grund mieden.) Ansonsten mussten sie von Anfang an bereits zweigleisig fahren, also entweder Boros mit ins Boot nehmen (und dann hoffen, dass sie mit Gruul alleine ihr Deck größtenteils fertig bekamen – eine nicht völlig unrealistische Hoffnung, da ja nur ein einziger vollständiger Pfad Gruul wirklich gebrauchen konnte), oder wie schon immer gleichzeitig Golgari mit ins Boot nehmen, um dann entweder via Orzhov ihre Trifecta zu komplettieren, oder von Anfang an gezielt ein buntes Deck mit genügend Manafixern zu draften, welches Grün als Hauptfarbe auch ein wenig komfortabler ermöglichte als der oben von mir beschriebene Archetyp.

Eine weitere Herangehensweise an dieses Format war der Schimmelhaufen, den Tobi gerade erst noch einmal in einem Artikel. vorgestellt hat, und der in der Regel R/G war, nicht zuletzt, weil diese Gilde auf Grund des Pfadsystems normalerweise von den anderen Draftern am wenigsten frequentiert wurde. Hauptsächlich war der superschnelle, jedoch mit Karten höchst fragwürdiger Qualität bestückte Schimmelhaufen aber ein Metagame-Archetyp, dessen einziges wirklich gutes Matchup das Crap-Deck war. Dieses Matchup bekam es aber häufig genug serviert, da die Tendenz dieses Draftformats lange war, immer bunter, komplizierter und langsamer zu werden, um auch ja alle Power-Karten spielen zu können!

So wichtig Manafixing auch war – wenn man begann, Bounce-Länder „fpfp“ über starke First Picks zu nehmen (wie es Jon Finkel himself angeblich gemacht haben soll), und vor allem, wenn die weit verbreitete Ansicht war, dass Bounce-Länder stärker seien als Signets (was einfach wirklich nur im endlos andauernden Crap-Mirror der Fall war, ansonsten bedeuteten sie nichts als Tempoverlust), dann war man tatsächlich reif dafür, sich von Elvish Skysweeper und Utvara Scalper überrennen zu lassen. Wenn man andererseits hingegen in der Lage war, ab Runde zwei (via 2-Drop oder Signet) mitzuspielen und seine Sprüche auch ohne allzu viel Angst vor Colorscrew ausspielen zu können, weil man sich die Mühe gemacht hatte, sich mit der komplizierten Pfadstruktur des Formats auseinanderzusetzen und dreifarbige Decks (oder wenigstens solides X-color-Green) zu draften, dann hatte man von dem Schimmelhaufen wenig zu befürchten.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es auch eine Draftstrategie gab, welche auf eine Guildpact-Gilde verzichtete, nämlich Dimir/Golgari/Simic, sowie eine, die ohne Ravnica-Gilde auskam (Gruul/Izzet/Simic). Die erstere war ganz klar nicht empfehlenswert, da man aus den beiden stärksten Boostern insgesamt nur eine Gilde bekam, und bedurfte schon eines gewaltigen Anreizes aus dem Ravnica-Booster, um die richtige Wahl zu sein. UGR hingegen funktionierte sogar ziemlich gut! Das lag einmal daran, dass man mit Ravnica im schwächsten Booster aussetzte (sowohl wegen der Kartenqualität, als auch, weil man dort immer die meisten Picks verschenkt), zum anderen daran, dass man oft einen guten Einstieg in diese Farbkombination hatte, indem man einfach einfarbige Karten nahm (z..B. Arc, Flight, Wayfinder) – wenn das klappte, hatte man ein gutes Setup, wenn nicht, dann draftete man eben konventionell einen Pfad.

Alles in allem war der Ravnica-Block ohne Frage das skillintensivste (offizielle) Draftenvironment aller Zeiten! Das Verhältnis zwischen dem Aufwand, sich darin intensiv einzuarbeiten und dem Ertrag (der Belohnung dafür in Form von guten Ergebnissen) hätte aber gerne noch ein wenig günstiger ausfallen können.



Ja, das soll es erst einmal gewesen sein! (Lang genug war's ja.) Die neueren Draftenvironments sollten noch in recht guter Erinnerung sein, und diese Editionen sind auch noch alle Standard-legal. Insgesamt geht es mir so, dass ich generische Draftformate prinzipiell bevorzuge, weil man darin mit solidem Draften (anstatt formatspezifische High-Risk-Strategien zu fahren) am erfolgreichsten ist. Nichtsdestotrotz ist das interessanteste Draftenvironment schlicht fast immer das NEUESTE, wo es noch viel zu erkunden gibt, und man die neuen Gegebenheiten kennenlernt. Irgendwann setzt dann die Gewöhnung ein, und die Schwächen und Macken des Formats treten klar hervor – aber meistens kommt dann ja auch schon ein neuer Block.

As always, the only real constant is change.





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