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Gedanken zum Magic-Development: Es hätte alles ganz anders kommen können!
von Andreas "Zeromant" Pischner
30.06.2008

Dieser Text beginnt mit einem Link zu Pflichtlektüre:

http://www.wizards.com/default.asp?x=mtgcom/daily/mr261

Ich beziehe mich hier auf den Abschnitt zu „Core", „Mantle" und „Crust" des „Color Pie".

Na schön – Ihr müsst jenen Artikel nicht in ganzer Länge lesen, obwohl es natürlich helfen würde, um den Kontext zu verstehen, aus dem die Aussagen stammen, die ich hier wiedergebe:

The Core – This is what most people think of when we talk about the color pie. This is the here and now. These are the choices currently being used to design and develop cards.

The Mantle – These are the abilities that are adjacent to the core – not things that we do on a regular basis, but things we do when we need to stretch a theme.

The Crust – This is the outer layer. The crust holds ideas that fit the colors philosophically but represent choices that haven't been made.


Mir geht es heute um diese Kruste, welche angeblich Ideen enthält, die zu den Philosophien der Farben passen, aber nicht verwendet wurden. Das Konzept dieser Kruste setzt voraus, dass es spielmechanische Ideen gibt, die NICHT zur Philosophie einer Farbe passen.

Ich halte dieses Konzept für Quatsch!

Deswegen erzähle ich Euch heute eine kleine Geschichte.



Dritter Tag im vierten Zyklus des zweiten Mondes im siebenhundertdreiundvierzigsten Jahr nach der großen Sonnenfinsternis, Basis QQ2

Bericht QQ22754, verfasst von Lunidos XIV, Projektleiter Magiespionage & Feindliche Übernahme

Adressat: Xeridon XXII, Vorsitzender des Allgemeinen Exekutivkomittees Sektor QQ

Geehrter Xeridon,

wie die Exekutivorder Q15162c, Abschnitt 31 es verlangt, findet dieser Bericht seinen Weg zu Euch einerseits in herkömmlicher Weise per Luftfracht, andererseits jedoch auch durch das experimentelle Flaschenpost-System der Kanalisation. Ich möchte an dieser Stelle erneut meiner Besorgnis darüber Ausdruck verleihen, dass diese doppelte Ausführung auch das Risiko verdoppelt, dass er abgefangen wird, und dass auch unsere aktuell benutzte sechsfache Verschlüsselung prinzipiell mit Hilfe eines korrekt angewandten rekursiven Algorithmus innerhalb weniger Jahre aufzulösen ist.

Thema dieses Berichtes sind die Auseinandersetzungen mit der Vertretung der serranischen Gilde in unserem Sektor, insbesondere ihr Verlauf und meine Anmerkungen und Vorschläge zu einer zukünftig effizienteren Durchführung solcher Kampfhandlungen.

Um mittels eines Präventivschlages die Möglichkeiten der Gilde, negativ auf unsere Unternehmungen einzuwirken, zu unterbinden, habe ich mich eines vedalkischen Saboteurs bedient. Damit dieser die Abwehrmaßnahmen der Gilde überwinden konnte, mussten seine telekinetischen Kräfte magisch verstärkt werden. Eine solche Ausbildung dauert typischweise erheblich länger, so dass uns jener Saboteur in der bevorstehenden Auseinandersetzung noch von größerem Nutzen gewesen wäre, deswegen entschied ich mich dazu, die dafür notwendige Energie von anderen Projekten abzuziehen, um ihn in kürzester Zeit auf die geforderten Spezifikationen zu bringen. So stand uns bereits früh ein den Schwebezauber beherrschender Spion zur Verfügung.

Leider muss ich eingestehen, dass diese Investition sich nicht ausgezahlt hat. Der Saboteur ließ sich von serranischer Propaganda davon überzeugen, uns seine Dienste aufzukündigen. Stattdessen beabsichtigt er nun, wie ich aus seiner Demission zitiere, „seine Kräfte der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen" und sich „der Erzeugung von Nahrung in ländlichen Gegenden" zu widmen. Ich übernehme die volle Verantwortung für die Folgen meines möglicherweise überstürzten Handelns, möchte aber darauf hinweisen, dass es auf diese Weise hätte gelingen können, den Konflikt mit der serranischen Gilde bereits in der Frühphase zu entscheiden. Ich denke immer noch, dass es sich prinzipiell lohnt, ein solches Risiko einzugehen.

Nachdem die Gilde nunmehr auf unsere Aktivität aufmerksam geworden war, sandte sie uns einen Rittersmann entgegen, der seine Kampferfahrung in den nekromantischen Kriegen gesammelt hatte. Dieser richtete einigen Schaden bei unseren Gefolgsleuten an, bis wir ihn mit Hilfe eines mentalen Schocks eliminieren konnten. Mit diesem Mittel haben wir hier in Sektor QQ2 hervorragende Erfahrungen gemacht. Allerdings müssen wir davor warnen, ihn gegen Ziele mit besonders diszipliniert ausgebildetem Geist sowie andererseits gegen Geschöpfe, die lediglich über eine Pseudo-Intelligenz verfügen zu richten, wo er wirkungslos bleibt.

In der Zwischenzeit rief die Gilde himmlische Unterstützung herbei, eine Engelskriegerin. Um hier ein Gegengewicht zu schaffen, versicherten wir uns der Dienste eines vedalkischen Geistsaugers. Wie Euch sicherlich bekannt ist, beherrschen diese nicht nur den Schwebezauber perfekt, sondern sind auch in der Lage, ihren besiegten Gegnern mentale Energie zu entziehen, um ihre eigenen Kampffähigkeiten zu verstärken.

Ärgerlicherweise ist jene Fähigkeit aber nutzlos, wenn ein Geistsauger und sein Kampfgegner sich gegenseitig eliminieren. Den praktischen Wert einer Verstärkung, die nur durch einen Sieg über klar unterlegene Widersacher herbeizuführen ist, muss ich nachdrücklich anzweifeln.

Die Gilde verstärkte daraufhin ihre Befestigungen mit mehreren Abwehrfeldern aus wirbelnden Klingen, die stark genug gewesen wären, weitere gegen sie ausgeschickte Geistsauger aufzuhalten.

Aber natürlich waren diese taktischen Geplänkel nur Ablenkung, während ich zum entscheidenden Schlag ausholte. Ich kanalisierte die gesamte mir zur Verfügung stehende magische Energie in einen gewaltigen Effekt (eine genaue Beschreibung der Wirkungsweise folgt in Memorandum Q13377f), welcher der Gilde ihre materiellen Ressourcen entzog und uns zur Verfügung stellte. Natürlich lief auch zahlreiches Fußvolk der Serraner zu uns über, als ihnen klar wurde, dass wir ihre Versorgung mit Nahrung sicherstellen konnten, und diese nicht mehr.

Tatsächlich war dieser Erfolg dermaßen überzeugend und verschob das Kräfteverhältnis in einem solchen Ausmaß zu unseren Gunsten, dass ich es für angezeigt hielt, ihn zu wiederholen. Ich konzentrierte deswegen unsere Forschungsarbeit darauf, diesen Effekt zu duplizieren. Es gelang uns, in kürzester Zeit alle für ein erneutes Wirken notwendigen Komponenten ausfindig zu machen. Dieses entschied den Konflikt mit der Gilde dann endgültig zu unseren Gunsten. Bedauerlich ist nur, dass wir diesmal für die investierte magische Energie erheblich weniger materiellen Nutzen erzielten. Offenbar haben wir die der Gilde noch zur Verfügung stehenden Ressourcen falsch taxiert, denn es besteht kein Zweifel daran, dass wir alles unter unsere Kontrolle verbracht haben, was den Serranern noch zur Verfügung stand.

Auch für diese Fehlkalkulation übernehme ich die volle Verantwortung, gebe jedoch zu bedenken, dass es nicht auszuschließen gwesen war, dass die Gilde unseren Effekt abzumildern im Stande gewesen wäre, in welchem Fall sich der Konflikt unnötig verlängert hätte.

Abschließend kann ich also vermelden, dass die Serraner im Sektor QQ2 keinerlei Bedrohung mehr für unsere Position darstellen. Nachdem diese bereits die Nekromanten vertrieben haben, sind unsere verbliebenen Rivalen die Magmapriester und die Druiden. Wie ich es bereits im Bericht QQ22749 angesprochen habe, mehren sich die Anzeichen, dass diese beiden Gruppierungen sich gegen uns verbünden könnten. Ich erbitte daher vollständige Handlungsfreiheit für Erkundungsmaßnahmen und gegebenenfalls daran anschließende Kampfhandlungen.

Bericht QQ22754 Ende.




Jetzt zeige ich Euch einige Karten, die aus dieser Geschichte hergeleitet werden können:


Kommt Euch das nicht irgendwie bekannt vor?

Zum Spielablauf: Der Blauspieler eröffnete in der ersten Runde mit Insel, Überstürzte Planung und Schwebender Saboteur, aber sein Weiß spielender Gegner entsorgte diesen mit Schwerter zu Pflugscharen.

Ein Weißer Ritter starb dann an einem Mentalen Schock.

Später tauschten dann ein Serra-Engel und ein Vedalkischer Geistsauger ab. Schwertmauern beschützten den Weißspieler vor der potenziellen blauen Offensive, jedoch entschied der Blauspieler schließlich die Partie mit zwei nacheinander gespielten Ressourcenentzügen, von denen er einen mit Hilfe einer Gezielten Suche fand.

Ich denke nicht, dass irgendeiner von Euch Probleme damit hat, die realen Vorbilder zu den von mir erfundenen blauen Karten zu finden. (Hinweis: Sie stammen alle aus dem ursprünglichen Set Magic: The Gathering.) Ich wollte Euch damit eines demonstrieren: Es gibt keine Regelmechaniken, die nicht in die Philosophie einer Farbe passen! Es ist alles eine Frage des gewählten Flairs und der Interpretation. Manchmal ist es schwierig, manchmal erfordert es vielleicht ein grundlegendes Umdenken, aber letztlich ist es nur eine kreative Übung, einen bestimmten Effekt einer Farbe zuzuordnen: Die Magic-Regeln sind abstrakt und können nach Belieben mit Bedeutung gefüllt werden. Probiert es doch einmal selbst – es macht Spaß!

Deswegen halte ich das Konzept der Kruste für Quatsch. Es stimmt, dass die Macher von Magic bestimmte Entscheidungen getroffen haben, und an den Publikumsreaktionen auf Planar Chaos hat man erkennen können, wie tief diese unterdessen bereits im Bewusstsein vieler Spieler verankert sind. Die Impulsivität von Rot äußert sich in Eile und Direktschaden, die Naturverbundenheit von Grün in Manaproduktion und manaeffizienten Kreaturen, und so fort.

Doch es hätte eben auch anders kommen können. Ich finde es zum Besipiel sehr schade, dass jeweils zwei Elemente einer Farbe zugeschlagen wurden, Aber wie wäre es denn damit gewesen:

Rot steht für Feuer,

Weiß für Luft,

Blau für Wasser

und Grün für Erde

...ergäbe das nicht auch Sinn? Schwarz käme dann eine besondere Rolle als Vertreter einer Art „Anti-Element" zu, eine Art schwarzes Loch, welches in destruktiver Weise die Energien der anderen Farbe zu vernichten trachtet.

Und warum sind Zwerge eigentlich nicht weiß? Dass sie rot sind, liegt einfach daran, dass wie mit Bergen assoziiert werden, und dass Gebirge in Magic zu Rot gehören. So haben sie sich eben zu jenen hitzköpfigen Gesellen entwickelt, wie wir sie von Karten wie Bloodfire Dwarf oder Dwarven Berserker kennen – letztlich nur eine Variante von Goblins mit Bärten. Deswegen sind sie letztendlich überflüssig, und deswegen haben wir auch schon seit vielen, vielen Erweiterungen – seit Judgment, um genau zu sein – keine mehr zu sehen bekommen. Natürlich kann es jederzeit passieren, dass Wizards in einem neuen Setting ein neues Konzept für die Bartträger finden und sie triumphal wiederkommen, aber es sieht so als, als hätten sie sich hier kreativ selbst in die Ecke getrieben.

Für mich sind Zwerge jedenfalls weiß – traditionsbewusst, höflich, in komplexen Gesellschaften organisiert und Träger hochrangiger Zivilisationen. Das sind die Tolkien-Zwerge, und sie sind für mich im Fantasy-Bereich immer noch das grundlegende Vorbild.

Naja, aber bei Magic sind ja auch Trolle andererseits zuletzt Grün – nicht, weil Wesen aus Stein grün sein sollten (deswegen waren sie ja auch ursprünglich rot), sondern weil die Regenerationsfähigkeit grün (oder auch schwarz, aber jedenfalls nicht rot) ist. Ich bin der Ansicht, dass sich die kreative Abteilung bei R&D hier teilweise ein wenig verrannt hat. Der Lorwyn- und Shadowmoor-Block zeigen allerdings, dass sie nicht bedingungslos an überkommenen Zuordnungen kleben: Schwarze Elfen und Feen, weiße Riesen (nein, nicht das Waschmittel) und Meervölker, grüne Goblins, schwarzes und weißes Baumvolk. Ich bin sehr gespannt, ob das nur eine vorübergehende Erscheinung des Tribal-/Hybrid-Doppel-Blocks ist, oder ob wir in Zukunft allgemein mehr Varianz bei der Zuordnung von Flair zu Spielmechaniken beobachten können!




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