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Das Wort zum Montag: Die Profis müssen es ja wissen
von Andreas "Zeromant" Pischner
09.06.2008

Alles neu macht der Herbst

Die letzte Woche hatte es für uns Magic-Spieler knüppeldicke in sich. Veränderungen haben es ja an sich, unerwartet zu kommen, aber was an diesem Montag auf uns zukam, war schon spektakulär:

Hiervon. war mit den Vintage-Spielern ja nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtspielerschaft betroffen, aber diese Ankündigung. – eigentlich ein ganzer Sack voll Ankündigungen – erschütterte die Grundfesten dessen, was Magicausmacht.

Dementsprechend laut waren die Aufschreie. Und natürlich ist Magic wieder einmal tot, aber das braucht man ja gar nicht mehr zu erwähnen. In jedem Fall herrscht in vielen Punkten (wieder einmal) weitestgehend Einigkeit, dass Wizards of the Coast (diesmal ganz bestimmt) riesigen Mist gebaut haben.

Findet Ihr das eigentlich nicht merkwürdig? In einer ganz anderen Diskussion wurde mir gerade erst klargemacht, dass ich einem Pro nicht widersprechen dürfte – unabhängig von irgendwelchen Argumenten –, weil er ja schließlich ein Pro ist und ich nicht. Wieso aber ist dann jedermann so schnell dabei, wenn es darum geht, Entscheidungen seitens der Macher von Magic zu kritisieren? Sind diese Jungs und Mädels denn nicht die Profis hier? Sind es nicht ihre Jobs, die auf dem Spiel stehen, wenn sie tatsächlich großen Mist bauen?

Nun, im Grunde lehnen Menschen einfach Veränderungen ab. „I don't want what I don't have. I want more of what I do have", lautet der Flavortext von Touch of Brilliance. „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht", lautet ein in der Ära politischer Korrektheit nicht mehr zeitgemäßes deutsches Sprichwort. (Hier baut Tobi vielleicht ein Link zu einer wissenschaftlichen Studie über die Ernährungsgewohnheiten von Agrarökonomen ein, oder vielleicht auch nicht..) Wir wissen, was uns gefällt. Veränderungen bedeuten Unsicherheit. So lange die Langeweile nicht überhandnimmt, sehnen wir uns nach einer simplen und unveränderlichen Welt, in der Gut und Böse klar definiert sind, und in der man möglichst mithilfe einfacher Zahlenvergleiche ermitteln kann, wer in einer Diskussion Recht hat.

Wenn wir Magic mögen, dann mögen wir es so, wie es jetzt ist, und nicht irgendwie anders, und deswegen begegnen wir jeder Veränderung zunächst einmal mit Misstrauen. Außerdem passt Kritik an einem großen Konzern gut in das Schwarz-Weiß-Schema von Gut und Böse. Jeder Veränderung MUSS einfach kurzsichtige Geldscheffelei zugrunde liegen.
WotC Topps & Flopps

Moment einmal, will ich denn hier gerade andeuten, dass Wizards keine Fehler machten? Ganz bestimmt nicht! Über Homelands oder Urza's Saga will ich jetzt nicht reden, denn das ist ja doch schon eine Weile her, aber Skullclamp und die Affinity-Mechanik sind mir noch in guter Erinnerung, und Tarmogoyf war bekanntermaßen auch nicht so gedacht gewesen. Nun, misslungenes Karten-Design fällt uns häufig zuerst ein, aber eigentlich sollte man sich auf die grundlegenden Entscheidungen der Firma konzentrieren. Hier muss man jedoch zuerst einmal konstatieren, dass in der Rückschau gerade die umstrittensten und am lautesten mit „Magic ist tot!"-Rufen kommentierten Entscheidungen selbstverständlich richtig erscheinen!

Was gab es nur für Proteste, als damals „Typ 2" eingeführt wurde, dieses Format würde sich niemals durchsetzen! Natürlich zeichneten sich hier die protestierenden Spieler durch Kurzsichtigkeit aus, nicht der geldscheffelnde Konzern, denn ohne ein solches Standard-Format (die Umbenennung war auch kein Zufall) wäre Magic heute WIRKLICH tot, weil neue Editionen einfach entweder immer stärkere Karten bieten müssten (was die Besitzer älterer Sets auch nicht glücklich macht, und überhaupt nicht beliebig fortführbar ist) oder immer überflüssiger würden.

Die bislang wohl umstrittenste Entscheidung war erstaunlicherweise aber ausgerechnet jene, bei der ich damals wie heute nicht im Ansatz verstehen konnte und kann, wie man anderer Meinung sein konnte, nämlich die erhebliche Regelvereinfachung mit der Sechsten Edition. Du meine Güte! Aber was der Bauer nicht kennt, frisst er eben nicht, und die fettesten Säue bindet er an die kürzesten Stricke, damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen zu hopsen.

Und dann war da noch das neue Cardface der Achten Edition. Zwar habe ich keine Daten zur Verfügung, die ich auswerten könnte, um meine Vermutung zu untermauern, dass es genau das getan hat, was es sollte, nämlich die Karten lesbarer und übersichtlicher zu gestalten, so dass Einsteiger leichter in das immer noch hochkomplexe Spiel Magic hineinfinden, während nur ein verschwindend geringer Bruchteil vorhandener Spieler den neuen Look boykottiert hat, aber eines weiß ich mit Sicherheit: Magic ist nicht daran gestorben, sondern hat stattdessen im Ravnica-Block wohl sein All-Time-High der Kundenzufriedenheit erreicht!

Das Eighth Edition-Design allerdings ist trotzdem auch ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Wizards TATSÄCHLICH Fehler machen. Immer und immer wieder wurde ihnen gesagt, dass weiße Karten und Artefaktkarten sich darin schlecht unterscheiden ließen, und obwohl das etwas war, worin sich das Publikum schlecht irren konnte (denn sie verwechselten sie nun einmal ständig), übten sich die Konzernsprecher hier lange Zeit im Widerspruch, bis sie endlich einsahen, dass sie einem grundlegenden Irrtum aufgesessen waren und diesen Fehler korrigierten.

Und wenn es darum geht, dass ein großer Konzern kurzsichtig an der falschen Stelle spart und deswegen ein nicht enden wollendes Fiasko verursacht, nun, dann habe ich zwei Worte für Euch: Magic Online. Was Hasbro hier an Geld verloren hat, dass wissen nur sie alleine.

Auch die Papier-Version von Magic kränkelt meiner Einschätzung nach – die Umsätze, obgleich immer noch gut, erreichen nicht mehr die Höhen früherer Jahre, und die Real-Life-Turnierszene verliert dramatisch an Masse. Schuld daran ist ironischerweise nicht zuletzt auch Magic Online, vor allem aber generell eine Verlagerung der Freizeitaktivitäten von Spielern und Fantasy-Freunden ins Internet. Vor diesem Hintergrund muss man auch die unlängst getroffenen Marketing-Entscheidungen sehen, denn NATÜRLICH geht es hierbei um Geld, genauer: das Geld, welches Hasbro mit Magic verdient! Nun weiß ja wirklich jeder, dass in einer Branche, in der den Kunden Produkte verkauft werden, die sie objektiv einfach nicht benötigen, langfristig Erfolg des Produktes und Kundenzufriedenheit untrennbar miteinander verbunden sind. Die Frage kann daher nur lauten: Hat Hasbro Entscheidungen getroffen, von denen sie sich eine kurzfristige Wirkung versprechen, und deren langfristige Wirkung sie unterschätzen, oder gar ignorieren? (Nämlich, weil Magic TATSÄCHLICH stirbt und sie die Kuh noch einmal melken wollen?) Oder sind diese Entscheidungen vielleicht sogar langfristig das Richtige für Magic, und es sind wieder einmal die Spieler, die ebenso automatisch wie kurzsichtig mit Ablehnung reagieren?

Ich will heute die wichtigsten Veränderungen unter die Lupe nehmen und dann – natürlich – meinen begründeten Senf dazu geben.
Stop Pondering, Start Wondering!

Fangen wir mit derjenigen Entscheidung an, die objektiv betrachtet den geringsten Einfluss auf die Zukunft von Magic an, nämlich die neuen Vintage-Restriktionen: Mit Flash hat jeder gerechnet, auf Gush haben die meisten gehofft. Merchant Scroll kann auch nicht wirklich eine Überraschung gewesen sein. Brainstorm hingegen ließ Kinnladen herunerklappen, und Ponder traf in der Vintage-Community auf einhelliges Unverständnis. WTF?

Nun, wer mein Geschreibsel kennt, der weiß, dass ich das Vintage-Format komplett als Außenstehender betrachte. Das bedeutet aber auch, dass ich entsprechend einen ein wenig weiter gefassten Blickwinkel besitze, und ich denke, ich kann erraten, was diese Entscheidung von Wizards letztendlich motiviert, nämlich... Hilflosigkeit.

Am Freitag kam die lang erwartete Erläuterung zu diesen Restriktionen von Mike Turian, die ich einmal in voller Länge zitiere:

„The DCI is continually looking to do what is best for the health of the Vintage format.

The combination of Flash with only a few cards, leads to too many turn zero and turn one kills. The speed and ease of these Flash combos led to Flash being added to the Restricted list.

Merchant Scroll, Brainstorm and Ponder have all been added to the restricted list.

Merchant Scroll tutors for the most powerful cards. Likewise the access power of Brainstorm and Ponder make finding the powerful restricted cards in a deck too easy.

Gush returns to the restricted list. Last year, we removed four cards from the Vintage Restricted list. Of those cards only Gush has proven problematic as a free card-drawing instant.“


Steht da irgendetwas drin, was nicht vollständig offensichtlich ist? Nichts. Jeder, der eine tiefgründige Analyse erwartete, wurde vollständig enttäuscht.

Ich habe in Foren schon Kommentare gelesen, die in die Richtung gingen: „Wie um alles in der Welt soll man da jetzt noch Force of Will supporten?" Das halte ich für unnötige Panik. Zwar sind fünf von fünf der Karten, die es getroffen hat, blau, aber es ist ja nicht so, als wenn Vintage-Spieler sie nicht immer noch zumindest einmal ins Deck stecken würden (Flash vielleicht nicht) und ansonsten auf die nächsteffizienteren Varianten ausweichen würden – Serum Visions, Sleight of Hand, Opt, so etwas eben.

Ich will an dieser Stelle meine Sicht als Außenstehender noch ein wenig genauer erläutern. Vor ein paar Jahren wurde ich in einem deutschen Magic-Forum erbittert angefeindet, weil ich gegen den Mythos des unpowerten „Budget-Decks" anschrieb. Mir wurde (zu Recht) vorgehalten, dass ich mich in diesem Format nicht auskannte und daher (zu Unrecht) die Kompetenz aberkannt, diese Frage zu beurteilen.

Dabei war das gar nicht so schwierig: Ob eine gewisse Sorte Decks konkurrenzfähig ist oder nicht, kann man einfach an ihrer Erfolgsbilanz ablesen! Ich musste nur nachsehen, welche Decks bei größeren Vintage-Turnieren tatsächlich erfolgreich waren. Sobald die Stichprobe hierbei groß geng wurde, konnte ich mit der gleichen Autorität über die Zusammensetzung des Metagames urteilen, wie die aktiven Spieler. Wie konnten da überhaupt unterschiedliche Meinungen aufkommen? Nun – die Perspektive eben! Diejenigen, die für die Validität von Budget-Decks argumentierten, gingen von subjektiven Einschätzungen aus – Spiele, die sie privat, zum Beispiel online, gemacht hatten – oder überbewerteten Events, auf denen das Niveau einfach nicht so hoch war. Diese Diskussion ist unterdessen tot, und niemand behauptet mehr ernsthaft, dass Unpowered Decks in Vintage konkurrenzfähig seien, nicht zuletzt auch, weil die immer beliebtereren Proxy-Turniere den Spielern die Ausreden nehmen.

Deswegen habe ich mir auch diesmal als Außenstehender einfach eine Stichprobe erfolgreicher Decks angesehen, in diesem Fall das letzte Dutzend oder so, welche bei GerMagic als Turniersieger aufgeführt wurden. Ich halte es übrigens für sehr wahrscheinlich, dass die Entscheidungsträger der DCI nicht viel anders vorgehen – okay, ob sie auf GerMagic sehen, ist eine andere Frage, aber auch sie beurteilen die Entwicklungen in diesem Format wohl eher aus einem Blickwinkel von außen... Und Folgendes habe ich entdeckt: Es gibt in Vintage zwei Decks.
Das Work/Force-Metagame

Ja, ich habe den Primer., der hier zuletzt auf PlanetMTG erschienen ist, auch gelesen, aber ich kann diese Vielfalt nicht bei den erfolgreichen Decks wiederfinden. Tatsächlich denke ich, dass Tobi mit seiner flapsigen Art viel näher an der Wahrheit war. (Na los, Tobi, verlinke Dich selbst, mach' schon.!)

Es gibt einerseits das Mishra's Workshop-Deck, und es gibt andererseits das blaue Tutoren-Deck. Ersteres bezeichnet der Vintage-Profi mit verschiedenen Bezeichnungen, die alle irgendwie mit „Staxx" zu tun haben, und Letzteres nennt sich dann HulkFlash, oder Tyrant Oath, oder TPS, oder Painter, oder GAT – alles aus dem Blickwinkel der Vintage-Insider völlig unterschiedliche Decks, aber wenn man einen Schritt zurück macht und das Format von außen betrachtet, unterscheiden sie sich nur in ein paar Win-Conditions und machen ansonsten genau das Gleiche. Wo der Vintage-Enthusiast Vielfalt sieht, findet der außenstehende Beobachter ein Zwei-Deck-Format vor.

Es herrscht also allenortens Verwunderung, wie eine so schwachbrüstige Karte wie Ponder restrictet werden konnte – aber warum wundert sich eigentlich niemand darüber, dass eine dermaßen absurd overpowerte Karte wie Mishra's Workshop es NICHT ist? Hallo – ein Land, welches drei Mana macht, mit der furchtbar schlimmen Einschränkung, dass man diese nur... für den Großteil aller in Vintage interessanten Karten, welche überhaupt so viel kosten verwenden kann! Das ist absurd, und es spiegelt die ganze Absurdität des Formats Vintage wider. Der wirkliche Grund, warum der Workshop vier Mal erlaubt ist, ist einfach der, dass es ohne ihn nur noch EIN Deck in Vintage gäbe – eben das generische Power-Deck mit einem großen Teil der Restricted Liste und vier Force of Will, aufgefüllt mit billiger blauer Library-Manipulation und ein paar Slots, die für irgendwelche Gewinnbedingungen frei gehalten werden. Staxx ist das einzige Deck, welches wirklich ANDERS ist, und nur deswegen ist der Workshop, der so absurde Dinge wie erste Runde Trinisphere ermöglicht, erlaubt.

Ich habe von Hilflosigkeit gesprochen: Bereits die Nichtrestriktion des Workshops war ein Zeichen dieser Hilflosigkeit. Dass jetzt bereits Library-Manipulation auf dem Niveau von Ponder ihren Platz zwischen Black Lotus und Ancestral Recall einnimmt, macht sie offenkundig. Was sollen Wizards denn noch tun? Wirkliche Mega-Power-Karten drucken sie schon seit Jahren (sagen wir, seit dem Urza-Block) nicht mehr. Bei Tutoren werden sie immer vorsichtiger. Wenn aber die Brokenness in Vintage nun die kritische Masse erreicht hat, dass selbst ein Ponder effektiv bereits ein Tutor auf eine Power-Karte darstellt, dann kommen sie nicht mehr hinterher. Karten auf dem Niveau von Brainstorm oder Ponder müssen sie weiterhin drucken können – sie können für solche nützlichen Utility-Effekte nicht wegen ein paar Vintage-Spieler ein Moratorium ausrufen! Also wird die Restricted Liste immer länger und länger und länger...

Könnte man denn blaue Decks nicht im Zaum halten, indem man Force of Will restrictet? (Diese Forderung habe ich tatsächlich auch schon ein paar Mal gelesen.) Nun, das geht einfach nicht: Ohne Force of Will lassen sich die zahlreichen First-Turn-Kill-Kombos des Formats gar nicht mehr unter Kontrolle halten. Sie stellt letztlich die einzige Form der Interaktion dar, die einem Spieler noch bleibt, wenn sein Gegner anfängt, bevor dieser ihn tötet. Fällt diese weg, passiert genau das, was man unlängst beim „Highlander Grand Prix" beobachten konnte, als ein im Prinzip aus Tutoren und ein paar tödlichen Kombos bestehendes Deck das Feld wie ein heißes Messer Butter durchschnitt - nur dass man in Vintage mit 60 Karten spielt, nicht mit 100, und dass dort sogar noch ein paar Tutoren mehr erlaubt sind.

Der Vergleich zum Highlander Grand Prix ist auch mein Stichwort für eine Prophezeiung, die ich bereits vor ein paar Jahren getätigt habe, und deren Bewahrheitung mir immer näher zu kommen scheint: Vintage nähert sich immer mehr einem Highlander-Format an. Welche Karten gibt es überhaupt noch, die man viermal spielen DARF und viermal spielen WILL? Nun, es gibt den Workshop sowie eine Reihe von Karten, die eigentlich nur in Decks mit ihm Sinn ergeben, so wie Smokestack, Sphere of Resistance oder Metalworker. Und dann gibt es Force of Will sowie die jeweils effizienteste blaue Library-Manipulation und die jeweils stärksten noch nicht gebannten Kombo-Karten (wie im Moment Painter's Servant). Dann noch ein paar Länder – Fetchies, Duals und Wasteland und so.

Ich behaupte, dass der wirkliche Unterschied zwischen Vintage und einem echten Highlander-Format eigentlich nur noch in Force of Will und Mishra's Workshop zu finden ist – alles andere hängt mit diesen beiden Hauptakteuren zusammen bzw. ließe sich durch leichte Varianten ersetzen. Die Frage ist, wie lange dieser Unterschied noch gezielt am Leben erhalten wird, während die Restricted Liste bereits das halbe Hundert überschreitet und die darauf befindlichen Karten immer harmloser werden, weil sie lediglich Kollateral-Schäden eines hoffnungslos brokenen Formates darstellen. Wie lange dauert es noch, bis die DCI einfach aufgibt und Vintage in ein Highlander-Format überführt? Wenn das geschieht, wird man sich vielleicht an den Tag, an dem Ponder restrictet wurde, zurückerinnern als den Tag, an dem Vintage endlich unter der Masse seiner brokenen Karten zusammengebrochen ist.

Aber Vintage machte letzte Woche nicht die Schlagzeilen – das blieb der Ankündigung bezüglich der neuen Produktform von Magic vorbehalten.
Alles wird anders

Tatsächlich tat sich da in zwei Bereichen etwas, aber die Veränderungen bei den von WotC publizierten Büchern wurden vergleichsweise kaum beachtet. Ich finde es zumindest erwähnenswert, dass in den sogenannten „Planeswalker Guides" jetzt die Settings, in denen die Magic-Hintergundgeschichten spielen, detailliert beschrieben werden. Von da ist es ja eigentlich nur noch ein winziger Schritt bis zum Magic RPG, oder?

Alles darüber findet Ihr hier..

Doch die spektakulären Veränderungen betreffen natürlich das Produkt Magic: The Gathering selbst. Vier Stück sind es:

1. Die Sets werden deutlich kleiner.

2. Es gibt eine weitere Seltenheitsstufe.

3. Eine Common im Booster wird durch ein Standardland ersetzt und

4. Aus den Preconstructed Decks werden Intro Packs.

Ich gehe sie von hinten und vorne durch, um mir das Wichtigste zum Schluss aufzuheben, und beziehe mich dabei gelegentlich auf den Artikel. von Mark Rosewater, in dem er diese Veränderungen erklärt.

Die Entscheidung bezüglich der Intro Packs stieß eigentlich kaum auf Kritik. Ob man ein Set mit 40- oder 60-Kartendecks kennenlernt, ist eigentlich egal (außer natürlich, man macht es wie ein gewisser bloggender Magic-Spieler, der Standard-FNMs mit Preconstructed Decks bestreitet), und der Wert des Packs steigt durch den zusätzlichen Booster insgesamt wohl eher. Natürlich will man damit neue Spieler anfixen, damit diese nicht etwa auf die Idee kommen, Magic spielen zu wollen, ohne sich Booster zu kaufen! Offenbar allerdings scheint die Community zumindest einzusehen, dass so viel Geschäftstüchtigkeit vonseiten des Herstellers nicht nur entschuldbar, sondern schlicht notwendig ist!
This Land is Your Land

Dann ist da die fehlende Common, für die sich nun Standardländer im Booster befinden. Es ist für mich im höchsten Maße erstaunlich, welche Aufregung das verursacht! Wer glaubt denn bitteschön wirklich, dass Drafts dadurch ein Problem werden? Die letzten vier bis fünf Picks aus Boostern werden in der Regel sowieso nicht gespielt, und die wenigen Male, in denen es ein Last Pick tatsächlich einmal bei mir in ein Deck geschafft hat, kann ich an den Fingern einer Hand abzählen und dabei noch in der Nase bohren. Falls ein Set eine besonders magere Ausbeute an spielbaren Commons aufweisen sollte, könnte es zwar eng werden, aber in den letzten paar Jahren ist das nicht mehr vorgekommen, und wir haben keinen Grund anzunehmen, dass sich das ändern wird. Gerade all diejenigen, die gerne mit der Zehnten Edition gedraftet haben, werden bei dieser Diskussion nur den Kopf schütteln können.

Spott erntet diese Neuerung auch deswegen, weil sie missverstanden wird. (Was zugegebenermaßen auch daran liegt, dass sie nicht überzeugend erklärt wurde.) Natürlich erwartet niemand von einem Neuling, dass er sich so viele Booster kauft, bis er die Länder für sein erstes Deck beisammen hat! (Dafür gibt es übrigens noch die Intro Packs.) Stattdessen geht es einfach darum, dass genügend Länder IM UMLAUF sind. Seit meinen frühen Spielerjahren, in denen ich überschüssige Länder oft als Proxies benutzt hatte, weil sie sich leichter beschreiben ließen, habe ich dazugelernt: Länder sind viel wertvoller als die meisten Commons! Man hat immer noch weit mehr Commons als Basics im Umlauf, und wenn man ein Deck bauen will, sind Commons nicht die knappe Ressource, sondern Länder.

Jeder Turnierveranstalter weiß, wie schwierig es ist, immer Basics für seine Limited-Events parat zu halten, und bei den meisten Pro-Tour- oder Grand-Prix-Side-Events, die ich gespielt habe, ging im Verlauf des zweiten Tages das verzweifelte Suchen nach Ländern los, und je nachdem, welche Farbe in einem Block im Limited bevorzugt gespielt wurde, war immer mal wieder eine Sorte einfach alle und wurde teilweise sogar mit Erlaubnis des Judges mit einer anderen geproxt. Ich habe zu Hause ohne Übertreibung DUTZENDE Kisten mit überschüssigen Commons herumstehen – aber nur drei mit überschüssigen Ländern, und sobald ich ein paar Anfängern wieder Common-Decks zusammenbastele, werden sie wieder knapp. Das ist auch der Weg, den diese Länder nehmen werden (abgesehen von denen, die zweifelsohne von ignoranten Spielern in den Papierkorb befördert werden): Aus den Beständen von Vielspielern und -käufern als Geschenk in die Hände von Neulingen. Weniger Commons, mehr Basics: Ein absolut zu begrüßender Wechsel!
Myth- & Magic

So, und schon – na gut, nach über 3.000 Wörtern – gelange ich zum eigentlichen Skandal! Zwar sind auf obiger Liste noch zwei Punkte offen, aber sie gehören eigentlich zusammen: Die Sets werden kleiner und es werden Mythic Rares eingeführt, die seltener sind als normale Rares.

Faszinierend ist übrigens, wie zwischen den Zeilen bei Rosewater deutlich herauszulesen ist, dass Wizards diese Änderung selbst eigentlich für unsinnig halten, dass aber nun einmal der Markt – und dass bedeutet, die Käufer – sie dazu zwingen!

"If we want to stay competitive in attracting new players we have to keep up with the industry standards."

Anders ausgedrückt: Wenn die Kiddies nun mal wie bei Yu-Gi-Oh! auf Superduper-Rares stehen, dann müssen wir sie auch drucken. Oder noch anders formuliert: Wer eine Marktabdeckung von über 50% anstrebt, der muss auch den Spielern mit einem unterdurchschnittlichen IQ ein für sie attraktives Spiel bieten.

Wie wenig Wizards dieser Schritt tatsächlich gefällt, merkt man daran, dass MaRo sich dann intensiv bemüht, den intelligenteren Teil seiner Leserschaft darüber aufzuklären, dass Mythic Rares in Wirklichkeit gar nicht seltener sind als Magic-Rares es bisher waren!

Anders ausgedrückt: „Sagt es bitte nicht weiter – jedenfalls nicht in zu leicht verständlichen Formulierungen –, aber diese Extra Rarity, mit der wir die Yu-Gi-Oh!-Kiddies beeindrucken wollen, ist nur ein neuer Name für die alten Verhältnisse."

Ja, das ist im Wesentlichen die Botschaft! Allerdings hauen MaRos Rechenexempel nicht wirklich hin, bzw. gehen am Kern der Sache vorbei.

Das Problem, welchem sich ein kompetitiver Turnierspieler nämlich gegenübersieht, sobald eine Mythic Rare sich als wichtig genug erweist, dass er sie vier Mal benötigt, ist nämlich nicht, dass eine Mythic Rare, weil sie ca. doppelt so selten ist wie eine normale Rare, ihn ganze zwei normale Rares kostet, die er vertauschen muss. Das Problem ist, dass er – ebenso wie jeder andere Spieler auf der Welt – vier Stück davon FINDEN muss.

Ob man sich seine Mythic Rares nämlich aus Boostern zieht, ertauscht oder auf dem Einzelkartenmarkt besorgt, macht nämlich letztlich keinen Unterschied: IRGENDJEMAND muss diese Karte aus einem Booster gezogen haben. Der wahre Maßstab dafür, wie selten eine Karte ist, ist einfach der, wie viele Booster geöffnet werden müssen, damit man (bei einer idealen Verteilung – das Tauschen etc... kommt noch als zusätzliche Komplikation hinzu) ein Playset von allen Karten findet.

In der Zehnten Edition sind das übrigens 484 Booster, in Worten: VIERHUNDERTVIERUNDACHTZIG. Beinahe dreizehneinhalb Displays! (Okay, ein bisschen weniger, wenn man die Foil-Rares mit einrechnet.) Wer kauft sich dreizehneinhalb Displays von einem Set? (Okay – ich war einmal so verückt. ABER ich bekam die Dinger damals zum Einkaufspreis UND sie waren erheblich billiger!)

Zum Vergleich ein paar andere Sets:

Lorwyn / Shadowmoor — 320 Booster (knapp 9 Displays)
Future Sight / Eventide — 240 Booster (knapp 7 Displays)
Planar Chaos — 160 Booster (ca. 4,5 Displays)

Bei Shards of Alara sind das dann (ausgehend von einer Mythic Rare alle acht Booster, was wohl nicht ganz der exakte Wert ist) 480 Booster, bei „Paper" werden es 320 Booster sein.
Und Magic wird doch teurer!

MaRo behauptet in seiner Stellungnahme, dass sich viele Spieler über die große Anzahl Karten im Format aufgeregt hätten, aber ich denke, das ist nur die halbe Wahrheit.

Tatsächlich haben sich die Spieler nämlich darüber aufgeregt, wie teuer es geworden ist, im Constructed up-to-date zu bleiben! Wie viele Karten in einem Set sind, ist da irrelevant. Die Anzahl der Rares, die relative Häufigkeit, ja selbst die Anzahl der Constructed-relevanten Karten (so lange sie größer null ist) – alles keine Indikatoren dafür, wie teuer es ist, sich die nötigen Karten zu besorgen. Ausschließlich die Menge an Displays, die IRGENDJEMAND öffnen muss, damit ein weiteres Playset der jeweils gesuchtesten Karte in Umlauf gelangt, ist hier ausschlaggebend.

Und diese Menge hat sich gerade von 320 Boostern, wie es noch bei Lorwyn der Fall war, auf 480 Booster erhöht, wie es bei einer Erweiterung zuletzt bei... Moment... ICE AGE zuletzt der Fall gewesen war! (Tenth Edition und andere Grundsets zählen nicht, da sie ja bereits in Umlauf befindliche Karten neu auflegen.)

Die Mogelpackung ist also eine Mogelpackung: Magic WIRD weiterhin teurer für die Turnierspieler, und zwar bei großen Sets um 50% und bei kleinen (Eventide als Referenz, das selbst bereits eine Steigerung zu Morningtide darstellt) um 33%.

[Anm. d. Red.]

Noch einmal: Ganz egal, wie Ihr Euch Eure Karten besorgt, IRGENDJEMAND muss diese Booster öffnen, und deswegen werden sich die Preise insgesamt für alle Karten, die überhaupt irgendjemand haben will, diesen Verhältnissen angleichen! Da nützt es gar nichts, dass andere Rares billiger werden, denn wer immer diese Displays geöffnet hat, erhält entsprechend für diese billigeren Rares auch weniger Geld und muss diese Differenz an anderer Stelle hereinholen.

Die Preise von Mythic Rares, die zufällig auch Tournament-Staples sind (Garruk Wildspeaker wäre nach diesem System zum Beispiel definitiv eine Mythic Rare) werden daher jeglichen Vergleichsmaßstab für In-Print Karten sprengen. Die Schere zwischen 1-Rares (wenn überhaupt noch) und Chase-Rares wird noch weiter auseinander klaffen. Es hilft gewiss auch nicht, dass Mythic Rares typischerweise Casual-Spieler besonders ansprechen werden, und dass alleine schon Konzept und Name der „Mythic Rares" aus psychologischen Gründen für einen Preisschub sorgen wird. Ach so – und dass Karten neuerdings ab dem Tag ihrer Veröffentlichung Constructed-legal sind, ist noch das Sahnehäubchen!

Magic ist nicht tot, nein. (Yu-Gi-Oh! ist übrigens auch noch nicht tot, selbst wenn es stinkt wie eine halbverweste Leiche.) Sein Turnierspiel zu einigermaßen fairen Bedingungen jedoch steht auf der Liste der bedrohten Arten.

Was mich jedoch richtiggehend aufregt, ist die offene Verachtung, mit der WotC ihre Kunden neuerdings behandeln. Da sagen sie doch im selben Artikel:

"Haha, wir veräppeln die dummen Yu-gi-Oh!-Spieler mit einer neuen Rarity, die in Wirklichkeit gar keine ist, wie wir Euch klügeren Spielern gerade erklären."

und

"Haha, wir veräppeln auch die sich für klüger haltenden Magic-Spieler, indem wir ihnen weismachen, dass Mythic Rares nicht bedeuten, dass Magic für sie teurer wird!"

Mein einziger Trost ist, dass man Rosewaters Artikel anmerkt, dass er sich einer für ihn unangenehmen Pflicht so gut es geht entledigt. Ansonsten muss ich leider feststellen, dass diese Änderung sowohl Verarsche als auch Abzocke bedeutet.

Nun gut, die Profis haben entschieden. Sie schaden damit ganz eindeutig der Turnierszene – aber schaden sie auch ihrem Produkt, also dem Spiel insgesamt, oder hilft der neue Ansatz tatsächlich, ihre Umsätze zu beleben?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass der nochmals verstärkte Konsumzwang mich abtörnt. Doch um mich geht es ja vielleicht einfach nicht.




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