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Pischner Classics: Kartenhäuser
von Andreas "Zeromant" Pischner
24.03.2008

[In der Reihe Pischner Classics kramen wir regelmäßig Artikel aus den Archiven der insgesamt sechs Jahre, die Andreas Pischner nun bereits für PlanetMTG schreibt, wieder hervor. Der folgende erschien ursprünglich am 5. August 2002...]
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Neulich unterhielt ich mich mit einem "Fun-Spieler", und sein Name war nicht Udo, nicht Bernd, nicht Gerwald und auch sonst nicht der Name irgendeines Spielers, den Ihr kennt.

Eigentlich hatte er mich angesprochen: "Hey, bist Du nicht dieser "Zaramant", der für PlanetMTG die Artikel schreibt?"

Da ich es unterdessen aufgegeben hatte, die zahllosen Fehlschreibungen meines Nicks im Net korrigieren zu wollen, sagte ich einfach: "Ja, der bin ich."

"Also, ich muss Dir wirklich mal sagen – Deine Artikel sind ja ganz schön langweilig!"

Aha, also KEIN Fan (seufz)... na gut, ich stehe ja sowieso nicht auf Jungs – schon gar nicht auf enorm übergewichtige. Aber was soll's, vielleicht hatte er mir ja etwas Interessantes zu sagen.

"Schade, wenn sie Dir nicht gefallen, aber das ist halt Geschmacksache. Wofür würdest Du Dich denn eher interessieren?"

Der Fun-Spieler grinste mich an. "Warum können Deine Artikel nicht so interessant sein wie die von Jay Moldenhauer-Salazar.?" (Nein, er sprach den Namen nicht richtig aus – nicht ansatzweise – aber ich gebe ihn hier einmal korrekt wieder, damit Ihr wisst, wer gemeint ist.)

Ich benötigte einige Zeit, bis ich den Namen zuordnen konnte: "Jay... Moldenhauer... Salazar... ach so, der Typ der seine Fun-Decks auf magicthegathering.com veröffentlicht... ich muss gestehen, ich lese seine Kolumne schon lange nicht mehr..."

Dem Fun-Spieler blieb beinahe der Mund offen stehen. "Was? Das sind die besten Magic-Artikel überhaupt im Netz!"

Jetzt war mein Interesse geweckt! "Aha. Und wieso findet Du das?"

Der Fun-Spieler begann, es mir zu erklären, und steigerte sich dabei in einen Redeschwall hinein: "Im Netz sind sonst immer nur Artikel für Euch Turnierspieler... immer nur dieselben Decklisten mit denselben Karten... als wenn Gewinnen alles wäre... Magic ist ein SPIEL, und soll SPASS machen! Ihr Turnierspieler nehmt das alles viel zu ernst, mit Eurem stundenlangen Testen und Euren endlosen Strategie-Diskussionen... habt Ihr denn kein Leben außer Magic? Und die Kreativität bleibt auf der Strecke... Habt Ihr denn gar keine eigenen Ideen? Bei Turnieren gewinnen ja doch immer dieselben Decks, und wenn mal jemand ein originelles Deck hat, dann verliert er gegen irgendeinen Rules Lawyer! Aber Jay macht es richtig! Der hat noch gute Ideen, ist kreativ und originell... der weiß noch, warum Magic Spaß macht!"

An diesem Punkt musste er Luft holen, und ich nutzte die Gelegenheit, nachzuhaken:

"Der eigentliche Spaß bei Magic ist es also, eigene Decks zu entwerfen?"

"Genau! Das ist das eigentliche Spiel, nicht immer nur Angreifen mit dem Masticore!"

Ich verkniff mir die Bemerkung, dass ich im Turnier schon seit Jahren keinen Masticore mehr hatte angreifen sehen, zugunsten einer (meiner Meinung nach) noch viel spitzeren Replik:

"Und welchen Spaß hat denn ein Fun-Spieler nun dabei, die Decks, die Jay Moldenhauer-Salazar im Netz postet, zu lesen und nachzubauen?"

Der Fun-Spieler schaute mich ganz böse an, und entgegnete dann mit kalter Stimme: "Im Gegensatz zu Euch Turnierspielern haben wir schließlich auch noch ein Leben, und können nicht 24 Stunden am Tag Decks bauen... Und so brilliante Ideen wie Jay kann eben nicht jeder haben, deswegen wird er ja dafür auch bezahlt!"

"Hm, dafür bezahlt werden, seine Fun-Decks zu posten..." murmelte ich vor mich hin "Faszinierend... Strategie-Artikel traue ich mich ja kaum zu schreiben, weil man dafür wirklich Ahnung haben sollte, aber Fun-Decks posten, das kann ich bestimmt auch..."

Der Fun-Spieler aber hörte mir gar nicht zu. Seine Augen leuchteten, und er geriet ins Schwärmen: "Und was für Ideen Jay doch hat! Seine Squirrel-Decks zum Beispiel... Kein Turnierspieler wäre jemals auf die Idee gekommen, mit Squirrel Mob zu spielen," (ich setzte zu einer Entgegnung an, aber er beachtete mich nicht) "aber Jay hat sofort gesehen, dass man mit dieser Karte etwas machen kann! Und dann diese tolle Idee mit Squirrel Nest und Deserted Temple, und natürlich Coat of Arms!"

Ich wollte gerade beginnen aufzuzählen, in welchen Turnierdecks diese Kartenkombinationen bereits aufgetaucht waren, als mich ein Glitzern in seinen Augen warnte – es war jetzt wohl besser, ihn nicht zu unterbrechen.

"Und sein neuester Artikel – unglaublich, worauf der Mann alles kommt! Dieses Deck mit Flicker und Comes-Into-Play-Kreaturen – Wahnsinn! Oder dieses Iridescent Drake-Enchantress-Deck – darauf muss man erst einmal kommen! Und kein Turnierspieler hätte jemals mit Gamble gespielt," (ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder) "aber mit Recoup und Magnivore ist diese Karte richtig gut! Aber der Oberhammer ist ja wohl dieses Deck mit Titania's Boon und den Spikes – BROKEN!"

Jetzt war dann doch der Punkt erreicht, an dem ich mich wohler gefühlt hätte, wenn die Unterhaltung zu Ende gewesen wäre, aber der Fun-Spieler hatte sich gerade erst warmgeredet.

"Das erinnert mich an eine Partie, die ich letzte Woche gespielt habe... ich hatte ein Fungus-Deck mit den ganzen Fallen Empires-Thallids..." ("Wie originell", dachte ich, war aber klug genug, es nicht laut zu sagen) "wir hatten zu sechst gespielt und das Spiel dauerte beinahe acht Stunden... ich verhinderte jede Runde allen Schaden mit einer meiner Spore Flowers..." (hier verkniff ich mir eine Bemerkung zu dem Thema Fun-Spieler haben ein Leben) "...irgendwan war außer mir nur noch ein Spieler übrig, alle anderen waren den Decktod gegangen, aber wir beide spielten mit Hundert-Karten-Decks, und dann, als er seine letzte Karte gezogen hatte, spielte er VIER Fanatical Fever auf seinen Lhurgoyf und trampelte mich tot... DAS war ein Spiel!"

Hier schließlich konnte ich meinen Mund nicht mehr halten: "Ist doch egal, ob der Lhurgoyf trampelte – Du konntest den Schaden mit Deiner Spore Flower doch trotzdem verhindern!"

Er blickte verächtlich auf mich herab. "Wir spielen noch nach den alten Regeln, da kann Trampel-Schaden nicht verhindert werden!"

Ich bin nicht gerade dafür bekannt, dass ich in der Lage bin, meine Klappe zu halten, wenn es besser für mich wäre, doch an dieser Stelle rettete mich ein anderer Fun-Spieler mit der Bemerkung: "Wir brauchen noch jemand für ein Zwanzig-Leute-Emperor-Spiel!"

Mein Gegenüber fand gerade noch die Zeit, die Balance, die er gerade gekauft hatte, in sein Hundert-Karten-Emperor-Deck zu stecken (und zwar genau neben seinen Zuran Orb), dann war er verschwunden, und ich atmete auf.

Aber die Unterhaltung mit ihm ging mir trotzdem nicht aus dem Kopf – wollten manche Magic-Spieler wirklich die Fundecks anderer Leute lesen? Jay Moldenhauer-Salazars Kolumne "House of Cards." zumindest lässt das vermuten...

Also gut, dachte ich mir, versuche ich es doch einmal! Ich legte mich auf mein Bett, schloss die Augen und bemühte mich nach Kräften, alles was ich jemals über Turnierformate, Deckstrategien oder effiziente Karten gehört hatte, für eine Weile zu vergessen. Dann versuchte ich, mir ein geeignetes übergreifendes Thema auszudenken, sowie Ideen für einzelne Decks.

...und irgendwie gelang es mir nicht! Sobald ich versuchte, Turnierformate zu ignorieren, tauchten in meinen Decks immer wieder Black Lotusse auf. Dutzende! Selbst als ich mich (was ein echter Fun-Spieler bereits nicht tun würde) auf Typ-1-legale Decks beschränken wollte, bestanden diese irgendwie immer zum größten Teil aus Karten von der Restricted List... Und ein vernünftiges Thema wollte mir auch nicht einfallen... Zwerge? Karten, die von Rebecca Guay illustriert wurden (würg)? Alles, was mir einfiel, kam mir entweder völlig fantasielos vor (wie eben die Zwerge) oder viel zu umständlich (Rebecca Guay). Schließlich musste ich einsehen, dass ich einfach nicht die nötige Kreativität eines Fun-Spielers besaß – ich brauchte einfach feste Regeln, die mir vorgaben, wie weit ich gehen durfte!

Also beschloss ich, ein wenig zu schummeln: Ich machte mir selbst Regeln, die bestimmten, welche Karten in einem Deck enthalten sein durften. Außerdem verbot ich mir, die Decks, sobald sie einmal 60 Karten hatten (ja, ich war nicht einmal mehr in der Lage, Decks mit mehr als 60 Karten zu entwerfen!) jemals wieder zu verbessern; egal, was für Ideen ich noch hatte – denn so weit hatte ich es verstanden: Ein Deck, das wirklich GUT ist, ist kein Fun-Deck!

Und als ich dann endlich fertig war, musste ich schließlich einsehen, dass der Fun-Spieler recht hatte: Jay Moldenhauer-Salazar ist ein Genie, und er arbeitet hart für sein Geld!

Es ist sooo unglaublich schwer, absichtlich schlechte Decks zu bauen, nur damit sie dem nirgends genau definierten Kriterium "Fun-Deck" genügen! Nicht nur das, es ist mir auch bis zuletzt nicht gelungen zu begreifen, wann ein "Fun-Deck" wirklich originell ist – wenn ich ganz ehrlich sein soll, halte ich kein einziges von Jays Decks wirklich für originell, aber da liegt der Fehler sicherlich bei mir... Himmeldonnerwetter noch einmal, es ist mir nicht einmal gelungen, ein übergreifendes Thema zu finden, das mit so brillianten Konzepten wie "Extended Urza" oder "Squirrel" mithalten kann!

Ich fürchte also, ich bin an der Herausforderung gescheitert.

Nachdem ich nun aber tagelang um die Berfreiung meiner Kreativität gekämpft habe, werde ich Euch die Ergebnisse trotzdem präsentieren – ich habe diese Woche halt nix anderes...

Und Jay, o großer Moldenhauer-Salazar, nimm es Deinem unwürdigen Nachahmer nicht übel, dass er versucht hat, Dir nachzueifern – sieh es als Zeichen der Verehrung Deiner unvergleichlichen Kunstfertigkeit und unerschöpflichen Kreativität!

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Thema der Woche: Grün-weiße Decks (ja, ich weiß... schäm)
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Ich habe darauf geachtet, dass außer Plains, Forest und Savannah (also den Basic Lands im Funspieler-Sinne) keine Karte in Zweien meiner Decks vertreten ist, um zu demonstrieren, wei vielfältig Grün-Weiß doch ist.

Deck 1: Klein, aber oho (das Deck mit vielen kleinen Kreaturen)


4 Brushland
4 Undiscovered Paradise
4 Vec Townships
4 Savannah

4 Nature's Chosen
4 Flickering Ward
4 Briar Shield
4 Rancor

4 Tragic Poet
4 Infantry Veteran
4 Devoted Caretaker
4 Mother of Runes
4 Thornscape Apprentice
4 Sylvan Safekeeper
4 Basking Rootwalla

In diesem Deck durften nur 1-Mana-Sprüche sein, und nur Kreaturen und Kreaturenverzauberungen, und die Kreaturen durften darüber hinaus nicht mehr als Power 1 besitzen.

Die pumpbaren Rootwallas sind die besten Angreifer, aber mit Hilfe von Rancor, Briar Shield und Infantry Veteran kann jede Kreatur groß genug werden, um eine Gefahr zu werden.

Die Mothers, Safekeepers und Caretakers beschützen die eigenen Kreaturen, während die Wards und Apprentices helfen, sie durchzubekommen. Die Poets bringen wichtige Enchantments wieder. Nature's Chosen schließlich ermöglicht viele Tricks – auf eine weiße Kreatur gespielt, kann man damit bis zu zwei Mal eine Kreatur oder auch ein Land enttappen. Gerade das Enttappen von Utility Creatures ist natürlich besonders interessant.

Deck 2: Grenzüberschreitung (das Deck mit wenigen großen Kreaturen)


4 Forest
4 Plains
4 Savannah
4 Grasslands

4 Mystic Enforcer
4 Krosan Beast

4 Urza's Bauble
4 Harrow
4 Eladamri's Call
4 Abeyance
4 Insist
4 Rampant Growth
4 Sungrass Egg
4 Tithe
4 Lay of the Land

In dieses Deck durften nur Threshold-Kreaturen und Karten, die Threshold näherbringen und jederzeit gespielt werden können.

Das Deck funktioniert ganz einfach: Man spielt eine Menge Cantrips und Landsucher und legt dann ziemlich schnell ein paar sehr große Kreaturen. Es sind zwar nur acht Kreaturen im Deck, aber die Calls und die vielen Sprüche, die das Deck ausdünnen, sorgen dafür, dass man sie häufig genug zieht. Mit Abeyance kann man den Gegner bremsen, und mit Insist verhindern, dass einem die großen Kreaturen gecountert werden.

Deck 3: Landung (das Deck ohne Kreaturen)


4 Kjeldoran Outpost
4 Savannah
4 Nantuko Monastery
4 Treetop Village
4 Krosan Verge
6 Plains
4 Forest

4 Preferred Selection
2 Hallowed Ground
4 Desert Twister
4 Rout
4 Creeping Mold
4 Wrath of God
4 Crop Rotation
4 Mulch

In dieses Deck durften nur Länder, Karten die dem Gegner etwas zerstören und Karten, die mit Ländern interagieren. (Gut, die Preferred Selections sind da etwas geschummelt.)

Dieses Deck baut schnell seine Mana-Basis auf, kontrolliert mit Wrath, Rout, Mold & Twister den Tisch und besiegt den Gegner mit seinen animierten Ländern und Outpost-Tokens.


So, das war es dann. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir diesen gescheiterten Ausflug in die höheren Sphären der Fundeck-Artikel – und ich will es auch wirklich niemals, niemals wieder tun!




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