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Pros und Kontra
von Tobias "TobiH" Henke
03.02.2008

2008 ist noch jung, es hat sich aber bereits einiges getan. Die Pro-Tour-Termine wurden bekanntgegeben, es wird in diesem Jahr erstmalig Pro-Punkte bei den nationalen Meisterschaften geben, es gibt ein paar mehr Grand Prixes und diese werden auch etwas besser bezahlt...

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    Die Pro-Tour-Termine wurden bekanntgegeben...

Kuala Lumpur im Februar, Hollywood im Mai, Berlin im Oktober und die Weltmeisterschaft im Dezember in Memphis. Eins, zwei, drei, vier. Für die meisten von uns bedeutet das vermutlich, dass sie in diesem Jahr eine Pro Tour mehr zu sehen bekommen als 2007, und das ist auch gut so. Nach fünf Jahren kehrt die Pro Tour das erste Mal nach Deutschland zurück und ich habe keine Zweifel, dass das ein tolles Event werden wird!

Zumal ich es für denkbar halte, dass es hierzulande für Berlin vielleicht eine etwas höhere PTQ-Anzahl geben könnte, und außerdem davon ausgehe, dass vier oder fünf der diesjährigen europäischen Grand Prixes für dieses Turnier qualifizieren. (Obwohl in Berlin Extended gespielt werden wird, erwarte ich übrigens, dass man sich auch über den einen oder anderen Limited-Grand-Prix dafür qualifiziert.) Und selbstverständlich muss man nicht qualifiziert sein – Sideevents, Gelegenheit zu tauschen und Leute zu treffen, mehr Sideevents, die Zuschauertribüne der Feature Match Area und noch mehr Sideevents... Berlin wird eine Party, eine riesengroße noch dazu!

Auch die Änderung, dass es dieses Jahr erstmals auf der Deutschen Meisterschaft Pro-Punkte zu holen gibt, darf man nicht zu wenig würdigen! Dass die besten Spieler eines Landes ihrer nationalen Meisterschaft fernbleiben, ist ein absolutes Unding! – und damit hoffentlich endgültig ein Ding der Vergangenheit.

Soweit das Positive. (Ich hab nicht aufgepasst. Sollte man das Positive immer an den Anfang oder ans Ende stellen? Wie auch immer...) Hier das Negative: Für eine kleine Minderheit an Spielern bedeutet der neue Spielplan nämlich, dass sie 2008 eine Pro Tour weniger zu sehen bekommen als noch 2007. Gemeint ist hier die internationale Pro-Elite: Nakamura, Ruel, Saito, Levy, Wafo-Tapa, Scott-Vargas, Tsumura, Cheon, Karsten, Herberholz, Nassif, noch einmal Ruel, Kurihara, da Rosa, Ootsuka... und wie sie alle heißen. Aber eben auch Müller, Herold, Thaler und Summersberger. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es eine weniger gibt.

Nein, das muss euch nicht kümmern. Sollte es aber vielleicht.

Einige der Genannten haben Befürchtungen geäußert, dass sie durch den Wegfall einer Pro Tour nicht länger mit Magic-Spielen ihren Lebensunterhalt finanzieren könnten.

Moment mal, Magic-Spielen und dabei so viel Geld gewinnen, dass es zum Leben reicht? Welch ein cooles Konzept! Aber irgendwie ja auch unerhört. Die meisten von uns können davon nur träumen und – zumindest ein Stück weit neidisch – zusehen wie der Magic-Jetset rund um die Welt fliegt und an – mitunter exotischen – Locations seinem Hobby frönt. Der Regelfall eines Daseins als Magic-Spieler jedoch sieht so aus, dass man Geld in Magic hineinsteckt und Spaß dabei herauskommt. Wieso sollte das bei der "Elite" also anders sein?

Nun, im Folgenden will ich einmal skizzieren, wieso ich denke, dass es für jeden Magic-Spieler (vom Casual-Magier bis zum ambitionierten PTQ-Teilnehmer) von Vorteil ist, dass Wizards of the Coast den ganzen Pro-Zirkus, der pro Jahr mehrere Millionen verschlingt, mit sich herumschleppt.

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Wow-Effekt
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Ich weiß nicht, wie's euch ging, aber als ich das erste Mal von der "X Millionen Dollar Pro Tour" gelesen habe, da war mein Mund ein großes O.

Klar, einen Anfänger oder Außenstehenden kann man mit jeder hohen Summe beeindrucken, ganz gleich, ob sich sich damit nun tatsächlich professionelles Magic-Spielen finanzieren lässt oder nicht, aber im Optimalfall folgt dem ersten Aufhorchen eben ein Interesse, das sich recht bald den genauen Details zuwendet.

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Der amerikanische Traum
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Vom Tellerwäscher zum Millionär lässt sich natürlich recht simpel umformulieren: Vom PTQ-Spieler zum Magic-Profi. Obwohl die Chancen schlecht stehen, obwohl die Weltspitze dieses Denksports hart umkämpft ist, obwohl eine unglaubliche Menge an Einsatz und Engagement erforderlich ist – für irgendjemanden wird dieser Traum auf jeden Fall zur Realität! Und es besteht immerhin die Chance, egal wie verschwindend gering nun wirklich, dass man selbst derjenige ist, der den Jackpot knackt.

Klar, auch der Traum, lediglich einmalig eine hohe Gewinnsumme abzuräumen, bietet schon einen gewissen Reiz, aber es ist in jedem Fall ein anderer. Wenn es Magic-Profis nicht gibt, kann man nun mal nicht davon träumen, selbst ein Pro zu werden, sondern bestenfalls davon, einmal der glückliche Gewinner zu sein.

Aber es geht noch weiter: "Glücklich" ist genau das entscheidende Stichwort – Menschen wie Raphael Levy, die mitunter über zehn Jahre hinweg dem professionellen Spiel treu bleiben (der Mann hat nicht nur im Wochenabstand zwei Grand Prixes gewonnen, sondern auch im Abstand von neun Jahren!), beweisen, dass der Traum realisierbar ist; dass eben nicht Glück der entscheidende Faktor ist! Man muss nur genug investieren – Zeit und Geld und Mühe in Karten, in Turnierteilnahmen, in Informationsaustausch, in die Verbesserung der eigenen Decks und des eigenen Spiels – dann kann man es wirklich schaffen!

Und "es" muss lange nicht bedeuten, mit Magic seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Es geht um die grundsätzliche Frage, inwieweit man selbst Einfluss auf seinen Erfolg bei Magic nehmen kann. Ob es nun darum geht, Level-6-Magier zu werden, sich bei einem PTQ gegen die Konkurrenz durchzusetzen, das örtliche FNM zu dominieren oder am heimischen Küchentisch seinen Freundeskreis zu besiegen, die Pros schaffen ein grundlegendes Vertrauen, dass bei Magic das eigene Schicksal in den eigenen Händen liegt.

Natürlich wird es ganz oben immer irgendjemanden geben. Im schlimmsten Fall können Kürzungen aber dazu führen, dass jemand, der einmal oben angelangt ist, die Aussichtslosigkeit erkennt, dieses Level an persönlichem Einsatz dauerhaft aufrechtzuerhalten. Wenn die realistisch zu erzielenden Preisgelder ein bestimmtes Niveau unterschreiten, werden wir es erleben, dass immer neue Personen der Gruppe der Spitzenspieler beitreten, um aber ebenso schnell wieder zu verschwinden.

Fluktuation in diesem Bereich ist nötig und zwangsläufig. Pros kommen und gehen sowieso ständig. Wenn es immer dieselben wären, die bei der Pro Tour in der Top 8 landen, wie wäre es vorstellbar, selbst einmal dort zu landen? Wenn es aber immer wieder andere Leute sind, die das Siegertreppchen erreichen, dann ist es sogar noch weniger vorstellbar, es selbst dorthin zu schaffen. Dann verkommt Magic zu einem Glücksspiel, bei dem ausschließlich der Zufall über Gewinner und Verlierer entscheidet.

Eingewendet werden kann, dass den Spieler, der nicht selbst am Organized-Play-Programm teilnimmt, diese Entwicklung überhaupt nicht berührte. Aber stimmt das?

Mundpropaganda funktioniert nun einmal anders, im Guten wie im Schlechten. Die Pros sprechen mit den PTQ-Spielern, diese tragen die Botschaft weiter zum FNM, entweder direkt oder über Umwege landet sie bei einem Prerelease und spätestens von da aus erreicht sie auch Gruppen von Spielern, deren Mitglieder nur vereinzelt bei Turnieren aufkreuzen oder sich im Internet informieren. Selbstverständlich wäre es illusorisch anzunehmen, dass sich schlechte Nachrichten auf diese Art gezielt verbreiten, aber das Ausbleiben von positiven ist ebenso bedenklich.

Und was ist mit den Pro Player Cards, die sich heutzutage in jeder Turnierpackung befinden? Ein Kai Budde übertrumpft nun einmal gleich mehrere Sebastian Thalers, nicht nur in Talern, sondern auch im Werbeeffekt.

Und ich weiß genau, dass viel, viel, viel mehr Leute z..B. PlanetMTG besuchen als überhaupt jemals einen PTQ. Es gibt ihn sehr wohl, den Spielertypen, der zwar nur am heimischen Küchentisch zockt, das Geschehen in der Welt aber trotzdem verfolgt.

Ich kenne es aus eigener Erfahrung: Nachdem ich angefangen hatte, habe ich fast anderthalb Jahre lang ausschließlich mit drei Freunden Magic gespielt und in den nächsten anderthalb Jahren kamen lediglich zwei Prereleases und ein weiterer Freund dazu. Zu der Zeit habe ich mir meine Booster noch im örtlichen Kaufhaus geholt, einzeln... zum empfohlenen Ladenpreis! Aber selbst damals ging nicht ganz an uns vorbei, was draußen in der Welt geschah. Einer von uns hatte das Kartefakt abonniert, ein anderer war stolzer Inhaber einer "Legend"-Mitgliedschaftskarte der DCI (selbstverständlich ohne jemals an DCI-Turnieren teilzunehmen; beworben wurde auch diese damals in den Regelheftchen der Starter-Packungen), mit der ein Abonnement des Duelists einherging und vielleicht auch noch irgendeiner anderen Publikation... Und ein Dritter, der hatte zuhause so eine neumodische Erfindung namens Internet. Außerdem besaßen wir etliche der speziell aufgelegten Weltmeisterschaftsdecks und hin und wieder gab es eine Ausgabe der Inquest.

Und natürlich waren wir damals vom professionellen Magic-Spielen so weit entfernt wie nur irgendmöglich. Aber lasst es mich mal so ausdrücken: Mein heutiges Ich würde meinem damaligen Ich gern folgende Frage stellen: "Seid ihr Casual- oder Competitive-Spieler?" Daraufhin würde mein damaliges Ich zunächst einmal nur völlig verständnislos gucken... und schließlich antworten: "Wir sind Magic-Spieler!"
"Seid ihr Casual- oder
Competitive-Spieler?"
— "Wir sind
Magic-Spieler!"

Ich denke, dieses Selbstverständnis findet man bei den meisten Spielern, die nicht wirklich Teil "der Szene" sind. Die Unterscheidung an sich würde bereits als absurd angesehen bzw. dieses Schubladen-Denken ist schlicht unbekannt!

Und doch: Trotz unseres Abstands zum Profi-Magic bedeutete uns der Traum etwas, ging uns nahe, motivierte uns. Allerdings müsste man ihn umformulieren. Für uns lautete er: "Wenn ich mal groß bin, dann..."

Und ich weiß nicht, wie viele versprengte Gruppen es heute gibt, für die ähnliches gilt. Alternativ auch "Wenn ich mal Zeit habe, dann..." oder "Wenn ich nur wollte, dann könnte ich auch..."

Das, was ich anfangs als "amerikanischen Traum" bezeichnet habe, geht jedenfalls weit über den vergleichsweise kleinen Kreis der PTQ-Spieler hinaus. Selbst im Konjunktiv einer möglichen Zukunft oder einer unmöglichen Alternativ-Realität, behält er seine Bedeutung. Es ist nun mal ein Traum – der muss nicht zum Greifen nahe sein, er muss nur irgendwo da draußen sein!

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Tech and the secondary market
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Dieser Argumentationsstrang geht folgendermaßen:

    Professionelle Magic-Spieler stecken mehr Zeit und Arbeit in die Entwicklung ihrer Decks und dementsprechend kommt auch mehr dabei heraus. Wenn die Pro-Szene verschwindet, schwinden mit ihr die Erkenntnisse darüber, welche Karten in welcher Zusammenstellung stark sind; nicht völlig, aber der Wissensstand insgesamt sinkt. Dadurch sinkt auch der Preis für Einzelkarten.

Okay, die letzte Schlussfolgerung bedarf weiterer Ausführungen:

Zum einen sinkt der Wettbewerbscharakter, potenzielle Käufer geben sich eher mit dem zufrieden, was sie bereits an Karten besitzen. Auch gehen die Anregungen zurück. Viel wichtiger aber noch ist das Vertrauen, was erodiert wird. Würde ich mir Spinerock Knolls zulegen, wenn irgendein x-beliebiger, dahergelaufener Random sich mit der neuesten Inkarnation des Dragonstorm-Decks in die Top 8 der Weltmeisterschaft gespielt hätte? Fraglich. Wenn jedoch berühmte Namen wie Nassif, Chapin und mehr quasi für die Qualität des Decks bürgen, dann ja.

Ebenfalls ein valider Punkt: Man kann mit den Karten, für die man ja eigentlich Geld bezahlt, ein sattes Plus machen. – Welch ein besseres Argument kann man sich denn wünschen? Wie könnte man besser Vertrauen in den Wert eines Stücks bedruckter Pappe schaffen?

    Kurzer Einschub. Das Zustandekommen von Preisen ist immer noch ein Stück weit ein Mysterium, dabei ist es eigentlich ganz einfach. Die Nachfrage bestimmt den Preis. Wenn die Leute bereit sind, 25 Euro (aufwärts) für einen Tarmogoyf zu bezahlen, dann ist eben genau das sein Wert. Und solche Märkte (im Großen wie im Kleinen) funktionieren immer nur über das Vertrauen der Käufer. Einen Tarmogoyf kann man nicht essen, er bietet weder Unterkunft noch stellt er Kleidung dar. Man kann ihn eigentlich gar nicht konsumieren. Er ist für den Menschen an sich völlig ohne Funktion und damit wertlos! (Nun, einen bestimmten Wert als Bau- oder Brennmaterial und selbst einen gewissen Nährwert hat der Zellstoff wohl...)

    Der Wert eines Tarmogoyfs ist eigentlich bloße Illusion und funktioniert nur deshalb, weil genug Leute glauben, dass ein Tarmogoyf nun mal 25 Euro wert ist. Eine kollektive Halluzination sozusagen. Das ist der Grund, warum hier immer wieder von Vertrauen die Rede ist.

Ja, ich weiß, wie extrem schwierig es ist, ein Deck mit Garruk Wildspeaker, Damnation, Thoughtseize und Tarmogoyf zusammenzubekommen. Nichtsdestotrotz muss klar sein, dass hohe Einzelkartenpreise unserem Lieblingsspiel helfen, nicht schaden! Chase-Rares kurbeln direkt und indirekt den gesamten Magic-Umsatz an – durch mehr Boosterverkäufe, aber auch dadurch, dass spezialisierte Einzelkartenhändler ihrerseits mehr Booster aufreißen. Und das ist selbstverständlich eine gute Sache!

Um wieder dem Einwand zu begegnen, dass Tech und Einzelkartenpreise und derartiges gar nicht bis zu den – ich präge jetzt einfach mal einen Begriff, okay? – "szenefremden" Teilen der Spielerschaft vordringe... Das will ich vehement anzweifeln! Ich kann wiederum nur aus eigener Erfahrung berichten, aber damals gehörten die Preislisten des Kartefakts und der Inquest mit zu dem, was wir am aufmerksamsten gelesen haben... und natürlich die Decks der Profis!

Klar, wir waren so ahnungslos als lebten wir hinterm Mond. (Was wir gewissermaßen ja auch taten.) Warum Cursed Scroll so toll sein sollte, verstanden wir nicht (haben es irgendwann aber gemerkt) und selbstverständlich haben wir – mit Ausnahme der Weltmeisterschaftsdecks – ein Deck nie so nachgebaut oder gespielt wie es gedacht war. Offensichtlich wussten wir es besser und haben nach Herzenslust "verschlimmbessert". Ich erinnere mich beispielsweise noch vage an mein ProsBloom, welches nicht einmal alle Kombobestandteile viermal spielte, wohl aber absichtlich auf die ziemlich zentrale Engine aus Squandered Resources und Natural Balance zu Gunsten von Dark Ritual und Weißichnimmer verzichtete... Aber die Anregungen, die kamen in jedem Fall – in Ermangelung einer besseren Bezeichnung – von oben.

Zugegebenermaßen bricht dieses System kaum zusammen, nur weil es jetzt weniger Geld zu gewinnen gibt. Es geht mir gar nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen. Die Wechselwirkung zwischen professionellem Spiel und Einzelkartennachfrage ist mitnichten direkt und die "Übertragungsrate" beträgt ganz sicher keine 100%.

Ein Zusammenhang, der besteht jedoch unzweifelhaft! und das System ist hinreichend kompliziert, dass wirklich niemand genau vorherzusagen vermag, wie sich Veränderungen beim einen auf das andere auswirken.



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Einschub: Coverage
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Nebenbei bemerkt: Ein Mangel an echten Pros würde sich massiv negativ auf die Berichterstattung von Turnieren auswirken.

Hier meine persönliche Einschätzung, wie sich eine aus Coverage-Sicht gute Top 8 zusammensetzt: Mindestens eine Viertel Pros, mindestens ein Viertel Joes, Rest beliebig. ("Joe" ist hierbei eben die im englischen recht beliebte Bezeichnung für Nicht-Pros.)


Und die so genannten "Joes" erfüllen durchaus einen wichtigen Zweck. Während die Pros beweisen, dass Magic nicht random, nicht beliebig und zufällig ist, zeigen sie, dass es theoretisch jeder schaffen kann, oben mitzuspielen – mit harter Arbeit, viel Vorbereitung und nicht zuletzt auch mit einer guten Portion Glück.

Beides ergibt gute, interessante, lesenswerte Geschichten. Wobei die Profis jedoch zusammenhängende Storylines ermöglichen, die sich über mehrere Turniere erstrecken... Das "Player of the Year Race", die Frage nach Level X oder Level Y – das gibt dem ganzen ein Spannungselement, welches ohne Pros verlorenginge. Ganz zu schweigen davon, dass es immer von Vorteil ist, wenn man die Akteure einer Geschichte bereits kennt.

Und während es die Joes immer geben wird, müssen aber für Profis bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Pro, professionell – das kommt von Profession, Arbeit. Noch gibt es sie, die Menschen, die vielleicht hin und wieder eine zusätzliche Einnahmequelle auftun, den Großteil ihres Lebensunterhalts aber durch die Gewinne auf Magic-Turnieren bestreiten. Wenn bei GPs oder PTs Spielerprofile erstellt werden, dann liest man dort oft unter Beruf "Magic-Spieler". Und das ist nicht nur für die Menschen selbst toll, sondern für Magic ganz allgemein.

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Ein Spiel wird
gesellschaftsfähig...

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Wer wurde nicht schon einmal mit den diversen Vorurteilen bezüglich des Drehens kleiner, bunter Pappkarten konfrontiert – in der Schule, in der Familie, im nicht Magic-spielenden Freundeskreis oder wo auch immer.

Klar, meistens kommen diese Äußerungen von Personen, denen gegenüber man sich nicht rechtfertigen müsste. Und eigentlich sollte es als Argument immer ausreichen, dass Magic nun mal Spaß macht...

Trotzdem, Mainstream ist Magic noch lange nicht, nicht cool, und die Anhänger unseres Spiels stehen oftmals Unverständnis und einem gewissen sozialen Druck ihrer jeweiligen "peer group" gegenüber. Gruppenzwang.

Sich darauf berufen zu können, dass Magic nicht bloß irgendein kindisches Spiel ist, sondern ein echter Denksport, bei dem es um derart hohe Summen geht, dass die Besten davon leben können, ist immens wichtig. Und zwar absolut unabhängig davon, ob man es selbst auf diesem Niveau betreibt oder "nur" als Hobby!

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Eine Frage der Mentalität
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Teardrops dieswöchiger Artikel "Prerelease auf amerikanisch" setzt mich ein wenig unter Druck. Darin beschrieb er u..a. wie unwichtig die Pro Tour doch für die Spieler sei, denen er beim Prerelease begegnet ist.

Nun, ein bisschen will ich selbst das anzweifeln. Selbst wenn bzw. nur weil niemand von denen eine Karriere als Profi-Spieler konkret ins Auge gefasst hat, heißt das noch lange nicht, dass das Bewusstsein, dass so etwas möglich wäre, unwichtig ist. Teardrop schreibt: "Der Amerikaner ist gerne ein großer Fisch in einem kleinen Teich." Aber das allein zeugt bereits davon, dass man sich durchaus bewusst ist, dass es kleine und große Fische und eben noch größere Fische und vor allem auch noch größere Teiche gibt. Man könnte argumentieren, dass es gerade für denjenigen, der die Entscheidung trifft, nur im heimischen Gartenteich zu spielen, wichtig ist, dass irgendwo da oben noch mehr ist...

Aber selbst dann muss man noch berücksichtigen, dass die amerikanische Mentalität nicht so einfach mit der europäischen zu vergleichen ist. (Übrigens auch nicht mit der japanischen.)

Am besten veranschaulicht wird das wohl am Beispiel jenes amerikanischen Taxifahrers, der uns vom Flughafen zu unserer Unterkunft chauffierte – ich glaube, es war PT Columbus – und sich natürlich auf seine offenherzige Art dafür interessierte, zu welchem Zweck wir denn in der Stadt wären. Big tournament. Aha. Und dann die Frage, wer denn von uns der Beste sei...

Hinterher meinte er jedenfalls, wenn er diese Frage an drei Amerikaner gerichtet hätte, hätte jeder von ihnen voll überzeugt mit "Ich" geantwortet. Daran könne man eben sehen, dass wir Europäer wären...

Und zwischen allen Klischees und Stereotypen steckt da ein Körnchen Wahrheit: Der Europäer neigt zur vornehmen Tiefstapelei und ist – zumindest im Vergleich zum durchschnittlichen Amerikaner – viel mehr von Selbstzweifeln geplagt. Unter Magic-Spielern zeigt sich das immer wieder dadurch, dass sie eben genau nicht der große Fisch im kleinen Teich sein wollen.

Wer hier bei uns damit angeben will, ein Prerelease gewonnen zu haben, der beißt schnell auf Granit. Selbst wenn jemand einen National Qualifier gewonnen hat, kommen bald abschätzige Kommentare, dass das ja keine große Leistung wäre. Und bei einem PTQ zwar weniger, aber trotzalledem... Wer sich z..B. stolz darüber äußerst, dass er im vergangenen Jahr zwei Grand Prix Trials gewonnen und sich per National Qualifier einen Slot bei der Deutschen Meisterschaft gesichert hat, der wird dafür quasi in der Luft zerrissen.

Das konditioniert natürlich... Es wird immer das Haar in der Suppe gesucht, nicht nur in der öffentlichen Kritik, sondern oftmals auch introspektiv, also von jedem selbst bei sich. Großer Fisch? Von wegen. Auf die Erkenntnis, dass man ja doch nur ein kleiner Fisch ist, wird man schon schnell genug gestoßen.

Das steht im Einklang mit der Geographie. Ich möchte einmal die wenig gewagte These aufstellen, dass wenn man alle Amerikaner, die in einem Umkreis von 100km ihres Heimatortes die besten Magic-Spieler sind, gegen alle Europäer und Japaner, auf die dasselbe zutrifft, antreten ließe, dass die Amerikaner dann hoffnungslos unterlegen wären.

Hier bei uns ist man nicht etwa besser vernetzt als drüben, es ergibt sich schlicht aus der Entfernung/Bevölkerungsdichte.

Das schafft eine deutlich kompetitivere Spielumgebung als in den USA. Und das mag nicht unbedingt immer gut sein und treibt sicher die ein oder andere unschöne Blüte, lässt sich aber nicht ändern. Sich bei uns amerikanische Verhältnisse zu wünschen, geht schlichtweg an der Realität vorbei, macht sogar einen großen Bogen!


...


So. Nach gefühlten... ach, nein, nach tatsächlichen 3.000 Worten komme ich nun endlich zum Punkt: Die Streichung einer Pro Tour (inklusive der zugehörigen PTQs), die Kürzung diverser Extras für die Pros und das kontinuierliche Schrumpfen der PT-Preisgelder, außerdem besonders in Amerika die Nicht-Fortsetzung der JSS/MSS hat einigen Unmut bzw. Besorgnis hervorgerufen.

Und das geht weit über die vergleichsweise kleine Gruppe der Pros hinaus, die am direktesten betroffen sind. Es geht vielmehr darum, dass viele – ebenso wie ich – der Meinung sind, dass hier eine Entwicklung stattfindet, die für Magic an sich schädlich ist.

Aus diesem Grund hat Raphael Levy letzte Woche MTGPlayersUnion.com.ins Leben gerufen, eine Seite, die gegenüber Wizards of the Coast die Positionen der Spielerschaft vertreten soll.

Na gut, so stimmt das nicht ganz. Das vordringlichste Ziel der Union besteht zunächst einmal darin, die hundsmiserable Kommunikation zwischen Wizards und den betroffenen Spielern zu verbessern, die von den letzten Änderungen eiskalt erwischt wurden. In diesem Bereich wurden bereits erste Erfolge erzielt. So werden in knapp zwei Wochen in Kuala Lumpur Vertreter der Union mit höchsten Wizards-Kreisen sprechen und des Weiteren wird es dann sogar eine öffentliche Frage-und-Antwort-Stunde für alle geben.

Darüber, inwieweit die Union tatsächlich etwas bewirken kann, bestehen selbstverständlich Zweifel. Wizards of the Coast ist nicht nur selbst ein riesengroßer Konzern, sondern zudem noch eine Tochtergesellschaft von Hasbro, einem noch viel größeren Unternehmen. Wo da auch immer die Order hergekommen ist, Einsparungen in diesem Bereich vorzunehmen – die Union wird weder im Detail herausbekommen wieso noch wird sie erreichen können, dass die Kürzung einfach zurückgenommen wird. Und keinesfalls kann es – ebenfalls ein häufiges Missverständnis – bei diesem Projekt um Konfrontation mit Wizards of the Coast gehen.

Es geht vielmehr darum, die Spielerschaft auf globaler Ebene zu organisieren, gemeinsame Standpunkte zu finden und dann gemeinsam mit Wizards of the Coast an einem Tisch zu sitzen, die eigenen Positionen darzulegen und vielleicht zusammen einen Weg zu finden, der beide "Seiten" glücklich macht.

Denn im Endeffekt gilt ja, dass es in Wizards ureigenstem Interesse liegt, die Spieler glücklich zu machen – glückliche Spieler sind zufriedene Kunden!

Und dass hier durchaus etwas Klärungsbedarf besteht, ist offensichtlich. Es wurde zwar des Öfteren angemerkt, dass Wizards ja bereits intern alles versuchen würde, um – mit den gegebenen Mitteln – die Spielerschaft zufriedenzustellen, aber trotz all der Marktforschung und all den Analysen, die sie wohl anstellen, ist kaum anzunehmen, dass ein direkter Draht die Kommunikation nicht noch verbessern kann! Es geht darum, Wizards zu helfen, die Spieler besser zu verstehen. Wer könnte das besser als die Spieler selbst?

Auch glaube ich, dass man die zur Verfügung stehenden Mittel besser einsetzen könnte. Klar, bei Wizards arbeiten Leute, die solche Entscheidungen hauptberuflich treffen. Aber man unterschätze nicht das Know-How auf Spielerseite. Es gibt da einen alten Scherz: Wenn alle Magic-Spieler ihre intellektuelle Kapazität nicht in dieses Spiel, sondern in die Erlangung der Weltherrschaft stecken würden, dann sollte sich die Welt besser in Acht nehmen...

Was will ich jetzt von euch...? Ganz einfach, ich war einer der ersten, die sich in besagtem Forum angemeldet haben. Da war es noch ein verdammt exklusiver Club. In ein und derselben Mitgliederliste mit allem, was Rang und Namen in der Magic-Szene hat, zu stehen, das hatte schon was...

Trotzdem würde ich mir wünschen, dass dieser Club so schnell wie möglich all seine Exklusivität einbüßt.

Richtig, die PT-Kürzungen waren jetzt der konkrete Anlass, der Auslöser. Und sie sind gegenwärtig das meistdiskutierte Thema im Union-Forum. Aber weder sollte sich die Union auf dieses Thema beschränken noch will sie eine absolute Minderheit repräsentieren.

Wenn ihr auch nur ein wenig dem zustimmt, was ich weiter oben geschrieben habe, ich euch vielleicht sogar neu davon überzeugen konnte, dann klickt diesen Link.und registriert euch im Union-Forum! Ob ihr euch an der Diskussion beteiligt – was natürlich wünschenswert wäre – oder nicht, ist mir in diesem Fall sogar herzlich egal. Allein die Anzahl der dort registrierten User zu steigern, ist für die Sache.bereits sehr wertvoll.

Und falls ihr völlig gegenteiliger Meinung seid, denkt, dass der Pro-Zirkus ein Kropf, ein überflüssiges Krebsgeschwür ist, welches man besser heute als morgen entfernt, dann gilt dieser Aufruf für euch erst recht! Meldet euch dort an und lasst eure Argumente hören!

In jedem Fall halte ich die Gelegenheit für günstig, tatsächlich etwas zu bewegen. Wenn ihr Magic so schätzt wie ich, dann bewegt jetzt als erstes euch selbst!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,

TobiH




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