miraclegames.de
featured Community
Die Kunst des Handelns - was einen Tausch ausmacht
von Heiko "Onisama" Schmidt
17.06.2004

Viele Magic-Spieler antworten auf die Frage, was ihnen denn an diesem Spiel am meisten gefalle, mit einer Erwähnung des sozialen Aspektes und den großartigen Möglichkeiten, in angenehmen Umgebungen Kontakte zu knüpfen. Zu diesen wichtigen Aspekten zählt zum Beispiel auch die Tatsache, dass viele benötigte Karten ertauscht werden müssen, da man so unwichtigen Ballast verliert und gleichzeitig Geld spart, weil man sich nicht Unmengen von (meist noch mehr dieses Ballastes produzierenden) Boostern kaufen muss, sondern deutlich effektiver an die Karten kommt. Das Tauschen birgt allerdings auch einige Probleme. Jeder Spieler hat gewisse Vorstellungen von den Werten seiner Karten und während der eine womöglich nur englische Karten in "mint" Zustand nimmt, lässt sich der andere alles andrehen, was gerade noch so in Hüllen turnierfähig ist - oder noch schlimmer aussieht, was ihm dann egal sein kann, wenn er nur freizeitlich aktiv ist und seine Gruppe weiß, dass er nicht vorhat, mir Markierungen zu cheaten. Um diese Subjektivität so weit wie möglich zu vermindern, nutzen viele Spieler bekannte Listen, um einigermaßen feste Preise herauszufinden. Doch aufgrund der riesigen Menge an Quellen, welche oft auch starke Unterschiede in ihren Preisen aufweisen, und auch teilweise sehr verschiedenen Interessen und Ansichten, ist es kaum noch möglich, eine wirklich sichere und für alle zufriedenstellende Basis für einen Tausch oder Handel zu finden. Dieses Problem möchte ich nun einmal etwas genauer betrachten und versuchen, einige Hilfestellungen zu geben um zukünftige Geschäfte nicht zur Qual verkommen zu lassen.


I. Der Zustand der Karten sollte klar sein
Das Wichtigste für einen zufriedenstellenden Tausch ist logischerweise, dass jeder bekommt, was er will. Und wie bereits erwähnt hat jeder eine andere Vorstellung davon, wie welcher Zustand einer Karte zu bewerten ist. Handelt man mit tatsächlichen Karten auf einem Turnier, in einem Expert Store oder ähnlichen Orten, sollte es kein Problem sein, die Karten selbst zu begutachten und bewerten zu können (ein Tauschpartner der nicht einmal das zulässt sollte einem schon reichlich suspekt vorkommen). Mittlerweile nutzen aber viele Leute Plattformen im Internet, um über Karten zu verhandeln. Hier ist es enorm wichtig, dass man gewisse Spielregeln einhält. Die meisten von euch werden bestimmt schon einmal von den allgemein gerne genutzten Standard-Klassifizierungen gehört haben: "mint", "near mint", "excellent", "good", "played", "poor" und was es nicht noch alles gibt. Diese stellen sicher eine recht gute Basis dar, sind aber leider auch viel zu subjektiv. Vor allem Leute, die sich damit nicht so gut auskennen, machen da gerne mal Fehler, die dann bald zu unschönen Überraschungen führen. Auch ich habe das schon erlebt, wobei ich auch schon Karten selbst falsch eingeschätzt habe - mein Handelspartner war eben nochmal viel strenger dabei. Um solche Situationen zu vermeiden nutze ich nun seit längerem immer den gleichen Leitfaden zum Einschätzen von Karten. Davon gibt es im Internet einige, alle von verschiedener Strenge und vielleicht sogar mit unterschiedlichen Begriffen. Der große Vorteil daran ist aber auf jeden Fall, dass man sich und seinem Gegenüber ein gutes Bild davon machen kann, wie die Ware nun eigentlich aussieht. Selbst wenn man mit einem genutzten Link nicht übereinstimmt, weil man diesen als zu streng oder eben nicht streng genug empfindet, sollte man
so etwas nutzen; im Endeffekt ist es egal, ob man eine Karte nun als near mint oder excellent beschreibt, solange klar ist, wie sie eigentlich aussieht - selbst wenn ich womöglich einen anderen Begriff dafür genommen hätte. Als Tipp empfehle ich euch diesen Link, hier sind die wichtigsten Stufen recht gut beschrieben und mit Bilder verdeutlicht: http://www.minet.uni-jena.de/~alf/cards_quality.html.

Aber Achtung: Wenn man sehr wertvolle Karten übers Internet erwerben möchte, sollte man immer sehr vorsichtig sein. Wenn der Käufer nicht gerade ein zertifiziertes PSA-Grading angeben kann (was in Europa nur sehr selten vorkommt), verlangt ihr euch am besten aktuelle Scans von beiden Seiten der Karte. Gerade bei P9 oder sonstigen wertvollen und alten Karten ist es sehr wichtig, den genauen Zustand zu kennen und auch belegen zu können. Zum einen aufgrund des Wiederverkaufswertes, zum anderen aufgrund der guten alten Post, deren Boten immer wieder gerne Briefe zerknüllen oder im Regen liegen lassen. Ein Scan kann dann sowohl dem Käufer als auch Verkäufer sehr helfen, wenn es bei entstandenem Schaden um den Erhalt der Versicherung von der Post geht.
Im Übrigen sollte jeder darauf achten, nicht zu pingelig mit seinen Beschreibungen und Beanstandungen zu sein. In letzer Zeit, ist, vor allem auf den größeren Märkten wie Ebay, ein Trend zu den sehr feinen Abstufungen erkennbar. Da wird dann von "gem mint", "near mint-", "excellent+", usw. gesprochen, was das aber eigentlich heißt, weiß wohl keiner. Im Zweifelsfall also lieber nochmal nachfragen. Gleiches gilt auch für die Beschreibung "boosterfrisch". Denkt daran, dass auch eine Karte, die man eben aus dem Booster gezogen hat schon ziemliche Macken aufweisen kann, immerhin handelt es sich bei der Verpackung um einen maschinellen Prozess.


II. Streitpunkt: Preise
Wenn man dann einmal im Klaren darüber ist, was man zu erwarten hat und wie die gewünschten Karten aussehen, folgt im nächsten Schritt die Ermittlung des ungefähren Tausch- oder Verkaufswertes. Man beachte: "ungefähr"! Ich denke, jedem sollte bewusst sein, dass man grundsätzlich nur von relativen Werten ausgehen kann, also versteift euch bitte nicht zu sehr darauf, noch 50 cent aus einem Tausch herauszuschlagen oder unbedingt bis auf die letze Nachkommastelle den Wert auszugleichen! - Soviel zu Preisen allgemein im Vorraus.
Aber wie findet man eigentlich am Besten heraus, was Karten eigentlich wert sind? Jeder hat andere Vorstellungen davon, was etwas kosten soll oder darf. Der eine orientiert sich an Shop X, der andere an Zeitschrift Y und wieder der nächste an Marktplatz Z. Dass diese Leute nicht sofort einig werden, ist klar. Am Besten ist es wohl, wenn man sich anschaut, wonach der Tauschpartner seine Preise ermittelt und dann entweder versucht, Mittelwerte zwischen dessen und der eigenen Quelle herauszufinden, oder vielleicht doch lieber eine ganz andere Liste wählt. Dabei sollte man nie vergessen, wie die jeweilige Quelle zu Ihren Preisen kommt. Ich finde es
zum Beispiel nicht sonderlich sinnvoll, bei einem Tausch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz (oder auch beliebig kombiniert) nach amerikanischen Preisen zu gehen. Dort herrschen teilweise sehr stark differenzierende Meinungen in Bezug auf den Wert von Karten und bevor man sich einen Arcbound Ravager für 25$ (laut einer bekannten amerikanischen Zeitschrift) ertauscht, schaut man lieber erst, welche Preise man hierzulande zu erwarten hat. Wer es aber einfach nicht lassen kann, der sollte wenigstens den ungefähren Wechselkurs Euro <-> Dollar im Kopf haben, denn mittlerweile lässt sich dieser nicht mehr so einfach 1:1 rechnen, außer man nimmt falsche Preisverhältnisse gerne in Kauf.
Auch sollte man nicht auf die Idee kommen, den Händler herauszusuchen, der für eine gesuchte Karte am wenigsten verlangt um dann damit zu verhandeln. Mittlerweile habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass die Shops mit den billigsten Preisen die Karten oft gar nicht auf Lager haben, womit diese Werte so ziemlich vollständig ihre Gültigkeit und Bedeutung verlieren. Überhaupt muss man bei Händlern allgemein etwas aufpassen, da viele dazu tendieren, ihre Preise ein gutes Stück höher zu setzen, als sie eigentlich auf dem wirklichen Tauschmarkt existieren. Zumal es, vor allem bei einem Tausch, öfter mal vorkommt, dass man gesuchte Karte dringend braucht, das Gegenüber dafür aber mehr möchte, als man herzugeben vorhatte. Bevor man dann mit dem Argument kommt, in Shop X gäbe es diese Karte viel günstiger, sollte man sich einmal überlegen, was zu bevorzugen ist. Ich gebe lieber bei einem Tausch auch mal etwas her, was vielleicht 1 oder 2€ mehr wert ist, als das, was ich bekomme, bevor ich beim Händler den vollen Preis bezahle. Der Verlust hält sich trotzdem noch in Grenzen und es besteht nicht mehr die bereits erwähnte Gefahr, dass die Karte beim Händler gar nicht verfügbar ist.


III. Die Sache mit Ebay
Besondere Aufmerksamkeit gilt auch dem mittlerweile sehr beliebten Ebay-Markt. Ich kenne viele Leute, welche die dortigen Preise nutzen, um bei einem Tausch Gewinn zu machen oder den Preis der Karten künstlich niedrig hoch oder niedrig zu halten. Das ist, meiner Meinung nach, allerdings nicht gerade die beste Idee. Wer sich nur ein paar Gedanken darüber macht, wird schnell feststellen, dass Ebay als Quelle für Preise sehr unzuverlässig ist; dort spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass es kaum möglich ist, für beide Seiten faire Preise herauszufinden. Man denke nur einmal an die berüchtigten Presale-Auktionen (Chrome Mox 80€? - Alles klar...), falsch beschriebene Auktionen (4x "Degree of Justice" 12€?, "Holo" Wrath of God 15€?, hm...), Auktionen, die zu seltsamen Zeiten auslaufen, oder durch Zweit-Accounts künstlich hochgetriebene Preise. Solche Extreme gibt es in allen Richtungen. Freut euch also, wenn ihr mal ein Schnäppchen macht, aber erwartet nicht, das auf jeden Tausch übertragen zu können, auch nicht, wenn ihr Links dazu habt (So schnell werd' ich wohl auch keine schwarzrandige Savanne mehr für 12€ bekommen, soviel dazu;-) ). Und zu der Sache mit den Sofort-Kaufen-Preisen: Durchaus möglich, dass die etwas aussagekräftiger sind, denkt aber immer daran, wie diese zustande kommen; Dumping-Preise, Großhändler, illegale Verkäufe (Stichwort: Steuerhinterziehung), Importe aus Ländern mit niedrigen Preisen und vieles mehr spielen da sicher auch eine Rolle.
Seit also vorsichtig mit solchen - weniger aussagekräftigen - Quellen. Nutzt lieber die vorhandenen Festpreislisten, bevor ihr hoffnungslose Tauschangebote aufgrund solcher wackeligen Werte macht oder schaut euch zumindest an, wie sicher die Preise wirklich sind. Was mir da zum Beispiel einfällt ist, dass sich Karten wie Force of Will mittlerweile bei einem wirklich gesunden Preis eingependelt haben - trotzdem wird's genug Leute geben, die ihr Exemplar niemals unter diesen Umständen hergeben würden. Wenn's also unbedingt sein muss, macht lieber ein paar Euro locker und ersteigert euch die Dinger, bevor ihr jeden Besitzer der Karte damit nervt, wie "unrealistisch" seine Vorstellungen sind und dass er doch keine Ahnung habe.


IV. Mit wem tauscht man eigentlich?
Kommen wir vom Thema der Preise nun zu etwas anderem aber nicht minder wichtigem: Der Tauschpartner. Ihn zu kennen kann wohl nie schaden, denn wenn man weiß, was er braucht, was er hat und wie er tauscht, geht gleich alles viel einfacher. Darüber hinaus ist es aber noch zusätzlich von Vorteil, wenn man ihn auch recht gut einschätzen kann in Bezug auf seine Vorlieben. Wer mit einem Timmy* tauscht, wird ihm lieber den Plated Slagwurm
und einen Bosh, Iron Golem geben und dafür den Darksteel Colossus mit einem Spike* tauschen, da er diesem die anderen Karten niemals andrehen könnte. Ebenso behält man dann bei dem Tausch mit besagtem Spike* lieber seine drei Kaldra-Equipments (die er vielleicht nur für die Sammlung, zum Weitertauschen oder Verkaufen benötigt) und gibt sie dann lieber dem Johny* am Tisch nebenan, der für ein ganzes Set der drei vermutlich einiges hergibt um endlich sein Kaldra-Deck spielen zu können. Gleiches gilt für Foils oder sonstige seltene Karten wie Promos, u.ä.. Während eine unspielbare foil Common sicherlich klasse ist, um damit anstelle der spielstarken Uncommon einen Tausch aufzufüllen, könnte es sich doch als nützlich herausstellen, diese zu behalten, wenn man einen Foil-Sammler findet, der einem dafür gleich zwei oder drei der erwähnten spielstarken Uncommon gibt - wer nicht weiß, wie verrückt diese Foil-Sammler sind, sollte das schnellstens herausfinden.
Es ist also immer gut, wenn man in etwa die Vorlieben eines Spielers kennt, damit man effektiver mit ihm tauschen kann. Dazu gehört gar nicht mal allzu viel. Wenn man nur aufmerksam verfolgt, wie er seine Prioritäten bei einem Tausch setzt oder darauf achtet, was er so erzählt oder an Decks spielt, dürfte man recht schnell zu einem Ergebnis gelangen. Und selbstverständlich sollte man auch sich selbst gut einschätzen können und in etwa wissen, was man von einem Tausch erwartet.*


V. Schlusswort: Anfänger und ihre Vorstellungen.
Zum Schluss möchte ich noch eines erwähnen: Bestimmt haben die meisten von euch schonmal einen besonders guten oder schlechten Tausch gemacht, weil ihr selbst oder der andere aufgrund mangelnder Erfahrung einfach noch keine Ahnung hattet. Sicher kann es mal ganz praktisch sein, einen Anfänger über den Tisch zu ziehen - oder zumindest sehr vorteilig mit ihm zu tauschen (wovon sich wohl kaum jemand freisprechen kann, dass er es noch nicht gemacht hätte, ich auch nicht) -, dabei sollte man aber immer bedenken, was das für die spielende Gemeinschaft bedeutet. Selbst wenn es eurer Gruppe nichts ausmacht, wenn ein Spieler aufgrund zu vieler schlechter Erfahrungen Magic wieder aufgibt, ist es doch ein Verlust für alle, die an so jemanden profitieren, nicht zuletzt auch für den Expert Store oder das Turnier, wo dann eventuell weniger Spieler antreten. Klar, das hat man schon oft gehört und viele werden es satt haben, sich das anhören zu müssen, aber wenn ich schon zu dem ganzen Thema schreibe, wollte ich auch das noch loswerden: Achtet zumindest darauf, dass ihr euch grob an die von mir gemachten Vorschläge haltet und nehmt dem Anfänger nicht alles ab, was er hat. Wenn ihr zum Beispiel erwähnt habt, dass der Mephidross Vampire gar nicht so viel wert ist und er euch trotzdem noch sein Solemn Simulacrum dafür geben will, weil er das dicke Vieh halt unbedingt braucht - ok, warum nicht? Dann weiß er wenigstens Bescheid und handelt auf eigene Verantwortung und ihr könnt ruhigen Gewissens sagen, dass beide Seiten zufrieden sind (was immerhin erreicht werden soll).

Soviel also zu diesem Thema. Ich denke, viele von euch werden wohl wissen, wie man tauscht und was es zu beachten gilt, trotzdem sollte sich jeder einmal selbst überprüfen, wie er das Ganze eigentlich handhabt und vielleicht könnt ihr bei Problemsituationen einmal hierauf zurückgreifen. Es würde mich sehr freuen, wenn ich damit helfen konnte und selbstverständlich ist jeder dazu eingeladen, Kommentare abzugeben.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
Heiko "Onisama" Schmidt.


PS: *) Wer mit den Begriffen nichts anfangen kann, sollte mal dringend hier vorbeischauen:
http://www.wizards.com/default.asp?x=mtgcom/daily/mr11
PPS: Herzlichen Dank an Marc Dochan für's Korrekturlesen!

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Heiko Schmidt

[22.02.2008]#mtgjudge - Outtakes
[15.02.2008]Ask the Judge #4 – Mehr Rätsel
[08.02.2008]Ask the Judge #3 – Quiztime!
[25.01.2008]Who is Who?
[11.01.2008]Ask the Judge #2


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite