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Meine Erfahrungen mit dem Penalty Guide by REL 1-Turnieren
von Andreas "Zeromant" Pischner
24.02.2003

Obwohl ich mich in erster Linie als Magic-SPIELER betrachte, ist das möglicherweise eine Selbsttäuschung: In den letzten Jahren habe ich weitaus mehr Turniere als Schiedsrichter bestritten, als ich mitgespielt habe - einfach, weil ich das wöchentliche Ladenturnier bei Serious Games leite.

Daher möchte ich diesmal einen Artikel aus der Sicht des Judges schreiben! Dabei liegen meine Judge-Erfahrungen bei größeren Turnieren (PTQs) schon mehrere Jahre zurück, so dass ich jedenfalls diese Art Turnier fast nur noch aus Spieler-Perspektive betrachten kann. (Nichtsdestotrotz fühle ich mich auch da immer automatisch angesprochen, wenn jemand "Judge" ruft - das muss wohl eine Art Berufskrankheit sein!) Kleine Ladenturniere allerdings sind eine ganz andere Sache: Hier habe ich bestimmt bereits Hunderte von Malen als Head Judge fungiert.

Diese Turniere finden naturgemäß bei einem REL (Rules Enforcement Level) von 1 statt, also auf der niedrigsten Stufe, die als "Default" für kleine Turniere empfohlen wird. Natürlich könnte ich meine Turniere auch unter strengeren Bedingungen laufen lassen - bis REL5 ist alles erlaubt! Ich sehe allerdings keinen Sinn darin, bei einem wöchentlichen Wald- und Wiesenturnier, dessen Ziel es ja auch unter anderem ist, Neulinge in die Turnierszene einzuführen, einen höheren REL anzusetzen. Sicherlich wäre REL2 eine Alternative, um den Unterschied zu den noch einsteigerfreunlicher konzipierten FNM (Friday Night Magic) Turnieren hervorzuheben, die sogar einen reduzierten k-Wert besitzen (das heißt, dort wird nur um halb so viele Punkte gespielt, wie bei einem normalen Turnier). Aber da sich die empfohlenen Strafen zu denen bei REL1 sowieso nicht unterscheiden (was ich, ehrlich gesagt, auch nicht allzu einleuchtend finde - offenbar ist REL2 eine reine Absichtserklärung, Verstöße im Zweifelsfall etwas strenger zu interpretieren), würde eine derartige Herangehensweise wohl nur Verwirrung stiften. REL3 wiederum ist bereits der für PTQs empfohlene Level, der ganz eindeutig NICHT mehr einsteigergerecht ist und kommt daher nicht in Frage.

Außerdem ist es ein Mythos, dass bei REL1 die Regeln für Magic - sowohl die SPIEL-, als auch die TURNIER-Regeln - nicht vollständig gelten würden! Auch hier wird von allen Teilnehmern erwarten, dass sie diese kennen und befolgen. Der Unterschied liegt nur darin, wie Verstöße dagegen - VERSEHENTLICHE Verstöße, wie ich hervorheben muss! - geahndet werden! Bei REL1 soll der Umgang mit der im Vergleich zum "casual Play" deutlich strikteren Turnieratmosphäre noch eingeübt werden. Kleinere Fehler werden daher nicht bestraft, aber natürlich trotzdem korrigiert! Schwerwiegendere Fehler werden in geringerem Maße bestraft als bei höheren RELs, aber sie werden bestraft. In beiden Fällen wird von dem entsprechenden Spieler auch erwartet, dass er diesen Fehler, nachdem er einmal darauf hingewiesen wurde, nicht wiederholt!

Und auch die weniger strenge Bestrafung findet ihre Beschränkungen: Einmal darf ein Regelverstoß nicht zu einem erheblichen Vorteil für den Verantwortlichen führen, egal, wie niedrig der REL ist! Daher sind in solchen Fällen auch wieder schwerwiegendere Konsequenzen notwendig.

Und zum anderen gibt es KEINE Strafminderung bei Betrug - das heißt, bei absichtlichen Regelverstößen mit dem Ziel, einen Vorteil daraus zu erringen! Dabei ist es irrelevant, ob dem Spieler bewusst ist, dass sein Verhalten in den Floor Rules als Betrug definiert ist. Sobald er ABSICHTLICH gegen die Regeln verstößt, um einen Vorteil zu erlangen, betrügt er.

Ich weiß aus der Diskussion, die sich um eine von mir vorgenommene Disqualifikation aufgrund von Cheating-Stalling ergeben hat, dass viele Spieler sich einfach nicht vorstellen können, dass es so etwas wie einen Tatbestand "Cheating" bei REL1 überhaupt GIBT - eine Einstellung, die ohne Zweifel auch dadurch hervorgerufen wird, dass eine entsprechende Strafe nur einmal alle Jubeljahre verhängt wird. Ich habe jetzt in nunmehr 6 Jahren wöchentlicher Head-Judge-Tätigkeit genau zweimal einen Spieler wegen Betruges disqualifiziert (auch wenn ich im Nachhinein mit meiner nunmehr größeren Erfahrung als Judge weiß, dass ich zwei DQs mehr hätte ausprechen müssen).

Der Grund, dass so etwa so selten vorkommt, ist jedoch NICHT, dass bei REL1 der Verstoß "Cheating" nicht geahndet würde, sondern vielmehr der Umstand, dass man hier dem betroffenen Spieler einen weitaus größeren Spielraum für Irrtümer zugesteht, als man es bei größeren Turnieren tun würde - und natürlich schlicht und einfach auch, dass bei kleineren Turnieren die meisten Judges nicht so wachsam nach Verstößen dieser Art Ausschau halten, wie sie es bei Turnieren, bei denen erheblich mehr auf dem Spiel steht, tun würden. Das alles schützt aber nicht den Betrüger, der tatsächlich erwischt und überführt wird!

Dies hier soll aber kein Artikel über Betrug werden, sondern im Gegenteil soll es sich hier um diejenigen Fälle drehen, die bei einem Ladenturnier am häufigten auftreten.

Die aktuelle Version des Penalty Guides kennt sieben Kategorien von Verstößen: Deckprobleme, prozedurale Fehler, unerlaubtes Kartenziehen, markierte Karten, langsames Spielen, unsportliches Verhalten und Betrug. Ich werde sie einfach alle einmal der Reihenfolge nach ansprechen:

Deckprobleme

Hier haben wir auch gleich den mit Abstand häufigsten Grund für Strafen bei REL1! Die Deckliste ist nicht legal, oder die Sideboard-Liste, oder sie sind es zwar, aber das Deck stimmt nicht damit überein. (Bei meinen Turnieren werden immer Decklisten verwendet, daher entfallen die Punkte illegales Deck/Sideboard ohne Liste).

Auch bei REL1 ist die Konsequenz für ein solches Vergehen immer ein Game Loss! Viele beginnende Spieler empfinden das als sehr streng, besonders, wenn es offensichtlich zu sein scheint, dass der Fehler ein dummes Versehen ist (der klassische Fall ist der des monoschwarzen Decks, dass statt "Swamp" "Plains" auf der Deckliste hat - so etwas kommt immer mal wieder vor!) Nichtsdestotrotz sagt der Penalty Guide ausdrücklich, dass dies die Bestrafung für versehentliche Fehler IST - absichtliche Unklarheiten würden unter "Cheating" fallen.

An dieser Stelle werden Spieler immer wieder nach dem "warum" fragen. Hier hat man zwei Möglichkeiten: Man kann dem Spieler erläutern, wie erfahrene Betrüger aus gewissen Unklarheiten in der Deckliste ansonsten einen strategischen Vorteil ziehen könnten, und dass es dem Judge nicht zuzumuten ist, in jedem einzelnen Fall zu entscheiden, ob aus diesem konkreten Verstoß unter Umständen ein Vorteil zu ziehen wäre und wie, und dass ein Aufweichen dieser Regelung es erforderlich machen würde, immer wieder zu entscheiden, wo denn genau die Grenze zwischen einem OFFENSICHTLICH versehentlichen Verstoß und einem VERMUTLICH versehentlichen Verstoß zu ziehen ist.

Wenn ich viel Zeit habe, dann lasse ich mich vielleicht auf diese Diskussion ein, aber normalerweise bevorzuge ich eine einfachere Herangehensweise: Die Turnierregeln erfordern eine legale Deckliste und ein Deck, das damit übereinstimmt. Wer an dieser Hürde scheitert, erhält ein Game Loss. So einfach ist das.! Wenn eine Fussballmannschaft zu einem Spiel versehentlich einen Spieler anmeldet, der noch nicht spielberechtigt ist, dann wird ihr das Spiel auch als verloren gewertet. Turniere erweitern die üblichen Spielregeln um zusätzliche prozedurale Regeln. Wer nicht in der Lage ist, eine legale Deckliste und ein legales Deck vorzuweisen, verliert mit der selben Berechtigung, als wenn er vergisst zu blocken und tödlichen Schaden nimmt.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige Turnierneulinge, die für einen vergleichsweise dummen Fehler ein Game Loss bekommen, deswegen so frustiert und verärgert sind, dass sie der Turnierszene den Rücken kehren. Das ist natürlich schade! Aber andererseits sind für Spieler, die für derart grundlegende Turnierprozeduren kein Verständnis haben oder sich nicht in der Lage sehen, sie zu befolgen, Turniere wohl auch einfach nicht die richtige Spielumgebung! Dem "Casual Play" gehen sie ja nicht verloren - in einem Turnier jedoch würden sie immer wieder Probleme mit den notwendigen Prozeduren erleiden und verursachen.

Trotzdem steht man als Judge in der Pflicht, solchen Vorkommnissen nach Möglichkeit vorzubeugen! Gerade bei REL1-Turnieren muss man damit rechnen, dass Deckprobleme auftreten, und das kalte Wasser eines Game Losses ist wirklich nicht die ideale Methode, damit in Berührung zu kommen. Deswegen versuche ich immer daran zu denken, jedem Spieler, den ich nicht bereits als erfahrenen Turnierspieler zu kennen glaube, noch einmal die Erfordernisse eines Standard-Turniers zu erklären:

Nur Karten, die sich in den neuesten beiden Blöcken oder dem aktuellen Grundset befinden (Hier folgt eine Aufzählung aller erlaubten Editionen, da viele Spieler mit dem Begriff "Blöcke" nichts anfangen können); das Deck muss MINDESTENS 60 Karten haben (mehr ist erlaubt, aber nicht empfehlenswert); das Sideboard, wenn man eines hat (was wiederum sehr empfehlenswert ist) muss exakt 15 Karten haben. Keine Karte außer Standardländern (hier folgt gelegentlich eine Aufzählung der Standardländer ) darf öfter als viermal in Deck und Sideboard sein. Zu Turnierbeginn muss eine Deckliste abgegeben werden, die den Inhalt von Deck und Sideboard korrekt auflistet (hier folgt der Hinweis, dass es WICHTIG ist, dass diese Liste korrekt ist!). Das erste Spiel gegen jeden Gegner beginnt man mit dem Deck, das man aufgelistet hat. Vor weiteren Spielen gegen denselben Gegner darf man auf 1 zu 1 Basis beliebig viele Karten zwischen Deck und Sideboard austauschen.

Das ist die kleine Ansprache, die ich Neulingen bei unserem Turnier immer halte, und ich denke, sie hat schon viele Anfänger vor einem Game Loss bewahrt! Ich glaube sogar, dass meine "Trefferquote" bei Deckchecks bei Anfängern niedriger liegt als bei "Veteranen" (auch wenn die Probleme bei Anfängern dazu neigen, spektakulärer zu sein )! Das liegt vielleicht daran, dass Anfänger ihre Decklisten noch hochkonzentriert verfassen, während regelmäßige Spieler es gewohnt sind, sie in einer knappen Minute hinzuschludern und dementsprechend viele Flüchtigkeitsfehler zu machen.

Resummee: Bei Deckproblemen werden auch bei REL1 recht schwerwiegende Strafen verhängt, es besteht jedoch eine besondere Verpflichtung für den Veranstalter, Neulinge nach Möglichkeit über die Erfordernisse aufzuklären.

Prozedurale Fehler

Das hier ist offensichtlich ein Sammelposten! Hierunter fallen sowohl Spielfehler (wie z.B. das berühmte Zu-Wenig-Mana-Bezahlen für einen Spruch) als auch Dinge, die den Turnierablauf stören, wie z.B. Müll an seinem Platz zu hinterlassen oder sein Handy klingeln zu lassen.

Prozedurale Fehler sind nach ihrer Schwere in drei Kategorien unterteilt: "Minor", "Major" und "Severe". (Dazu kommen noch drei Spezialfälle, die das Vergessen zurückzusideboarden, Verspätungen und das Spielen gegen den falschen Gegner behandeln.) Die Einordnung in diese Kategorien ist NICHT vom REL abhängig! Ein "Major Error" bei REL5 ist auch einer bei REL1.

Weil Prozedurale Fehler so ein Sammelposten sind, machen sie auch einen Großteil der Vergehen bei REL1 aus. Einmal, weil praktisch jeder Regelfehler, der nicht mit dem Punkt "Kartenziehen" abgedeckt ist, darunter fällt, zum anderen, weil alles, was man früher als "Failure to comply with the orders of a judge or tournament official" bezeichnet hätte, dadurch abgedeckt wird - sobald es fahrlässig geschieht. Wer sich ABSICHTLICH den Anweisungen eines Schiedsrichters oder Turnierveranstalters wiedersetzt, begeht unsportliches Verhalten!

Prozedurale Fehler sollten eigentlich ein Paradebeispiel dafür sein, wie bei verschiedenen RELs gleiche Vergehen verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen - sie sind es aber nicht!? Tatsächlich sind die empfohlenen Strafen für alle RELs gleich (mit Ausnahme von "Verspätungen"). Das erscheint mir nicht logisch - gerade hier muss man doch die Unerfahrenheit einiger Spieler berücksichtigen! (Wobei ich eher bei Spielfehlern dazu neige, als bei Dingen, die den Turnierablauf betreffen - "Stell' bitte den Stuhl wieder zurück!" ist eine Anweisung, die auch der blutigste Magic-Anfänger befolgen können sollte!)

Hier lässt mich der Penalty Guide eigentlich im Stich. Natürlich bietet ein "Guide" nur Richtlinien, an die ich mich als Judge nicht strikt halten muss, aber hier erwarte ich dann doch etwas mehr Unterstützung! Das Einzige, was ich jedoch finde, ist: "Procedural errors vary significantly. The judge should adjust the penalty appropriately to reflect the level of tournament disruption."

Dieser Abschnitt bezieht sich EIGENTLICH auf die Einordnung eines Vorkommnisses in die drei Kategorien Minor, Major oder Severe, und sollte daher beispielsweise auf das klar definierte "Underpayment" eines Spruchs und aller vergleichbar bedeutsamen Spielfehler als Major Error nicht anwendbar sein. Ich nehme mir jedoch die Freiheit, ihn dahingehend zu interpretieren, dass Spielfehler bei niedrigen RELs nicht ganz so störend empfunden werden, wie sie es bei großen Turnieren würden... So neige ich dazu, Spielfehler oft anstelle mit einer Verwarnung mit einer "Caution" zu ahnden (im Klartext: Ich sage dem Spieler: "Achte darauf, dass Dir das nicht noch einmal passiert!" und das war's), und ich verschärfe bei wiederholten Verstößen die Konsequenzen bei Weitem nicht so schnell, wie es der Guide empfiehlt (nämlich entlang der Skala Caution-Warning-Game Loss-Match Loss-Disqualification, pro Verstoß einen Schritt weiter!)

Bei Dingen, die den Turnierablauf betreffen, sieht es ein wenig anders aus: Auch ein REL1-Turnier muss mit vertretbarem Aufwand für Veranstalter und Schiedsrichter ablaufen. Auch hier hat man nur begrenzt Platz und ein Zeitlimit, in dem das Turnier beendet werden muss, und auch hier muss man die Ansagen des Schiedsrichters verstehen können. Und auch hier sollte das Turnier nach außen hin keinen allzu chaotischen Eindruck machen - vielleicht GERADE hier, da in einem Spieleladen gelegentlich auch einmal Eltern auftauchen, die sich informieren wollen, wo ihre Sprößlinge einen Großteil ihrer Freizeit verbringen...

Daher spreche ich in solchen Fällen auch durchaus einmal Warnings aus. "Handys sind abzuschalten" sage ich für gewöhnlich gleich zu Beginn des Turniers an und vergebe dann daher auch gleich beim ersten Verstoß ein Warning. In anderen Fällen weise ich zwar auch ein- oder zweimal auf das Problem hin, wenn das aber nicht fruchtet, muss ich auch einmal Konsequenzen ziehen. Dabei sind es oft gar nicht einmal die Teilnehmer selbst, die sich als am renitentesten erweisen - meistens sind es die Zuschauer, die Anweisungen wie "Rücke bitte mit dem Stuhl aus dem Durchgang!" oder "Äußere Dich bitte nicht zu einer laufenden Turnierpartie!" einfach nicht ernst nehmen wollen!

Hier versuche ich es zwar immer wieder mit gutem Zureden, aber manchmal ist einfach der Punkt erreicht, an dem ich einen Spieler auffordern muss, den Turnierbereich zu verlassen. Ich tue mich damit eher schwer: Schließlich ist mir bewusst, dass ein Ladenturnier auch ein soziales Event ist - man trifft Freunde, quatscht, amüsiert sich etc... An dieser Stelle berücksichtige ich gewissermaßen auch den REL1 - für Vorkommnisse, die bei uns Routine sind, würde so mancher Zuschauer bei einer Pro Tour schneller aus dem Raum geworfen werden, als er "Mana" sagen kann! Trotzdem wird es manchmal einfach zu viel.

Dabei kratzen manche Pappenheimer auch immer wieder ganz bewusst an meiner Autorität - sie wissen, dass ich nicht als übermäßig streng dastehen will, und versuchen so, meine Anordnungen zu unterminieren. Das geht natürlich nicht! Meine "Autorität" als Judge ist kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Bedingung, um das Turnier leiten zu können. Aus diesem Grund muss ich gelegentlich auch einmal zu unpopulären Entscheidungen stehen. (Das bedeutet NICHT, dass ich nicht gelegentlich Fehler eingestehe! Aber "unpopulär" und "falsch" sind auch NICHT dasselbe.)

Resummee: Spielfehler versuche ich bei REL1 milder zu ahnden, sofern die Situation es zulässt. Beim Turnierablauf habe ich weniger Raum für Kompromisse, und wenn ich auch der eher zwanglosen Atmosphäre eines Ladentuniers Rechung trage, muss ich trotzdem gelegentlich auch unpopuläre Entscheidungen durchsetzen.

Kartenziehen

Dieser Abschnitt könnte aus technischen Gründen unter Procedural Error eingeordnet werden, da er letzlich Spielfehler behandelt. Er erhält jedoch besondere Aufmerksamkeit, da das Ziehen zusätzlicher Karten besonders häufig vorkommt und für gewöhnlich auch eine besonders schwerwiegende Störung des Spielablaufes darstellt. Deswegen ist er auch in einige Unterkategorien aufgeteilt, die verschieden schwierige Verstöße darstellen, welche auch in unterschiedlichem Maße den Spielverlauf beeinflussen (zusätzliche Karten ziehen, zusätzliche Karten sehen, Feheler beim Kartenziehen zu Beginn des Spiels und Vergessen, Karten zu ziehen) und enthält auch detaillierte Anweisungen, wie ein durch den Verstoß entstandener Vorteil ausgeglichen werden kann.

Nicht nur wegen dieser einleuchtenden Methoden zum Vorteilsausgleich ist dieser Abschnitt besonders einfach auf die Situation eines REL1-Ladenturniers zu übertragen, sondern auch, weil hier tatsächlich eine Abstufung der Strafen bei verschiedenen RELs vorgenommen wird! Genau an dieser Abstufung orientiere ich mich übrigens auch, wenn ich Strafen für Spielfehler bei Prozeduralen Fehlern vergebe. Hier wäre vielleicht eine Neuanordnung der Penalties sinnvoll, die Spielfehler analog dem Kapitel "Card Drawing" behandelt?

Resummee: Die Richtlinien sind beim Thema Kartenziehen gut und detailliert ausgearbeitet und ermöglichen es problemlos, den Bedürfnissen eines REL1-Turniers gerecht zu werden.

Markierte Karten

Auch hier ist bereits eine Abstufung der Strafen vorgegeben, da man von einem Spieler natürlich nicht erwarten kann, dass er sich mit derselben Sorgfalt und Umsicht auf ein Ladenturnier vorbereitet wie auf einen PTQ.

In der Praxis genügt es hier allerdings nicht, nur geringere Strafen zu vergeben - ich muss leider auch die Maßstäbe, wann eine Karte markiert ist und wann nicht, uminterpretieren! Die meisten Magic-Spieler können sich einfach nicht alle paar Wochen ein neues Päckchen Hüllen kaufen, so dass die Kartenhüllen bei einem Turnier oft SEHR abgenutzt sind. Nun ist "abgenutzt", für sich genommen, keine Markierung, solange alle Hüllen gleichartig abgenutzt sind. Da liegt aber nun einmal das Problem: Auch GLEICHMÄSSIG abgenutzte Hüllen sind oft nicht GLEICHARTIG abgenutzt! Kratzer auf der Rückseite, verschieden abgeknickte Ecken etc... ermöglichen es oft, Karten ohne allzu großen Aufwand zu identifizieren.

Hier muss ich bei REL1 einfach Kompromisse eingehen! Man kann erwarten, dass Spieler zu einem PTQ mit einem nicht allzu abgenutzten Stapel Hüllen kommen, und diesen auch vorher auf besondere Markierungen überprüft haben, und bei Grand Prixs oder Pro Touren ist es durchaus nicht zu viel verlangt, sich zu diesem Anlass ein oder auch zwei Päckchen neue Hüllen zu besorgen (UND sie auf Fabrikationsfehler zu überprüfen!) Bei einem Ladenturnier hingegen ist das einfach nicht durchsetzbar (und auch nicht erwünscht - die Spieler sollen ihr Geld gefälligst für Booster ausgeben!) Daher muss ich hier Hüllen selbstverständlich akzeptieren, die ganz offensichtlich markiert SIND - letztlich entscheidet sich hieran, ob das Turnier stattfindet, oder nicht!

..aber auch hier gibt es Grenzen! Ich kann nicht verhindern, dass ein Spieler mit Hüllen spielt, die bei aufmerksamer Betrachtung die Karten verraten (damit wird leider natürlich Betrügern eine Möglichkeit eröffnet.) Andereseits lehne ich immer noch Hüllen ab, die man MÜHELOS voneinander unterscheiden kann! Selbst der ehrlichste Spieler könnte sich irgendwann merken, dass diese Karte mit dem riesigen Knick in der Ecke ein Wrath of God ist.

Man kann es so formulieren: Sobald eine Markierung dermaßen eindeutig ist, dass man sie unabsichtlich wahrnimmt, ist das nicht mehr akzeptabel. Solange ich vermute, dass ein Spieler aktiv versuchen müsste, die Markierungen zu "lesen", muss ich sie tolerieren. (Aber wehe dem, den ich dabei erwische!!)

Resummee: Markierte Karten sind eine unabänderliche Realität bei REL1-Turnieren, und man kann nur den schlimmsten Exzessen Einhalt gebieten.

Langsames Spielen

Dieser Abschnitt ist eine unerschöpfliche Quelle von Missverständnissen:

Einmal behandelt er ausschließlich UNABSICHTLICHES zu langsam Spielen. Wer bewusst langsamer spielt als notwendig, macht sich des "Cheating -Stalling" schuldig! Dabei ist eine komplexe Spielsituation alleine keine Garantie für unabsichtliches Zeitspiel. Sobald der Judge zu der Überzeugung gelangt, dass der Spieler absichtlich Zeit schindet, muss er diesen Fall als Betrug behandeln.

Zum zweiten besteht zwar eine Korrelation zwischen der Komplexität einer Spielsituation und der angemessenen Zeit, darüber nachzudenken, aber sie ist NICHT linear.

Okay, okay, einfacher ausgedrückt: Auch wenn die Entscheidung noch so schwierig zu treffen ist, muss sie getroffen werden! Es gibt KEIN Anrecht darauf, eine komplexe Situation vollständig zu durchdenken! Die Verpflichtung, das Spielgeschehen voranzutreiben ist höherwertig als da Recht, eine Situation komplett zu analysieren! (Und um es NOCH simpler auzudrücken: Manchmal MÜSST Ihr so schnell spielen, dass Euch Fehler unterlaufen!) Auch wenn insgesamt fünfunddreißig Kreaturen mit Spezialfähigkeiten auf dem Tisch liegen, habt Ihr keine zehn Minuten Zeit zu überlegen, wie Ihr blockt. Nicht einmal fünf!

Nachdem diese beiden Irrtümer ausgeräumt sind, kann ich sagen, dass ich langsames Spielen, ebenso wie Spielfehler, eher nachsichtig behandle. Nicht nur, dass der Penalty Guide hier geringere Strafen vorschlägt; ich neige auch dazu, gerade beginnende Spielern lieber einmal mehr zu ermahnen, als sie zu bestrafen - sie haben einfach viel mehr zu durchdenken als Veteranen.

Resummee: Langames Spielen ist ein fahrlässiger, kein absichtlicher Verstoß, den Spieler besonders bei komplexen Spielsituationen begehen. Ich behandle ihn bei REL1 mit besonderer Nachsichtigkeit, stelle aber nichtsdestotrotz sicher, dass das Spiel voranschreitet.

Unsportliches Verhalten

Das hier ist ein Abschnitt im Penalty Guide, auf den ich mich leider viel öfter berufen muss, als mir lieb ist. Woran liegt das? Warum können sich die Berliner Spieler nicht besser benehmen und fairer spielen? Ist das wirklich ein Berliner Phänomen, oder setze ich einfach nur voraus, dass es woanders besser sein muss?

Unsportliches Verhalten wird wiederum in die Kategorien "Minor", "Major" und "Severe" unterteilt, je nachdem, wie störend es ist. Das it allerdings keine Einteilung nach der ART der Störung. Die Verhaltensweisen, mit denen ich es am häufigsten zu tun habe, sind: Sich meinen Anweisungen widersetzen (worunter ich jetzt einmal auch das Unvermögen, einigermaßen leise zu bleiben, fassen will) und das berüchtigte "Rules Lawyering".

Gerade der erste Punkt ist eigentlich sehr ärgerlich. Auch wenn die Hauptschuld hier nur auf den Schultern weniger Spieler lastet, schaffen diese dadurch doch eine Atmosphäre, die ich als sehr unangenehm empfinde.

Hier möchte ich noch einmal klarstellen: Die Anweisungen von Schiedsrichtern oder Turnierveranstaltern sind auf JEDEM REL zu befolgen! Und wenn ich von einem Spieler verlange, dass er sich sein Gesicht mit Kirschmarmelade einschmiert, dann kann er nachfragen, ob das mein Ernst ist, und wenn ich darauf bestehe, dann muss er entweder sein Gesicht mit Kirschmarmelade einschmieren, oder aus dem Turnier aussteigen! (In diesem Fall wäre übrigens Letzteres zu empfehlen.)

In Fällen wie diesem, wo meine Anweisung ungerechtfertigt und/oder unzumutbar erscheint, ist es dann sicherlich eine gute Idee, sich bei der DCI über mich zu beschweren!

...aber welcher Spieler würde denn bei der DCI folgende Beschwerden einreichen wollen?

"Der Pischner verbietet mir, mit meinem Stuhl im Durchgang zu sitzen."
"Der Pischner verbietet mir, während des Spiels laut zu pfeifen."
"Der Pischner erwartet von mir eine mündliche Bestätigung des Spielergebnisses, obwohl ich es doch eingetragen habe."
"Der Pischner verbietet mir, nach jedem verlorenen Spiel mit aller Kraft auf den Tisch zu hauen und "Scheiß-Glücksspiel!" zu brüllen."

Mit Albernheiten dieses Kalibers muss ich mich immer und immer wieder herumschlagen! Jemand hat einmal die Rolle des Judges als Verbindung aus Schiedsrichter, Lehrer, Detektiv und Richter beschrieben - den Kindergärtner hat er wohl vergessen!

Aber gerade WEIL es solche Albernheiten sind, fällt es mir auch schwer, eine strengere Gangart einzuschlagen. Mir ist ja bewusst, dass die meisten Spieler ein Ladenturnier besuchen, um sich zu entspannen. Daher hat es sich auch eingependelt, dass ich immer wieder nur ermahnt, ermahnt und noch einmal ermahnt habe. Irgendwann allerdings musste ich einsehen, dass ich die Dinge sich zu weit hatte entwickeln lassen - Auslöser dieser Erkenntnis war die Einsicht, wie absurd es doch war, dass ich den Rundenbeginn immer mit lautem Rufen und einem besonders lauten Geräusch einleiten musste, weil meine Spieler einfach nicht in der Lage waren, die Klappe zu halten oder sich wenigtens mit gedämpfter Stimme zu unterhalten! Daher habe ich jetzt begonnen, eine Kehrtwende einzuleiten, zurück zu einem Verhalten, das man von erwachsenen Spielern (was die meisten Teilnehmer sind) erwarten kann (und die Kinder müssen sich eben anpassen). Ich bin überzeugt, dass auf lange Sicht der Spielspaß NICHT darunter leiden wird!

Der zweite Punkt, "Rules Lawyering" ist ebenfalls ein Problem. in mehr als einer Hinsicht! Einmal erscheint mir (subjektiv natürlich, da ich keinen angemessenen Vergleich habe) Berlin eine Hochburg dieser Unsitte zu sein. Ich fürchte, dass auch ich nicht hart genug dagegen durchgreife. Aber andererseits liegen selbst meine gelegentlichen Ermahnungen und Verwarnungen bereits so deutlich über dem akzeptierten Standard, dass es schwierig ist, hier noch konsequenter zu handeln. Hier muss ich auch sagen: Es kann nicht die Aufgabe des Schiedsrichters in einem kleinen REL1-Ladenturnier sein, den Standard für eine Region zu setzen! Hier müssen die Signale bei den größeren Turnieren gesetzt werden, was leider zuletzt nicht der Fall war.

Ein anderes Problem hier ist, dass der Gegner eines Spielers, der kleinere Regelfehler begeht, gewisse Rechte HAT. Einen Gegner, der einmal vergisst zu enttappen, weist man freundlich daraufhin und fertig, und auch beim zweiten und vielleicht noch dritten Mal. Spätestens dann ist es allerdings absolut gerechtfertigt, den Judge zu rufen! Der fahrlässige Spieler erschafft hier ansonsten nämlich eine Situation, in der plötzlich sein GEGENSPIELER dafür verantwortlich ist, dass er keine Fehler macht - das ist unzumutbar! Auch als erfahrenerer Spieler hat man ein Anrecht darauf, seine Konzentration nicht darauf verwenden zu müssen, den Gegner auf Spielfehler hin zu beobachten.

Es gibt auch andere, vergleichbare Situationen, die ich hier, um diesen Artikel nicht endlos lang zu gestalten, nicht alle aufzählen will. Unterm Strich bleibt jedoch die Erkenntnis, dass es oft gerechtfertigt IST, den Judge auch bei geringeren Versäumnissen zu rufen. Sicherlich gibt es da eine Grenze zum Rules Lawyering, die man mit gesundem Menschenverstand und etwas Spielerfahrung auch erkennen kann, aber da liegt gerade der Hund begraben: Bei REL1 setze ich diese Spielerfahrung eben NICHT voraus - das ist die Prämisse! Letztlich muss ich hier also zwischen SPIELERN mit verschiedener Erfahrung differenzieren. Damit tue ich mich ein wenig schwer - ein bisschen erscheint mir das so, als ob ich verschiedene Spieler unter verschiedenen RELs beurteilen würde. Ich lasse die Spielerfahrung trotzdem in meine Bewertung einfließen, bin dabei im Zweifelsfall aber eben lieber vorsichtig. Ein anderes Problem ist nämlich, dass die meisten Spieler, deren Gegner Verstöße begehen, den Judge viel zu SELTEN rufen, weil sie sich nicht trauen (unter anderem auch aus der Angst heraus, dann als "Rules Lawyer" zu gelten!), und wenn ich einerseits Spieler dazu ermutigen will, öfter den Judge zu rufen, will ich nicht andererseits den Eindruck erwecken, Spieler dafür zu bestrafen.

Resummee: Bei REL1-Turnieren kann es aufgrund der zwanglosen Atmosphäre passieren, dass man Unsitten einreißen lässt. Auch hier kann man jedoch zivilisiertes und reifes Verhalten von den Spielern erwarten. Rules Lawyering ist ein Verhalten, das man stärker unterbinden sollte, was aber schwierig ist, da man besonders bei REL1-Turnieren die Spieler oft ermutigen muss, öfter den Judge zu rufen.

Cheating

Hierzu gibt es dann wohl nichts mehr zu sagen, außer vielleicht einem passenden Zitat aus dem Penalty Guide:

"There should be zero tolerance for this type of activity."


So, das war dann wohl lang genug!
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