Community
Ein paar Magic-Weisheiten
von Jan "eunck" Ruess
28.03.2008

Ich denke, ich darf mich inzwischen schon zu den Erfahreneren unter den aktiven deutschen Turnierspielern zählen. Seit über zwei Jahren bin ich bei fast allen Pro Touren und europäischen Grand Prix dabei und davor habe ich fast drei Jahre lang PTQs gespielt. Genug Zeit also, dass einem das eine oder andere auffällt. So haben sich ein paar Dinge angesammelt, die mir geholfen haben, mein Spiel zu verbessern. Von diesen möchte ich nun ein paar mit euch teilen, in der Hoffnung dass ihr damit was anfangen könnt und es vielleicht auch schafft mit ihrer Hilfe euer Spiel zu verbessern.

Im Folgenden findet ihr eine Auflistung von teilweise recht allgemeinen, teilweise aber auch ziemlich speziellen Gedanken, Erfahrungen und Beobachtungen, die ich in den vergangenen Jahren wiederholt gemacht habe – die Reihenfolge ist dabei relativ willkürlich. Sicher wird nicht jeder Punkt für jeden von euch völlig neu sein, aber ich hoffe, dass die meisten Leser den einen oder anderen positiven Anstoß aus diesem Artikel werden mitnehmen können. Los geht's!

_
1. Die Deckwahl
_

Viele Spieler entscheiden sich für das Deck, das sie auf dem nächsten Constructed-Turnier spielen werden, aufgrund von persönlichen Vorlieben. Vielleicht mag jemand die kleinen roten (obwohl sie eigentlich grün sind) Männchen so gerne, dass er unbedingt Goblins spielen will, oder er tut es, weil er es immer tut, auch wenn es im aktuellen Format vielleicht gar keine so gute Wahl ist. Wenn es in erster Linie nur darum geht Spaß zu haben und das Gewinnen zweitrangig ist, ist das okay.

Aber wer gewinnen will, sollte einfach das beste Deck spielen, oder sagen wir eines der besten Decks in einer guten Version und zwar möglichst eines, mit dem er umgehen kann. Auch ich habe Vorlieben – zum Beispiel spiele ich ein Combo-Deck 100-mal lieber als so etwas wie Monored Burn – aber da bin ich absolut käuflich. Wenn ich glaube mit dem Burn-Deck die besten Chancen auf den Sieg zu haben, müssen persönliche Vorlieben zurückstecken, Mind's Desire bleibt zu Hause und ich spiele Lava Spike auf den Kopf. Der Spaß kommt dann automatisch beim Gewinnen.

Einer meiner Grundsätze für Constructed-Turniere lautet:

-Grundsatz
„Ich versuche mir gegenüber meinem Gegner einen unfairen Vorteil zu verschaffen, indem ich ein besseres Deck spiele als er!“

Wer gewinnen will, sollte sich diese Einstellung zu Eigen machen.

_
2. When something smells fishy, it's probably fish!
_

Bei der Deck- und Kartenwahl für ein Constructed-Turnier habe ich schon mehrfach den Fehler gemacht, um zu viele Ecken zu denken. Man könnte sich bei der Einschätzung eines Metagames zum Beispiel Folgendes denken: „Bei den letzten Turnieren waren monoblaue Controldecks mit Abstand am erfolgreichsten. Da monorotes Aggro die beste Strategie ist, dagegen zu gewinnen, werden das jetzt sicherlich viele spielen. Also spiele ich Rock, weil das sehr gut ist gegen Monorot.“ Dann kommt man auf das Turnier und wird ein ums andere mal von Monoblau Control besiegt. Die Leute haben einfach die Top8-Decklisten von den letzten Events kopiert.

Ein anderes Beispiel: Zur Zeit der Deutschen Meisterschaft 2005 war Tooth and Nail eines der beliebtesten Decks. Ich spielte Monoblau Control, was nach dem Boarden bekanntermaßen den Twincast-Sideboardplan gegen T & N hatte. Wenn der T & N-Spieler nach dem Boarden das Tooth and Nail ausspielte und der Blauspieler Twincast auf der Hand hatte, hatte letzterer gewonnen, noch bevor Tooth and Nail resolvete. Das konnte man als T & N-Spieler nicht riskieren, also boardete man Tooth and Nail raus und nahm stattdessen einen Kreaturenplan mit Troll Ascetic & Co herein.

Nun dachte ich mir, ich wäre besonders schlau, wenn ich mir die Sideboardslots für den Twincast-Plan spare, weil die T & N-Spieler ja eh den Kreaturenplan reinboarden, und hab stattdessen lieber etwas, was gegen ebendiesen Kreaturenplan gut ist. Nun spielte ich also erste Runde gegen T & N, verlor das erste Spiel und boardete wie geplant den Anti-Anti-Antiplan. Und was tat mein Gegner? Er tappte ohne mit der Wimper zu zucken neun Mana, spielte Tooth and Nail mit Entwine und ich war tot. Er kannte den Twincast-Plan nicht einmal.

Und die Moral von der Geschicht?

-Moral
Erwartet nicht zu viel von euren Gegnern und denkt nicht um zu viele Ecken. Denn entweder machen eure Gegner sowieso genau das, worauf sie Lust haben und halten sich überhaupt nicht an allgemein bekannte Weisheiten bzw. richten sich nicht nach dem aktuellen Metagame, oder sie tun einfach das Offensichtliche.

Und lasst mich betonen, das Offensichtliche zu tun ist meistens gar keine so schlechte Idee!

Wenn ihr also versucht, das Metagame eines anstehenden Constructed-Turniers vorherzusagen, dann erwartet in erster Linie das Offensichtliche.


_
3. Deckbau und Sideboarden
_

In den meisten Artikeln, in denen ein Deck vorgestellt wird, ist für jede Karte des Decks eine Erklärung angegeben und ein Grund, warum sie im Deck ist. Daran ist im Prinzip nichts auszusetzten, was jedoch meistens gar nicht erwähnt wird, sind die Karten, die es nicht ins Deck geschafft haben. Das finde ich schade, denn meiner Meinung nach ist es oftmals viel interessanter und aufschlussreicher, sich zu überlegen warum Karte x nicht im Deck ist als warum Karte y drin ist. Wenn ihr ein Deck baut, vergesst also nicht darüber nachzudenken, warum ihr bestimmte Karten nicht spielt.

-Eine gute Liste
Wenn ihr nicht nur für jede Karte des Decks, sondern auch für jede Karte, die nicht im Deck ist, eine gute Begründung habt, dann habt ihr höchstwahrscheinlich eine gute Liste.


Ein ähnlicher Gedankengang ist beim Sideboarden anzuwenden. Es reicht nicht, sich zu überlegen, welche Karten man in welchem Matchup reinboarden will, man muss ebenso genau wissen, welche Karten man rausboarden will.

-Sideboard
Wenn ihr in einem bestimmten Matchup viele Karten rausboarden wollt, braucht ihr auch viele, die ihr dafür reinnehmen könnt. Wenn ihr jedoch gar nichts rausboarden wollt, dann gibt es für die Sideboardslots sicher eine bessere Verwendung.


_
4. Mulligans
_

Ich erwähne diesen Punkt nur, weil er wichtig ist, nicht weil ich so viel zu sagen hätte, was noch nicht gesagt wurde. Über dieses Thema könnte man locker einen eigenen Artikel schreiben und da das auch schon mehrfach gemacht wurde, muss ich hier nicht alles wiederholen. Nur Folgendes möchte ich anmerken: Ich habe den Eindruck, dass viele Spieler sich bei Mulliganentscheidungen die falsche Frage stellen.

Die richtige Frage lautet nicht „Habe ich Länder und Spells?“ und auch nicht „Kann ich von meiner Hand irgendetwas ausspielen?“

-Die richtige Frage lautet:
„Geben mir (x-1) zufällig ausgewählte Karten meines Decks als Starthand eine bessere Chance auf den Sieg als die x, die ich gerade habe oder nicht?“

Dabei ist es auch völlig irrelevant, ob man 1-0 führt oder hinten liegt, oder wie viele Runden man noch gewinnen muss – die Frage ist immer die gleiche.

_
5. Onboard-Tricks
_

Zwischendurch vielleicht mal etwas relativ Triviales, was deswegen aber nicht weniger wichtig ist. Wahrscheinlich ist es jedem von uns schon einmal passiert, dass man einen Effekt oder eine Interaktion, die eigentlich für alle sichtbar auf dem Tisch liegt, übersehen hat, und deswegen einen Fehler begangen hat. Man ist in einen so genannten Onboard-Trick gelaufen. Das ist natürlich ärgerlich und lässt sich vor allem vermeiden.

Mein Ratschlag dafür, den ich auch selbst befolge (obwohl ich mich ständig wieder selbst daran erinnern muss) ist, dass man sich in jedem Zug bewusst ein paar Sekunden Zeit dafür nimmt, die Karten, die auf dem Board liegen, anzugucken und dabei speziell darauf achtet, welche mehr oder weniger offensichtlichen Interaktionen zwischen diesen Karten bestehen. Sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber wenn es so selbstverständlich ist, wieso werden solche Fehler dann so häufig gemacht?

Neulich hat ein Gegner innerhalb eines Spiels doch glatt dreimal probiert, die selbe Toughness-2-Kreatur dadurch zu töten, dass er ihr zwei Schaden zufügte, obwohl ich einen Kithkin Healer im Spiel hatte. Ich konnte dreimal den selben Healer tappen, um einen Schaden zu verhindern und meine Kreatur zu retten. So etwas sollte wirklich nicht passieren.

-Trivial, aber wichtig!
Zwingt euch zu ein bisschen Disziplin und haltet die Augen offen.


_
6. Fehler
_

Auch den besten Spielern unterlaufen manchmal Fehler. Man versucht sie zu vermeiden, aber ab und zu schleicht sich eben doch mal einer ein. Wenn man einen Fehler gemacht hat, kann man allerdings auf unterschiedliche Weise damit umgehen. Man kann sich darüber zu Tode ärgern, sich ohrfeigen und beschimpfen, aber rückgängig machen wird das den Fehler nicht. Man kann stattdessen auch konzentriert weiterspielen und weiterhin mit aller Kraft versuchen, Fehler zu vermeiden. Obwohl letzteres offensichtlich die bessere Methode ist, sehe ich Spieler doch meistens auf erstere Art reagieren. Allzu oft hat das dann zur Folge, dass die Konzentration im Eimer ist und der nächste Fehler nicht lange auf sich warten lässt.

Hier ein Beispiel: Ich spielte in Extended mit einem Rock-Deck gegen ein Urzatron-Controldeck und hatte ordentlich Druck auf dem Tisch. Mein Gegner hatte nur noch wenig Zeit, Antworten zu finden, sonst war es um ihn geschehen. Ich spielte ziemlich irrelevante Birds of Paradise und mein Gegner reagierte mit Condescend. Das fand ich eine vernünftige Entscheidung aus seiner Sicht, nicht weil der Bird verhindert werden musste, sondern viel mehr wegen dem Scry, das bei der Suche nach dringend benötigten Antworten half. Nun hatte er aber den anderen Bird, den ich bereits im Spiel hatte, übersehen und deswegen bei dem Condescend das um eins zu niedrig gewählt, so dass ich es einfach bezahlen konnte, was ich dann auch tat. Über seinen Fehler war er so verärgert, dass er kopfschüttelnd mit der Faust auf den Tisch hieb, im ganzen Gesicht rot anlief und sich selbst beschimpfte. Und er vergaß dabei zu scryen. Das war viel schlimmer als der ursprüngliche Fehler.

-Der eigentliche Fehler
Der eigentliche Fehler war hier also, sich durch den ersten Fehler so aus der Bahn werfen zu lassen, dass gleich noch einer gemacht wurde. Und das lässt sich vermeiden. Wenn ihr also das nächste mal in die Situation kommt, dass ihr einen Fehler gemacht habt, denkt an das Beispiel von eben und verliert nicht die Kontrolle. Fehler passieren jedem! Wichtig ist es nur, danach konzentriert weiterzuspielen und darauf zu achten, nicht noch mehr Fehler zu machen.

Übrigens gilt der Spruch „Aus Fehlern wird man klug!“ natürlich ebenfalls bei Magic. Einen Fehler, den man bereits einmal begangen hat, wiederholt man hoffentlich nicht. Dabei ist es aber nicht erforderlich alle Fehler selbst zu machen. Das kann man getrost anderen überlassen. Also haltet die Augen offen. Wenn ihr seht wie jemand einen Fehler macht, speichert die Situation und die Fehlerquelle ab und wenn ihr selber in die Situation kommt, wisst ihr worauf ihr achten müsst.

_
7. Nehmt dem Gegner seine Arbeit nicht ab
_

Wie oft wurdet ihr schon gefragt „Wie groß ist dein Tarmogoyf?“ Oder „Wie viel Mana hast du offen?“ Ihr seid (oberhalb von Rules Enforcement Level – Regular; also bei GPTs, PTQs, GPs oder auch National-Qualifier-Turnieren) nicht dazu verpflichtet, auf solche Fragen eine Antwort zu geben (lügen dürft ihr aber auch nicht). Euer Gegner sollte selber zählen können. Und wenn er übersieht, dass Nameless Inversion Tribal ist, oder dass das Urzatron ja noch gar nicht komplett ist, umso besser. Daraus habt ihr bestimmt einen Vorteil.

Wenn ihr merkt, dass euer Gegner sich bei dem Tarmogoyf verzählt hat, steht es euch offen, dies auszunutzen, indem ihr ihn nicht auf schlechte Entscheidungen hinweist, bevor er sie gemacht hat. Ein falsches Lifetotal aufschreiben, oder zulassen dass eine Kreatur in den Friedhof gelegt wird, die eigentlich noch leben müsste, dürft ihr natürlich nicht.

Aber dem Gegner dabei helfen, Fehler zu vermeiden, solltet ihr auf keinen Fall.

-Im Gegenteil:
Gebt euren Gegnern so viele Möglichkeiten Fehler zu machen, wie ihr könnt.

Irgendwann wird einer sie mal nutzen und dann habt ihr einen Vorteil davon.

_
8. Respekt und Ehrfurcht
_

Als ich noch recht frisch und, was das Turnier spielen angeht, recht unerfahren war, ergab es sich bei den wöchentlichen Drafts in unserem Local Store in Hamburg öfters mal, dass ich gegen Kai Budde spielen musste. Nun wissen wir alle, dass Kai ein sehr guter Spieler war und ist. Um eine Chance zu haben, ihn zu besiegen, musste ich also unbedingt mein Bestes geben und wenn möglich besser spielen als gegen jeden anderen Gegner.

Tatsächlich tat ich aber genau das Gegenteil. Ich spielte so schlecht wie sonst nie, machte einen Fehler nach dem anderen und verlor dementsprechend regelmäßig. Warum? Ich hatte zu viel Ehrfurcht vor dem, was er schon alles erreicht hatte, und ließ mich zum einen durch seinen Namen einschüchtern, zum anderen auch durch seine selbstbewusste und zielsichere Art zu spielen.

Inzwischen sitze ich oft auf der anderen Seite des Tisches und spiele gegen Gegner, deren Namen ich noch nie gehört habe, die aber deutlich werden lassen, dass sie meinen Namen durchaus schon mal gehört haben und mit dem Schicksal hadern, das sie ausgerechnet gegen mich gelost hat. Ähnliches läuft auf Grand Prix ab, wenn Gegner mich nach meinem Rating fragen oder woher ich meine drei Byes habe und man direkt zusehen kann, wie sie auf ihrem Stuhl ein Stück kleiner werden.

Ich bin der Meinung, dass mir eine solche Einstellung einen psychologischen Vorteil verschafft, oder besser gesagt meinem Gegner einen psychologischen Nachteil, der sich auch auf sein Spiel auswirkt.
Wer nicht daran
glaubt, gewinnen
zu können, der wird
auch nicht
gewinnen...!

Das muss aber nicht sein. Wenn ihr also einem vermeintlich stärkeren Spieler gegenübersitzt, müsst ihr euch von dieser Einstellung befreien. Respekt ist okay, aber so was wie Ehrfurcht ist hier fehl am Platz. Stattdessen sollte eure Einstellung eher in die Richtung „Es gibt zwei Spieler, davon wird einer gewinnen, also 50%.“ gehen. Schaden kann euch das sicher nicht und dass ihr eine gute Chance habt zu gewinnen, ist eigentlich fast immer eine Tatsache. Selbstbewusstsein ist gefragt. Wer nicht daran glaubt, gewinnen zu können, der wird auch nicht gewinnen!

Entsprechend ist aber auch Vorsicht geboten, wenn ihr gegen vermeintlich schwächere Spieler spielt. Bloß nicht übermütig werden, denn das führt zu Nachlässigkeit und Fehlern. Wenn ein Gegner eine auf den ersten Blick undurchsichtige Aktion macht, solltet ihr nicht denken „Mein Gott, ist der schlecht!“, sondern lieber nach einem vernünftigen Grund suchen, der sein Verhalten erklären könnte. Oftmals gibt es den dann auch. Verliert also nicht den Respekt vor eurem Gegner. Meistens wird es einen anderen Grund als völlige Unfähigkeit geben für das, was er tut.

-Zusammengefasst:
Respekt – ja (und zwar vor allen Gegnern gleichermaßen)

Ehrfurcht – nein


_
9. Spielt euer Spiel, nicht das des Gegners
_

Verschiedene Typen von Menschen haben auch eine unterschiedliche Arten, Magic zu spielen. Dabei denke ich unter anderem an Geschwindigkeit und wie viel nebenher geredet wird. Ich selber gehöre eher zum langsamen Typ. Oft brauche ich einen Moment länger eine Boardsituation vollständig zu durchschauen als mein Gegner. Wenn ich nun gegen jemanden spiele, der wesentlich schneller ist als ich, ist es für mich wichtig, mich nicht an sein Tempo anzupassen, da es mir sonst zu leicht passiert, dass ich etwas übersehe. Wenn er sich dadurch aus der Ruhe bringen lässt, umso besser. Das soll übrigens kein Aufruf zum Stallen sein! Mit der Uhr im Blick zu spielen, ist eine wichtige Fähigkeit, die ich mir mühsam antrainieren musste. Von einem Unentschieden profitiert meistens keiner.

Gleiches gilt für die Unterhaltung neben dem Spiel. Wenn es euch schwerfällt, euch gleichzeitig auf das Spiel und auf ein Gespräch zu konzentrieren, dann haltet doch in Gottes Namen einfach den Mund. Ihr solltet euch nicht dazu verpflichtet fühlen, auf die Fragen eures Gegners (die nicht das Spiel betreffen) zu antworten. Und wenn ihr in der Feature Match Area Olivier Ruel gegenüber sitzt, 100 Leute um euch herum stehen und Olivier für die Zuschauer einen Witz nach dem anderen reißt: wenn ihr wie ich eher der ruhigere Typ seid, dann lasst euch nicht darauf ein. Seid langweilig, konzentriert euch auf das Spiel und gewinnt.

-Know thyself!
Versucht nicht zu sein, wer ihr nicht seid – euer Spiel würde darunter leiden!


_
10. Trashtalk
_

Es herrscht die allgemeine Meinung, dass man sich einen Vorteil verschaffen kann, indem man seinen Gegner mit Trashtalk in Grund und Boden redet. Man will ihn ablenken und dadurch Fehler provozieren. Tatsächlich stimmt das nur teilweise. Unter den Tisch gekehrt wird meistens die Tatsache, dass man sich selbst dabei auch ablenkt. Es stellt sich also die Frage, wer mehr von der beiderseitigen Ablenkung profitiert. Zum einen hängt das sicherlich davon ab, was für ein Typ Mensch ihr und euer Gegner seid, wie schon im vorigen Punkt besprochen, und wie gut ihr multitaskingfähig seid.

Etwas verallgemeinert bin ich aber folgender Meinung:

-Meinung
Immer derjenige profitiert von Trashtalk, der eh schon der bessere Spieler ist – völlig unabhängig davon, wer für den Trashtalk letztlich verantwortlich ist! Die Kluft zwischen den Spielern wird lediglich vergrößert.

Wenn ihr also gut trashtalken könnt und meint, gegen einen schwächeren Spieler zu spielen, dann labert los. Wenn ihr aber meint, gegen einen stärkeren Spieler zu spielen, seid lieber still und konzentriert euch auf das Spiel.

_
11. Bluffen und Risikobereitschaft
_

Anders als zum Beispiel Schach ist Magic ein Spiel der unvollständigen Informationen. Ein wichtiger Teilaspekt davon ist zum Beispiel, dass man oft nicht weiß, ob der Gegner einen Combattrick in der Hand hat oder nicht und dass der Gegner ebenso wenig weiß, ob man selber einen hat. Bestimmt hat jeder von euch schon mal so etwas gemacht, wie mit einer 2/2-Kreatur in eine 3/3-Kreatur anzugreifen und damit so zu tun, als ob man einen Trick hat, was aber in Wirklichkeit gar nicht der Fall war. In diesem Fall hofft man natürlich, dass der Gegner nicht blockt. Manchmal tut er es aber doch. Die Frage ist, kann man irgendwie voraussagen, ob der Gegner blocken wird oder nicht? Ich habe den Eindruck, dass viele Spieler darüber gar nicht nachdenken und stattdessen einfach nur hoffen, dass es gut endet. Das ist natürlich keine gute Herangehensweise.

-Besser:
Besser ist es, zu versuchen, die Situation einmal aus der Sicht des Gegners zu sehen. Was sind aus seiner Sicht die Risiken? Was könnte er gewinnen und was verlieren und wie hoch wird er die Wahrscheinlichkeiten für diese beiden Fälle einschätzen. Wenn man sich das überlegt, sollte man zu einer besseren Einschätzung gelangen, ob so ein Bluff überhaupt das Risiko wert ist. Zu beachten ist dabei auch, dass man die Entscheidungen von besseren Spielern hierbei leichter vorhersagen kann. Sie werden ein "risk/reward ratio" berechnen und danach entscheiden, was sie machen. Bei schlechteren Spielern fallen solche Entscheidungen öfter mal relativ willkürlich oder aus dem Bauch heraus.

-Philosophie
Eine weitere Philosophie, an die ich mich halte, besagt dass man höhere Risikobereitschaft zeigen sollte, wenn man in einer schlechten Position ist, und niedrigere, wenn man in einer guten Position ist. Wenn es schlecht aussieht, muss etwas passieren, um die Situation zu verbessern, denn wenn nichts passiert, bleibt sie ja schlecht und man verliert. Oftmals kann man eine Verbesserung nur durch eine Aktion herbeiführen, die mit einem Risiko verbunden ist. Wenn es schiefgeht, hat man das Spiel verloren, aber wenn es gutgeht, ist man aus dem Loch heraus und kann das Spiel wieder gewinnen. Wenn man umgekehrt allerdings eh schon in einer guten Position ist, ist es meistens eine gute Idee, eine kleinere Verschlechterung hinzunehmen, um nicht eine große Verschlechterung zu riskieren. Hier muss kein Risiko eingegangen werden.

Hier noch ein kleiner Mindgame-Trick, der bei mir immer gut klappt: In einer ähnlichen Situation wie oben angesprochen, in der es darum geht, ob der Gegner blockt oder nicht kann man versuchen die Entscheidung des Gegners zu beeinflussen. Besonders gut funktioniert das, wenn man tatsächlich will, dass der Gegner blockt, sei es weil man einen guten Combattrick hat oder aus einem anderen Grund. Dann greift man einfach sehr schnell an und tut so, als ob es schon beschlossene Sache ist, dass der Gegner nicht blockt, indem man sofort den Stift zur Hand nimmt und ihm eine entsprechende Anzahl Leben abzieht. Er fühlt sich dann oft überrumpelt und denkt vielleicht, dass man will, dass er nicht blockt. Oft trifft er dann die Entscheidung zu blocken sehr schnell und ohne groß darüber nachzudenken, weil er das Gefühl hat, die für ihn getroffene Entscheidung nicht zu blocken durch Zögern oder Abwarten zu akzeptieren. Funktioniert immer wieder sehr gut, auch gegen erfahrene Pro-Tour-Spieler.



So, das war's, was ich an allgemeineren Dingen habe, alles weitere wird dann zu speziell für diesen Artikel. Ich hoffe ihr konntet etwas damit anfangen. Lernen besser zu werden, müsst ihr natürlich selbst, aber vielleicht konnte ich euch etwas helfen, die eine oder andere Situation etwas bewusster anzugehen.

Es gibt kein Wundermittel und auch wenn ihr alles richtigmacht, wird es immer wieder vorkommen, dass ihr verliert. Alles, was ihr tun könnt, ist mit jeder Entscheidung, die ihr trefft, ein paar Prozentpunkte der Gewinnwahrscheinlichkeit auf eure Seite zu ziehen. Wenn euch dieser Artikel dabei hilft, hat er seinen Zweck erfüllt.

Jan Ruess
-------gggggggggggggggg--------------